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Paarbeziehungen
ОглавлениеDiese spezielle Form wird im Folgenden „Paarbeziehung“ genannt werden. Damit ist zunächst nichts anderes gesagt, als dass eine solche Beziehung zwei Personen umfasst. Das Wesentliche ist damit aber noch nicht getroffen. Für eine Paarbeziehung ist es entscheidend, dass exakt zwei Personen diese Form von Beziehung miteinander führen. Alle anderen sind ausgeschlossen. Eine Paarbeziehung kennzeichnet, dass sie exklusiv ist. Dementsprechend gehören zu jeder Paarbeziehung ihre Exklusivitätskriterien, Dinge, die nach Meinung der Beteiligten nur innerhalb der Beziehung geschehen dürfen.
Dabei sind diese Exklusivitätskriterien in den seltensten Fällen nur individuell. Sie gehören vielmehr zu einem gesellschaftlich anerkannten Ensemble von gemeinsam gestalteten Erlebnissen, die als notwendiger und exklusiver Bestandteil von Paarbeziehungen angesehen werden. Hier ist etwa an den Geschlechtsverkehr oder besondere Formen der Zärtlichkeit zu denken. Möglich ist aber auch, dass es bestimmte Themen gibt, über die man nur innerhalb der Beziehung spricht. Letztlich geht es immer darum, irgendwie zum Ausdruck zu bringen, dass es innerhalb der Beziehung eine Liebe gibt, die mit Menschen außerhalb der Beziehung undenkbar ist. Nur ist die höchste oder auch nur die einzigartige Liebe etwas sehr Abstraktes, weshalb es eindeutige, praktische Zeichen dafür braucht, ob sie gegeben ist oder auch nicht.
Ein Zweites, das neben ihrer Exklusivität Paarbeziehungen aus dem Feld der verschiedenen Beziehungen heraushebt, ist das hohe Maß, in dem es allgemein verbreitete und weitgehend verbindliche Vorstellungen davon gibt, wie das Leben in einer solchen Beziehung aussieht.. Normalerweise entwickeln sich Beziehungen zwischen Menschen entlang der momentanen konkreten Bedürfnisse, Vorstellungen und Möglichkeiten der Beteiligten.
Anders ist das bei der Paarbeziehung. Hier existiert schon ein mehr oder weniger präzises Bild davon, wie die Beziehung auszusehen hat, noch bevor überhaupt ein potentieller Partner aufgetaucht ist. Und in der Phase des Kennenlernens verdrängt leicht die Frage, ob man dem richtigen Menschen für eine Paarbeziehung begegnet ist, die Frage danach, wie eine angemessene und richtige Beziehung zu dem betreffenden Menschen aussehen müsste. Die verinnerlichten Maßstäbe und Bilder können eine mindestens so hohe Bedeutung erlangen, wie die Erfahrungen und Erlebnisse, die man in der Begegnung mit dem Gegenüber sammelt.
Aus den klaren Vorstellungen davon, was eine Paarbeziehung ausmacht und wie sie auszusehen hat, folgt auch, dass man in den meisten Fällen einen klaren Anfangspunkt und gegebenenfalls auch einen Endpunkt dieser Beziehungen angeben kann. Für andere Beziehungsformen, eine Freundschaft etwa, gilt das meistens nicht. Sie entwickeln sich in nicht benennbaren Schritten, vertiefen sich und werden intensiver oder sie werden lockerer und oberflächlicher, aber nichts stellt etwas dar, dass man als Anfang oder Ende einer Freundschaft ansehen könnte. Ganz anders sieht das in einer Paarbeziehung aus. Hier können die meisten angeben, wann und womit sie angefangen hat. Häufig werden sogar Jahrestage gefeiert, die an den Beginn der Paarbeziehung erinnern. Diese können sogar neben Hochzeits- und Verlobungstagen stehen. Noch eindeutiger lassen sich meistens Trennungen datieren. Auch wenn ihnen im Normalfall eine längere Geschichte vorausgeht, so ist doch die Trennung selbst ein punktuelles Ereignis. Im Gegensatz zu anderen Beziehungen, wo es immer verschiedene Formen und auch ein Mehr-oder-weniger gibt, gilt für die Paarbeziehung, dass es sie nur ganz oder gar nicht gibt.
Dass überhaupt von der Paarbeziehung als einer eigenständigen Größe gesprochen werden kann, ist alles andere als selbstverständlich. Noch vor einigen Jahrzehnten hätte man in diesem Zusammenhang unmittelbar an die Ehe gedacht. Eine Nähe zweier Menschen ohne Trauschein war, wenn überhaupt, nur für eine kurze Zeit möglich. Wenn sie längere Zeit anhielt, dann sprach man von einer „wilden Ehe“, was einen massiv negativen Anstrich hatte. Mittlerweile ist die Bedeutung der Eheschließung deutlich zurückgegangen. Für die meisten Menschen, die heiraten, ändert sich nichts in ihrem alltäglichen Umgang miteinander.
Zunächst war es unüblich, schon vor der Hochzeit eine gemeinsame Wohnung zu haben, sozusagen um vorher schon probiert zu haben, ob man zusammen wohnen kann. Inzwischen hat das gemeinsame Wohnen mit einer Hochzeit nur noch wenig zu tun. Ähnlich sieht es mit dem Geschlechtsverkehr aus. Das Bild, und die Vorstellungen von der Ehe sind mehr oder weniger auf die Paarbeziehung übertragen worden. Je mehr sich die Idee durchgesetzt hat, es sei letztlich egal, ob Menschen unterschiedlichen oder desselben Geschlechts einander begehren, desto mehr wird davon ausgegangen, dass auch für Schwule das Modell der Paarbeziehung verbindlichen Charakter hat.
Diese wenigen Bemerkungen mögen ausreichen, um den Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen sichtbar zu machen. Manches wird noch vertieft und genauer erklärt werden, manches wird in seiner Unklarheit noch deutlicher herausgestellt werden. Wie das weitere Nachdenken strukturiert sein wird und in welche Richtung es geht, ist Inhalt des nächsten Abschnitts.