Читать книгу Billy Joel - Fred Schruers - Страница 9

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Ende der Sechziger hatte sich in den USA, angeschoben durch die British Invasion, ein ganzes Universum neuer Bands entwickelt, und obwohl Billys ständig unter neuem Namen firmierende Band ihren Vertrag bei Mercury verloren hatte, spielte sie trotzdem häufig im My House, einem Club in Plainview auf Long Island. Auf der ganzen Insel wimmelte es vor aufstrebenden Bands. Im My House hatte Billy sich schon oft die Hassles angesehen, die dortige Hausband, die beim Clubbesitzer Danny Mazur einen sicheren Stand hatte, auch wenn er nicht gerade zimperlich mit der Truppe umsprang. Mazur war ein ehemaliger Restaurateur, und Billy beschrieb ihn als „einen ziemlich taffen, älteren jüdischen Typen mit Ring am kleinen Finger, sehr massig und ein bisschen grob, wie diese Clubbesitzer auf Long Island eben alle so waren“. Offenbar gab er sich gelegentlich auch mit windigen Schlägertypen ab, die für Billy schon ein wenig nach organisierter Kriminalität aussahen. Bei seiner Arbeit wurde Mazur von seinem Sohn Irwin unterstützt, der gleichzeitig auch Manager der Hassles war. Später bekam Irwin über die Verbindungen seines Vaters kurzzeitig einen Job bei Morris „Moishe“ Levy, einer bekannten Größe in der Unterhaltungsbranche, von dem Irwin freimütig sagt: „Er war die jüdische Mafia.“ Aber damals half er seinem Vater, indem er Vorspieltermine organisierte und Bands für den Club buchte. Zuvor hatte er in Philadelphia Zahnheilkunde studiert.

Die Hassles zogen bereits ein recht großes Publikum an. „Wenn wir auftraten, kamen durchaus um die tausend Leute“, erinnert sich Schlagzeuger Jon Small, der bereits in mehreren Cover-Bands gespielt hatte, bevor er die Gruppe gründete. „Wir waren sehr, sehr beliebt.“ Der Keyboarder der Band hieß Harry Weber; Small war mit seiner Schwester Elizabeth verheiratet und hatte mit ihr einen Sohn, Sean, der im April 1967 zur Welt gekommen war. Harry selbst lernte Billy nie besonders gut kennen – Billy erinnert sich, der für seine ausschweifende Lebensweise bekannte Harry habe „jede Menge Probleme“ gehabt – aber dafür kannte er Elizabeth schon bald umso besser.

Zwischen Harry und Jon kam es eines Abends zu einer heftigen Auseinandersetzung, weil Harry immer mehr Klebstoff schnüffelte, sogar auf der Bühne, wo er halb versteckt hinter seinen Keyboards immer wieder die Nase in eine Plastiktüte steckte. Als er nach dem Auftritt wieder einmal dafür zurechtgewiesen wurde, explodierte er. Small berichtet: „Er hatte mir die Füße auf die Schultern gestemmt und riss an meinen Haaren. Am Ende gab es nur noch die Entscheidung, ob er die Band verlassen würde oder ich. Und die anderen Jungs wollten lieber mich behalten.“

Harry war wie das ganze Grüppchen Weber-Geschwister im schicken Syosset aufgewachsen, führte aber wie sie ein Leben, wie man es eher mit einer weniger privilegierten Herkunft in Verbindung bringen mochte, und er nahm kein glückliches Ende. Einige Jahre nach seinem Rauswurf wurde er tot auf einem Eisenbahngleis aufgefunden, nachdem er offenbar eine Überdosis Drogen genommen hatte.

Nachdem Harry die Band verlassen hatte, überlegte Small sich für die Neubesetzung etwas, was er heute lächelnd als „geschicktes Manöver“ beschreibt: Im Frühjahr 1966 setzte er eine Anzeige in die Lokalzeitung, dass das My House eine zweite Hausband suchte. Natürlich waren die Echoes interessiert. „Sie wussten jedoch nicht“, fährt Small fort, „dass ich nur darauf wartete, ihnen ihren Keyboarder abspenstig zu machen.“ Als die Echoes zum Vorspielen erschienen und einige Songs präsentierten, saß Small mit Elizabeth, dem Hassles-Gitarristen Richie McKenna, dem Sänger „Little John“ Dizek und Irwin im ansonsten leeren Club, und er erinnert sich: „Den Keyboarder fand ich sofort großartig. Er trug so einen kleinen Bebop-Hut, und er ließ sich sogar auf ein Knie fallen und sang ‚Soul And Inspiration‘ von den Righteous Brothers.

An diesem Abend überzeugte ich die anderen davon, dass er der Richtige für uns war, dann ging ich zu Billy und erklärte ihm: Der Grund, weswegen du eigentlich hier bist, ist folgender: Hättest du Lust, bei den Hassles einzusteigen? Er guckte mich an und sagte: Nö, kein Interesse.

Also musste ich es mit einer anderen Taktik probieren. Ich kannte diese Jungs – von denen hatte keiner Geld, und so versuchte ich es mit Bestechung und fragte ihn: Was würde es denn brauchen, damit du bei uns mitmachst? Er sagte: Hör mal, ich bin meiner Band echt treu, ich bin schon ewig bei denen, ich bin mit den Leuten aufgewachsen. Und ich erklärte: Tja, ich habe eine Hammond-B3-Orgel. Die wollte damals jeder. Wenn du bei uns mitmachst, gehört sie dir.

Nur ganz kurz blitzten seine Augen auf, während er darüber nachdachte, und dann sagte er schon: Okay, ich komme zu euch. Aber ihr müsst auch den Bassisten aus meiner Band nehmen, Howie Blauvelt.“

Billy hatte keine Lust, wie Weber die Basslinien auf den Basspedalen der Hammond zu spielen. „Die Hassles waren nur ein Quartett“, sagt Small. „Aber ich dachte, hey, warum nicht? Wir vergrößern uns ein wenig und sind dann eben zu fünft. Und so kamen Billy und Howie zu uns.“

Die Hassles boten Billy 250 Dollar in der Woche, was 1967, als der Mindestlohn kaum über zwei Dollar lag, gutes Geld war, und natürlich war es auch ein tolles Gefühl, von einer der Top-Lokalbands angeworben worden zu sein. Mazur legte dann sogar noch nach: „Wenn ihr wollt, könnt ihr 52 Wochen im Jahr arbeiten – garantiert.“ Für jemanden, der bis dahin in einer Tintenfabrik Farbbänder für Schreibmaschinen geschwärzt, kalte Wintermorgen auf dem nassen, glitschigen Deck eines Austernkutters verbracht und sogar einmal ein paar Plattenkritiken für die Zeitschrift Changes geschrieben hatte, weil es dafür 25 Dollar gab, klang das sehr verlockend.

„Niemand machte sich damals Gedanken über einen richtigen Job“, berichtet Billy. „Ich war völlig damit zufrieden, Musiker zu sein und genug Geld für Essen und eine Wohnung zu haben.“

Was die Hammond B3 anging, die Billy versprochen worden war, zog ihm die Band am Anfang monatlich 50 Dollar von seiner Gage ab, um die Kosten wieder hereinzuholen.

Aber die Hassles hatten einen neuen Keyboarder, der zudem den Begleitgesang unternahm – im Schatten des Sängers Little John, der zwar durchaus ein wenig wie Mick Jagger wirkte, mit seiner rauen Stimme jedoch nur begrenzt etwas anzufangen wusste. Über ihr neues Bandmitglied fanden die anderen schnell heraus, dass er sich für kaum etwas anderes interessierte als für Musik. „Abgesehen davon war für Billy nur noch eins wichtig, und das waren Zigaretten“, sagt Small. „Er rauchte wie ein Schlot, und ich hasste Rauch. Außerdem hatte er keinen Führerschein. Er hatte nicht einmal eine Brieftasche. Irgendwie war er ein komischer Typ. Man merkte schon, dass er ziemlich clever war, aber damals wollten alle Jungs nichts so sehr wie ein eigenes Auto, und solche Wünsche waren ihm total fremd. Also wurde ich unser Chauffeur.“

Während Little John allmählich etwas beiseite gedrängt wurde, freundeten sich Small und Billy immer mehr miteinander an – sie diskutierten über Musik, bummelten durch die Clubs von Long Island, sahen sich dabei aufstrebende neue Lokalbands wie The Pidgeons an (aus denen einmal Vanilla Fudge werden sollte), oder The Vagrants (mit Leslie West, der später zu Mountain ging): beides Gruppen, die Verträge mit dem Atco-Label hatten. Dann gab es noch The Good Rats, The Illusion und The Rich Kids. Die größte Band der damaligen Zeit waren für Billy allerdings die Young Rascals mit ihrem Orgel-Virtuosen Felix Cavaliere: „Jeder, der in Bars Cover-Songs spielte und damit Geld verdienen wollte, musste die Rascals kennen. Sie kamen aus dem Norden von New Jersey, aber sie waren auch bei den Fans auf Long Island angesagt, und sie waren großartige Musiker in diesem Hybrid-Genre, das als Blue-Eyed Soul bekannt war.“

Sie machten Ausflüge nach Manhattan und ins nahe gelegene Queens: „Ich werde nie vergessen, wie wir uns zum Gig von Jimi Hendrix in die Singer Bowl, das heutige Louis Armstrong Stadium, geschlichen haben“, berichtet Billy. Jon Small erinnert sich, dass er und Billy regelmäßig versuchten, sich auch in die Shows in der Carnegie Hall hineinzumogeln. Billy, der gut andere nachmachen konnte, gab sich, wenn Bands wie Led Zeppelin oder Jethro Tull spielten, überzeugend als Engländer aus. Das klappte gut, bis sie von dem für seine Ruppigkeit bekannten Manager Don Arden, dem Vater von Sharon Osbourne, erwischt und beinahe noch mit einem Tritt in den Hintern vor die Tür gesetzt wurden. Als die Beatles im August 1965 im Shea Stadium auftraten, hegten die Hassles sogar den kühnen Traum, als uneingeladene Vorgruppe auf die Bühne zu springen. Ihr Manager Irwin Mazur hatte dafür schon einen Plan: Sie steckten einen ihrer Roadies in einen dunklen Anzug und setzten ihm eine Segelmütze auf, die eigentlich Irwins Dad gehörte, und ließen sich dann in Dannys Cadillac Fleetwood Brougham am Stadion vorfahren. Der Promoter Sid Bernstein roch allerdings den Braten – obwohl die Bandlegende besagt, dass er ihnen den Auftritt trotzdem beinahe gestattet hätte, bis der Beatles-Manager Brian Epstein einschritt, weil die Hassles nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, Mitglieder der Musikergewerkschaft waren. Aber immerhin verschaffte ihnen dieser Trick einige besonders gute Plätze für die folgende Show. (2008, wie im Film Last Play At Shea zu erleben ist, sprang dann Paul McCartney bei Billy auf die Bühne – allerdings auf besondere Einladung.)

1965 und 1966 spielten die Hassles regelmäßig im My House und entwickelten sich dabei zu einer hervorragenden Live-Band; im Sommer 1966 lockte schließlich eine Reihe von Gigs in einem Club namens The Eye in den Hamptons, dem örtlichen Erholungsgebiet. „Wir spielten dort den ganzen Sommer“, erinnerte sich Blauvelt in einem Interview für die Webseite Great East Coast Bands 20 Jahre später. „Jeden Abend fünf Sets. Da ist die Band richtig zu einer Einheit verschmolzen.“ Nach zwei Jahren stetiger Auftritte war dann im Mai 1967 die erste Aufnahmesession gebucht.

Billy schreibt den beiden Alben, die er mit den Hassles einspielte, keine große Bedeutung zu, allerdings lernte er in dieser Zeit viel über das Musikgeschäft. Die Hassles bekamen einen Vertrag bei United Artists, einem Label, das ursprünglich gegründet worden war, um die Soundtracks für die Filme des Unternehmens zu veröffentlichen, aber auch einige namhafte Bands wie Traffic herausbrachte. Tatsächlich fand sich auf dem selbstbetitelten Debüt der Hassles 1967 ein Cover von „Coloured Rain“, das Stevie Winwood und seine Traffic-Kollegen als Demo an UA geschickt hatten und auch selbst noch einspielten; die Hassles durften sich allerdings schon früher daran versuchen. Der Text sprach von den typischen Sehnsüchten eines Heranwachsenden: „Yesterday I was a young boy, searchin’ for my way / Not knowing what I wanted, living life from day to day.“

„Stevie war einer meiner frühen Helden“, sagt Billy. „Ein Multiinstrumentalist, der vor allem an der Hammondorgel unschlagbar war. Zehn Jahre später, 1986, konnte ich ihn überreden, als Gastmusiker an meinem Album The Bridge mitzuwirken.“ Billy hatte inzwischen seinen eigenen Sound auf der Hammond entwickelt, wie sich vor allem an einem Liebeslied der Hassles erkennen lässt, das auf dem Box-Set My Lives aus dem Jahr 2005 zu hören ist – „Every Step I Take (Every Move I Make)“ vereint die Einflüsse der Rascals und der Zombies. (Der gleichnamige, auch musikalisch durchaus verwandte Titel von The Police nahm dieses Motiv 1983 ganz unschuldig wieder auf und wurde zu einem großen Hit.) Die zwei Produzenten des ersten Hassles-Albums, Tony Michaels und Vinny Gorman, kassierten zwei Drittel der Copyright- und Verlagstantiemen für die Songs, die Billy geschrieben hatte – der auf diese Weise seine ersten Erfahrungen mit den Untiefen der Musikszene machte.

Billy und die Band spielten außerdem eine ihrer beliebtesten Live-Nummern für die Platte ein, „You Got Me Hummin’“ von Sam & Dave. Die Singleauskopplung arbeitete sich bis auf Platz 112 der Billboard-„Bubbling Under The Hot 100“-Charts vor und wurde in der Record World auf Platz 71 gelistet. Der Song verband eine energiegeladene Portion Blue-Eyed Soul mit dem gospelartigen, stark improvisierten Stax-Sound des Originals, aber wie Billy sagte: „Es war bestimmt kein Grund für Sam & Dave, sich aus dem Musikgeschäft zurückzuziehen.“

Etwa acht Monate nach der ersten Single, während die Band an ihrem Debütalbum feilte, erschien am 28. Oktober 1967 im Newsday, der führenden Zeitung von Long Island, ein Artikel über die Hassles. Unter der Überschrift „Heimische Gewächse“ schwärmte Harvey Aronson auf drei Seiten von der Lokalband und ihrem Erfolg, hübsch versetzt mit kleinen Seitenhieben auf die Vorstadtwelt. Die erste Seite wurde von einem Gruppenfoto beherrscht, auf dem die Band vor dem Haus der Dizeks in Syosset stand und ihre Instrumente umklammerte. Umrahmt eingefügt waren zudem Porträts von Danny und Irwin Mazur, ungeduldig blinzelnd und mit Schlips und Kragen. Dahinter gruppierten sich Freunde und Familie, alle auf dem „ordentlich gemähten Rasen vor einem Haus mit versetzten Ebenen“. Text und Foto deuteten in dieselbe Richtung wie auch eine der hervorgehobenen Zeilen: „The Hassles sind herzlich und vorstädtisch. Und sie stehen für das Universelle des Rock’n’Roll.“ Weiter hieß es: „Eine Gruppe heimischer Gewächse aus Long Island hat sich zu einer der heißesten Rock’n’Roll-Combos der Gegend gemausert und nimmt mittlerweile pro Nacht bis zu tausend Dollar ein. Mit ein bisschen mehr Aufwand – und vielleicht dem einen oder anderen Hit – könnte aus den Hassles noch ein hoch aufragender Geldbaum werden.“

Die Band, so hieß es, arbeitete viele Tage rund um die Uhr in den Clubs auf Long Island und Manhattan (so auch im The Scene von Steve Paul, in dem Jim Morrison und Jimi Hendrix mit den Young Rascals auf die Bühne gegangen waren). Einmal sei sogar eine Polizeieskorte nötig gewesen, damit The Hassles einen ungenannten Club in Queens überhaupt wieder hatte verlassen können. Angeblich hatten sie von „You Got Me Hummin’“ in der ersten Woche nach Erscheinen in Städten wie New York, Baltimore, Philadelphia, Providence und Pittsburgh schon 10.000 Exemplare verkauft. Der Song selbst wurde als „phantastische Melange aus wham-bam-boom mit jeder Menge Gestöhne und einem sensationellen Schrei“ beschrieben; ob Aronson das Original von Sam & Dave kannte, ist dem Text nicht zu entnehmen. Der Autor berichtete, Irwin ginge davon aus, „dass The Hassles dieses Jahr 250.000 Dollar einspielen werden“; allerdings sagt Irwin heute, dass er auf eigene Mittel zurückgreifen musste, um die 30.000 Dollar für das Equipment der Band aufzubringen (die 50 Dollar, die Billy wöchentlich für die Hammond B3 abgezogen wurden, gingen davon vermutlich ab).

In dem Artikel wird auch die Reaktion der Band beschrieben, als sie ihren Song im Radio hörte. „Ich saß hinten im Truck“, sagt Richie, „ein phlegmatischer Junge, der allerdings munter wird, als er über die Platte spricht“. „Das ist wirklich das Größte, im Auto unterwegs zu sein und die eigene Platte im Radio zu hören. Wir fingen alle an zu schreien und gegen die Wände zu trommeln. Beinahe wären wir mit einem anderen Wagen kollidiert.“

Das Bandmitglied, das im Artikel „Billy Joe“ genannt wird und hier noch einen falschen weiteren Vornamen verpasst bekam (was ihm noch jahrelang nachhängen sollte), „William Martin Joseph Joel“, wird immerhin korrekt als 18Jahre alt und aus Hicksville beschrieben. Und obwohl Dizek als „Frontmann“ bezeichnet wird und laut Irwin auch „das Sexsymbol der Band“ ist, wird doch Billy als Leadsänger, Pianist und Organist genannt und ist zudem angeblich „der technisch versierteste Musiker der Band. Er mag Beethoven und Rachmaninoff, aber die machen sich für Langhaarige nicht länger bezahlt.“

Billy gab in diesem Interview eine Ansicht zu Protokoll, an der er über seine ganze weitere Karriere hinweg festhielt: „Rock’n’Roll zu spielen ist nicht weiter schwierig. Schwierig ist es, neue Ideen zu entwickeln.“ Viele der aktuellen Rock-Songs, setzte er hinzu, würden für kommende Generationen keine Rolle spielen und in Vergessenheit geraten, im Gegensatz zu – und hier handelt es sich offenbar um Billys Beispiele – „White Christmas“ und „I’m In The Mood For Love“. „Was wir uneingeweihten squares offenbar kapieren sollten“, schrieb Aronson, der Billy dabei den typischen Hipster-Jargon in den Mund legte, „ist wohl die Tatsache, dass diese Musik Teil der heutigen Szene ist und es nicht darum geht, irgendetwas zu erschaffen, das für die Nachwelt bleibt.“

Das sollte später anders kommen, aber wer hätte das damals schon ahnen können?

Nach der Einschätzung von Irwin und Danny waren auf Long Island, seit die Hassles bei ihnen vorgespielt hatten, mehr als vierhundert „Diskotheken“ (ein Begriff, unter den Rockclubs und Tanzclubs gleichermaßen gefasst wurden) und gut tausend Bands entstanden. Dennoch hatten sich die Mazurs im Juli 1967 dazu entschlossen, ihren Club My House zu verkaufen, die Produzenten des ersten Hassles-Albums, den 26-jährigen Michaels und den 21-jährigen Gorman, vertraglich an sich zu binden und dazu zwei Roadmanager zu verpflichten. Ein Sprecher von United Artists sagte über The Hassles: „Wir haben große Pläne mit der Band. Wir machen jede Menge Promotion und wollen sie in so vielen Fernsehshows unterbringen wie möglich.“

Tatsächlich hoffte man darauf, dass der erste Hit, „You Got Me Hummin’“, den Hassles zum kommerziellen Durchbruch verhelfen würde. Wie Irwin Aronson sagte, wollte er die Jungs zur Schauspielschule schicken und „sie größer machen als die Monkees“. Und dennoch schien er bereits zu ahnen, welche Probleme sich innerhalb des Bandgefüges abzeichneten: Der Frontmann Little John brachte zwar die Show, aber Billy, der verdeckt hinter seiner Hammond stand, hatte die bessere Stimme. Irwin wusste, dass es mit einer Platte klappen musste – „wenn nicht mit dieser, dann mit der nächsten“. Der Artikel fing auch die Meinungen der Eltern ein. „Ich wusste schon immer, dass er einmal ins Showbiz gehen würde“, sagte Billys Mutter. „Er hat schon gesungen, bevor er sprechen konnte.“

Am Schluss beschrieb Aronson den Hassles-Auftritt in der Clay Cole Show, einer Musiksendung mit einem vor Ort sehr bekannten Moderator, in der normalerweise Bands zu Playback sangen und dabei ähnlich wie in Dick Clarks landesweit ausgestrahltem American Bandstand von einer Schar Tänzern begleitet wurden. Cole hörte im Januar 1968 auf; er selbst bezeichnete sich als „Typ mit schwarzem Schlips und Smoking, der im Treibsand von Psychedelic und Acid Rock untergeht“; er wandte sich ab von einer Szene, in der er für sich keinen Platz mehr fand. Von den Sendungen blieb keine der Pop-Geschichte erhalten; die Bänder wurden in der Regel immer wieder gelöscht, um neu verwendet werden zu können. Offenbar trug „Billy Joe ein indisches Tuch“ und Little John ein Hemd mit Paisleymuster, und damit entsprachen die Hassles genau jenen Bands, die bei Cole so viel Unverständnis weckten. Laut Aronsons Beschreibung gab es jede Menge „fliegende Haare und wackelnde Hüften und die scharfen Beats, die junge Leute von heute dazu bringen, herumzuspringen, zu schreien und Geld auszugeben“. Zum Abschluss schrieb er: „Ob sie es schaffen werden? Warum nicht? Was für eine Vorstellung: Es hat alles auf heimischem Rasen angefangen.“

Vielleicht war der Artikel kein gutes Omen. Jedenfalls dauerte es nicht lange, und die Hassles gerieten völlig in Vergessenheit; ihr Name fällt allenfalls noch einmal, wenn es um die Anfänge von Billys Karriere geht.

Das zweite Album der Hassles, Hour Of The Wolf, wurde mit einer Underground-Legende namens Thomas Jefferson Kaye eingespielt, der immerhin von sich behauptete, den Klassiker „96 Tears“ von Question Mark And The Mysterians aus dem Jahr 1966 produziert zu haben, und später mit Steely Dan arbeitete. Billy wurde zwar ein großer Fan dieser Band, aber der exzentrische Kaye war deswegen vermutlich trotzdem nicht der beste Produzent für die Hassles.

Die Sessions fanden im alten Skitch-Henderson-Studio in New York statt; die Band verbrachte Monate mit den Aufnahmen. Einige der Musiker rauchten Haschisch, aber Jon und Billy hielten davon nichts. „Der drogengeschwängerte Prozess zog sich endlos hin“, erinnert sich Billy, und Small berichtet, dass er richtig sauer wurde, als eine angeheiterte Judy Garland, die Kays offenbar kannte, zusammengesunken auf dem Sofa im Mischpultraum saß und irgendwelche Fragen murmelte. „Alle waren auf Trip“, sagt Billy, „und wir hockten sechs Monate in diesem verrückten kleinen Studio, bis wir so psychedelisch drauf waren, dass wir keine Ahnung mehr hatten, was wir eigentlich machten.“ Trotzdem lieferten die Musiker eine ordentliche Leistung ab, die insgesamt von der Qualität her deutlich über den Texten des Titelsongs lag, den Billy und Little John gemeinsam geschrieben hatten:

Death

Has come alive within a creature

With the eyes of burning fire

There is a tingling in your brain

You want to run but you remain

It is the hour of the wolf.

Der Song, der denselben Titel trug wie der im Vorjahr erschienene Film von Ingmar Bergman (Die Stunde des Wolfs), war überladene zwölf Minuten lang, Wolfsgeheul von der Band inklusive.

The Hour Of The Wolf von The Hassles erschien schließlich im Januar 1969 mit einem acidmäßig expressionistischen Cover, das einen Wolfsschädel in grellen Farben zeigte, und verschwand sofort in der Versenkung.

John Dizek hatte schließlich genug. Jahre später bemerkte er in den Liner Notes zu einer Neuauflage der Hassles-Werke, dass die Mazurs bei der Betreuung der Band zu sehr ihre eigenen Interessen verfolgt hätten: „Sie benutzten uns für ihre eigenen Zwecke und banden uns zur entscheidenden Zeit an ihren Club My House, während wir besser daran getan hätten, auf Tour zu gehen und das Album zu promoten.“

Nach Dizeks Ausstieg übernahm Billy den Leadgesang. In der Band waren außerdem noch der wilde Howie Blauvelt und der Gitarrist Richie McKenna, von dem Billy von Anfang an nicht viel gehalten hatte. Howie war schon seit den frühen Tagen in Hicksville mit Billy befreundet und hatte zur Parkway-Green-Gang gehört; sie hatten gemeinsam die Faszination der Rockmusik entdeckt. Jetzt allerdings distanzierte sich Billy allmählich etwas von ihm, hauptsächlich wegen Howies Experimenten mit den verschiedensten Rauschmitteln. (Daher überrascht es nicht, dass Blauvelt mit 19 im Januar 1966 zusammen mit acht weiteren Minderjährigen bei einer Drogenrazzia in einem Motel in Hicksville mit Marihuana erwischt wurde; zu welchem Urteil es in dem folgenden Prozess kam, ist nicht bekannt.) Dass Howie schließlich mitten bei einem Gig von der Bühne fiel, war auch kein gutes Zeichen. Angesichts der Tatsache, dass sie meist in Clubs spielten, in denen der Platz auf der Bühne kaum für die Musiker reichte, war es dort oben auch so schon gefährlich genug, wenn man sich vorher nicht in einen anderen Bewusstseinszustand versetzt hatte.

Daher schlossen sich Jon und Billy immer enger zusammen, bis sie schließlich gemeinsam den Hassles den Rücken kehrten. (Howie, der 1993 starb, erlebte mit der Lokalband Ram Jam noch einmal kurzen Ruhm.) Der Soul-Pop der Sechziger hatte für sie angesichts neuer Einflüsse wie Led Zeppelin allmählich deutlich an Anziehungskraft verloren. „Wir wollten eine Hard-Rock-Band sein und waren fest entschlossen, echt heavy zu werden. Irgendwie.“ Damals stand heavy für einen intensiven, bekifften, teilweise psychedelischen Sound, wurde aber schon bald mit Metal verbunden und entfernte sich von seinen Blues-Wurzeln, hin zu einem schnelleren Headbanger-Stil nach Judas-Priest-Manier. Jedenfalls hatte Billy – im Gegensatz zu beispielsweise John Lennon – bis dahin noch nie Acid genommen.

Während dieser Zeit gab Billy einige einzelne Gigs, die ihn kurzzeitig wieder zu der Popmusik zurückführten, die den Hippie-Sechzigern vorausgegangen war. Einmal spielte er als Sessionmusiker Keyboards für Chubby Checker, der mit „The Twist“, seiner 1960 veröffentlichten Neuauflage des Originals von Hank Ballard, und einer Reihe anderer tanzbarer Titel bis 1965 recht erfolgreich gewesen war. Ungefähr zur selben Zeit erschien Billy auch des Öfteren in einem Studio in Long Island, um mit der Produzentenlegende Shadow Morton zu arbeiten; ob er allerdings auf dem Demo oder der Master-Aufnahme von „Walking In The Sand“ der Produzenten Ellie Greenwich und Jeff Barry zu hören ist oder nicht, darüber wird in Spezialistenkreisen seit Jahren diskutiert. Billy kann selbst nicht eindeutig sagen, ob er auf dieser großen Hymne über eine tragische Teenagerliebe zu hören ist.

Nach weiteren vereinzelten Auftritten trennten sich Jon und Billy von den Hassles und machten sich auf die Suche nach einer neuen musikalischen Richtung – im Keller des Tapetenladens, den Jons Eltern in Syosset führten. Es gelang ihnen schnell, sich einen Sponsorendeal mit einer Verstärkerfirma namens Plush Amplifiers zu sichern, deren Geräte nicht nur üppig mit schwarzem Samt bezogen waren, sondern vor allem üppigen Lärm produzieren konnten. Wie sich Billys Instrument für den maximalen Rock-Sound verkabeln ließ, versuchten die beiden selbst herauszufinden, wobei sich Jon einen schmerzhaften Stromschlag einfing, als er ein nicht isoliertes Kabel von der Orgel an den entsprechenden Verstärkerkontakt hielt – aber am Ende schafften sie es tatsächlich, einen ohrenzerfetzenden, verzerrten Sound zu erzeugen. Und jetzt, so Billy, fühlten sie sich „unbesiegbar“.

„Ich hatte Hendrix in Woodstock nicht erlebt, obwohl ich für einen Tag dorthin gefahren war. Schlamm, Regen und Acid waren nichts für mich, und so war ich zurück nach Hause getrampt. Hendrix war aber der Dreh- und Angelpunkt der Ära von Verzerrung und Feedback“, sagt Billy. „Ich kaufte mir ein Wah-Wah-Pedal, damit ich ein ähnliches Wow-wow-ee-ow hinbekam wie Jimi auf der Gitarre, und hängte noch ein Verzerrer-Pedal ran, weil ich glaubte, dass ich so den wilden Lärm noch würde verdoppeln können, den wir sowieso schon produzierten. Und dann drehten wir einfach die Lautstärke voll auf.“

Man schrieb das Jahr 1969, und die rebellische Energie des Rock wurde immer noch von Radiohits wie Tommy Roes „Dizzy“ und „Sugar Sugar“ von den Archies überdeckt. Allerdings hatten Billys Vorbilder, Rod Argents Zombies, einen großen Hit mit „Time Of The Season“, und aus Großbritannien kamen Meilensteine wie „Honky Tonk Women“ von den Rolling Stones oder „Get Back“ von den Beatles.

Billy schrieb einige Heavy-Metal-Songs, die auf der Bühne ebenso wenig klar auszumachen waren wie auf den ersten Bandaufnahmen. Irwin Mazur, der ihn und Jon weiterhin managte, hielt die neuen Werke „für den übelsten Scheiß, den ich je in meinem Leben gehört hatte, aber ich verschaffte ihnen trotzdem einen Deal bei Epic Records“ – mit einem Vorschuss von 50.000 Dollar. Etwas von dem Geld wurde gleich in echte „Rock-Klamotten“ investiert: In einem Laden namens Granny Takes A Trip im East Village deckten sich die beiden mit albernen Carnaby-Street-Outfits ein.

Wenig später lieferten Billy und Jon unter dem Projektnamen Attila ihr erstes selbstbetiteltes Album für Epic ab. Den Namen hatte Billy aufgrund seiner Verehrung für Jack Palance ausgewählt, der 1954 als Attila der Hunnenkönig im gleichnamigen Film von Douglas Sirk Römer erschlagen und Prinzessinnen geküsst hatte.

„Wenn man die Welt des Rock mit voller Breitseite attackieren und unter zehn Marshall-Verstärkern begraben will – wäre Attila der Hunne, der Italien und Gallien geplündert und dabei auch viele Unschuldige umgebracht hatte, nicht ein ideales Vorbild?“, überlegte Billy. „Ich war 19, und wenn man in diesem Alter auf Heavy Metal abfährt, dann geht’s um nichts anderes als Zuschlagen, Töten, Metal, Niederbrennen, Plündern.“ Leider nahm der zuständige Art Director bei Epic diese Inspiration etwas zu wörtlich und arrangierte eine Fotosession für das Albumcover im Lagerraum einer Schlachterei, steckte Billy und Jon in Barbarenkostüme mit Fell und Brustpanzern und ließ sie umgeben von riesigen Rinderhälften ablichten.

Absurde Erlebnisse dieser Art gab es in dieser Phase von Billys Karriere eine ganze Reihe. Ein Video aus der Zeit – ein Schnipsel daraus ist in dem Dokumentarfilm The Last Play At Shea zu sehen – zeigt Jon und Billy auf der berühmten Cyclone-Achterbahn von Coney Island. Damals hatte der bekannte Freizeitpark einen Kleinwüchsigen aus einer der Freakshows angestellt, um alle Besucher, die aus der Achterbahn stiegen, mit einem milden Elektroschocker zu berühren, wie ihn die Viehtreiber für Rinder benutzten. Und Schockstarre schien recht gut zu den Aussichten des Attila-Albums zu passen, das sehr schnell wieder in der Versenkung verschwand. Bei den meisten Songs auf der Platte benutzte Billy ein kleines Keyboard, auf dem er mit der linken Hand die Basslinien spielte, während er mit der rechten für die Akkorde und Melodien sorgte und dazu aus vollem Hals die Texte brüllte. Jon schlug bei jedem Song wie ein Wilder auf seine Drums ein. Letztlich war Billy über den Misserfolg erleichtert, nachdem ihm bewusst wurde, dass er sonst jahrelang jeden Abend so hätte schreien müssen: „Ich versuchte, so zu singen wie Robert Plant, aber ich war kein Robert Plant.“

Wie zu erwarten, verkaufte sich das Album nicht besonders gut – es dauerte nicht lange, und das Label ließ Attila wieder fallen. John zufolge wurden über diese Sache nicht allzu viele Worte verloren: „Für die Verträge war Irwin verantwortlich, wir waren nur die dussligen Musiker, die im Keller vom Tapetenladen meiner Eltern probten.“

Rückblickend sind sich Jon und Billy heute einig, dass Attila „scheiße“ war. Jon gibt freimütig zu: „Wir waren im Studio scheiße, und bei den sechs oder sieben Gigs, die wir spielten, waren wir auch scheiße. Aber die enge Verbindung, die in diesen turbulenten Zeiten zwischen uns entstand, sorgte dafür, dass unsere Freundschaft auch starke Belastungen überdauerte.“

Tatsächlich wurde das Verhältnis der beiden bald auf eine besonders harte Probe gestellt, und der Grund dafür war eine Frau: Harry Webers Schwester Elizabeth. Kurz bevor Billy zu den Hassles gestoßen war, hatten Jon und Elizabeth überstürzt und nach nur kurzer Bekanntschaft geheiratet, als Elizabeth schwanger wurde. (Ihr Sohn Sean ist als Neunjähriger auf dem Cover des 1976 erschienenen Album Turnstiles rechts hinter Billy neben zahlreichen anderen zusammengedrängten Komparsen zu sehen.)

Heute sprechen die beiden Männer recht entspannt über das kurzzeitige Dreiecksverhältnis. Insider behaupten sogar, dass sie sich selbst heute noch über ihre Erfahrungen mit der gemeinsamen Exfrau austauschen („Sag bloß, du hast das auch durchmachen müssen?“). Aber als Jons Ehe scheiterte und Elizabeth sich mit Billy einließ, und auch in den turbulenten Jahren danach, gestaltete sich die Beziehung der beiden Freunde doch sehr schmerzhaft und emotional.

Jon erinnert sich daran, wie sich das alles entwickelte. „Wir waren ja Hippies“, berichtet er, „und zwar so richtig. 1970 zogen wir gemeinsam in ein Haus in Dix Hills. Es war ganz und gar aus Stein und Zement, deswegen nannten wir es The Rock House. Wir, das waren ich, Elizabeth und Billy.“ Zuvor hatten die drei in den Fairhaven Apartments ganz in der Nähe von Billys alter Adresse in Hicksville gewohnt – Jon und Elizabeth in einer Wohnung, und Billy gegenüber.

Jon war damals viel unterwegs, um in den Clubs von Long Island nach Auftrittsmöglichkeiten zu suchen, und Billy übernahm Gelegenheitsjobs. „Was dann geschah, war ganz einfach“, sagt Jon. „Er verliebte sich schlicht und ergreifend in meine Frau. Als ich dahinterkam, war es mit unserer Freundschaft vorbei.“ Zumindest für eine Weile; auf lange Sicht überstand das Band zwischen Jon und Billy diese Krise. Dass Billy sich der Faszination Elizabeths so wenig erwehren konnte, lag vor allem daran, dass sie so schwer zu fassen war: „Sie war – anders. Sie war überhaupt nicht wie die anderen Mädchen, die ich damals kannte, und die auf der Schule Hauswirtschaft und Kochen gelernt hatten. Sie war eine sehr kluge Frau und hatte keine Angst, das auch zu zeigen. Wahrscheinlich wirkte sie deswegen ein bisschen exotisch. Sie war intelligent und sagte frei heraus ihre Meinung, aber sie konnte auch sehr verführerisch sein. Eher wie eine Europäerin, nicht wie eine typisch amerikanische Frau.“

Die Situation spitzte sich zu, als Billy und Jon einen der seltenen Attila-Auftritte absolvierten – zwei Gigs, beide ausverkauft, in einem Club in Amityville. „Wir spielten den ersten Set“, berichtet Jon, „und wir kamen richtig gut an. Billy schwitzte nie, aber wenn ich in die Garderobe kam, war ich klitschnass. Ich benutzte einen Staubsauger von Electrolux, um mir die Haare zu trocknen, weil damals noch kaum jemand einen Fön hatte. Und als ich da stand und diesen riesigen Staubsauger hochhielt, guckte ich aus dem Fenster, und draußen standen Billy und Elizabeth und redeten. Dann sah ich, wie Billy mit ihr ins Auto stieg und die beiden wegfuhren. Aber wir hatten ja noch eine Show vor uns. Ich zog mich so schnell an, wie es ging, sprang in meinen Wagen, und mir war klar, dass sie zum Rock House zurückgefahren sein würden … und da waren sie auch.“

Ob Jons Wut jetzt vor allem in verspäteter Eifersucht und Abneigung begründet lag, oder teilweise auch damit zu tun hatte, dass sein Bandkumpel einen Gig sausen ließ, den er organisiert hatte – er reagierte jedenfalls mit blindem Zorn.

„Billy saß am Klavier und spielte, Elizabeth war dort und ihre Schwester ebenfalls. Als ich reinkam, war ich außer mir. Ich schubste Elizabeths jüngere Schwester Josephine durch das Fliegengitter vor der Eingangstür; sie fiel direkt hindurch und prallte gegen die Glasscheibe dahinter, die kaputtging. Dann rannte Elizabeth nach draußen, und ich haute Billy eine rein.“

Billy war tatsächlich völlig überrascht. „Ich erinnere mich, dass ich mich zu Jon umdrehte – und einen richtigen Schwinger abbekam. Mir lief sofort das Blut aus der Nase. Es war ein Schock: Zwar hatte ich mir während meiner Zeit als Boxer jede Menge Schläge eingefangen, doch das war einer, den ich nicht hatte kommen sehen. Aber ehrlich gesagt, ich hatte ihn verdient.“

Offenbar hatte Billy geglaubt, dass Elizabeth bereits mit Jon über ihr Verhältnis gesprochen hatte. So, wie er es sah, hatte sich das Ehepaar schon lange entfremdet und war zumindest emotional so gut wie getrennt; es fehlte nur noch ein sauberer Schnitt. Schlimmer noch war, dass die beiden Männer nie über die Probleme in Jons Ehe gesprochen hatten, ebenso wenig wie über die aufkeimende Liebe zwischen Elizabeth und Billy, die vermutlich allein durch die Körpersprache der beiden, die leisen Gespräche und die nicht ganz so verstohlenen Blicke zu erkennen gewesen war. Billy führt dieses unglückliche Schweigen auf eine typisch männliche Mischung aus Empfindsamkeit und übergroßer Zurückhaltung zurück. (Long Islander, die sich noch etwas der Arbeiterklasse verhaftet fühlen, reden gewöhnlich nicht über Gefühle, es sei denn, dass es um Baseballergebnisse geht.)

„Bis zu dem Augenblick, da Jon mir eine verpasste, fühlte ich mich nicht einmal besonders schlecht, weil ich dachte, es sei ja schon alles ganz offen diskutiert worden“, sagte Billy. „Aber Jon wusste nicht alles über Elizabeth und mich. Als mir das klar wurde, hatte ich schreckliche Schuldgefühle.“

Nach dieser Szene und der Erkenntnis, dass er Jon übel hintergangen hatte, brach für Billy alles zusammen. Attila war gescheitert. Sein Konto war so gut wie leer. Jetzt hatte er zudem das Gefühl, schuld an der Scheidung seines besten Freundes zu sein. Und zum krönenden Abschluss ließ sich Elisabeth nicht etwa von Jon scheiden, um mit Billy zusammen zu sein, sondern verschwand erst einmal. „Da begann ich wirklich, Selbstmordgedanken zu entwickeln“, sagt Billy.

„Billy rief mich um ein Uhr morgens an und sagte, er müsse mit mir reden“, erinnert sich Irwin Mazur. „Wir trafen uns im Jericho Diner, und dort berichtete er mir, er hätte eine Affäre mit Elizabeth und wüsste nicht, was er machen sollte.“

Einige Monate vor dem großen Streit hatte Billy noch eine kleine Wohnung in Fairhaven gehabt, wo er unter einer großen amerikanischen Flagge geschlafen hatte, während Jon das Rock House anmietete und Elizabeth immer öfter bei ihrer Familie in Syosset übernachtete. Aber als Elizabeth sich von ihnen beiden distanzierte und Jon sich zurückzog, war Billy sich selbst überlassen und ohne Richtung, ohne Geld für die Miete, ohne ein Auto oder auch nur einen Führerschein. Gelegentlich schlief er bei Irwin Mazur.

„Billy hatte wieder einmal bei uns übernachtet“, berichtet Irwin, „und als ich morgens aufstand und ins Esszimmer ging, fand ich dort einen losen Zettel, auf dem Billy offenbar den Text für einen Song geschrieben hatte. Ich las ihn, und der Titel lautete ‚Tomorrow Is Today‘. Daran ließ sich ziemlich gut ablesen, in was für einem Zustand er damals war. Es war ganz klar ein Abschiedsbrief.“

I’ve been livin’ for the moment

But I just can’t have my way

And I’m afraid to go to sleep

’Cause tomorrow is today

I don’t care to know the hour

’Cause it’s passing anyway

I don’t have to see tomorrow

’Cause I saw it yesterday …

Oh, my, I’m goin’ to the river

Gonna take a ride and the Lord will deliver me

Make my bed, now I’m gonna lie in it

If you don’t come, I’m sure gonna die in it

Too late, too much givin’

I’ve seen a lot of life and I’m damn sick of livin’ it

I keep hopin’ that you will pass my way.

„Wir schrieben das Jahr 1970, ich war 21 geworden und hatte noch immer kein Geld“, sagt Billy. „Ich hatte keine Wohnung. Aus dem Rock House war ich ausgezogen, anschließend hatte ich ein paarmal bei meiner Mutter übernachtet. Aber wenn du wieder bei deinen Eltern einziehst, ist das wirklich der Punkt, wo du dir dein Scheitern eingestehen musst. Um das zu vermeiden, zog ich lieber herum wie ein Obdachloser und übernachtete bei Freunden auf der Couch, manchmal in Autos, die nicht abgeschlossen waren, oder in der Wärme eines Waschsalons. Nächtelang fuhr ich mit der U-Bahn durch Queens, und ich schlief sogar im Wald.“

Immerhin sprachen er und Jon nach einer Weile wieder miteinander, wobei die Tatsache, dass Elizabeth sich immer noch nicht sehen ließ, den Waffenstillstand erleichterte. Jon erinnert sich: „Eines Tages sagte ich zu Billy: Weißt du was, wir ziehen heute Abend los und gehen in eine Bar, bring ein paar Mädchen mit, wir machen dann schon was los. Aber er lag einfach nur da und brachte keinen Satz heraus. Schließlich sagte er: Ich glaube, ich bring mich um oder sowas. Und ich antwortete darauf: Dann tu das. Mach schon. Bring dich um. Bring’s hinter dich. Denn so, wie es jetzt ist, kann das auch nicht weitergehen. Und dann ließ ich ihn allein und ging aus. Und als ich wiederkam, lag er auf dem Boden.“

„Ich fühlte mich so elend“, sagt Billy. „Ein wohlmeinender Freund hatte mir ein paar Pillen besorgt, Nembutal, um die schlimmen Schuldgefühle und Panikattacken zu lindern. Als ich dann bei meiner Mutter in Hicksville war, dachte ich: Naja, ich habe ja diese Pillen, da könnte ich sie doch auch nehmen.“

Billys Schwester Judy erzählt die Geschichte so: Billy hatte Jon angerufen, um sich für sein Verhalten zu entschuldigen, für das er sich trotz der Versöhnung noch immer schämte, und als Jon kam, lag Billy bewusstlos am Boden. Jon und Billys Mutter riefen einen Krankenwagen, und Billy kam in die Klinik. „Als ich dort aufwachte und hörte, dass sie mir den Magen ausgepumpt hatten“, meint Billy, „dachte ich als erstes: Na toll, nicht einmal das kriege ich richtig hin. Für mich war das nur ein neuerliches Versagen.“

Billy wurde schließlich entlassen, nur um binnen weniger Wochen wieder eingeliefert zu werden.

„Ich fühlte mich so schuldig, so verzweifelt und hoffnungslos, und in dem Wandschrank zu Hause entdeckte ich zwei Flaschen mit einem Totenkopfsymbol“, erinnert sich Billy. „Die Bleiche sah nicht besonders lecker aus, also trank ich lieber die Möbelpolitur Old English Scratch Cover [und nicht, wie gern berichtet wurde, Lemon Pledge, die zumindest nach Zitronen gerochen hätte].

Anschließend ließ ich mich auf einen Sessel fallen und wartete auf den Tod. Ich dachte: Hier sitze ich jetzt, und hier werde ich sterben. Letzten Endes saß ich da und polierte die Möbel meiner Mutter mit jeder Menge Fürzen. Judys Mann Frank Molinari war dann schließlich derjenige, der mich ins Krankenhaus bringen musste. Noch auf dem Weg dahin dachte ich mir: Das ist so blöd. Das ist doch nur noch albern. Ich brauche Hilfe. Zumindest war ich noch soweit klaren Geistes, dass ich mich selbst zur Beobachtung in die Psychiatrie des Meadowbrook Hospitals einweisen ließ.“

Dort blieb er drei Wochen. Später berichtete er, es sei dort tatsächlich so gewesen wie im Film Einer flog übers Kuckucksnest: „Da ging man zum Schwesternzimmer und bekam einen kleinen Plastikbecher mit Pillen, und sie studierten deine Krankenakte. Einmal sagte ich: Hey, mir geht’s gut. Die da, die sind verrückt. Aber mir geht’s gut. Und die Schwestern guckten mich bloß an, wie ich vor ihnen stand, mit meinen langen Haaren und einem Schnurrbart wie Ludwig XIV., und antworteten: Aber sicher, Mr. Joel. Hier ist Ihre Medizin.

Schließlich konnte ich es nicht mehr erwarten, bis ich da wieder rausdurfte. Wir alle schliefen in einem großen Schlafsaal auf Pritschen, einer direkt neben dem anderen. Der Typ neben mir hat die ganze Zeit gestöhnt, und ein anderer schrie dauernd. Es war wie in der Klapsmühle, ein sehr furcht einflößender Ort.“ Nach drei Wochen, in denen Billy mit einer ganzen Armee von Ärzten gesprochen hatte, die endlich überzeugt davon waren, dass er sich nichts mehr antun würde, wurde er wieder entlassen.

„Ich trat ins Freie. Daran erinnere ich mich deswegen, weil es dort eine elektrisch gesteuerte Tür mit Riegeln gab, die so ein hallendes Geräusch machte – schlonk, wie eine Gefängnistür. Dann ging ich die Carman Avenue hinunter, am Nassau County Jail vorbei, und dachte nur: Guck nach vorn, nicht nach hinten. Per Anhalter fuhr ich zu meiner Mutter.“

Die Zeit im Krankenhaus war für ihn eine Lektion Wirklichkeit und impfte ihn gründlich gegen Selbstmitleid: „Auf dieser Beobachtungsstation, mit diesen ganzen zutiefst gestörten Patienten, wurde mir klar, dass meine Lage überhaupt nicht schlimm war, verglichen mit dem, was die anderen durchmachten. Die meisten Leute, mit denen ich dort eingesperrt war, würden nie in der Lage sein, ihre Schwierigkeiten zu meistern, wohingegen meine Probleme alle hausgemacht waren. Das kann ich in Ordnung bringen, dachte ich. Insgesamt war es wohl eine der besten Entscheidungen, die ich je gefällt habe, denn damals habe ich gelernt, nie wieder so in Selbstmitleid zu versinken, dass ich nicht mehr klar denken kann. Ich glaube, da habe ich die Haut eines Rockstars wirklich abgelegt.“

Kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus begegnete Billy Irwin Mazur, der diese Begegnung heute so schildert: „Ich fragte ihn: Was zur Hölle hast du angestellt? Und Billy sagte: Ich habe Möbelpolitur getrunken. Dann fügte er hinzu: Hör mal, meine Zeit als Musiker ist vorbei. Als ich ihn fragte, ob er Songs geschrieben hatte, sagte er Ja. Damals hatte er schon ‚She’s Got A Way‘, ‚Why Judy Why‘ und ‚Every­body Loves You Now‘ in der Tasche. Die spielte er mir vor. Und dann sagte er: Ich bin jetzt soweit.“

Billy war fest entschlossen, einen Interpreten für seine Songs zu suchen, idealerweise einen Künstler, den er bewunderte; ansonsten wollte er einen anderen Weg im Leben einschlagen und sich auf andere Weise sein Geld verdienen. „Pass auf“, warnte er Irwin, „ich gehe in den Mittleren Westen. Ich werde Bartender. Mir hängt das alles hier zum Hals raus. Wenn nicht bald etwas passiert, dann halte ich nicht mehr länger durch.“

Billy Joel

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