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Kapitel 1 Blitz und Donner
ОглавлениеKAROOOSCHA! Bei meinem Lieblingsknochen, dieses Gewitter hat es wirklich in sich. Es stürmt und pfeift, es blitzt und zuckt, es scheppert und kracht nur so am Himmel.
Zum Glück befinde ich mich in meinem kuscheligen Körbchen, das ich mir mit meiner Schwester Pauline und meinem Bruder Pepe teile.
Im Gegensatz zu den beiden, die bei jedem Blitz und Donnerknall zusammenzucken, bin ich toootal gelassen. Geradezu relaxt.
„Pauline, Pepe, jetzt entspannt euch doch mal“, motze ich meine schreckhaften Geschwister an. „Ich möchte mich noch ’ne Runde ins Dackelparadies träumen. Aber bei eurem Gezucke und Gejaule ist das echt nicht möglich.“
„Wuuuhuuuwuuu …“, winselt Pauline beleidigt. „Ich-ich ha-ha-be a-aber A-A-Angst!“
„Nun sei doch nicht so grob zu unserer kleinen Schwester“, hechelt Pepe mich vorwurfsvoll an. „Sie ist eben etwas sensibel. Und ich mag es nun mal nicht, wenn es in meinem Trommelfell so scheppert. Ich bin sehr empfindsam.“
SENSIBEL? EMPFINDSAM? Hallo?
„Darf ich euch vielleicht daran erinnern, dass wir erstklassige und vor allem reinrassige Jagdhunde sind?!“, ermahne ich die zwei. „Und als Jagdhund hat man gefälligst SCHUSSFEST zu sein. Denn Jagdhunde gehen auf die Jagd, und da wird bekanntlich geschossen!“
„Ich kann doch nichts dafür, dass ich Angst habe“, jault Pauline nun noch lauter. „Anders wäre es mir auch lieber … uuuuhhh …“
„Und meine Ohren sind …“
Die Tür fliegt auf, und Manfred von Ottersbach kommt ins Zimmer gestampft.
Feuriger Fuchsschwanz, jetzt kriegen meine Geschwister bestimmt Schimpfe. Winseln und Jaulen, nö, das kann unser Herrchen überhaupt nicht leiden. Und erst recht nicht wegen einem kleinen Gewitterchen. Arme Pauline, armer Pepe, jetzt tun sie mir doch ein bisschen leid.
„Na, wer jault denn da so herzzerreißend? Ist das etwa die kleine Pauline-Mausi, hm …?!“
Äh … hab ich mich gerade verhört?
Unser Herrchen beugt sich übers Körbchen und fischt Pauline heraus, die sich zwischen Pepe und mich gekuschelt hat. Mit sonderbarem Gesichtsausdruck drückt er sie an seine breite Brust, während Pepe schlagartig verstummt ist.
„Spätzchen, oje, wie dein kleines Herzchen bummert. Aber sei ganz beruhigt, dir passiert nichts. Ich passe auf dich auf.“
Pepe und ich schauen uns verdutzt an – und dann gleich noch verwunderter, als unser Herrchen ein Hundeleckerli aus seiner Westentasche hervorkramt und es Pauline vor die Schnauze hält.
Eben noch vor Angst gezittert und das Gutshaus im Duett mit Pepe zusammengejault, schnappt sie nun herzhaft zu und kaut genussvoll.
„So ist’s fein, mein Engelchen, das schmeckt dir, nicht wahr?“
Natürlich schmeckt ihr das. Und nicht nur ihr. Mir läuft direkt das Wasser im Maul zusammen.
„Fiep-winsel-fiep“, mache ich so ängstlich, wie es einem eigentlich völlig unerschrockenen Rauhaardackel nur möglich ist. „Uhuuuuuuhu …“
„Du bist dir auch für nichts zu schade, was?“, stänkert Pepe mich an.
Unschuldig zucke ich mit den Schultern. „Was meinst du damit, Pepe? Ich fürchte mich vor dem Gewitter genauso wie ihr beide.“
Pepe schüttelt den Kopf, doch davon lasse ich mich bestimmt nicht abhalten. Ich tapse aus dem Körbchen und springe mit treuherzigem Blick am Feincordhosenbein unseres Herrchens hoch.
Nun komm schon, gib mir auch ein Leckerli! Dann höre ich auch sofort zu jaulen auf! Großes Dackel-Ehrenwort.
„Nun lass das mal, Paul“, brummt Manfred genervt und schüttelt mich – unerhört – von seinem Bein ab. „Geh zurück ins Körbchen und jaul hier nicht so herum! So benimmt sich doch kein angehender Jagdhund!“
Wie bitte? Aber wenn Pauline es macht, dann nennt er sie Mausi und Spätzchen und kriegt ’nen ganz rührseligen Gesichtsausdruck. Wie ungerecht ist das denn?!
Gerade will ich so riiichtig zwanzig-Wochen-alter-Dackel-verzweifelt losjaulen, da fliegt die Tür schon wieder auf. Diesmal ist es Constanze von Ottersbach.
„Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finde, Manfred“, sagt sie und wirft ihrem Mann einen vorwurfsvollen Bick zu. „Hast du dich jetzt wenigstens entschieden?“
Herrchen zuckt mit den breiten Schultern. „Es fällt mir wirklich nicht so leicht, Conzi“, sagt er und klingt dabei irgendwie gequält.
Frauchen verschränkt die Arme vor der Brust und schiebt ihre Unterlippe vor. „Nein, Manfred, fang jetzt bitte nicht schon wieder so an. Wir haben vereinbart, dass du zwei Hundewelpen aus Blankas Wurf behältst und nicht drei. Vier Hunde, das geht wirklich nicht. Da mache ich nicht mit!“
„Ja, sicherlich hatten wir das so besprochen“, räumt Herrchen Manfred unglücklich ein, während er Pauline ein weiteres Leckerli hinhält. „Aber Blanka kommt langsam in die Jahre und liegt am liebsten im Wohnzimmer vor dem Kamin, was ich ihr von Herzen gönne. Das hat sie sich verdient und ich …“
„SCHLUSS JETZT!“, fällt Frauchen Herrchen mit schriller Stimme ins Wort. „Entweder triffst du jetzt eine Entscheidung, oder ich mache das!“
Herrchen Manfred starrt von Pepe zu mir, von mir zu Pepe, von Pepe zu mir … Seine Augen schwimmen nun in Tränen, und mir wird plötzlich ganz heiß und gleichzeitig bitterkalt zumute.
„Hast du das gehört, Paul?“, krächzt Pepe neben mir. „Einer von uns soll … soll gehen. Aber wohin?“
Ich kann nichts sagen. Nicht einmal mehr um ein Leckerli betteln.
Pauline presst sich noch enger an Herrchen heran und schleckt ihm unterwürfig die Hände.
Verflixter Pansen, unsere jüngste Schwester kämpfte eindeutig mit unfairen Mitteln. So ein Hundeluder!
„Die kleine Pauline behalte ich auf jeden Fall“, verkündet Herrchen nun auch prompt – woraufhin Pauline zweimal hintereinander erleichtert „Wuff! Wuff!“ macht.
„Und bei den Rüden habe ich eigentlich auch schon eine Entscheidung getroffen.“
Ich werfe mich ordentlich in die Brust. Okay, Pepe tut mir schon etwas leid. Schließlich haben wir von Mama gehört, wie so was abläuft. Tausend Leute werden vorbeikommen, den armen Pepe von allen Seiten betrachten, hin und her überlegen und dann versuchen, mit Herrchen Manfred ordentlich um den Preis zu feilschen.
Schön ist das nicht!
Aber ich bin mir sicher, dass Herrchen Pepe nur in die allerbesten Hände abgeben wird.
„Pauline ist etwas ängstlich, da muss ich noch viel Arbeit investieren“, erklärt Herrchen seinem und unserem Frauchen. „Deshalb muss der Rüde auf jeden Fall unkomplizierter sein. Und vor allem unerschrocken.“
Bin ich. Total! Passt also!
„Nun ist es so, dass Paul zwar der hübschere von den beiden jungen Rüden ist, aber leider, leider ist er nicht schussfest!“
Wie bitte? Natürlich bin ich schussfest! Ich bin sogar der Einzige hier, der schussfest ist. Kein Dackel auf der Welt kann so schussfest sein wie ich. Ich könnte locker auf einer Kiste mit Knallerbsen sitzen, die alle auf einmal losknallen, und würde nicht mit der kleinsten Dackelwimper zucken.
„Darum habe ich mich für Pepe entschieden!“
Ich bekomme einen Hechelanfall, während Pepe aus dem Körbchen springt und sich dankbar und schwer erleichtert an Herrchens Bein schmiegt.
„Tut mir leid, Bruderherz, aber ich bin mir sicher, du bekommst ein ganz tolles neues Frauchen oder Herrchen. Vielleicht bleibst du ja hier in der Nähe, und dann können wir uns regelmäßig sehen. Würde Mama bestimmt auch freuen.“
SCHLEIMER!
Aber noch ist die Sache nicht entschieden. Noch wittere ich meine Chance. Kampflos räumt ein Paul von Ottersbach bestimmt nicht das Feld!