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2. Bewegende Sehnsucht
ОглавлениеDie Urkraft, die den Menschen in Bewegung bringt, ist die Sehnsucht. Wir ahnen und spüren, dass es mehr gibt als das, was auf der Hand liegt, was zählbar und messbar ist. Wir suchen nach Sinn und Deutung für unser Leben, nach Antwort auf die Fragen nach dem Woher und Wohin über die Grenzen unserer bewussten Erfahrung hinaus. In den Symbolen vieler Märchen und Legenden kommt diese Sehnsucht nach dem »springenden Punkt«, der »Weltformel«, dem »archimedischen Punkt« zur Sprache: Gesucht wird das innerste Prinzip, das alles erklärt, bewegt und erfüllt. Da ist die »blaue Blume« der Romantik als Sinnbild erfüllter Sehnsucht, der »Heilige Gral«, der Erlösung und Heilung gewährt, der »Name«, dessen Kenntnis Macht über den Genannten verleiht wie im Märchen vom Rumpelstilzchen. Es gibt das »Schlaraffenland« und den »Goldesel« und manche andere Symbole, die unsere Träume vom sorglosen, heilen und erfüllten Leben ausdrücken.
Ob sich wohl auch daher die Faszination erklärt, die von den phantastischen Geschichten von Harry Potter ausgeht? Offenbar ist es der Autorin, Joanne K. Rowling, gelungen, Urbilder von Angst und Hoffnung, von Sehnsucht nach heilem Leben in ihren Romanen zum Sprechen zu bringen. Das »Lebenselixier«, der »Stein der Weisen«, dessen Berührung alles zu Gold macht, die Tarnkappe und die Macht der Zauberworte und schließlich der scheinbar aussichtslose Kampf gegen das Böse und der abschließende Sieg des Guten gehören dahin.
Nach christlicher Überzeugung sind solche Bilder der Sehnsucht nicht unerfüllbare Wunschträume, die über die unerbittliche Härte der Realität von Schuld und Scheitern, von Not und Tod hinwegtäuschen, sondern sie sind gewissermaßen Reflexe der noch verborgenen Wirklichkeit, Andeutungen dessen, »was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört, was Gott denen bereitet, die ihn lieben« (vgl. 1 Kor 2,9).