Читать книгу Prinz oder Heiratsschwindler? - Freder van Holk - Страница 8
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ОглавлениеGroße Tropfen fielen in den Staub des Wirtschaftshofes. Wie eine schwere graue Glocke hing der Himmel über Dorbaum. Mit verschlossenem Gesicht schritt Caroline von Dorbaum über den Hof, grüßte einen Pferdeknecht nur knapp, wie es sonst gar nicht ihre Art war. Die Gegenwart ihres Stiefvaters lag wie Blei auf ihr. Sie hatte sich nicht einmal zwingen können, in seiner Gegenwart zu frühstücken.
Sie kniff die grauen Augen zu einem Spalt zusammen.
Wer stand denn da neben ihrem Pferd?
Was wollte denn der Mann hier?
Ganz sicher war er ein Freund von ihm.
Aber das ging zu weit! Nie im Leben würde sie Fremden gestatten, einfach in die Ställe zu gehen. Und niemand sollte wagen, eines ihrer Pferde anzurühren.
Ihre Stimme klirrte wie Eis. Ihr schmales Gesicht verzog sich hochmütig. Und die Augen, in denen sonst auch das Lachen tanzen konnte, musterten den Fremden arrogant.
„Darf ich mir erlauben zu fragen, wer Ihnen gestattet hat, den Wirtschaftshof zu betreten? Dies ist Privatbesitz, mein Herr.“
Er wandte sich ihr langsam zu. Die rechte Hand, zu ihrem Ärger musste Caroline sich eingestehen, dass es eine sehr gepflegte, sehr männliche Hand war, streichelte dem aufgeregten Rappen über den Kopf, während seine linke Hand die Zügel hielt. Er überragte das zierliche Mädchen ein beträchtliches Stück. Sie fand sein Gesicht blasiert... hochmütig. Er war ebenso untadelig gekleidet wie ihr Stiefvater. Aber was erlaubte sich dieser Eindringling, sie so unverschämt zu mustern!
Die Erbitterung schwang dunkel in Ihrer Stimme: „Möchten Sie nicht endlich antworten?“ Caroline kannte sich selbst nicht mehr! Es war überhaupt nicht ihre Art, die hochmütige Komtesse herauszukehren.
Sie fand sein Lächeln aufreizend selbstherrlich . . . aber der dunklen Stimme gab er absichtlich einen unterwürfigen Ton. Caroline empfand es wie einen Schlag ins Gesicht.
„Sie müssen mir meine Existenz verzeihen, gnädigste Komtesse. Aber ich bin vom ersten Inspektor des Gutes hier angestellt. Ich wusste nicht, dass ich mich bei Ihnen vorstellen muss. Es hat mir niemand gesagt.“
Einen gefährlichen Augenblick musterten sich beide schweigend. Er hielt ruhig dem Funkeln der grauen Augen stand. Und jetzt starrte er sprachlos in das sich ganz plötzlich verändernde Gesicht. Es wirkte weich und jung.
„Dann muss ich mich entschuldigen“, ein Lachen zuckte um ihren herzförmig geschnittenen Mund. „Ich bin heute ganz abscheulicher Stimmung. Und häufig betreten Fremde einfach den Wirtschaftshof, gehen in die Ställe hinein ...“ Ein schneller Blick aus ihren grauen wachen Augen. „Was machen Sie mit meinem Pferd... Herr...?“
„Graff. Peter Graff.“ In dem Moment warf der Hengst den Kopf zurück und wieherte. „Ihr Pferd soll zum Schmied hinübergeführt werden. Ein Hufeisen fehlt.“
Seine Antwort kam ihr viel zu glatt. Und überhaupt . . . wann hatte sie je ein solches Misstrauen gegen einen Mann empfunden ... außer gegen ihren Stiefvater?
Ihre Blicke flogen kühl über sein gepflegtes Äußeres. Sein schmales braungebranntes, sehr markantes Gesicht war unbeweglich ... und eigentlich war es ein sehr männliches Gesicht. Die dichten schwarzen Brauen hoben sich eine Winzigkeit. Er verlieh seinem Gesicht ein arrogantes Aussehen. Und darum sagte sie mit einer Stimme, in der der Hochmut nicht zu überhören war: „Vermutlich sind Sie nicht als Pferdeknecht angestellt, Herr Graff.“
„Nein.“ Er machte eine winzige Pause, als fände er ihre Fragen lächerlich . „Ich arbeite in den Weinbergen.“
Sie konnte die Frage nicht zurückhalten. Trotz ihrer vorzüglichen Erziehung war Caroline viel zu impulsiv. Sie wusste es wohl. „Sind Sie ein Bekannter meines Stiefvaters?“
Die braunen Augen, in denen winzige Goldfünkchen tanzten, verengten sich nur eine Winzigkeit. Und für Carolines misstrauische Ohren kam die Antwort viel zu zögernd.
„Nein, gnädigste Komtesse.“
Sie warf ihr Haar ärgerlich zurück.
„Man nennt mich nicht so. Geben Sie mir das Pferd, ich werde es selbst zum Schmied bringen. Hans hat es nicht gern, wenn Fremde ihn berühren.“
Mit einer herrischen Gebärde streckte sie die schmale, feingliedrige Hand aus. Ihr Mund blieb vor Verwunderung offenstehen, als er nicht sofort gehorchte. Caroline war so sehr daran gewöhnt, dass jeder ihrer Befehle befolgt wurde, dass sie nicht einmal ärgerlich wurde. Sie war einfach sprachlos.
„Bedauere... gnädigste Komtesse“, er hob die Schulter. „Man gab mir den Auftrag, das Pferd zum Schmied zu bringen. Inspektor Timmer sagte ausdrücklich, dass ich es nicht aus der Hand geben sollte, da es heute ausgesprochen unruhig ist.“
Wartete er jetzt auf einen Zornesausbruch? Ihre Augen glitzerten gefährlich. Aber sie trat nur nahe an ihr Pferd heran, legte den Kopf auf die dunkle Mähne.
Plötzlich schien sie den Fremden vergessen zu haben. „Was ist denn mit dir, Hans?“ Ihre Stimme klang leise, liebevoll, als spreche sie mit einem guten Freund. Das Pferd spitzte die Ohren. Wieherte leise und warf den Kopf zurück.
„Sie haben recht“, rief Claudia ängstlich. „Mit Hans stimmt etwas nicht. Aber wieso denn da der Schmied. Sie müssen sofort den Tierarzt rufen!“
„Ich selbst bin Tierarzt, und ich ..“
Ihre Hand lag noch immer auf dem Kopf des Tieres. Sie fuhr herum. Ihre Zungenspitze glitt über die roten Lippen.
„Sagten Sie nicht eben, Sie sollten im Weinberg arbeiten?“
„Darum kann ich trotzdem Tierarzt sein! Und ich stellte fest, als ich Hans untersuchte, dass ein Dorn ziemlich tief in seinem Fuß sitzt.“
Einen Moment konnte sie vor Verblüffung kaum atmen. Und dann dachte sie triumphierend: Ich hab‘ recht gehabt. Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht. Mit diesem Mann stimmt etwas nicht.
Ihr Blick traf sein Gesicht wie ein Dolchstoß. Ruckartig wandte sie sich um.
„Sie werden noch von mir hören“, zischte sie. „Im Augenblick ist das Tier wichtiger als Sie.“
Und damit rannte sie in großen Sätzen, wenig damenhaft, über das holprige Pflaster des Hofes. Sie riss die Tür zum Verwaltungsbüro auf.
Inspektor Timmer sah von seinen Papieren auf. Ein freudiges Lachen flog über sein Gesicht, als er Caroline sah. Aber bei ihrem offensichtlichen Zorn verschwand es sofort wieder.
„Guten Morgen“, sie sagte nicht Onkel Timmer zu ihm, wie sonst morgens, wenn sie ihn allein traf. „Wer ist dieser Kerl, dieser Peter Graff? Ich habe nie einen unsympathischeren Kerl gesehen.“
„Unsympathisch? O nein, das würde ich nicht sagen“, protestierte der alte Verwalter, und sein gutmütiges rotes Gesicht sah ausgesprochen erschreckt aus. „Ich halte es für einen echten Segen, dass er sich freimachen und hierherkommen konnte.“
Caroline runzelte die hübsche Stirn. „Freimachen? Ich mag den Mann nicht, Onkel Timmer. Wieso ist er Tierarzt?“
„Wieso soll er kein Tierarzt sein, Komtesschen?“
„Wenn er Tierarzt ist, warum arbeitet er dann nicht als Tierarzt und treibt sich in unserem Weinberg herum?“
Der alte Herr lachte besänftigend. Seine Augen blinzelten ihr zu: „Was hat dich heute geärgert, Komtesschen? Der Graff doch ganz sicher nicht. Er ist Tierarzt, musst du wissen. Gerade frischgebacken von der Uni. Und sein besonderes Hobby sind die Schädlinge der Weinberge. In jedem Jahr zittern die Weinbauern. Es gibt so vieles, was der Traube schaden kann, das wissen Sie, Komtesschen.“
Der Unwillen schwand aus ihrem Gesicht. „Natürlich, wieso sollte ich das vergessen, wo ich sozusagen zwischen Weinreben aufgewachsen bin“, sie lachten beide. „Aber trotzdem, Onkel Timmer. Der Mann gefällt mir nicht. Wollen wir ihn nicht lieber wieder entlassen?“
Er hob verlegen einen Bleistift vom Boden auf und drehte ihn zwischen seinen roten Händen. Sein Gesicht war sehr dunkel geworden. Nun, das konnte vom Bücken kommen, Onkel Timmer war nicht mehr der Jüngste. Eine plötzliche Angst, er könnte krank sein, schnürte ihr die Kehle zusammen. Sie liebte alles auf Dorbaum so sehr, und auch die Menschen des großen Gutes waren ein Teil Dorbaums.
„Ich rede dir natürlich nicht ‘rein, Onkel Timmer“, sagte sie schnell. Ihre kindliche Liebe zu ihm stand in ihrem Blick. Und er schwor sich, wie schon so oft, auf sie aufzupassen, auf dieses Mädchen, das trotz all seinem Reichtum in gewisser Hinsicht vom Schicksal benachteiligt war.
„Nein, nein, Komtesschen, der Graff ist schon in Ordnung. Und ewig bleibt er hier natürlich nicht. Wenn seine Arbeit bei uns zu Ende ist, dann geht er wieder. Vielleicht macht er bei uns im Dorf seine Praxis auf? Der alte Tierarzt unten ist sicher froh über eine junge Kraft, die ihm die Arbeit abnimmt.“
Caroline biss auf ihre Lippen. Sagte aber nichts mehr. Sie sah den Mann allerdings gegen Mittag noch einmal. Und wieder schoss das Misstrauen in ihr auf.
Zweimal in der Woche wurde der alte Teil des Schlosses für Besucher geöffnet. Und häufig schlich sich Caroline dann unerkannt zwischen die fremden Menschen und ging mit ihnen von Zimmer zu Zimmer. Nur der vorwurfsvolle Blick des alten Kastellans störte ihr Vergnügen ein wenig.
Sie sah einen Strom junger Menschen in den alten Schlossgarten gehen. Einen Augenblick zauderte sie. Und eine Sehnsucht wehte sie an... Es müsste schön sein, nichts weiter als ein junges unbeschwertes Mädchen zu sein. Eine unter vielen. Wie häufig sah sie von der efeuübersponnenen Mauer ins Dorf hinunter.
Ja... vom Schloss blickte man zu den Menschen hinunter. Das störte sie oft. Nur noch schlimmer war, wenn sie sich in den Dorfstraßen sehen ließ, dann knicksten häufig sogar alte Leute vor ihr... Caroline hasste das. Aber sie war der Ehrfurcht der Leute gegenüber ohnmächtig.
Diesmal waren es junge Engländer, die schwatzend von Raum zu Raum zogen. Über die alten vergilbten Fotos an den Wänden unbekümmert ihre Bemerkungen machten. Ein Ahnherr Carolines kam besonders schlecht weg. Natürlich glaubten die jungen Menschen, von denen ein Strom unbeschwerter Fröhlichkeit und Jugend ausging, niemand würde sie verstehen.
„Sieh dir diesen bärtigen Heiligen an, John“, der junge Mann... er stand nahe neben Caroline, kicherte lustig. „Er hält eine leere Kassette in der Hand. Ob er den Inhalt wohl beim Kartenspiel verloren hat?“
Sie gingen lachend in den nächsten Raum. Caroline blieb allein zurück. In ihren verwaschenen Jeans, der weißen Bluse sah sie nicht anders aus als die Studenten, und doch fühlte sie sich den unbeschwerten Jungen und Mädchen gegenüber hoffnungslos benachteiligt. Sie wusste gar nicht, wie sehnsüchtig ihr Blick war.
Als sie das leise Räuspern hörte, fuhr ihr Kopf hoch.
„Ich wollte Sie nicht stören“, sagte Peter Graff schnell. Und trat zögernd neben sie. War er wirklich ein wenig verlegen? Er trug jetzt einen grauen Straßenanzug und lächelte entschuldigend. „Ich wollte mir gern das Schloss ansehen. Aber bei den zahlreichen Menschen verliert es viel von seiner Schönheit.“
Caroline ärgerte sich über die Verlegenheit, die sie wie eine lästige Woge überschwemmte. Die Sonne hatte sich durch die dichte Wolkendecke gekämpft und strahlte triumphierend in die rundbogigen Fenster. Breite Lichtlachen legte sie auf die alten verbogenen Dielen. Die schweren handgeschnitzten Eichenmöbel an den Wänden träumten stumm vor sich hin.
Der Hauch vergangener Jahrhunderte wehte sie an. Plötzlich schien die Zeit auf seltsame Weise still zu stehen.
„Wollen Sie mir sagen, wer jener Herr ist?“ Seine leise dunkle Stimme unterbrach die Stille. Caroline legte die Hände auf den Rücken. Sah mit einem feinen spöttischen Lächeln auf ihren Ahnen.
„Es ist kein sehr wertvolles Bild“, begann sie freundlich. „Wenn Sie sich wirklich für das Schloss interessieren, dann zeige ich es Ihnen gern. Dieser Herr hier, mit seiner roten Halskrause und dem dicken Gesicht, ist Graf Otto von Dorbaum. Es ist jener Graf, der den Schlossgraben ausheben ließ. Er ist auch der Erbauer der Pavillone im unteren Park. Wenn Sie genau hinsehen, bemerken Sie den weißen Schimmer zwischen den Bäumen. Wie eine Nebelwand sieht sie aus. Dort genau ließ er den Musikpavillon errichten.“
„Ach, vermutlich daher die leere Kassette.“
Sie hob die schmalen Schultern. Er warf einen schrägen Blick auf ihr feines, empfindliches Profil. Sie wirkte rührend jung und sehr anmutig.
Ein fröhliches Lachen kam in ihre Augen. „Die aufregendsten Sagen ranken sich um dieses Bild“, meinte sie belustigt. „Einige sagen das gleiche wie Sie, aber die Sage weiß es besser. Graf Otto soll den Inhalt der Kassette — es soll sich um sehr wertvollen Schmuck gehandelt haben — vor dem Einmarsch der Franzosen im Schloss versteckt haben. In der Chronik aber heißt es, dass der Schmuck beim Brand verlorenging.“
„Er muss wohl sehr wertvoll gewesen sein?“
Sie zuckte nur die Achseln. Offensichtlich machte sie sich nichts aus Schmuck und Geld.
Er hätte eine Ewigkeit so neben ihr stehen können. Leise bat er: „Wollen Sie mir nicht noch ein wenig von der Sage erzählen?“
Einen Moment streifte der Blick aus ihren großen grauen Augen sein Gesicht. Die Sonne lag auf ihrem Haar. Sie glich trotz ihrer modernen Kleider den Frauen auf den alten Bildern in ihren Rahmen.
„Die Dorbaums waren damals laut Chronik sehr reich. Vermutlich pressten sie mit recht üblen Methoden ihr Geld aus den Bauern und Weingutbesitzern heraus. Die Menschen unten im Dorf lebten in großer Armut... Graf Otto legte das Geld in Gärten und Anlagen an. Drüben hat er die alte Kapelle und den Südflügel anbauen lassen. Da wurden wirkliche Kostbarkeiten zusammengetragen. Und manch berühmter Maler kam hierher. Er soll... das allerdings ist Sage, die niemand beweisen kann, aus aller Herren Länder Schmuck und Kostbarkeiten, alte Münzen gesammelt und eben in jener Kassette gehortet haben. Tatsache ist nur, dass die Franzosen, als sie das Schloss besetzten, fieberhaft nach dem Schmuck suchten. Sie fanden ihn nicht. Auch das steht in der Chronik. Graf Otto wurde von ihnen gefangengenommen. Und er soll sich von der Schmach nie ganz erholt haben, obwohl das alles nur kurze Zeit dauerte.
Er traute niemandem mehr. Seine Liebe galt nur noch den Gärten und den toten Dingen. Er entließ sämtliche Diener und langjährigen Knechte. Er soll sehr einsam gestorben sein. Mich hat seine Geschichte immer gerührt. Und manchmal gehe ich in sein Zimmer hinauf, es sind noch viele Dinge dort, die ihm persönlich gehörten. Eine alle Tabaksdose. Eine lange Wasserpfeife. Sogar eine Bettpfanne steht noch an seinem Platz.“
Er stimmte in ihr vergnügtes Lachen ein. Und fragte leise, wie nebenbei: „Und haben Sie selbst nie nach dem Schmuck gesucht?“
Sie lachte immer noch. Unten über den Hof gingen die jungen Menschen. Die Schritte verklangen. Und zurück blieb nichts als ein weißes Papier, was der Wind vor sich hertrieb.
„Natürlich habe ich gesucht. Früher waren Vettern und Kusinen von mir häufig auf Dorbaum. Dann sind wir mit Spaten bewaffnet in den Park gezogen. Einmal haben wir ein ganzes Rosenbeet umgegraben, warum ... das weiß ich heute nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass meine Mutter entsetzt über uns war. Wir wurden im Schulzimmer eingesperrt und sollten den ganzen Tag über nur trockenes Brot bekommen. Eine halbe Stunde später aber kam mein Vater ins Zimmer. Er brachte
einen riesigen Picknickkorb herein. Und während wir aßen, als hätte man uns schon jahrelang hungern lassen, erzählte er uns, wie er mit seinen Freunden genau das gleiche getan hatte. Sie hatten sich allerdings die alten Wandvertäfelungen vorgenommen und Geheimgänge aufgespürt. Einmal sollen sie sogar ein Bild zerschnitten haben, weil sie sich einbildeten, eine Nachricht des Toten müsse da versteckt sein.“
Sie lachte ihm fröhlich zu, und doch sah Peter Graff genau die Einsamkeit, das Leid in ihrem Gesicht. Eine Tapetentür, die er bisher nicht bemerkt halte, öffnete sich lautlos. Für den Bruchteil eines Augenblicks starrte er in das Gesicht des Grafen. Blitzschnell sah Caroline von einem zum anderen. Und wieder war es ihr, als erwache Misstrauen in ihr.
„Guten Tag . . .“ Die ein wenig näselnde amüsierte Stimme des Grafen trieb Caroline das Blut in die Stirn. „Hast du deine alte Leidenschaft für Besuchstage noch immer nicht verloren, meine Liebe?“
Und erst dann schien er den Mann an ihrer Seite zu entdecken. Er hob fragend die Braue ..., und Caroline dachte wütend, er hat eine hassenswerte Art, den Herrn herauszukehren.
Caroline machte die Herren miteinander bekannt. Sie beugten nur höflich die Köpfe voreinander. Nein, wie sehr sie die hochmütige Art ihres Stiefvaters verabscheute. Und nur darum war sie besonders liebenswürdig zu Peter Graff.
„Wenn Sie Lust haben, Herr Graff, zeige ich Ihnen gern die Bilder im Südflügel. Einigen von ihnen sieht man deutlich die französische Schule an. Heute ist das Licht dort in den Zimmern ganz besonders gut.“
Klaus von Dorbaum spielte mit der goldenen Uhrkette, die auf seiner grauen Weste glänzte.
„Dort finden Sie auch jenen Herrn hier noch ein paarmal. Sag einmal, Caroline, glaubst du auch an das Märchen vom vergrabenen Schmuck?“
Bevor sie antworten konnte, holte Peter Graff tief Luft und sagte beinahe entschuldigend: „Es ist sicher nur natürlich, daran zu glauben. Im Dorf erzählt man viel darüber.“
Klaus von Dorbaum sah betont gleichmütig über ihn hinweg zu jenem Bild hinüber. „Nun, das ist nicht verwunderlich. Alle Dinge, die hier im Schloss vor sich gehen, sind für die Menschen dort unten interessant. Was glauben denn die, wo der Schmuck versteckt wurde?“
Die Wut über seine hochmütige Art überfiel Caroline. Sie öffnete den Mund. Aber da sagte Peter Graff schon ruhig, wahrscheinlich empfand er den Hochmut des Grafen gar nicht: „Sie behaupten, er müsste irgendwo am Schlossgraben zu finden sein.“
„Und wahrscheinlich darf er nur bei Mondschein ausgegraben werden.“ Klaus von Dorbaum kräuselte verächtlich die Lippen. „Wie dumm und einfältig die Menschen sind.“
„Findest du?“, fragte Caroline kalt. Ihre Augen bekamen vor Zorn einen grünen Schimmer. Sie schluckte krampfhaft die Wut hinunter. Murmelte etwas und ging hocherhobenen Hauptes hinaus.
Sie hörte im Nebenzimmer, wie er lachend rief: „Meine Stieftochter ist trotz ihrer achtzehn Jahre ein verwöhntes kleines Mädchen, wenn nicht alles nach ihrem Köpfchen geht.“
Den Rest verstand Caroline nicht. Mit brandrotem Gesicht eilte sie in ihr Zimmer hinauf.