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Bevor sich der Portugiese den Schaden genauer ansah, fluchte er erst mal ausgiebig und beklagte sich bitter über den Undank gewisser Leute, die ihn schmählich im Stich gelassen hatten.

Der Übeltäter, dem seine Schimpfkanonade galt, war Drawida Shastri, der falsche Sultan von Golkonda, der ihn betrogen, verraten und im Stich gelassen hatte.

„Dieser Hundesohn, dieser dreimal verdammte!“ tobte de Xira. „Erst verspricht er uns das Schiff, wenn wir ihn bis in diese Bucht begleiten, weil der Kerl Angst vor den Engländern hat. Dann hauen uns diese noch verdammteren Engländer das Schiff in Klumpen, und da geht der Bastard mit seiner Galeere einfach ankerauf, wünscht uns viel Spaß und verschwindet. Jetzt liegen wir hier in einer Einöde, wo nicht mal der Pfeffer mehr wächst vor lauter Hitze, verdammter.“

De Xira war im Gesicht rot vor Wut. Ein paarmal schlug er mit der Faust auf den Handlauf, holte dann tief Luft und wischte sich das Wasser aus seinem riesigen schwarzgrauweißen Schnauzbart.

Auch von seinem Kopf troff das Wasser. Die Hitze war nicht zum Aushalten.

Über ihnen stand wie festgenagelt ein glosender gelber Ball. An den Rändern war er fast weiß, und er sengte mit einer Hitze über die ausgedörrte Landschaft, daß es den Portugiesen den Atem nahm.

Kavali hieß das nächste Kaff, das tiefer im Landesinnern lag und von hier aus nicht zu sehen war.

Hier gab es nur eine trostlose Bucht, steinharten Boden, ausgebrannte Erde und Staub, wenn man von dem Dschungel absah, der weiter hinten begann.

Die Schebecke lag auf einem Sandstreifen und war leicht zur Seite geneigt. Die Planken knackten unter der höllischen Glut, die von keinem Lufthauch gemildert wurde.

Hin und wieder fuhr der Bhoot über sie hinweg, ein knochentrockener Staubwind, der Sand und Dreck aus dem Landesinneren zum Meer wehte und gleichzeitig den Gestank der fernen Schwefelminen mit sich brachte. Dann war es schon gar nicht zum Aushalten.

De Xiras einzige Befriedigung war, daß die Engländer jetzt in den höllischen Minen schuften mußten. Drawida Shastri hatte sie wie Sklaven an ein paar indische Minenbesitzer verkauft.

Doch diese Genugtuung hielt nicht lange vor, dann haderte er wieder mit seinem eigenen Schicksal, das ihm gottserbärmlich erschien.

Auf dem glühendheißen Deck neben ihm standen sein Erster Offizier Alvaro Belmonte und Nicolao Lamego, der Stückmeister der untergegangenen Karavelle „Cabo Mondego“.

Sie rührten sich in dieser Hitze kaum, denn jede noch so kleine Bewegung rief Sturzbäche von Schweiß hervor.

Unter dem Niedergang hockten noch reglos drei Decksleute, die mehr tot als lebendig schienen und völlig apathisch wirkten.

„Dabei habe ich immer an diesen Bastard Shastri geglaubt“, sagte de Xira mit zuckenden Lippen. „Aber der hat nicht einen Finger gerührt, um uns zu helfen. Hohnlachend ist er abgesegelt.“

Der Kapitän wiederholte sich bereits ein paarmal vor Wut, und so langsam stieg den anderen die Galle hoch, weil sie sich das pausenlos anhören mußten. Mit verkniffenen Gesichtern standen sie da und hörten sich die Beschimpfungen an.

„Das ist jetzt nicht mehr zu ändern“, sagte der Erste bedächtig. Er hatte lange blonde Haare und einen Backenbart. „Wir sind das Gold los, wir haben die Karavelle nicht mehr, aber dafür dieses Schiff. Um das sollten wir uns jetzt kümmern, sonst liegen wir noch bis in alle Ewigkeit in dieser miesen Bucht.“

Sie trauten sich nicht, ein erfrischendes Bad in der Bucht zu nehmen. Das Wasser allein wirkte schon abschreckend.

Offenbar wurde hier Schwefel umgeschlagen und verladen, und von dem höllischen Zeug hatte sich eine Menge in der Bucht angesammelt.

Der Grund des Wassers schimmerte in einem beängstigend fahlen Licht, das alle Farbtöne grell durchlief. Mal schien es, je nach Sonneneinfall, grünlich, dann wieder gelb und mitunter in fahlem Blau. An einigen Stellen waren diese Farben zu einer ganzen Palette gemischt wie ein Regenbogen.

Noch etwas war an dieser Küste unheimlich, das vorher schon den Arwenacks aufgefallen war.

Totenstille herrschte hier. Es war so still, daß es schon lähmend wirkte und Schmerzen verursachte.

Aus dem Dschungel drang kein Laut. In der Luft regte sich nichts. Kein Vogel war zu sehen, und kein Plätschern verriet die Nähe des Meeres.

Diese Totenstille ging ihnen ebenso auf die Nerven wie die triste und langweilige Umgebung.

Die einzigen, kaum hörbaren Töne bestanden aus dem Ächzen des Schiffes und dem feinen Knistern des Sandes, der unaufhörlich zu mahlen schien. Aber das konnte auch auf Einbildung beruhen.

De Xira wischte sich über das Gesicht. Er fluchte wieder leise und schimpfte auf den Inder, der ihnen diese Pleite eingebrockt hatte.

„Wir sehen uns jetzt erst mal den Schaden an“, sagte er matt.

Als er über die ausgebrachte Jakobsleiter abentern wollte, vernahm er ein lautes Poltern. Es schien aus dem Innern der Schebecke zu stammen. Er fuhr herum und blickte sich um.

„Habt ihr das auch gehört?“

Die anderen nickten. Einer der Schläfer unter dem Niedergang war verstört hochgefahren und bekreuzigte sich hastig.

Ähnliche Geräusche wie dieses hatten sie in der Nacht schon einmal gehört. Da war es ein Klopfen gewesen, dem ein Poltern folgte.

Das Geräusch wirkte wie ein dröhnender Gong in absoluter Stille.

De Xira schluckte und fand, daß seine Nerven nicht mehr die besten waren. Jedes ungewohnte Geräusch ließ ihn zusammenzucken.

„Das – das war in der Nähe der Segellast“, sagte der Stückmeister Lamego unsicher. „Werden wohl die Planken gewesen sein, die bei der Hitze so knacken.“

De Xira wollte der Sache auf den Grund gehen, zumal seine Männer immer nervöser und gereizter wurden, wenn sie etwas hörten, das nicht ins normale Bild paßte. „Dann sehen wir doch mal nach“, sagte er.

Er wollte sich den Anschein von Entschlossenheit geben, doch als er in Richtung Segellast ging, war es mehr ein müdes Schlurfen. Seine Beine schienen immer schwerer zu werden.

Die beiden anderen folgten mit verkniffenen Gesichtern.

Vor dem Schott blieben sie lange Zeit stehen und lauschten. Nichts war mehr zu hören.

„Waren sicher nur die Planken“, sagte Lamego noch einmal. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er Angst, das Schott zu öffnen.

Schließlich war es Alvaro Belmonte, der sich einen Ruck gab und das Schott öffnete.

Helles Sonnenlicht fiel in die Kammer. Sie standen am Eingang und warfen einen scheuen Blick hinein, als kauere dort ein sprungbereites Untier.

Die Segellast war ordentlich aufgeräumt wie alles, was die Arwenacks zurückgelassen hatten. Ganze Lagen Segeltuch waren dort säuberlich gestapelt. In einem Holzkasten lag das Handwerkszeug des Segelmachers.

De Xira trat einen Schritt in die kleine Kammer. Ganz hinten, wo das Licht nicht mehr hinfiel, herrschte zwielichtiges Halbdämmer. Dennoch konnte man den Raum gut überblicken.

Niemand sah die geschickt getarnte Nische im Hintergrund, in der sich Clint Wingfield mit der Wolfshündin Plymmie verbarg. Die Nische wäre nur aufgefallen, wenn sie ein paar Ballen Segeltuch abgeräumt hätten. Daran dachte jedoch keiner.

„Nichts, gar nichts“, sagte de Xira. „Waren wohl doch die Planken, die sich bei der Hitze verziehen. Ein paar Mann sollen nachher das Schiff von oben bis unten wässern, damit diese ekelhaften Geräusche endlich aufhören.“

„Das sollten wir ein paarmal am Tag tun“, schlug Belmonte vor. „Sonst haben wir an diesem Schiff bald keine Freude mehr.“

De Xira gab keine Antwort. Er schlug das Schott zu und wandte sich ab, müde, matt und unter der ungewohnten Hitze leise stöhnend.

Sie enterten ab, um sich den Schaden anzusehen.

Die anderen Portugiesen lagen faul und lustlos an Bord herum. Jeder versuchte sich, so gut es ging, auch um die allerkleinste Arbeit zu drücken. Nur hin und wieder stand einer von ihnen träge auf, um sich aus dem Wasserfaß an Deck zu bedienen.

De Xira starrte mit brennenden Augen auf das Heck der Schebecke. Sie standen auf dem glühendheißen Sand, der unter ihren Füßen mahlte und knirschte und zu leben schien.

Vom Deck aus hatten sie bereits einen schnellen Blick riskiert, und da hatte de Xira nur gestöhnt und mindestens zehn Tage für die Reparatur angesetzt.

Von hier unten sah es jedoch noch schlimmer aus. Der Rammsporn der Galeere „Stern von Indien“ hatte ganze Arbeit geleistet.

Das Ruder war zerfetzt, die Aufhängung zerstört, die Fingerlinge abgerissen, und die achteren Spanten hatten ebenfalls etwas abgekriegt.

Auf dem Sand lagen überall Holzsplitter herum, die bei dem Rammstoß nach allen Seiten geflogen waren.

„Unter normalen Umständen würden wir das in ein paar Tagen schaffen“, meinte der Kapitän. „Aber das hier sind keine normalen Umstände. Wir haben keinerlei Ersatzteile und nur den Rat des dämlichen Inders, der uns zurief, wir sollten Bäume fällen, Holz daraus schneiden und ein Notruder bauen. Ein Notruder! Einfach idiotisch.“

Belmonte sah aus schmalen Augen auf die Beschädigungen.

„Warum eigentlich nicht?“ fragte er. „Mit einem Notruder könnten wir langsam bis nach Madras segeln.“

„Und dort?“

„Die Schebecke richtig reparieren.“

„Madras ist ein trübseliges Kaff“, belehrte ihn der Kapitän. „Da gibt es keine Werft und keine Möglichkeit, aufzuslippen. Genausogut können wir hier bleiben. Hier liegen wir zwangsweise schon auf dem Sand.“

„Aber hier werden uns bald Proviant und Wasser ausgehen“, widersprach der Erste. „In Madras brauchen wir wenigstens nicht zu hungern oder gar zu verdursten.“

„Wir haben noch genug von allem. Ich will aber nicht mit einem Notruder segeln, mit dem wir im Sturm völlig hilflos sind. Wir werden ein richtiges Ruder bauen, das uns nach Portugal zurückbringt. Sehen wir uns mal die Teile an. Vielleicht ist noch etwas davon einigermaßen brauchbar.“

Ein paar Schritte weiter lagen die Trümmer. Das Ruderblatt selbst war bestenfalls noch als Brennholz für die Kombüse geeignet. Es war völlig zersplittert. Die anderen Trümmer gaben ebenfalls nichts mehr her.

Belmonte bückte sich, hob ein Stück Holz auf und hielt es dem Kapitän hin.

„Das Problem ist nur noch halb so groß“, verkündete er. „Wir haben die Ruderösen und die Fingerlinge. Sie sind alle noch vorhanden. Das ist schon mal sehr wichtig.“

De Xira besah sich die eisernen Bolzen und Beschläge.

„Ja, sehr gut. Wenn wir die selbst herstellen müßten, könnten wir uns gleich aufhängen. Hebt die Dinger gut auf und werft auch die Trümmer nicht weg. Wir setzen sie zu einer Art Schablone zusammen, nach der wir das neue Ruder bauen werden.“

„Also folgen wir doch Shastris hervorragendem Rat“, sagte der Stückmeister spöttisch.

„Hast du eine bessere Lösung, Nicolao?“

„Nein, Capitán, das ist die beste Lösung. Aber das Holz, das wir brauchen, muß erst noch trocknen.“

„Kein Problem bei der Hitze“, sagte de Xira abwinkend. „Hier trocknet innerhalb kürzester Zeit alles, obwohl die Luft ziemlich feucht ist. Wir werden das ganz sicher schaffen.“

„Wie lange etwa?“

De Xira überlegte.

„Mit gutem Willen und Fleiß müßten wir das in einer Woche hinter uns haben. Dabei rechne ich zwei Tage zum Trocknen mit ein, meinetwegen auch drei Tage. Ein halber Tag dürfte schon mit dem Abpallen vergehen.“

„Aber das Holz muß erst gesägt und geschnitten werden.“

„Dazu haben wir genügend Männer.“

Der Stückmeister nickte nur. De Xira schien sehr optimistisch zu sein. Aber bei der wahnsinnigen Hitze konnten die Männer nicht pausenlos arbeiten. Sie mußten erst ein paar Bäume fällen, ein Gestell errichten, auf dem sie sägen konnten, und viele andere Kleinigkeiten mehr, die der Kapitän zur Zeit nicht berücksichtigte. Er war nur von dem Gedanken beseelt, hier so schnell wie möglich zu verschwinden.

Das waren sie alle, aber trotzdem mußten sie auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Mit überhasteter Arbeit ging hier gar nichts.

Sie hoben die Trümmer auf und setzten sie ein Stückchen weiter auf dem Sand provisorisch zusammen. Selbst das war eine mühselige und schweißtreibende Arbeit, die sie fast an den Rand der Erschöpfung brachte.

Eine Weile standen sie nur da, atmeten nach und sahen auf das seltsam verzerrte Gebilde im Sand.

Plötzlich schnupperte Belmonte angewidert und rümpfte die Nase.

Im Landesinnern war Staub zu sehen, und sie glaubten auch, ein feines Grollen im Boden zu spüren. Der Untergrund zitterte einmal unruhig.

Gleichzeitig stand in der Luft ein ekelerregender Geruch. Vorläufer einer Staubwolke legten sich beklemmend auf ihre Lungen.

Der Stückmeister hustete und würgte, bis er rot anlief.

„Schwefel“, sagte er heiser. „Die Pest der Hölle. Offenbar sprengen sie in den Minen mit Schießpulver, und wir kriegen jedesmal den verfluchten Gestank ab.“

„Sei froh, daß du nicht in den Minen arbeiten mußt“, entgegnete der Erste. „Gegen die Engländer haben wir das Paradies auf Erden.“

„Die haben es auch nicht besser verdient. Sollen sie schuften, bis sie tot umfallen oder vom Schwefel zerfressen werden. Wo liegen eigentlich diese Minen?“

„Irgendwo landeinwärts, wo der Staub aufsteigt. So genau hat Shastri das nicht gesagt. Ist mir aber auch völlig egal.“

„Mir ist auch alles egal!“ schrie de Xira in aufsteigender Wut. „Ich will weg aus dieser Hölle! Ich kann dieses verdammte Land nicht mehr sehen! Los, an die Arbeit! Und haltet hier keine Reden!“

Es hatte ganz den Anschein, als gingen dem Kapitän die Nerven durch.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 697

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