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2.

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Um die Mittagszeit war die Hitze in Bombay kaum auszuhalten. Die Sonne stand senkrecht über der Schebecke und heizte sie mit aller Gewalt wie einen glühenden Ofen auf.

Der Monsunregen hatte zwar vor einiger Zeit eingesetzt, doch jetzt gab es eine knochentrockene Zwischenperiode, in der kein einziger Tropfen Regen fiel.

Bombay, von den Indern Mumbai genannt, schien um diese Zeit wie ausgestorben zu sein. Die Leute hielten sich im Schatten ihrer Häuser auf, und selbst in dem prächtigen Palast des Ischwar Singh regte sich nichts.

Auf der Reede lagen zwei portugiesische Galeonen und ein paar hundert Yards von der Schebecke entfernt eine portugiesische Karavelle.

Auf den Schiffen schien ebenfalls alles Leben ausgestorben zu sein.

Old O’Flynn und die Zwillinge waren schon einmal hiergewesen und hatten ein portugiesisches Schiff in Brand gesteckt, das sie unter Feuer genommen und ihren Zweimaster versenkt hatte.

Aber das wußte hier niemand, und außerdem kümmerten sich die Portus nicht um die Engländer, seit sie gemerkt hatten, daß sie unter dem persönlichen Schutz des Maharadschas standen.

Von Ischwar Singh hing alles ab, und keiner, der hier Handel trieb, wollte es mit ihm verderben. Dazu war das Geschäft zu lukrativ. Außerdem waren die meisten indischen Potentaten unberechenbar, und ihre Launen pflegten sehr schnell zu wechseln.

In dieser Hitze taten auch die Arwenacks nichts. Die meisten hockten faul und träge herum. Nur ein paar Unentwegte bummelten durch die menschenleeren Gassen von Bombay.

Arwenack hockte schlafend an Deck. Der Aracanga-Papagei Sir John hatte es ebenfalls vorgezogen, auf der Rahrute vor sich hinzudösen, und die Wolfshündin Plymmie lag hechelnd unter dem achteren Niedergang, wo sie im Schatten vor der sengenden Sonne Schutz suchte.

„Regnen müßte es“, sagte Carberry schläfrig zu Stenmark. „So stark regnen wie in den letzten Tagen. Das erfrischt wenigstens ein bißchen. Bei dieser Affenhitze wird man ganz dösig im Schädel.“

Smoky, der ihm schräg gegenüber unter einem aufgespannten Sonnensegel saß, nickte kläglich.

„Du sagst es, Schiwa-Carberry. Aber der Regen war so lauwarm, daß er auch keine Abkühlung brachte.“

„Wie wär’s denn mit einem kleinen Bad?“ fragte Stenmark. „Das würde schon ein bißchen abkühlen.“

„Dann haben wir wieder einen Hai am Achtersteven hängen“, murmelte Carberry und dachte an Tuti Ischwar, den jungen Prinzen von Bombay, den fast die Haie auf Reede zerrissen hätten. „Wo Haie sind, bade ich nicht unbedingt gern.“

„Ich gehe jedenfalls schwimmen“, verkündete Stenmark. „Haie habe ich heute weit und breit noch keine gesehen. Die sind auch nur durch die blutigen Abfälle angelockt worden.“

Old O’Flynn, Bob Grey, Sam Roskill und Piet Straaten verspürten ebenfalls große Lust auf kühles Wasser.

Das wirkte auf die anderen natürlich ansteckend. Die Trägheit verschwand allmählich, und einer nach dem anderen erhob sich, um ein wenig im Bach zu planschen.

Schiwa-Carberry, diesen Ehrennamen hatte ihm der Maharadscha persönlich verliehen, hüpfte als erster vom Schanzkleid aus ins Wasser.

Er sah gar nicht nach einer Gottheit aus, als er sich wie ein riesiger Ochsenfrosch ins Wasser fallen ließ. Es entstand dann auch der Eindruck, als habe an jener Stelle ein Fünfzigpfünder eingeschlagen. Das Wasser spritzte bis zur abgefierten Rahrute, und so wurde Sir John abrupt aus seinen Träumen geweckt.

„Rübenschweine, verlauste!“ kreischte er so laut und schrill, daß Carberry es noch unter Wasser zu hören glaubte. Was dann folgte, war alles andere als harmlos und hätte jedem Zuhörer die Schamesröte ins Gesicht getrieben.

Der Papagei, auf der linken Seite klatschnaß, regte sich furchtbar auf, und das gab er unbewußt in Ausdrücken wieder, die ihn sein Herr und Meister Edwin Carberry gelehrt hatte.

Es waren wirklich sehr unfeine Wörter, die er von der Rahrute kreischte. Erst als sein Repertoire so ziemlich erschöpft war, begann er damit, sein nasses Gefieder zu putzen.

Inzwischen tummelten sich fast ein Dutzend Seewölfe im Wasser und freuten sich über die Abkühlung. Das Wasser war zwar lauwarm, aber es brachte vorübergehend doch eine leichte Erfrischung.

Eine halbe Stunde später war die Badestunde beendet, und da hockten sie wieder träge und lustlos an Deck unter dem Sonnensegel herum.

Das änderte sich erst, als der Kutscher und Mac von einem Bummel zurückkehrten. Die beiden waren einträchtig losgezogen, um sich die Märkte von Bombay anzusehen. Viel hatten sie allerdings nicht entdeckt in der Mittagshitze, und sie sahen auch ein bißchen abgeschlafft aus.

„Nichts los“, sagte Mac Pellew kopfschüttelnd. „Selbst auf den Märkten pennen sie alle. Aber wir haben etwas bestellt, was am späten Nachmittag geliefert wird.“

Unterdessen bemerkte Hasard, daß sich hinter dem Hafen auf der linken Seite etwas tat. Dort gab es ein langes Stück hellen Strand, auf dem auch ein paar geschmückte Boote lagen, die ihm schon heute morgen aufgefallen waren.

Jetzt trafen sich dort Inder. Anfangs waren es nur ein paar, dann wurden es immer mehr. Mindestens drei Dutzend Männer mit hellen Turbanen standen dort inzwischen herum. Auch ein paar Inderinnen in bunten Saris erschienen.

Die Frauen brachten Blumen in Körben mit und reichten sie an die Männer weiter. Die Blumen wurden zu Girlanden gebunden und an die Boote gehängt.

Bis zum Nachmittag versammelten sich mehr als hundert Inder am Strand, und das Treiben wurde immer bunter und lebhafter.

„Was mag da vorgehen?“ fragte der Seewolf.

Der Kutscher, der sonst immer die Ohren am Wind hatte und alles wußte, zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, Sir. Es sieht nach einem Fest aus, das am Strand stattfinden soll. Mir ist nichts darüber bekannt.“

„Doch nicht etwa wieder zu Ehren unseres lieben Ed?“

Carberry zog sich am Schanzkleid hoch. Er blickte zu dem fernen Strand hinüber und schüttelte den Kopf.

„Nicht für Schiwa-Carberry“, erklärte er von oben herab. „In ein paar Tagen beginnt das Ganesh-Chaturthi-Fest, und eine Woche vorher werden die Vorbereitungen dafür getroffen.“

Der Profos sagte das so bestimmt, als sei er seit Jahren mit sämtlichen indischen Sitten und Gebräuchen vertraut.

Hasard blickte ihn erstaunt an.

„Woher weißt du das?“

„Hat mir Seta erklärt, die Inderin, die mich bat, ihre Schwester vor dem Feuertod auf dem Scheiterhaufen zu bewahren.“

„Aha“, sagte Hasard perplex über das Wissen seines Profosen, der zur Zeit alle Weisheiten Indiens gepachtet zu haben schien. „Und welche Bedeutung hat dieses Fest? Weißt du das vielleicht auch noch?“

„Es ist eine festliche Prozession, die dem elefantenköpfigen Gott der Weisheit, Ganesha, geweiht ist. Das Fest beginnt immer Anfang August, und nach der feierlichen Prozession wird der Gott dann im Meer versenkt.“

„So, so“, sagte Hasard verblüfft und blickte zum Kutscher, der wiederum schluckend zu Carberry schaute.

„Schiwa scheint dich ganz schön erleuchtet zu haben“, meinte der Kutscher beeindruckt. „Findet das Fest am Strand statt?“

„Ja, südwestlich vom hinduistischen Walkeshwar-Tempel. Von dort aus kannst du auch den Malabar-Hügel sehen, wo die Parsen ihre Türme des Schweigens errichtet haben. Dort setzen sie ihre Toten den Raubvögeln aus.“

„Mein lieber Schiwa“, sagte Smoky bewundernd. „Jetzt glaube ich doch bald, daß du erleuchtet bist. So was kann man ja von allein gar nicht wissen. Kriegt man die Weisheit bei der Erleuchtung einfach so reingeschüttet?“

„Wie Rum, meinst du? Nein, die Erleuchtung erfolgt schlagartig, und dann wird man weise und weiß alles, so wie ich jetzt. Aber es ist nicht einfach, erleuchtet zu werden.“

Der Kutscher grinste verhalten bei diesen Worten. Carberry hielt sich wieder mal für den Nabel der Welt und schnitt natürlich dementsprechend auf, als sich immer mehr Zuhörer in den Kreis gesellten.

Es gab allerdings auch einige, die an seinen Worten zweifelten und noch nie etwas von dem Elefanten-Gott gehört hatten.

Aber sie mußten bald umdenken und erkennen, daß Edwin Carberry doch die Wahrheit sprach.

Am Strand waren jetzt noch mehr Gestalten aufgetaucht. Denen folgte etwas später eine ganze Kolonne. Da die größte Hitze jetzt vorbei war, wurden die Inder wieder munter.

Etwa zwanzig Inder waren jetzt zu erkennen, die zwei lange Stangen trugen. Das Ding auf den Stangen sah wie eine riesige Sänfte aus, die gleich darauf abgesetzt wurde. Die Männer wechselten die Positionen. Jeweils zehn andere hoben das sänftenartige Gebilde wieder an und trugen es weiter zum Strand hinunter.

„Tatsächlich, du hast recht“, sagte der Kutscher. „Die Gestalt sieht wirklich wie der Kopf eines Elefanten aus.“

„Ach! Habe ich auch mal recht? Das freut mich aber.“

Der riesige Elefantenkopf wurde etwa zwanzig Yards vor dem Wasser abgesetzt. Von hier aus sah der Schädel mit dem langen Rüssel wie eine buntbemalte Porzellanfigur aus. Das Ganze wirkte ein bißchen naiv, wie von einem kitschigen Künstler angefertigt.

Sehr sorgfältig wurde die große Figur, die den Gott der Weisheit verkörperte, in den Sand gesetzt.

„Warum wird die Gottheit im Meer versenkt?“ wollte der Kutscher wissen. „Das ergibt doch keinen Sinn.“

„Du bist eben nicht erleuchtet“, entgegnete der Profos. „Wenn der Gott im Meer versenkt wird, bewacht er das Land und die Küste und sorgt dafür, daß es keine Überschwemmungen gibt. Und jetzt laß mich in Ruhe, ich will noch ein bißchen dösen, schließlich habe ich einen anstrengenden Besuch vor mir.“

„Wen willst du denn besuchen? Deine lieben, kleinen Gespielinnen im Palast? Du kannst doch da nicht einfach hingehen, als seist du dort zu Hause.“

Carberry lehnte sich wieder ans Schanzkleid und schloß die Augen. Er war noch ein wenig müde, denn die Ereignisse der vergangenen Tage hatten ihm doch ganz schön zugesetzt.

„Klar kann ich das“, murmelte er schläfrig. „Ich kann sogar noch mehr, wenn ich will. Aber man wird mich abholen.“

„Jetzt ist er auch noch unter die Propheten gegangen“, sagte der Kutscher erschüttert. „Man wird mich abholen! Möchte gern wissen, woher du das erfahren hast. Oder kannst du jetzt auch schon hinter die Kimm blicken wie Donegal?“

„Ich bin erleuchtet und durchgeistigt“, sagte der Profos schlicht. Und dann war er auch schon eingeschlafen.

Der Kutscher sah mißtrauisch auf den schlafenden Profos, dessen narbiges Gesicht auf eine seltsame Art verklärt wirkte. Offenbar befand sich dieser Rabauke irgendwo auf einer Zwischenstation ins seligmachende Nirwana, denn genauso sah er jetzt aus.

„Vielleicht ist er doch ein Heiliger geworden“, meinte Paddy Rogers fast andächtig. „Gesprochen hat er ja schon oft davon, daß er ein frommer und friedlicher Pilger werden will.“

„Der hat schon viel versprochen und es trotzdem nie geschafft, ein frommer Pilger zu werden. Warum sollte sich das ausgerechnet jetzt und hier in Indien ändern?“ fragte der Kutscher skeptisch.

„Aber irgend etwas ist mit ihm geschehen“, beharrte der knubbelnasige Paddy. „Er wirkt ganz anders als sonst.“

„Das vergeht wieder“, sagte Smoky. „Manchmal hat er so seine Anwandlungen, und dann hält er sich für das Salz der Erde.“

Am Strand wurde der elefantenköpfige Gott geputzt und geschmückt. Es sah schon jetzt alles nach einer feierlichen Prozession aus, obwohl die erst in frühestens einer Woche stattfinden würde.

Mittlerweile befanden sich mehr als zweihundert Leute am Strand, und immer neue strömten hinzu.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 668

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