Читать книгу Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет - Страница 4
Zweites Kapitel.
ОглавлениеWir werden von zwei Kaperschoonern verfolgt, und da es uns nicht gelingt, ihnen zu entwischen, kommt es zu einem surchtbaren Kampf. — Drei Akte eines mörderischen See Dramas. — Wir ziehen den Kürzern. — Kapitän Weatherall fällt. — Ich werde geplündert und verwundet.
Ungefähr sechs Wochen nach der im vorigen Kapitel geschriebenen Unglücksgeschichte traf uns ein noch grösseres Missgeschick. Wir hatten vor dem spanischen Festland gekreuzt und mehrere Prisen genommen. Kurz nachdem wir die letzte derselben bemannt und fortgeschickt hatten, brach eine steife Bö los, und da die Rache damals gerade in Ufernähe lag, so sahen wir uns genöthigt, alles erforderliche Tuch auszuspannen, um vom Lande abzukommen. Wir mühten uns die ganze Nacht durch ab; als aber gegen Tagesanbruch der Sturm sich einigermassen legte, fanden wir, dass wir wegen der Strömung nicht viel hohe See gewonnen hatten. Noch wichtiger für uns war übrigens die Entdeckung des Auslugers auf der Stengenspitze, welcher zwei Segel ankündigte. Die Matrosen wurden unverweilt aufgeboten, um darauf Jagd zu machen; wir mussten aber bald finden, dass die beiden Fahrzeuge entschlossen auf uns abhielten, und als wir denselben näher kamen, stellte sich heraus, dass es zwei Kriegsschiffe waren. Eines davon kannten wir wohl — es war die Espérance, ein französischer Kaperschooner mit sechszehn Kanonen und 120 Mann; das andere erwies sich als einen spanischen Kaper, der in Gesellschaft mit dem Franzosen kreuzte und bei achtzehn Stück Geschütz eine volle Bemannung hatte.
Unsere ursprüngliche Anzahl hatte aus mehr als hundert Köpfen bestanden, die übrigens durch Todesfälle, schwere Verwundungen und Bemannung unserer Prisen auf fünfundfünfzig kampftüchtiger Leute zusammengeschmolzen waren. Einer so weit überlegenen Streitkraft gegenüber boten wir aller unserer Segel und Ruderkraft auf, um zu entwischen; da aber das Land leewärts von uns lag, und der Feind windwärts stand, so war dies unmöglich. Aus der Noth eine Tugend machend, nahmen wir also die Sache wie wir mussten, und schickten uns zu dem verzweifelt ungleichen Kampfe an.
Kapitän Weatherall, der das Leben und die Seele seiner Mannschaft war, liess es in solcher Bedrängniss an nichts fehlen. Mit der grössten Ruhe und Unerschrockenheit ertheilte er Befehl, alle kleinen Segel einzuziehen, und erwartete die Ankunft des Feindes. Sobald alles zum Gefecht bereit war, versammelte er die gesammte Mannschaft im Hinterschiff und gab sich Mühe, uns das gleiche Feuer einzuflössen, das ihn selbst beseelte. Er erinnerte uns daran, wie oft wir über viel stärkere Schiffe, als unser eigenes war, den Sieg davon getragen — dass wir den französischen Kaper bereits bei einer früheren Gelegenheit abgeschlagen, dass der Spanier durchaus nicht in Betracht komme, als wenn es gelte, die Verdienste des Doppelsiegs zu erhöhen, und dass unsere Stutzsäbel bald unsere Ueberlegenheit beweisen würden, wenn es einmal zum Handgemenge käme. Zugleich machte er uns darauf aufmerksam, dass unser Heil blos von unserer Mannhaftigkeit abhänge; denn wir hätten die Küste so schwer misshandelt und unser kürzlicher Angriff auf die Pflanzung werde in einem so gehässigen Lichte betrachtet, dass wir im Fall der Niederlage durchaus nicht auf Schonung zählen dürften. Dagegen könne er uns, wenn wir uns wacker hielten und wie Männer kämpften, einen sichern Sieg versprechen. Die Matrosen hatten so grosses Vertrauen in den Kapitän, dass seine Anrede mit drei Hurrah’s erwiedert wurde; dann kommandirte er uns auf unsere Posten, liess das St. Georgs-Wimpel nach der Stengenspitze des Hauptmastes aufziehen und legte für den Feind bei.
Der französische Schooner war der erste, der Seite gegen Seite neben uns auffuhr; er steuerte unter leichtem Winde nach uns herunter. Der Kapitän breiete uns zu, dass sein Schiff die Espérance sei, worauf unser Kapitän erwiederte, man melde ihm nichts Unbekanntes; auch ihnen werde bekannt sein, dass sein Schooner die Rache sei. Der französische Kapitän, welcher beigelegt hatte, antwortete sehr höflich, er wisse wohl mit welchem Schiff er zu thun habe; auch sei ihm die Tapferkeit und der ausgezeichnete Ruf des Kapitäns Weatherall nichts Neues. Unser Kapitän, der auf dem Schanddeck stand, nahm zu Anerkennung dieses Kompliments den Hut ab.
Kapitän Weatherall war also bekannt, und die beiden Schiffe konnten deshalb wohl wissen, dass sie einen scharfen Widerstand zu befahren hatten, den sie füglicherweise vermeiden konnten; denn wenn sie auch siegten, so konnten sie nichts als einen grossen Verlust an Mannschaft erholen. Der französische Kapitän redete daher Kapitän Weatherall abermals an und drückte seine Hoffnung aus, nun er einen so weit überlegenen Feind vor sich habe, werde er sich wohl auf keinen nutzlosen Widerstand einlassen wollen; unter obwaltenden Umständen könne ihm die Uebergabe nicht zur Schande gereichen, und da er dadurch das Leben vieler seiner tapferen Leute schone, so werde ihn seine bekannte Menschlichkeit wohl veranlassen, die Flagge zu streichen.
Dieses Ansinnen wies unser Befehlshaber mit ritterlicher Entschiedenheit zurück. Die Schiffe lagen jetzt so nahe beisammen, dass man einen Zwieback von einem Bord an den andern hätte werfen können. Es folgten nun noch weitere wohlgemeinte Vorstellungen, welche anhielten, bis das spanische Schiff in kurzer Entfernung von unserem Sterne stand.
„Ihr seht unsere Ueberlegenheit,“ sagte der französische Kapitän. „Versucht nicht den Kampf gegen das Unmögliche, sondern schont das Leben Eurer tapfern Leute, die Ihr andernfalls nutzlos in den Tod jagt.“
„Um Eure freundliche Gesinnung gegen mich zu erwidern,“ entgegnete der Kapitän Weatherall, „biete ich euch beiden Pardon an; auch will ich alles Privateigenthum respektiren, wenn Ihr unverweilt Eure Flagge streicht.
„Seid Ihr von Sinnen, Kapitän Weatherall?“ rief der französische Kapitän.
„Ihr gebt zu, dass ich mein Leben als ein Tapferer verbracht habe,“ versetzte Kapitän Weatherall, „und deshalb will ich Euch zeigen, dass ich Euch besiegen oder im Nothfalle auch als ein Tapferer sterben kann. Wohlan, zum Gefecht! Höflichkeitshalber biete ich Euch die erste Salve an.“
„Unmöglich,“ entgegnete der französische Kapitän, indem er seinen Hut abnahm.
Unser Kapitän erwiderte den Gruss, worauf er über das Schanddeck hinunterglitt und Befehl zu Füllung der Segel ertheilte. Nachdem er dem Franzosen eine Minute Zeit zur Vorbereitung gelassen, feuerte er das Gewehr, das er in der Hand hielt, in die Luft und gab damit das Zeichen zum Beginn des Gefechts. Wir eröffneten unverzüglich das Werk des Todes, indem wir eine Breitseite donnern liessen. Das Kompliment wurde in demselben Geiste erwidert, und mehrere Minuten lang dauerte die Kanonade wüthend fort; mittlerweile aber fuhr der Spanier, der sein Takelwerk voll Mannschaft hatte, an unserer Leevierung auf, um zu entern. Wir klappten unser Steuer luvwärts und holten unsere Fockschoten in den Wind, so dass wir quer von seiner Klüse abfielen und ihn vorn und hinten mit mehreren vollen Lagen bestreichen konnten. Unsere Kanonen waren mit Kartätschen und Bleikugeln geladen; da nun die Mannschaft des Spaniers vorn zu Hauf stand, um zu uns an Bord springen zu können, so gewann jetzt sein Deck ganz das Aussehen eines Schlachthauses. Die Offiziere bemühten sich vergeblich, ihre Leute zu ermuthigen; denn diese waren durch das Gemetzel so eingeschüchtert, dass sie, statt es auf unsere Decken abzuheben, sogar ihrer eigenen vergassen. Der Franzose bemerkte die Noth und Bestürzung seines Kameraden, weshalb er, um demselben Gelegenheit zu geben, sich aus seiner gefährlichen Lage zu winden, sein Steuer leewärts stellte, zu uns an Bord lief, und seine Leute über uns ausgoss; wir waren übrigens gut vorbereitet und hatten unsere Decken bald von den Eindringlingen gesäubert. Mittlerweile war der Spanier, dessen Bugspriet sich in unser Takelwerk verwirrt hatte, durch Kappen des letzteren wieder losgekommen, und fiel leewärts ab. Als der Franzose dies bemerkte, schor er ab, lief in den Wind und schoss uns voraus. Dies war der erste Akt dieses schrecklichen Drama’s. Bis jetzt hatten wir noch wenig Schaden erlitten, da wir durch die Ungeschicklichkeit des Feindes sowohl, als durch unser eigenes gutes Glück in die Lage gesetzt worden waren, die unvortheilhafte Lage unserer Gegner in bester Weise zu benützen.
Aber trotz der Ermuthigung, welche nothwendigerweise aus einem so günstigen Anfang quoll, waren wir doch in Mannschaft so sehr verkürzt, dass es unser Kapitän für Pflicht hielt, alle Segel auszubreiten und zu versuchen, ob es ihm nicht gelinge, den ungleichen Kampf zu vermeiden. Diesem widersetzten sich indess unsre Feinde durch die wüthendste Kanonade, die wir in einem rennenden Gefecht muthig entgegennahmen und erwiderten, bis uns zuletzt Fockraa und Fockstenge weggeschossen waren, so dass wir das Fahrzeug nicht länger in unserer Gewalt hatten. Aber obgleich wir bei unserem verkrüppelten Zustande an ein Entkommen nicht weiter denken konnten, machten wir doch unausgesetzt mit Feuern fort, und die beiden Schiffe trafen auf’s Neue Vorbereitungen zum Entern, während wir unsrerseits uns anschickten, sie warm zu bewillkommen.
Den Franzosen kannten wir als unsern schlimmsten Gegner, und da wir wussten, dass er uns auf dem Luvbuge entern musste, so brachten wir vier von unseren bis an die Mündung mit Musketenkugeln geladenen Kanonen auf die andere Seite, um diesen Feind zu empfangen; auch standen unsere Leute mit Handgranaten bereit und erwarteten den Angriff. Die Mannschaft der Esperance hing wie ein Bienenschwarm sprungfertig im Tackelwerk, und als das Fahrzeug gegen unsere Buge herunterkam, krachte unser Geschütz, ein schreckliches Gemetzel verbreitend. Die Matrosen wichen zurück, stürzten über die Getödteten oder Verwundeten, und der französische Kapitän, der wirklich ein trefflicher Krieger war, musste aller seiner Tapferkeit aufbieten, um durch sein Vorbild den Rest seiner Mannschaft zu ermuthigen. Dies gelang ihm endlich und ungefähr vierzig gelangten auf unser Vorderkastell, von dem sie unser schwaches Häuflein verdrängten. Ohne übrigens ihren Erfolg weiter zu benützen, behaupteten sie blos ihre Eroberung, denn sie wollten augenscheinlich abwarten, bis sie durch das Entern des Spaniers auf unserer Leevierung unterstützt würden, weil wir dann zwischen zwei Feuer gebracht werden konnten, und unsere kleine Streitmacht sich theilen musste. Mittlerweile hatte sich der Wind, der bisher nur leicht gewesen, fast zu völliger Windstille gelegt, und eine Schwelle auf der See trennte die beiden Schiffe. Der Spanier, welcher unserem Lee gegenüber stand, hatte nur wenig Steuergang und nicht Luv genug, so dass er uns nicht einholen konnte, sondern abfiel und leewärts trifftete. Die Franzosen an unserem Bord, welche unser Vorderkastell besetzt hielten, konnten wegen der trennenden Meeresschwelle von ihrem eigenen Schiff keinen Beistand erhalten, und von dem leewärts stehenden Spanier hatten sie noch weniger zu hoffen; wir warfen daher unter dreimaligem Hurrahruf eine Anzahl von Handgranaten unter sie, rannten mit unsern Halbpiken an, und richteten ein furchtbares Gemetzel an. Von den über Bord Getriebenen entkam nur ein Einziger, der mit verwundetem Dickbein nach seinem Schiff zurückschwamm. Jetzt trat eine Pause in dem Kampf ein — Ende des zweiten Akts.
Bisher war das Gefecht mit entschlossener Tapferkeit geführt worden, aber nach diesem Handgemenge und dem Gemetzel, mit welchem es endigte, schienen beide Theile zu einer wahren Tigerwuth gestachelt zu sein. Unsere zwei Gegner begannen nun aufs Neue mit einer eigentlichen Höllenkanonade, die wir mit gleichem Ingrimme erwiderten; aber es war jetzt eine todte Windstille eingetreten, und die Schiffe rollten mit der Schwellung so sehr, dass die Geschütze nicht mit Sicherheit abgefeuert werden konnten. Wir kamen allmählig mehr und mehr von unsern Feinden ab, und die Kanonade beschränkte sich zuletzt nur noch auf einzelne Schüsse. Während dieses theilweisen Nachlassens waren sich unsere Gegner näher gekommen, standen aber in beträchtlicher Entfernung von uns. Wir bemerkten nun, dass der Spanier zwei stark bemannte Boote aussandte, um den schweren Verlust, welchen sein Kamerad erlitten, wieder auszufüllen. Kapitän Weatherall liess jetzt die breiten Ruder ausstreichen, und wir drehten ihm unsere Breitseite zu, indem wir zugleich versuchten, die Boote auf ihrem Weg zu dem andern Schiffe in den Grund zu schiessen. Zwei oder dreimal geschah dies vergeblich; aber endlich traf eine Kugel, welche das erste der Boote dermassen zerschmetterte, dass es sich augenblicklich füllte und untersank. Das zweite Boot ruderte nun heran und suchte die Mannschaft zu retten; aber wir begrüssten auch dieses mit scharfen Lagen, und die fliegenden Kugeln schüchterten das Bootsvolk so sehr ein, dass es sein Heil im Zurückrudern nach dem Schiffe suchte, und die versinkenden Kameraden ihrem Schicksale überliess. Nachdem dieser Versuch fehlgeschlagen hatte, nahmen die beiden Schiffe ihr Feuer gegen uns wieder auf; da jedoch die Entfernung und das Schwellen der See kein sicheres Ziel gestatteten, so liessen sie zuletzt wieder nach und warteten, bis eine aufspringende Brise sie in den Stand setzen würde, den Kampf mit besserem Erfolge zu erneuern.
Es war jetzt ungefähr 11 Uhr Vormittags, und das Gefecht hatte gegen fünf Stunden gedauert. Wir nahmen nach der Anstrengung, der wir uns unterzogen, Erfrischungen ein, und trafen alle erforderlichen Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Kampfs. Die Thätigkeit hatte uns so aufgeregt, dass wir uns keinen Augenblick Zeit zum Denken liessen; nun aber, in den Augenblicken der beschäftigungslosen Ruhe gewannen wir Musse, über unsere Lage Betrachtungen anzustellen, welche aber nicht zu den wünschenswerthesten Ergebnissen führte. Wir waren von der übermässigen Anstrengung erschöpft, und das Bewusstsein unserer Schwäche machte uns kleinmüthig. Unsere besten Leute waren gefallen oder ächzten unter schweren Wunden; auch wussten wir, wie weit uns der Feind überlegen war, und da sie nach so furchtbarem Gemetzel noch immer Stand hielten, so konnten wir uns wohl denken, dass wir es mit einem tapferen, entschlossenen Gegner zu thun hatten. Das Glück und die überlegene Seemannskunst unseres Kapitäns waren uns zwar bis jetzt im Kampfe sehr zu statten gekommen; ersteres aber konnte recht wohl umschlagen, und unsere Mannschaft war bereits so geschmälert, dass wir, wenn der Feind entschlossen auf Fortsetzung des Kampfes beharrte, nothwendig überwältigt werden mussten. Unser wackerer Kapitän bemerkte die herrschende Zaghaftigkeit und gab sich alle Mühe, sie durch Rede und Beispiel zu bannen. Nachdem er den entschlossenen Muth, den wir bereits gezeigt, gelobt hatte, machte er uns darauf aufmerksam, dass, ungeachtet der Tapferkeit der feindlichen Offiziere, augenscheinlich doch die Soldaten an Bord der gegnerischen Schiffe durch ihr bisheriges Missgeschick und die erlittenen schweren Verluste eingeschüchtert seien; wenn daher ein abermaliger Enterversuch fehlschlage — und er setze in einen derartigen Erfolg nicht den mindesten Zweifel — so werde keine Ueberredungskunst im Stande sein, sie zu einem weiteren zu spornen, und es sei vorauszusehen, dass die feindlichen Kapitäne den nutzlosen Kampf aufgeben würden. Mit einem feierlichen Eide erklärte er, so lange er noch lebe, solle die Flagge nicht gestrichen werden; auch möchte er wissen, wer unter uns so niedrigen Sinnes sei, um nicht auf Tod und Leben bei seiner Farbe aushalten zu wollen. Seine Rede wurde abermals mit drei Hurrahs begrüsst; aber unsere Zahl war sehr gemindert, und der Ruf in Vergleichung mit dem früheren nur schwach, obschon er entschlossen genug klang, denn es war bei uns entschieden, dass wir unserem edeln Kapitän und unserer Flagge keine Schande machen wollten. Kapitän Weatherall sorgte dafür, dass diese Gefühle nicht wieder erschlafften, und liess reichlich Grog austheilen; auch nagelte er auf unser Verlangen die Flagge an den Mast, und wir sahen mit Ungeduld einer Erneuerung des Kampfes entgegen. Um vier Uhr Nachmittags sprang eine Brise auf. Die feindlichen Schiffe ordneten ihr Segelwerk und näherten sich uns schnell — allerdings nicht in der zierlichen Takelung, wie am Morgen, aber augenscheinlich mit der entschlossendsten Haltung. Langsam und stumm schlugen sie sich durchs Wasser. Kein Schuss fiel; aber die gähnenden Kanonenmündungen und die regungslose Haltung der Matrosen auf ihren Posten waren inhaltsvolle Vorzeichen des schweren Kampfes, welcher das seitherige scharfe Ringen um den Sieg zur Entscheidung bringen sollte. Sobald sie sich uns auf halbe Kabelslänge genähert hatten, begrüssten wir sie mit drei Hurrahs; sie erwiederten unsern trotzigen Ruf, fuhren beiderseits vor uns auf, und das Gefecht begann mit neuer Bitterkeit.
Der Franzose wollte sich diesmal nicht bei uns an Bord legen, bis er sich überzeugt hatte, dass von Seiten des Spaniers leewärts geentert war — er fuhr fort windwärts zu luven, und uns mit vollen Lagen zu bearbeiten, bis der Spanier mit uns im Handgemenge stand; dann erst fuhr er herab und legte sein Schanddeck gegen unsern Bug. Der Spanier hatte uns bereits auf der Windvierung geentert, und wir waren eben mit Abwehr dieses Angriffs beschäftigt, als uns der Franzose in dieser Weise zu Leib ging. Es war ein Kampf der Verzweiflung. Unsere Picken verliehen uns einen solchen Vortheil über die Stutzsäbel und Messer der Spanier, dass sie zurückwichen. Durch den verzweifelten Widerstand, den sie trafen, eingeschüchtert, verliessen sie unsere Decken, die sie mit ihren todten und sterbenden Kameraden bestreuten, und flüchteten sich in grosser Verwirrung nach ihrem Schiffe. Aber ehe es so weit gekommen war, hatte uns der Franzose auf dem Luvbug geentert. Seine Mannschaft trieb die paar Leute, die wir ihr hatten entgegen schicken können, vor sich her; gewann unser Hauptdeck und brach sich gegen das Halbdeck hin Bahn, wo jetzt all unser noch übriges diensttüchtiges Volk versammelt war. Es kam zu einem verzweifelten Gefecht; aber nach einiger Zeit schienen unsere Picken und der Vortheil unserer Stellung über die Mehrzahl die Oberhand zu gewinnen. Wir trieben die Franzosen vor uns her, und hatten schon das Hauptdeck wieder erobert, als unser tapferer Befehlshaber, der an unserer Spitze stand, und uns allen seinen Muth eingeflösst hatte, einen Schuss durch’s rechte Handgelenk erhielt. Er fasste seinen Degen mit der Linken und drang unter Ermunterungsrufen noch immer vorwärts — aber jetzt traf ihn eine Kugel in die Brust und er brach todt zusammen. Mit seinem Falle sank auch die Tapferkeit und der lange aufrecht erhaltene Muth seiner Mannschaft. Um das Unglück zu vervollständigen, wurden auch einige Sekunden nach dem Oberbefehlshaber der Lieutenant und die beiden noch übrigen Offiziere von ihrem Geschick ereilt. Bestürzt und erschreckt hielten die Matrosen in ihrer Siegesbahn inne und sahen sich verwirrt nach einem Führer um. Die Franzosen, die sich nach dem Vorderkastell zurückgezogen hatten, bemerkten jetzt unsere Bestürzung und erneuerten den Angriff. Die noch übrigen Wenigen wurden von panischem Schrecken ergriffen, und warfen die Waffen weg; wir baten um Pardon, während noch einen Augenblick früher der Sieg in unsern Händen war — so das Ende unseres blutigen Drama’s.
Von fünfundfünfzig Leuten waren zweiundzwanzig in diesem mörderischen Kampfe gefallen und fast alle Ueberlebenden auf den Tod oder doch sonst schwer verwundet. Die meisten hatten sich nach dem Ruf um Pardon durch die Lucke hinuntergeflüchtet, um den Säbeln der wüthenden Sieger auszuweichen. Ich und ungefähr acht Andere, die an der Lucke vorbeigetrieben worden, warfen nun gleichfalls die Waffen weg und baten um Schonung, ohne jedoch der Hoffnung, dass sie uns erwiesen werden könnte, Raum zu geben. Unsere Feinde wollten Anfangs nichts von Pardon wissen, sondern hieben mehrere unserer entwaffneten Leute in Stücke. Als ich dies bemerkte, kletterte ich auf das Schanddeck, um über Bord zu springen, weil ich hoffte, ich könnte nach geendigtem Gemetzel wieder aufgelesen werden; aber jetzt kam ein französischer Lieutenant heran, der uns schützte und den kleinen Ueberrest unserer Mannschaft der Wuth seiner Leute entriss. Freilich war unser Leben das Einzige, was wir diesem Schutze dankten, denn wir wurden unverweilt ausgezogen, und ohne Erbarmen geplündert. Alles, was ich besass, kam in die Hände der Feinde; die Uhr, der Ring und der Degen, die ich dem tapfern Franzosen abgenommen hatte, waren mir bald entrissen, und weil ich mich nicht so schnell entkleidete, als es ein Mulattenmatrose gern wünschte, so versetzte mir dieser mit dem Pistolenschaft einen Schlag unter das linke Ohr, so dass ich in die Lucke, neben welcher ich stand, hinunterstürzte und besinnungslos liegen blieb.