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Kapitel 3 Familienbande
ОглавлениеAm darauffolgenden Wochenende tauchen erneut Interessenten auf, wie mein Noch-Herrchen sie nennt. Diesmal sind es ganz schön viele: Mutter, Vater und zwei Kinder. Uaaah! Bloß nicht. Kinder sind ja so gar nichts für mich. Und die beiden hier erst recht nicht, denn sie sehen total frech und wild aus. So richtig rotzig.
„Wir haben lange überlegt, was für eine Rasse zu uns passen könnte“, sagt die Mutter, eine blonde Frau mit lustigen Sommersprossen. „Eigentlich ist ja der Golden Retriever der perfekte Familienhund. Aber der war uns einfach zu groß. Unsere Wohnung ist zwar schön geräumig, und wir wohnen auch im Erdgeschoss mit kleinem Gartenanteil und Blick auf den Park. Aber wir reisen viel, und da dachten wir, so ein kleiner Hund wäre einfach praktischer.“
Praktischer? Habe ich das gerade richtig verstanden? Die wollen mich haben, weil ich so schön praktisch bin. Unerhört! Ich glaub, bei denen piept’s!
„Der Kofferraum ist immer mit allen möglichen Dingen voll, und für einen großen Hund ist dann nur noch wenig Platz vorhanden“, fügt der Vater, der dunkle Locken und blaue Augen hat, hinzu.
Wie jetzt, ich soll zu allen möglichen Dingen in den Kofferraum gesperrt werden? Niemals! Das können die mal getrost vergessen.
„Ja, da gebe ich Ihnen recht, ein kleiner Hund ist wirklich leichter zu verstauen“, sagt nun auch noch mein Noch-Herrchen.
VERRÄTER!
„Was sagt ihr denn zu ihm, Bille und Fips?“, fragte die Mutter die beiden Kinder.
Bille und Fips. Herrje, die sehen auch schon aus wie so eine Bille und ein Fips.
„Ich finde seine krummen Beine süß“, sagt das Mädchen, das ebenso blond ist, aber noch viel mehr Sommersprossen als seine Mutter hat.
Krumme Beine? Wer hat hier bitte schön krumme Beine? Frechheit!
„Und du, Fips?“
Fips mustert mich eindringlich, wobei er die Hand ans Kinn legt und seinen Kopf mit den feuerroten Haaren leicht nach links neigt.
„Hm … ich weiß nicht. Kann man denn mit dem überhaupt so richtig spielen?“
Er geht vor mir in die Hocke. „Die Beine sind echt sehr kurz und krumm. Womöglich schafft der es damit nicht einmal um den Ententeich herum.“ Er streckt die Hand nach mir aus und tätschelt mir den Kopf. „Und das Fell ist auch nicht so fluffig und weich, wie bei den kleinen Labradorwelpen, die wir uns neulich angeguckt haben.“
Okay, was genug ist, das ist mehr als genug. Er will mich nicht, kein Problem, denn mir geht es ganz genauso.
Und damit er das auch kapiert – schnapp –, beiße ich ihm flugs in den Zeigefinger.
„Paul! Aus! Was soll das denn?“, schimpft mein Noch-Herrchen erbost.
Ich tue total unschuldig und drehe der Familie schon mal mein Hinterteil zu. Logisch geht jetzt nämlich das Geschimpfe und Gezeter los. Von wegen, was für ein fieser Beißer ich doch bin und dass ich ja absolut kein Hund für Kinder wäre und …
„Der gefällt mir, Mama und Papa, der ist lustig. Den will ich haben!“, höre ich Fips hinter mir lachen.
„Aber, Fips, er hat dich doch gerade gebissen“, staunt seine Mutter.
Doch Fips winkt großzügig ab. „Das tat nicht weh, und außerdem kann ich ihn gut verstehen, wir haben ja auch die ganze Zeit über ihn gelästert.“
„Hm …“, macht der Vater nachdenklich. „Mir gefällt er irgendwie auch. Er hat was. Ein echter Charakterdackel. Aber was denkst du denn nun, Bille? Schließlich habt ihr beide – du und Fips – euch einen Hund gewünscht. Dann muss er auch euch beiden gefallen.“
„Ich finde ihn richtig süß und möchte ihn wirklich gerne haben“, sagt Bille, und es hört sich so an, als sei das tatsächlich ihr Ernst.
Der Abschied von meinem alten Zuhause, Mama, meinen Geschwistern und meinem Ex-Frauchen und -Herrchen ist kurz und schmerzlos ausgefallen. Ein bisschen Nasenreiben, ein paar Mal Kopf tätscheln, und schon sitze ich auf dem Rücksitz der Familie Schwenke zwischen Bille und Fips.
Ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich will ich die Schwenkes doof finden. Doch Bille kann so herrlich kraulen, und Fips erzählt einen urkomischen Witz nach dem anderen – kurz: die Stimmung im Familienauto ist total gemütlich.
„Am besten wird es sein, wir fahren direkt zum Tiergeschäft und kaufen erst einmal ein Hundekörbchen, Halsband und Leine und Futter für Paul“, meint Doro Schwenke.
„Das hättet du und die Kinder ja eigentlich auch schon vorher mal besorgen können“, findet Torsten Schwenke.
Doro schaut ihn kopfschüttelnd von der Seite an. „Torsten, darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass wir nicht geplant haben, heute gleich mit einem Hund nach Hause zu kommen?“
„Stimmt“, gibt er zu. „Das war jetzt wirklich ziemlich spontan.“
Doro drehte sich auf dem Beifahrersitz nach hinten zu uns um. „Aber wenn ich mir die drei so angucke, Torsten, dann war es eine gute spontane Entscheidung. Ich glaube, Paul passt perfekt zu uns.“
„Paule!“, verbessert Fips seine Mama.
„Wie, Paule?“, wundert sich Doro.
Fips kneift das rechte Auge zusammen und betrachtet mich nachdenklich. „Ich finde, Paul sieht eher wie Paule aus. Außerdem klingt Paule viel cooler. Was sagst du, Bille?“
„Hm …“, macht Bille und mustert mich ähnlich wie ihr Bruder, nur ohne halb zugekniffenes Auge. „Paul heißt einer beim Tischtennis, und der ist knalldoof. Von daher, okay, lass uns Paul in Paule umtaufen.“
Äh … hallo?! Hab ich da vielleicht auch noch ein Wörtchen mitzureden? Bislang hat mir Paul von Ottersbach eigentlich gut gefallen. Paule von Ottersbach hingegen finde ich jetzt eher etwas … na ja, gewöhnungsbedürftig.
„Was meinst du, Paul?“, fragt Bille nun endlich auch mal mich und schenkt mir dabei einen zuckersüßen Blick. „Bist du damit einverstanden, dass wir dich zukünftig Paule nennen?“
Hm … wie sie mich anguckt. Verflixtes Hundeleckerli, dieser Blick. Zum Dahinschmelzen. Da bleibt mir quasi gar nichts anderes übrig, als leise zu wuffen.
„Habt ihr das gehört?!“, freut sich Bille begeistert. „Er hat mich verstanden und findet es klasse, dass er jetzt Paule heißt.“
Doro und Torsten Schwenke lachen amüsiert, und Fips meint: „Ich hab euch doch gesagt, Paule hat’s drauf. Der ist ’ne richtig coole Socke.“
Nun lachen alle vier Schwenkes, und ich stimme leise wuffend mit ein. Hmmm, nun ja, kann schon sein, dass ich es doch gar nicht mal so schlecht mit meiner neuen Familie getroffen hab. Scheinen alle miteinander ziemlich okay zu sein.
WUFF! WUFF!