Читать книгу Prinz oder Heiratsschwindler? - Freder van Holk - Страница 6
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Оглавление„Meine liebe Caroline, ich frage dich nicht, ob ich heiraten kann. Ich teile dir lediglich meinen Entschluss mit. Ich kenne deinen grenzenlosen Egoismus. Du wirst dich nie über eine neue Mutter freuen. Im Gegensatz zu meiner armen verstorbenen Frau habe ich mir über deinen Charakter nie Illusionen gemacht.“
Carolines schmale Silhouette hob sich vom sternenübersäten Abendhimmel ab. Sie saß auf dem breiten Fensterbrett im Rauchzimmer.
Ein junges einsames Mädchen, umgeben von Glanz und Reichtum. Das letzte Glied einer vornehmen Kette.
Die eigene Ehe des Grafen Dorbaum war kinderlos geblieben. Klaus von Dorbaum grollte dem Schicksal noch heute dafür. Und der Tochter seiner Frau, der Tochter seines verhassten, glühend beneideten Vetters Hans, hatte er nie Sympathie entgegengebracht.
Und wie sollte er sie heute gern haben? Sie war die Erbin des riesigen Besitzes. Die Herrin des Schlosses, der riesigen Ländereien, der Weinberge, die sich den Schlossberg hinauf schlängelten, all der Dinge, die den Reichtum der Dorbaums jährlich vermehrten.
Er war der entfernte arme Vetter des verstorbenen Grafen gewesen. Aber nach dem Tod von Hans war endlich seine Zeit gekommen. Da hatte er Helen umworben, wie noch keine Frau umworben worden war. Und sie, die schöne Helen, wie sie überall genannt wurde, sie, die unter den reichsten, vornehmsten Männern hätte wählen können, hatte ihn geheiratet. Was störte es ihn, dass man ihn hinter seinem Rücken den Prinzgemahl nannte.
Caroline starrte ihn an. Mit versagender Stimme murmelte sie: „Aber Mama ist erst ein Jahr tot.“ Ihre großen grauen Augen brannten in ihrem weißen Gesichtchen.
Ärger durchflutete ihn. Sein Gesicht wurde dunkelrot. Aber er beherrschte sich. Er faltete nur lose die gepflegten Hände ineinander und lehnte den Rücken fest gegen den spanischen Kamin.
„Was verstehst du von diesen Dingen?“ Er sprach sehr leise, gab seiner Stimme absichtlich den beleidigenden Unterton. „Auch deine Mutter liebte ihren ersten Mann, wenn man ihren Worten glauben durfte. Tatsache allerdings ist, dass nur ich sie glücklich machte. Ja, starre mich nicht so entsetzlich an, meine Liebe. Warum willst du vor diesen Dingen deine Augen verschließen? Deine Mutter und ich waren sehr glücklich. Die Ehe zwischen deinem Vater und ihr aber wurde arrangiert. Es kam nach dem Willen deines Großvaters Geld zu Geld. Dein Vater war ein Dorbaum wie ich... nur hatte er das Glück, einen sparsamen Vater zu haben. Meiner dagegen und auch mein Großvater brachten ihr Geld am Spieltisch durch.“
„Wir sprachen nicht von Geld.“
Er starrte sie finster an. Das Licht der hohen Stehlampe lag zwischen ihnen. Ihre Gestalt wie ihre Stimme drückten Feindseligkeit aus.
„Ganz wie du möchtest, meine Liebe. Sprechen wir also nicht von Geld, sondern von der Liebe. Ich habe deine Mutter geliebt. Sie ist ein Jahr tot. Und ich habe mich nun wieder verliebt. Ich bin ein Mann aus Fleisch und Blut. In der Blüte meines Lebens... wie es so hübsch heißt. Du kennst dich bei den Dichtern besser aus als ich. Dafür allerdings kenne ich mich im Leben mehr aus“, er lachte selbstgefällig. Sie zuckte zusammen, als habe er sie geschlagen. Carolines Hand lag auf der kühlen marmornen Fensterbank. Das kleine Apfelsinenbäumchen bewegte lautlos seine roten Früchte im Wind. Sie starrte darauf, um ihn nicht ansehen zu müssen.
„Kenne ich deine zukünftige Frau?“
„Aber natürlich doch, meine Liebe.“ Er löste sich von dem Kamin und kam mit schnellen Schritten zu ihr herüber. Carolines Haltung versteifte sich noch mehr.
„Du sitzt dort wie eine verlassene Prinzessin“, lachte er schmeichlerisch. „Es fehlt dir nur noch der goldene Kamm, um deine goldenen Locken zu kämmen. Caroline, du und ich, wir sollten versuchen, ein wenig netter zueinander zu sein. Ich weiß, du hast die Verbindung zwischen mir und deiner Mutter nicht gebilligt. Du warst vielleicht nur eifersüchtig.“
„Nein.“ Sie sprach sehr leise. Mit ihrer dünnen Jungmädchenstimme. „Du warst nicht gut genug für sie.“
„Ich kenne dein Urteil über mich“, seine Stimme klirrte wie Eis. Hoch aufgerichtet stand er vor ihr. Und wieder überflutete sie die Angst vor diesem Mann. Sie hasste sich dafür... sie versuchte dieses Gefühl verzweifelt zu bekämpfen, es gelang ihr nicht. Und er wusste es ganz sicher, wie sehr sie sich vor ihm fürchtete.
„Ich hörte es häufig, wie du versuchtest, deine Mutter von ihrem Entschluss abzubringen. Sagtest du nicht einmal: 'Dieser Mann will nur dein Geld? Er ist wohl ein entfernter Verwandter von Papa. Aber sonst hat er nichts als nur den Namen mit uns gemeinsam. Heirate nicht.' Ich weiß das genau, ich habe nur nie darüber gesprochen...“
Sie erwiderte ruhig seinen starren Blick. Es kostete sie unendliche Mühe, nicht die Augen vor dem Hass zu senken, der sie überflutete.
Ein starres Lächeln umspielte ihren ausdrucksvollen Mund. „Wirklich, sagte ich das? Ich hörte jedenfalls oft, wie du Mutter in den Ohren lagst, mich in ein Pensionat zu geben. Erstaunlich eigentlich! Mama war in allen Dingen Wachs in deinen Händen. Aber das hast du nicht durchgesetzt. Sie liebte mich wohl zu sehr.“
Er lachte nur. Steckte die Hände lässig in die Taschen seiner Reithose. „Seltsam, das Schloss hat so dicke Mauern... und trotzdem ist das Lauschen so leicht. Wie dem auch sei... wir leben nun einmal unter einem Dach. Und ich heirate Claudia Reimann... Wir werden auf Schloss Dorbaum weiterhin zusammen wohnen.“
Einen Augenblick verschlug es ihr die Sprache.
„Claudia Reimann?“ In ihren Augen glänzte fassungsloses Staunen. „Sie ist nicht älter als ich — und du bist beinahe fünfundvierzig Jahre und—“
„Damit in deinen Augen ein Greis. Da siehst du, welch eine Närrin du bist. Ein Mann von vierundzwanzig Jahren, und nicht fünfundvierzig, wie du es zu sagen beliebst, und ein Mädchen von achtzehn Jahren können sehr gut heiraten. Und Claudia ist sehr viel anders als du. Sie ist bereits eine Frau . . . während du noch immer nicht erwachsen geworden bist. Nicht nur deine Figur ist schlecht entwickelt, auch dein Verstand.“
„Vergisst du dich nicht ein wenig zu sehr?“
„Sieh an, man kann ja mit dir die Klinge kreuzen. Solltest du doch erwachsen werden, Prinzessin?“
Wenn er sie ärgern wollte, nannte er sie immer so. Und offensichtlich hatte sie ihn sehr gekränkt, dass er sich so weit vergaß. Oder wollte er sie aus ihrem elterlichen Schloss hinausgraulen?
„Und du willst wirklich auf Dorbaum wohnen?“
„Aber natürlich, dank der Großzügigkeit deiner Mutter habe ich hier Wohnrecht“
„Ja, bis ich heirate. So heißt es im Testament, nicht wahr? Und dann steht dir das Landgut Drei Eichen zu.“
Draußen inmitten der Rasenrabatten plätscherten die Springbrunnen. Manchmal warf der Wind einen kühlen Tropfen des Wassers auf Carolines Wangen. Die hohen Buchsbaumhecken standen dunkel vor der weißen Schlossmauer, die den Blumengarten vom Park trennte.
„Ich frage mich“, begann er in seiner lässigen, spöttischen Art, „wie weit deine Abneigung gegen mich wohl geht? Ich glaube, du bringst es fertig, nur um mich loszuwerden, den ersten besten Mann zu heiraten ... O Gott, Caroline, was bist du doch für ein kleines Schäfchen! Übrigens, sollte dir Claudia überhaupt nicht zusagen, so musst du eben reisen. Außerdem hast du ja noch das Schlösschen oben in den Weinbergen. Warum ziehst du dich nicht nach dort zurück?“
Sie antwortete nicht. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er sie an. Das Mädchen, das zwischen ihm und dem riesigen Vermögen stand. Sie löste sich aus dem Schatten der samtroten Vorhänge.
Trotz seines Hasses wurde ihm die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter bewusst. Und Helene war sehr schön gewesen. Ihre Gestalt warf einen dunklen Schatten auf die Holzwand.
„Gute Nacht“, sagte sie nur, neigte anmutig wie eine Königin den Kopf und schritt an ihm vorüber. Als wäre er noch immer nicht mehr als der arme Verwandte, der nur zufällig den gleichen Namen trug.
Er öffnete ihr nicht die Tür, sondern blieb auf dem gleichen Fleck stehen. Er hörte ihre Schritte, die leicht und schnell über die Treppe huschten.
Die Tür zum Seitenflügel öffnete und schloss sich wieder. Caroline bewohnte noch immer den Teil des Schlosses, in dem die Kinder und Schulzimmer lagen. Man ging durch alte dunkle Gänge, die nur von kleinen rundbogigen Fenstern mühsam erhellt waren. Kaum einem Sonnenstrahl gelang es, hineinzudringen.
Aber offensichtlich liebte Caroline den ältesten Teil Schloss Dorbaums am meisten. Nun, in seinen Augen war sie sowieso nicht ganz normal.
Der Hass, der Neid auf sie, überflutete ihn. Wieder dachte er in ohnmächtiger Bestürzung an die Testamentsverlesung.
Hatte er denn wirklich geglaubt, das Geld der Dorbaums zu erben? Helenes Geld war nur zu ihren Lebzeiten auch sein Geld gewesen.
Er war natürlich jetzt nicht mehr so arm wie vor seiner Heirat. Aber was war das Gut Drei Eichen gegen Schloss Dorbaum? Und er hatte es viele lange Jahre genossen, das Geld mit vollen Händen auszugeben...
Wäre er doch nur besser auf der Hut gewesen. Wie leicht hätte er Geld beiseite schaffen können. Geld, Bilder, andere Werte.
Und nun gehörte alles, bis auf eine lächerlich kleine monatliche Summe Caroline.
Caroline, die sich nichts aus Geld zu machen schien. Die weder Kleider noch Schmuck liebte. Die den ganzen Tag am liebsten in engen, verwaschenen Reithosen herumlief. Die mit jedem noch so unbedeutenden Arbeiter des Schlosses gut Freund war.
Graf Klaus Dorbaum ließ sich in den hohen Lehnstuhl fallen. Ein teuflisches Lachen lag plötzlich um seinen vollen Mund. Und er schien mit sich und der Welt sehr zufrieden.