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Carolines alte Kinderfrau streichelte unglücklich über die Wange des Mädchens.

„Weine doch nicht, Caroline.“ Die alte Frau in ihrem schwarzen einfachen Kleid war außer sich vor Mitleid. „Du darfst nicht traurig sein, mein Liebling.“

Aus erschreckten Augen beobachtete sie ihren verzweifelten Liebling. In ihrer Welt war nur Caroline wichtig. Sie hatte das Mädchen als Baby auf ihren Armen gewiegt. Sie hatte Freud und Leid in diesem Schloss miterlebt. Und in ihren Augen hatte das Schicksal Caroline wenig Freude gebracht. Sie grollte dem harten spöttischen Mann dort unten, der hier im Schloss den Herrn spielte.

„Er wird es nicht wagen, eine neue Frau hierherzubringen, mein Schäfchen. Da hat doch der Rechtsanwalt noch ein Wörtchen mitzureden.“

Draußen stand die Nacht vor dem Fenster. Sie saßen in dem hohen Turmzimmer. Die Felder und Wälder, das Dorf lagen zu ihren Füßen. Sie waren dem Himmel sehr nahe. Die Bäume des nahen Parks rauschten. Ein Käuzchen rief.

Caroline starrte aus dem geöffneten Fenster. Die kalte Nachtluft ließ sie frösteln.

„Er wird es wagen“, murmelte sie verzweifelt. „Er wird Claudia Reimann heiraten. Niemand weiß, wer sie ist und woher sie kommt. Eines Tages erschien sie im Golfclub ... und schon damals interessierte er sich für sie. Sie ist so arrogant wie er... und genauso grausam, Thea. Ich sah einmal, wie sie einen Hund mit Füßen trat, nur weil er dem Golfball nachjagte. Ich will sie nicht hier im Schloss.“

Caroline ballte verzweifelt die Hände. Der Wind wehte in ihren Haaren. Ein Nachtfalter schwebte in das behagliche Zimmer, umkreiste die Lampe, stieß mit dem Flügel gegen einen hellen Glasschrank.

„Du musst gleich morgen mit dem Rechtsanwalt sprechen, mein Liebling.“

Caroline sah in das faltige versorgte Gesicht. Thea schien der einzige Mensch auf der Welt, der sich um sie sorgte. Der sie gern hatte.

O ja, Caroline besaß Onkel und Tanten genug. Ihre Vettern und Basen konnte sie nicht einmal zählen. Aber lieb hatte sie niemand, jedenfalls nicht so wie Thea.

„Auch der Rechtsanwalt kann nichts machen, Thea. Wir haben schon einmal darüber gesprochen. Mamas Tod kam viel zu plötzlich..., sonst hätte er bestimmt noch Zeit gefunden, ein anderes Testament aufzusetzen.“

„Sprichst du von dem Rechtsanwalt, oder von ihm dort unten?“

Thea nannte den Mann nie anders.

Caroline lächelte freudlos. Sie strich ihr Haar, das weich wie Seide war, zurück. Der Mond stand wie eine gelbe Kugel über dem fernen Wald, verschwand hinter einer hohen Wolke, die eilig dem Ostflügel des Schlosses zustrebte.

„Sie hätten es beide geändert. Der Rechtsanwalt hätte Mama bestimmt an mich erinnert..., und er, da unten, hätte mehr für sich herausgeholt. Aber gerecht muss man sein, Thea. Seine Lage ist nicht beneidenswert. Wenn ich nur könnte, so gäbe ich ihm viel Geld, damit er geht.“ Sie atmete tief. Beim Klang der kleinen zittrigen Stimme stiegen der alten Frau Tränen in die Augen. „Thea, ich habe Angst vor ihm.“ Auf der breiten handgeschnitzten Truhe stand das Telefon. Als es die Stille gebieterisch mit seinem Schrillen unterbrach, zuckten die beiden zusammen.

Nur zögernd nahm Thea den Hörer ab und meldete sich.

„Bitte meine Tochter.“ Die kalte gebieterische Stimme löste heftiges Herzklopfen bei Thea aus. Einen winzigen Augenblick erwog sie, ob sie behaupten sollte, Caroline sei nicht anwesend.

Konnte dieser unheimliche Mensch Gedanken lesen?

„Ich sehe Caroline am Fenster sitzen. Stellen Sie das Telefon neben sie, Thea. Auf dem Eckschrank dürfte neben all den Fotografien auch noch Platz für das Telefon sein.“

Caroline meldete sich kurz. Und doch konnte sie das Zittern ihrer Stimme nicht verbergen.

„Ich wollte dir nur noch einmal gute Nacht sagen, mein Kind.“ Er lachte liebenswürdig. „Ich bin in der Galerie und kann auf das Turmzimmer hinübergucken. Ein romantisches Bild, meine Liebe. Bitte lege nicht auf, ich wollte dir nur sagen, Claudia und ich wollen keine große Hochzeit. Du weißt, wie wenig Bargeld ich besitze. Wir heiraten in aller Stille irgendwo. Wenn wir zurückkommen, hoffe ich, dass alles vorbereitet ist.“ Seine Stimme wurde schärfer. Ja, ein feiner drohender Unterton schwang darin. „Und ich verlange, dass meine Frau mit all der Aufmerksamkeit bedacht wird, die einer Gräfin Dorbaum zusteht.“

Carolines Zunge lag wie ein gefühlloser Stein im Mund. Ihre Augen brannten, als sie zu dem Ostflügel des Schlosses hinübersah. Das Licht aus den hohen Fenstern strahlte weit ins Land.

Sie nahm all ihre Kraft zusammen. „Bitte, denke daran, vor deiner Reise der Hausdame Anweisungen zu geben. Sie wird sich selbstverständlich all deinen Wünschen fügen.“

„Danke, Caroline.“ Sie hörte seinen nervösen Atem. Und schüttelte sich. „Caroline“, wie schmeichlerisch seine Stimme klingen konnte, aber dann war Caroline besonders auf der Hut. „Ich weiß, wie unangenehm das alles für dich ist Aber wenn ich mit meiner zukünftigen Frau im Südflügel wohne, wirst du doch nicht gestört von uns.“

Im Südflügel waren all die eleganten Gesellschaftsräume, die behaglichen kleinen Zimmer mit den wertvollen Gemälden und alten Teppichen. Caroline liebte den Südflügel sehr.

Ihre Augen blitzten. Kühl entgegnete sie: „Ich werde darüber mit Rechtsanwalt Bartel sprechen, gute Nacht.“ Thea zog die schweren Brokatvorhänge vor die Fenster, zupfte die Falten glatt. Der runde Raum wirkte behaglich trotz seiner schweren geschnitzten Möbel. An den Wänden hingen alte Ritterbilder, gekreuzte Schwerter dazwischen.

„Du kannst ihm den Südflügel nicht geben“, Thea war empört. Ihre schwarze Schürze raschelte. „Und außerdem wird der Rechtsanwalt auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Zum Kuckuck, warum zieht er nicht aus?“

Carolines graue Augen schlossen sich. Nicht einmal Thea sollte ihre Verzweiflung sehen.

„Ich weiß es nicht, Thea. Ich weiß nur, dass er etwas plant, dass er etwas im Sinn hat. Ich kenne ihn. Ich beobachte ihn schon seit einigen Wochen.“ Die alte Frau nickte eifrig. „Du hast recht. Er studiert die alten Bände in der Bibliothek. Er wälzt Bücher über Bücher.“

Caroline krauste ihr feines Näschen. „Ja. Jede Chronik sucht er ‘raus. Gestern sah ich ihn bei einer Aufzeichnung des Schlosses, wie es im 18. Jahrhundert aussah.“

„Vor dem Brand also. Ein seltsamer Mann, der Herr. Geh ihm am besten aus dem Weg, Caroline.“

„Warum hat Mama ihn nur geheiratet“, Caroline schluchzte verzweifelt und warf das lange Haar zurück. „Wie kann ich ihm aus dem Weg gehen, Thea? Ich werde ständig und immer seiner Frau und ihm begegnen. Und wahrscheinlich wird er sehr schnell Kinder bekommen.“

„Still“, Thea hob lauschend den Kopf. „Hör nur, Caroline... hörst du das Klopfen?“

Theas Gesicht zuckte ängstlich zusammen. Ganz dicht trat sie an Caroline heran. Sie atmete schnell. „Caroline, heute morgen sprachen die Mädchen in der Küche davon. Sie behaupten, auf Dorbaum spukt es. Bitte, lach nicht! Weißt du was sie sagen? Deine Mutter komme zurück. Es hält sie nicht in der Gruft. Sie sehen doch alle, wie schlecht er dich behandelt.“

Caroline bekam rote Flecken auf den hohen Wangenknochen.

„Das ist doch Unsinn, Thea. Für das Klopfen wird es eine ganz einfache Erklärung geben.“

Theas Stirn krauste sich eigensinnig. Angstvoll starrte sie zu der Tür hinüber, als könnte etwas Unheimliches den Raum betreten.

„Sie glauben alle daran, Caroline. Und wenn sie erst wissen, dass er wieder heiraten will.“

Wieder ertönte das Klopfen. Unheimlich, drohend. Es war, als liefe ein Stöhnen durch das alte Schloss.

Entschlossen riss Caroline die Tür zu dem behaglichen Zimmer auf. Der lange schmale Korridor lag in vollständiger Stille. Erleuchtet nur durch schwach erhellte zinnerne Wandleuchter zusammen mit dem gelben Mondlicht, das verschwommen durch die kleinen rundbogigen Fenster fiel, wirkte der Flur sogar für Caroline unheimlich.

Ein wenig ratlos starrte Caroline zu den stumm dastehenden Ritterfiguren, als könnten diese ihr Antwort geben.

Da — wieder das Klopfen. Die dicken nachgedunkelten Deckenbalken schienen das geisterhafte Geräusch aufzufangen.

„Komm herein, Caroline“, flüsterte die alte Kinderfrau angstvoll. Und trotz ihrer Furcht ging die Alte zu ihrem Liebling hinaus. Legte schützend den Arm um sie. „Komm, Caroline“, bat sie drängend, „gehen wir in mein Zimmer hinüber. Da haben wir es behaglich. Und ich koche uns einen schönen starken Tee. In mein Zimmer wird sich kein Geist verirren.“

Caroline krauste ihre kleine Nase. „Du bist wirklich manchmal albern, Thea. Zuerst einmal gibt es keine Geister. Und sollte es welche geben . . . dann betreten sie dein Zimmer wohl deshalb nicht, weil über deiner Tür ein Apostelkopf hängt?“ Leiser, liebevoller Spott klang aus Carolines Stimme.

„Du bist überhaupt nicht logisch“, Thea setzte ihr würdevollstes Gesicht auf. „Und Geister hin oder her. Wir werden Tee trinken, und dann gehst du ins Bett. Wo willst du hier in diesem riesigen Schloss denjenigen, der klopft, suchen? Das kann man einfach nicht. Ich werde nie begreifen, warum deine Vorfahren so ein riesiges Schloss haben wollten. Anfangs war es ja gar nicht so groß. Und warum konnten die Grafen nicht die Zimmer hübsch und behaglich halten. Statt dessen bauten sie immer und immer wieder noch Gebäude und Flügel an. Sie hätten lieber für anständige Kamine sorgen sollen. Dieser Flügel hier ist im Winter doch einfach nicht warm zu kriegen.“

Und während sie in ihrem Schulmeisterton weitersprach, dirigierte sie Caroline geschickt zu ihrem Zimmer hinüber. Trotz der Angst, die ihre Knie zittern ließ.

„Du behandelst mich noch immer wie ein Baby“, grollte Caroline. „Wirklich, Thea. Ich bin achtzehn Jahre alt, und du bestimmst noch immer, wann ich schlafen gehen muss ... und tausend Dinge fallen dir ein, die ich nicht tun darf.“

Lächelnd nickte die alte Thea: „Es ist schlimm genug, dass du noch immer nicht weißt, wie sich eine Komtesse zu benehmen hat. Und darum sei froh, dass ich da bin, die dich darauf aufmerksam macht.“

Carolines Ärger verschwand: „Nicht nur darum bin ich froh. Was wäre ich ohne dich, Thea“, sagte sie warm. Thea brummte nur etwas Unverständliches, um ihre Rührung nicht zu zeigen. Und erst als sie beide hinter der dunklen Eichentür in Theas Zimmer waren, atmete sie auf. Hier war ihr Kind sicher.

Prinz oder Heiratsschwindler?

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