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Die erste Aktion

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Am 28. November erteilen die deutschen Verwaltungsbehörden den Befehl zur Liquidierung des Ghettos: Frauen mit Kindern, Greise und Arbeitsunfähige würden in ein anderes Lager verlegt werden, die arbeitsfähigen Männer wiederum in einem abgesonderten Teil des Ghettos bleiben und Arbeiten in der Stadt verrichten. Gleichzeitig wird bekannt gemacht, dass sich ein jeder reisefertig zu machen habe, wobei pro Person höchstens 25 Kilogramm Gepäck und Lebensmittel mitgenommen werden dürften. Dieser Befehl kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel und verursacht Panik und Chaos. Wohin sollen bei dem strengen Winterwetter so viele Menschen gebracht werden – und obendrein fast ohne Habe? Würden die Familien die Strapazen der ungewissen Reise ohne die Hilfe der Ehemänner, großen Brüder und Väter überstehen?

Doch zum Nachdenken ist keine Zeit – morgen, am 29. November, hat man bereit zu sein, das Ghetto zu verlassen und in ein anderes Lager umgesiedelt zu werden – so lautet die Anordnung.

Im Ghetto herrscht großer Tumult. Die Menschen wimmeln umher wie Ameisen in einem Ameisenhaufen – sie beginnen, fieberhaft Bündel und Rucksäcke mit den allernotwendigsten Dingen und Lebensmitteln zu packen. Die Leute heben die Gepäckstücke an, probieren, wie es sich damit gehen lässt, schätzen ab, wie viel zu tragen ein jeder die Kraft hat. Besonders tragisch ist die Situation für Mütter, die ihre Säuglinge auf dem Arm tragen müssen.

Es war eine grauenvolle Nacht vom Freitag, dem 28. November, auf den Samstag – die letzte Nacht vor der Trennung von den nächsten Angehörigen, den Vätern, Söhnen und Brüdern. Die Menschen begriffen, dass es eine Trennung für alle Zeit sein würde. Sie vermochten weder zu essen noch zu schlafen, aber auch Gespräche wollten nicht in Gang kommen. Gegen Morgen hatte man schon keine Tränen mehr zum Weinen, und alle waren von Hoffnungslosigkeit ergriffen.

Beim ersten Morgengrauen werden die Männer, die im Ghetto bleiben sollten, an der Ecke Ludzas iela und Sadovņikova iela zusammengetrieben. Sie müssen sich in einer Kolonne aufstellen und bei der bitteren Kälte stundenlang warten. Gegen ein Uhr mittags kommt die Anordnung, alle Männer innerhalb einer halben Stunde zu kasernieren. Dabei handelt es sich um einen mit Stacheldraht abgetrennten Teil des Ghettogeländes, der später die Bezeichnung „Kleines Ghetto“ erhielt. Es ist unmöglich, das Durcheinander und das Entsetzen zu beschreiben, die diese Anordnung auslöst. Die Männer laufen zu ihren Familien, um sich zu verabschieden, um ihnen Lebensmittelpakete zu übergeben oder in Empfang zu nehmen. Aufgrund der Erfahrungen der ersten Tage der NS-Okkupation dachten die meisten von uns, alles werde vorbereitet, die arbeitsfähigen Männern zu liquidieren, weshalb sie auf jede erdenkliche Weise versuchten, ihre halbwüchsigen Söhne und jüngeren Brüder ins Große Ghetto zu schleusen – ohne zu ahnen, dass genau das ihren Tod bedeutete.

Auch in unserer Wohnung sind alle beim Packen, bitten um Rat, was man unterwegs am meisten benötigen würde, alle sind außerordentlich beunruhigt, und trotzdem bemühen wir uns, logisch zu denken: Wenn man uns an einen Ort bringt, wo wir leben sollen, dann können wir so oder so nicht alles Nötige mitnehmen, wenn man uns hingegen … dann ist gar nichts mehr nötig.

Wir beschließen, nur das Allernotwendigste mitzunehmen – möglichst viele warme Kleidungsstücke übereinander anzuziehen und alles andere außer dem Reiseproviant seinem Schicksal zu überlassen.

In sämtlichen Häusern herrscht Aufregung und fiebrige Geschäftigkeit. Einige sind sich unschlüssig, was sie mit ihrem Schmuck machen, ob sie ihn mitnehmen oder verstecken sollen. Die einen nähen ihr Gold in die Kleidung der Kinder, andere wiederum suchen Verstecke in den Wänden, unter den Dielenbrettern oder im Hof, wo sie alles Wertvolle in der Erde vergraben.

Es wird Abend. Die Stimmung ist extrem angespannt. Kolonnen bewaffneter Schutzleute überschwemmen das Ghetto. Einige von ihnen sehen merklich angetrunken aus. Hier und da sind Schüsse zu hören. Es beginnt zu dämmern, immer häufiger ertönen Schüsse.

Gegen sieben Uhr abends kommen Schutzleute in unser Haus gestürmt und befehlen brüllend, sofort auf die Straße hinauszugehen und uns in Fünferreihen zu einer Kolonne aufzustellen. Die Ludzas iela ist bereits voller Menschen. Wir werden von der endlosen Kolonne aufgesogen.

Es herrscht klirrender Frost. Wir, die wir uns zu einer Fünferreihe aufgestellt haben, drängen uns eng aneinander, um ein wenig die Wärme zu halten. In der Nähe wird ununterbrochen geschossen. Nachdem wir so ein paar Stunden dagestanden haben, sind wir bis auf die Knochen durchgefroren. Schutzleute sind keine mehr da, sie sind weitergestürmt, wahrscheinlich treiben sie die Menschen aus anderen Teilen des Ghettos zusammen.

Vorsichtig schlüpfen wir zurück ins Haus, um uns aufzuwärmen. Auch andere folgen uns auf dem Fuß. Bald ist unsere Wohnung so voller Menschen, dass man weder herumlaufen noch sich hinsetzen kann. Alle drängen sich in der Wärme, irgendwie gegen die Wände und Fenster gelehnt, sogar ohne die warme Winterkleidung und die Rucksäcke abgelegt zu haben, denn jeden Moment kann der Befehl zum Aufbruch ertönen.

Stunde um Stunde vergeht mit Warten. Die Kinder fallen vor Erschöpfung in den Schlaf, auch der eine oder andere Erwachsene nickt ein, und allmählich werden alle vom Schlaf übermannt. Nie zuvor habe ich Menschen im Stehen schlafen sehen.

Gegen sieben Uhr morgens werden alle vom Gebrüll der Schutzleute geweckt:

„Alle raus auf die Straße!“

Draußen ist es noch dunkel. Verwirrt und verschlafen eilen die Menschen sich drängelnd aus dem Haus und stellen sich wieder in Fünferreihen auf. Bald darauf erscheinen Schutzleute mit Armbinden und geben bekannt, dass heute nur diejenigen abmarschieren würden, die im Teil des Ghettos zwischen der Lāčplēša iela und der Daugavpils iela wohnen.35 Die Übrigen dürften nach Hause gehen.

Wir laufen zurück, glücklich, dass wir noch eine Weile zu Hause bleiben und uns von der entsetzlichen Nacht erholen können. Man möchte so schnell wie möglich den Rucksack ablegen, sich hinlegen und aufwärmen.

Es beginnt zu dämmern. Ich trete ans Fenster, um nachzusehen, was draußen vor sich geht. Eine von bewaffneten Schutzleuten begleitete endlose Kolonne von Menschen zieht vorüber. Junge und Alte, Frauen mit Säuglingen auf dem Arm, Knaben und Mädchen, Geschwächte, die sich auf die neben ihnen Gehenden stützen – sie alle marschieren irgendwohin … Da höre ich plötzlich mehrere Schüsse und sehe unmittelbar vor unserem Fenster eine entsetzliche Szene. Ein deutscher SS-Mann schießt wahllos in die Reihen der Kolonne. Die von den Kugeln niedergemähten Menschen brechen auf dem Pflaster zusammen. Die Kolonne gerät ins Stocken, Panik bricht aus, die Leute drängen gegen die vorderen Reihen, steigen über die Verletzten hinweg, um schneller an dem bestialischen SS-Mann vorbeizukommen. In der Angst und Hast werden die am Boden Liegenden zertrampelt. Um voranzukommen, werfen einige ihre Bündel fort.

„Schneller, schneller!“, brüllen die Schutzleute unablässig, wobei sie mit ihren Peitschen fuchteln.

Ich beginne unbändig zu schreien:

„Sie erschießen Juden! Sie erschießen Juden! Kommt her, schaut, wie entsetzlich!“

Mit meinem Geschrei schrecke ich die Mitbewohnerinnen auf. Eine nach der anderen kommen sie zu mir und versuchen mich zu beruhigen. Sie fordern mich auf, vom Fenster wegzukommen, sonst würde man mich noch entdecken und auf uns schießen.

Ich kann mich nicht rühren, stehe da wie angewurzelt, als würde eine unsichtbare Macht mir sagen: „Du musst es sehen! Du bist Zeugin. Vor deinen Augen vollzieht sich die Tragödie deines Volkes. Präge dir die Ereignisse ein und vergiss sie nicht!“

Die Kolonne flutet ohne Ende dahin – halb laufen die Menschen, halb marschieren sie, dann stürzen sie wieder rennend vorwärts … Einer fällt hin, der Nächste fällt … Die Leute steigen über sie weg, von den Schutzleuten zur Eile getrieben: „Schneller, schneller!“

Ich bleibe bis mittags am Fenster stehen, bis der Zug des Grauens endet. Plötzlich herrscht Stille, keine lebende Seele ist mehr auf der Straße. Überall tote Menschen, das Blut sickert aus den reglosen Körpern. Es sind überwiegend Greise, Schwangere, Kinder und Behinderte – alle, die das unmenschliche Tempo des Zuges nicht durchhalten konnten.

Die Männer aus dem Kleinen Ghetto erhalten den Befehl, die Straßen innerhalb weniger Stunden zu säubern. Sie legen die Getöteten auf Schlitten und bringen sie zum Alten Jüdischen Friedhof. Ohne Abschied, ohne Segen … Die Leichen werden am Zaun auf einen Haufen gestapelt. Als der Frost ein wenig nachlässt, hebt man zwischen den alten Grabstätten eine große Grube aus und begräbt die Opfer. Uns ist untersagt, dort hinzugehen.

Am nächsten Tag fahren SS-Offiziere in einem offenen Pkw durch die Ghettostraßen. Es sind noch immer Blutlachen zu sehen, nur sind sie jetzt gefroren. Niemand verlässt das Haus. Zufrieden mit dem Ergebnis, fahren die Offiziere wieder weg.

Wohin wurden die Leute gebracht? Es ist nicht möglich, so viele Leute auf einmal zu töten! Genaues weiß niemand, aber jeder hat irgendeine Vermutung. Gerüchte machen die Runde, die Ghettobewohner seien in ein Lager in der Gegend von Salaspils gebracht worden. Wir glauben es und hoffen, dass man auch uns in das Lager bringen wird. Wir, die im Ghetto Gebliebenen, waren immer noch so naiv! Die Menschen dachten, dass es am wichtigsten sei, das Marschtempo durchzuhalten und ans Ziel zu gelangen. Deshalb war jeder bemüht, sich so gut wie möglich auf den Weg vorzubereiten, indem man trainierte schnell zu marschieren und zu rennen.

Seit mehreren Tagen liegt eine ungewöhnliche Stille wie in einer Geisterstadt über dem Ghettogelände. Man sieht weder Deutsche noch Schutzleute, es wird nicht geschossen … Bald tauchen aber wieder die ersten Menschen in den Straßen auf. Sie kommen zusammen und besprechen das Vorgefallene. Man kommt zu dem Schluss, dass sich etwas Derartiges schließlich nicht wiederholen könne, und nach und nach kommen alle in den gewohnten Ghettoalltag zurück. Obwohl sich die Menschen nur langsam von dem Schock erholen, stellt sich die Alltagsroutine wieder ein. Aus Furcht vor Hunger werden die Lebensmittel streng und sparsam auf Tage und Wochen im Voraus eingeteilt.

So wie die anderen haben auch wir das Haus aufgeräumt und geputzt, lassen aber dennoch für alle Fälle die Rucksäcke unausgepackt.

Auch der Ghettoladen hat wieder geöffnet, nur jetzt hat sich die Situation verändert. Vor der „Massenevakuierung“ konnte man nur begrenzte Mengen und die auch nur mit Lebensmittelkarten kaufen. Jetzt werden diese nicht mehr verlangt: Kohl, Kartoffeln, Rüben, Möhren – alles ist in der benötigten Menge erhältlich. Zwar sind die Lebensmittel qualitativ minderwertig, aber die ausgehungerten Leute kaufen sie trotzdem.

Durch Öffnungen in der Umzäunung kommen immer häufiger Männer heimlich aus dem Kleinen Ghetto, ihre Angehörigen zu besuchen, und erzählen, wie verzweifelt die Leidensgenossen sind, die niemanden mehr haben, zu dem sie kommen können.

Am 3. Dezember erreichen uns Gerüchte, dass in der Stadt Näherinnen benötigt werden. Sie würden im Ghetto bleiben können und nicht ins Lager geschickt. Viele Frauen suchen so eine Chance auf Rettung, indem sie vorgeben, Näherinnen zu sein, auch wenn sie nicht die geringste Fertigkeit in diesem Handwerk haben. Mehrere Frauen kommen zu mir, um zu lernen, wie man mit einer Nähmaschine umgeht, zuschneidet und näht. – Am selben Tag beginnt in der Mazā Kalna iela die Registrierung der Näherinnen. Als ich eintreffe, stehen bereits 300 oder 400 Frauen in einer langen Schlange an. Nach der Registrierung werden alle nach Hause geschickt, um Proviant für zwei Tage zu holen und sich zu festgesetzter Stunde an derselben Stelle zu versammeln, danach würden sie in die Stadt gebracht.

Als wir mit unseren Bündeln eintreffen, werden wir bereits von den Schutzleuten erwartet. Wir werden in einer Kolonne aufgestellt und ziehen los. Während wir durch die „arische“ Stadt marschieren, beobachte ich, dass viele Passanten stehen bleiben und uns mit traurigen Blicken nachsehen. Einige weinen sogar, wischen sich die Tränen ab. Offenbar wussten die Stadtbewohner bereits von dem traurigen Ende der verschleppten Juden.

Wir werden durch die ganze Stadt zum Termingefängnis36 am Bahnhof Brasa geführt. Nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnishof werden wir auf einen Dachboden gebracht, der völlig überfüllt ist. Dort treffen wir auf Jüdinnen, die schon vor uns aus dem Ghetto hergebracht worden sind. Wir stehen dicht aneinandergedrängt da, hinsetzen kann man sich nur auf die Knie der Nebenstehenden. Die Tür wird geöffnet, und einige weitere Neuankömmlinge werden noch in den Raum geschoben. Es ist derart stickig, dass einige Frauen ohnmächtig werden. Wasser haben wir nicht, und es gelingt uns nur mit Müh’ und Not, die Ärmsten wieder zur Besinnung zu bringen.

Bei diesem Luftmangel verbringen wir die Nacht. Von den Wachleuten taucht keiner mehr auf. Wir teilen den mitgebrachten Proviant miteinander, leiden aber schrecklichen Durst. Es scheint, als seien wir eigens hergebracht worden, um gequält zu werden. Am nächsten Tag öffnet sich endlich die Tür, und der Wachtposten fragt:

„Wer möchte in eine Zelle? Es gibt 50 Plätze!“

Viele wollen, auch ich melde mich. Der Wachposten zählt fünfzig Frauen ab und führt uns in eine kleine Gefängniszelle. Die Beengtheit und das Gedränge sind hier nicht geringer als auf dem Dachboden, doch es kommen noch Feuchtigkeit und der kalte Betonfußboden hinzu. Das einzige zugeklebte Fensterchen der Zelle ist vergittert, die Tür verriegelt.

Indem sie auf eine der Sitzenden weist, flüstert mir eine Frau ins Ohr, dass man sich vor ihr besser vorsehen und sich nicht verplappern solle, sie sehe verdächtig aus – die Deutschen werden eine Spionin oder Provokateurin eingeschleust haben.

Diesmal wird die Zelle nicht von einem Schutzmann, sondern von einem gewöhnlichen Gefängniswärter bewacht. Hier bekommen wir ebenfalls weder zu essen noch zu trinken. Pritschen gibt es keine, sondern nur einen einzigen großen Tisch, auf den sich in der Nacht einige von uns zu dritt oder viert dicht nebeneinander zum Schlafen legen. Da der Tisch nicht groß genug ist, verbringen die meisten die Nacht auf dem Fußboden.

Am Morgen betritt ein Aufseher die Zelle und fordert, Meldung zu machen. Wir begreifen überhaupt nicht, was er will, und stellen ihm Fragen. Es folgt eine scharfe Reaktion mit groben Schimpfwörtern. Wir seien „undisziplinierte Jüdinnen“, die man erschießen müsse. Nachdem er eine Weile getobt hat, geht er wieder.

Ein zweiter Tag vergeht. Der unerträgliche Zustand setzt uns schwer zu und die Kräfte lassen nach. Wie lange wird sich das noch hinziehen? Jede Stunde, die wir in der dunklen Gefängniszelle verbringen, kommt uns wie eine quälende Ewigkeit vor. Nach einem weiteren halben Tag rasselt plötzlich das Schloss, die Tür wird geöffnet und ein Aufseher befiehlt uns, die Zelle zu verlassen.

Eine Frau fängt vor Angst an zu schreien, dass wir zur Erschießung gebracht werden. Panik bricht aus und die Frauen haben Angst, die Zelle zu verlassen.

Ich glaube nicht, dass man uns jetzt erschießen wird: Um das zu tun, hätten sich die Deutschen nicht so große Mühe mit uns machen müssen. Erschießen hätten sie uns auch früher können. Ich fange an, die aufgeregten Frauen zu beruhigen, und verlasse als Erste die Zelle. Das ermutigt die Übrigen, und die ganze Gruppe kommt heraus und stellt sich auf.

Wir überqueren den Hof, betreten ein Verwaltungsgebäude des Gefängnisses und kommen auf einen breiten Korridor. Hier stehen bereits viele Jüdinnen in einer Schlange. Am Fenster sitzen Deutsche und selektieren – einen Teil der Frauen schicken sie nach rechts, einen Teil nach links. Für die Näharbeiten sind diejenigen bestimmt, die nach rechts geschickt werden. Die Übrigen sollen zurück ins Ghetto gebracht werden.

Als ich an die Reihe komme, zeige ich dem Leiter der Selektierungskommission, einem deutschen Offizier, mein Zuschneiderinnendiplom, doch er schickt mich nach links, ohne überhaupt einen Blick darauf geworfen zu haben. Ich versuche ihm noch zu erklären, dass ich eine langjährige und erfahrene Schneiderin sei und jeglichen Auftrag ausführen könne, doch umsonst – er hört gar nicht hin und wendet sich der Nächsten zu. Bald darauf werden wir, die „Linken“, zurück ins Ghetto gebracht. Das war am 5. Dezember.

Im Ghetto herrscht weiterhin ungewöhnliche Stille. Das ist so merkwürdig! Auf den Straßen wenige Menschen, die Fensterläden alle geschlossen, ohne Not geht niemand aus dem Haus. Ich freue mich, Sonja wiederzutreffen, wir unterhalten uns stundenlang. Einige Männer aus dem Kleinen Ghetto sind zu ihren Familien zurückgekehrt. Sie holen Wasser aus dem Brunnen, hacken Brennholz, wechseln gelegentlich ein Wort mit einem Passanten. Still und friedlich vergehen zwei weitere Tage.

Ich überlebte Rumbula

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