Читать книгу Paule und Sneakers - Frauke Scheunemann - Страница 7
Kapitel 2 Mottenkugel-Alarm
ОглавлениеLästige Leberwurst! Drei Tage später stehen tatsächlich schon die ersten Interessenten im Hundezimmer. Ein älteres Ehepaar, das einen Nachfolger für seine geliebte Yorkshire-Terrier-Hündin Rubi-Lee sucht.
Ich armer Wicht hocke völlig einsam und verlassen im Körbchen, weil mein Noch-Herrchen Manfred zuvor Pauline und Pepe ins Wohnzimmer gebracht hat. Schließlich sollen meine eventuell neuen Besitzer sich ausschließlich auf mich konzentrieren und mit mir beschäftigen können.
Die Frau trägt einen karierten Blazer aus Schurwolle und riecht irgendwie nach Mottenkugeln. Ihr Mann hat eine glänzende Glatze, einen kugelrunden Bauch und eine dröhnende Stimme – beide finde ich auf Anhieb doof!
„Paul ist wirklich ein ganz braver kleiner Kerl, der bestimmt im Sturm ihre Herzen erobern wird“, preist mein Noch-Herrchen mich mit schleimiger Stimme an.
Verräter!
„Oh ja“, zwitschert die muffige Frau, „ein wirklich hübsches Kerlchen. Das muss man schon sagen. Sehr schick und so ein wohlgeformtes Köpfchen.“
Und auch ihrem glatzköpfigen Ehemann scheine ich leider ziemlich zu gefallen. „Ich habe mir ja schon eine halbe Ewigkeit einen Dackel gewünscht.“ Er reibt sich über seinen gewaltigen Wams und lacht scheppernd. „Zu so ’nem stattlichen Bauch passt einfach nur ein Dackel.“
Daraufhin verzieht seine Frau beleidigt das Gesicht. „Und was ist mit Rubi-Lee? Hat sie etwa nicht zu uns gepasst?“
„Doch, natürlich“, beeilt sich der Glatzkopf zu sagen. „Aber die Rubi-Lee war halt so ein zartes und feines Tierchen, da ist es doch nur logisch, dass sie immer viel besser an deiner Seite ausgesehen hat.“
„Ach Engelbert“, schnieft die Mottenkugel schwer gerührt und tupft sich mit der Spitze ihres blütenweißen Spitzentaschentuchs eine kleine Träne aus dem linken Augenwinkel. „Wie lieb du das gesagt hast.“ Sie beugt sich etwas vor, spitzt dabei die Lippen, und dann – oh du höllische Schuhsohle –, ich kann mir gerade noch die Pfote über die Augen schlagen, da höre ich sie auch schon knutschen.
Ih, pfui, igitt – wie grausam.
Nein, unmöglich kann ich die beiden Tag für Tag ertragen und schon mal gar nicht riechen.
„Und stubenrein ist er also schon?!“, zwitschert die Mottenkugel.
Mein Noch-Herrchen nickt. „Ja, natürlich. Schließlich ist er bereits zwanzig Wochen alt, und wir haben das quasi fast von Geburt an trainiert“, erklärt er nicht ohne Stolz.
„Sehr gut, denn das ist mir fast das Allerwichtigste“, freut sich die Mottenkugel. „Sie müssen wissen, wir haben uns gerade erst das komplette Haus vom Fachmann mit nagelneuer Auslegware ausstatten lassen. Alles in Hell und, wie Sie sich bestimmt denken können, sehr teuer und edel.“
Stubenrein? Ich? Nö, daran kann ich mich nicht erinnern. Echt nicht!
Ich tapse aus dem Körbchen, wedele dabei freudig mit dem Schwanz und hocke mich direkt vor die Schuhspitzen der beiden.
Zunächst schauen sie noch schwer begeistert auf mich runter. Doch dann verändert sich plötzlich ihr Gesichtsausdruck, als sie kapieren, dass ich gerade mein Geschäftchen verrichtete.
„Oh nein, was tut er denn da?“, schrillt die Mottenkugel hysterisch.
„Ich glaub’s ja wohl nicht, der macht einen Haufen. Direkt vor unsere Füße!“, poltert der Glatzkopf.
„Paul! Was soll das denn?“, ruft mein Noch-Herrchen aufgeregt. Er nimmt mich hoch, um mich schnell raus in den Garten zu tragen. „Ich schwöre es Ihnen“, ruft er über seine Schulter zurück ins Zimmer, „so etwas hat er noch nie getan. Das muss die Aufregung sein, weil er heute Besuch hat. Anders kann ich es mir nicht erklären.“
„Wenn Sie es sagen“, meint der Mann und klingt tatsächlich so, als ob er noch nicht genug von mir hätte. Als würde er durchaus noch überlegen. Also bleibt mir keine andere Wahl, als noch einen draufzusetzen.
„Uaah, Paul, spinnst du denn?“, flucht mein Noch-Herrchen, den ich gerade etwas nass gemacht habe. Selber schuld, Manfred. Wuff!
„Von wegen stubenrein! Komm Schatz, das ist kein Hund für uns!“, sagt die Mottenkugel und sucht kurz darauf mit ihrem glatzköpfigen Ehemann im Schlepptau das Weite.
Ich muss zur Strafe den restlichen Tag im Garten bleiben. Aber das nehme ich gerne in Kauf. Allemal besser, als die beiden als neues Frauchen und Herrchen zu bekommen.
Am nächsten Tag kommt eine junge Frau mich angucken. Sie ist sehr hübsch und riecht auch gut. Irgendwie nach Waldfrüchten und noch etwas anderem, was ich aber nicht so richtig zuordnen kann. Ihre Stimme klingt warm und weich, und ich denke schon, dass ich mich tatsächlich mit ihr als neues Frauchen anfreunden könnte.
Zumal ich inzwischen kaum noch ein Wort mit meinen Geschwistern wechsele, die wohl denken, sie wären was Besseres, weil sie bleiben dürfen und ich nicht. Was meine Mama betrifft, nun ja, die findet eh, dass Hundewelpen spätestens mit zwölf Wochen auf eigenen Pfötchen stehen können sollten.
Nun aber zurück zu der jungen Frau, die so nett aussieht und klingt und duftet – nur leider einen Dobermann namens Enzo hat. Da der arme Enzo so viel alleine zu Hause ist, weil sie wiederum so viel arbeiten muss, suchte sie nun einen Kumpel für Enzo-Schnucki.
So weit, so gut. Ich habe mir zwar schon vorgestellt, ihr alleiniger Liebling zu sein, aber immerhin bin ich kleiner und schon deshalb garantiert derjenige, der dann abends mit ihr auf dem Sofa kuschelt.
„Haben Sie denn den Enzo mitgebracht?“, will mein Noch-Herrchen Manfred von der netten jungen Frau erfahren.
„Oh ja, natürlich! Schließlich müssen die beiden Hunde sich ja auf Anhieb mögen“, meint sie mit samtiger Stimme.
„Wollen Sie ihn reinholen, oder sollen wir die beiden einfach mal im Garten sich miteinander bekannt machen lassen?“
„Vielleicht besser erst mal im Garten. Da haben sie mehr Platz, um gleich ein bisschen toben zu können“, entscheidet mein Fast-neues-Frauchen.
Ich bin wirklich besten Mutes und absolut gewillt, es mit der netten jungen Frau zu versuchen. Zumindest so lange, wie ich alleine auf der Terrasse sitze und erwartungsvoll auf das Gartentor starre. Doch dann öffnet es sich und Enzo erscheint auf der Bildfläche. Ein Muskelpaket durch und durch, das mich mit einem Blick mustert, der selbst die Sonne gefrieren lässt.
„Grrrrrr“, macht er drohend an meine Adresse gerichtet. Mehr nicht. Aber es reicht vollkommen, um klarzustellen: Vergiss es. Mein Frauchen bleibt mein Frauchen und wird mit niemandem geteilt!
Im nächsten Moment macht er einen Satz auf mich zu und will mich unter Garantie mit einem Happs schnappen. Das kann ich natürlich nicht kampflos über mich ergehen lassen und haue ihm mit voller Wucht meine sehr spitzen Hundemilchzähne direkt in die Nase.
„Wuuuuuuuuuuhhhhh“, jault die Kampfmaschine total übertrieben los. „Wuuuuuuhhhhuuu …“
„Oh nein, Enzo, was ist passiert?“, ruft die junge Frau erschrocken.
Ich atme erleichtert auf, finde es allerdings nicht so nett von ihr, dass sie sich ausschließlich um Enzo sorgt. Ich habe zwar keine äußerlichen Blessuren davongetragen, aber einen riesigen Schreck bekommen. Schließlich bin ich eben nur um Haaresbreite den gefährlichen Reißern eines echt unangenehmen Zeitgenossen entkommen.
„Er blutet. Verdammt, ihr angeblich so lieber Dackel hat meinen armen Enzo-Mausi in die Nase gebissen“, regt die junge Frau sich auf.
„Das verstehe ich nicht“, versucht mein Noch-Herrchen mich zu verteidigen. „So was hat Paul noch nie getan. Vielleicht hat er sich von ihrem Enzo bedroht gefühlt? Oder er wollte spielen und hat dabei einfach zu fest zugeschnappt. Er ist ja noch so jung und ungestüm.“
„Wissen Sie was“, schimpft die nun überhaupt nicht mehr nette Frau, „diesen Dackel können Sie behalten. Wenn der schon als Welpe so gemeingefährlich ist, wie soll das erst werden, wenn er ausgewachsen ist? Nein, so einen Beißer möchte ich bestimmt nicht haben!“
Dann ist sie weg, und mein Noch-Herrchen lässt mich mal wieder im Garten schmoren.
„Paul, denk mal darüber nach, ob es nicht vielleicht an dir liegt, dass dich einfach keiner haben will!“
Hm … nicht schön. Wirklich nicht.