Читать книгу Die Todgeweihten grüßen dich - Friederike Kielisch - Страница 6
6. Juni 2014
ОглавлениеIch,
an meinem Bruder, 12 flacher Dan Träger des Kung-Fu, Deutscher, geboren in Xanthi, Hellas
ich denke viel an dich
und an damals
in der Zeit wo du glücklich mit Katja warst
weißt du dann war Mustafa da
auf einmal war ich wichtig, es ging um mich
er hörte meine Gedichte
er lernte mit mir für das Abitur
er ging mit mir in den Wald Pilze suchen
und Ali O. war unsere Deckung
bis es aufflog
seine Eltern ließen ihn polizeilich suchen...er war bei mir
Ali O. und ich waren gute Kumpels...wir teilten unseren Liebeskummer
sie bauten mich auf
und beide waren immer gegen das Establishment
ich wusste nicht das Mustafa so jung war
du dachtest ich hätte Größe...ich hätte ohne sie nicht so viel ertragen können
sie waren einfach da...Mustafa mit seinen großen Augen
und mir zuhörte
Ali der mich oft einfach aufsammelte wenn ich in der Stadt war...in meinem weißen Kleid und Gedichte schrieb
mir die Seele aus dem Laib schrieb
du hast Katrin so sehr geliebt
beide haben dann nie begriffen warum ich meinen Mann genommen habe
doch ich musste meine Seele retten
in ein normales Leben
verstehst du das?
E.:
so eindrücklich wie du das erzählst bleibt einem ja keine andere Wahl
ich war soo naiv
ich träumte mit Mustafa
er glaubte mir
jedes Wort
E.:
wie sieht denn dein Leben jetzt aus?
einsam
aber gut so
E.:
komfortabler?
ich sagte zu ihm. Wenn wir Abitur haben, ziehe ich nach xyz und du kommst mit
ich studiere und du bist glücklich. Das sagte ich zu ihm
er erzählte es seinen Eltern
sie erklärten ihn für verrückt und schleppten ihm zum Psychologen
dann kam sein älterer Bruder mit diesem Kurden E.
und ich verleugnete uns
E.:
und sie wollten ihn nicht verheiraten mit dir?
Ich.:
sie wollten die Wahrheit
doch ich sagte ich kenne nur Ali
Mustafa dachte ich bin mit Ali
ich wollte ihn beschützen, ich kann nicht mit nur dem untersten Rang so kämpfen
ich denke wenn ich die Wahrheit gewusst hätte
ich weiß bis heute nicht, ob sie uns verheiratet hätten...wahrscheinlich
Mustafa zerbrach
er rächte sich an Ali
er rächte sich an alle Frauen der Welt
E.:
das ist doch bei diesen Türkeneltern oberstes Gebot, den Sohn mit einer Heidin zwecks Konvertierung zu verheiraten..
und er kämpfte
er wollte nie eine Türkin
er verstieß gegen alle Regeln
gegen alle der Welt
er wollte frei sei
und Ali genauso.
er hat S. verloren
und doch wir alle drei sehen uns noch in die Augen
er redet bis heute sich bei mir wegen S. aus
E.:
dass kenne ich auch, bei aller großen Liebe und Fürsorge war es doch eine seelische Folterkammer in der ich leben durfte und dankbar sein musste
immer noch..
Ich:
ich lasse niemanden in Stich
verstehst du. Niemanden
ich gehe mit allen ins Feuer
ich werde Mustafa nie mehr verraten oder verleugnen
E.:
ich werde gleich ohnmächtig und muss mich nun ausloggen
oh bitte
e…
verzeih mir
ich habe solches Heimweh
E.:
wo zieht es dich denn hin?
in der Zeit, als ich noch eine Oma und Vater hatte
all die Jungs die dann nicht mehr zum Training bei dir waren, waren auf meiner Seite
der Kurde E. und Mustafas Bruder kamen dann wegen der PKK ..ich war ja bei den Sozialisten
deine Göttin stieg vom Olymp
und hörten mir zu, der verrückten Dichterin
Deutsche sagten, du schmeißt Perlen vor die Säue
verzeih das ich dir diese Worte zumute
davor galten immer nur deine Worte, du hast nicht mal geahnt , dass ich schreibe...parallel zu dir
Du warst zu stark, für alle von uns.
Doch wir haben Dich alle geliebt und verehrt.
Erst mal wollte ich nun gar nichts mehr. Nur noch meinen Abschluss machen, arbeiten und leben. Doch ich brauchte irgendwie Wärme, Sicherheit und Geborgenheit.
Viele Monate später fand ich einen freundlichen und warmherzigen Griechen, der bereit war, mein Mann zu werden, und für mich und meine zukünftigen Kinder zu sorgen. Er hatte auch nichts mehr zu verlieren, denn später verstarben seine beiden Eltern. So trafen sich zwei Einsame auf einer Insel, und planten gemeinsam eine Zukunft. Er war auch nicht „Der“ angestrebte Schwiegersohn, doch er passte sich unserer Welt an, erfüllte seine Rolle nach besten Wissen und Gewissen, und sein gesellschaftlicher Hintergrund war gerade mal für meine Familie akzeptabel. Ein guter griechischer Name, und der Erbe von fruchtbaren Feldern. Ein ehrlicher und fleißiger Mann, zwar nicht gerade studiert, doch tief in der Seele gnädig und treu.
Ich wollte ihn glücklich machen, ihn seine griechische Melancholie nehmen…Doch er schaffte es nicht mehr vollständig mein Herz zu erreichen, denn ich war zwischen den Welten gestorben.
Damals, als Mustafa nie mehr mit mir reden wollte, schwebte ich trotzdem durch die Straßen der Kleinstadt, mit ungefähr 10 Monaten des fleißigen Lernens der griechischen Sprache. Es war mein letztes Schuljahr, und nach all‘ den Prüfungen suchte ich mir wieder Jobs. Nun auch die örtlichen Griechen nahmen meine Existenz zur Kenntnis. Kaum wendete ich mich mit verletzten Gefühlen von Mustafa ab, hängte sich eine fette griechische Qualle namens Jiannis G. an mich heran. Er stalkte mich. Er verfolgte mich mit seinem goldenen Ford. Er lauerte selbst an meiner Schule, oder lief in der Stadt bis in ein Café hinter mir her, er setzte sich dreist an meinem Tisch, schnappte meine rechte Hand, um diese dann mit seinen labberigen Küssen zu bedecken. Boäh, der war so widerlich! Ich floh, dort wo ich Ergün vermutete. Wir waren immer Freunde. Zwar nun mit Differenzen, aber eben niemals Feinde. Er hatte in so Vielem mit seinen Einschätzungen Recht gehabt, er sah die Griechen in Gifhorn so wie sie wirklich waren, die Meisten waren wahre Asis. Denn die Zeit war schon vorbei, als das die Griechen als Gastarbeiter gekommen waren, die meisten waren auch schon wieder fort, und das Viertel, welches geblieben war, hatte auch in Griechenland nichts, kein Land und keine Perspektive, kein Ziel. Nun, erst arbeitete ich zwei Monate in einem Hotel, dann fuhr ich mit dem Geld mal wieder nach Griechenland, zu den „echten“ Griechen, und danach vermittelte mir eine Freundin auch wieder einen Job, in diesmal einem griechischen Café. Dort war ich dem Komplettprogramm deren nervigen lauten Lebensart ausgesetzt. (Fußball!) Der Inhaber suchte sich gern Personal zum Ausbeuten, er hatte niemals vor, Vereinbarungen einzuhalten. Einige Jahre später an der Uni, lernte ich auch dort eine junge Frau kennen, die er dazu gebracht hatte, dass sie wegen nicht vorhandenen Lohnzahlungen dessen Reifen zerstach. Soviel mal zu uns deutschen Frauen: Wir haben Dornen! In diesem Café gab es nur insgesamt drei Menschen, die sich als solche benahmen. Einmal Costa C. dem das Gebäude und die Automaten gehörte, und der mir immer heimlich reichlich Trinkgeld gab, und sehr ruhig und still war. Er stammte von der Insel Kreta, und beobachtete die Menschen. Dann ein Evangelis, sein Bein war gebrochen, er war krankgeschrieben, und er kam mit Krücken, und dann eines Abends, der undankbare Alex. Der kannte mich doch schon vom Sehen, ha, doch nun war er auf einmal sehr zurück haltend. Die anderen Griechen waren alle aus der Stadt, er war der Einzige, der seine Kindheit in Köln verbracht hatte, mit seinen Eltern nach Hause in die Heimat ging, und sich dann nach der 2 jährigen Militärzeit entschlossen hatte, wieder zurück nach Deutschland zu kommen, eben allein, weil er ehrgeizig und sehr fleißig war. Alles Geld das er verdiente, alles was ihm übrig blieb, sandte er zu den Eltern. Erst wurde er in 2 Betrieben von Griechen ausgebeutet, bis ihm ein Deutscher half. Dieser kümmerte sich für ihn um vernünftige Papiere und einen Arbeitsvertrag, denn auch er sah sein Potenzial. Die dummen Kleinstadt Griechen, dachten sich überlegen. Großmäulig wie sie waren. Denn ein Grieche allein, und ohne Familie hatte keinen gesellschaftlichen Status. Er wagte dort mich nicht mal zu grüßen. Ha, aber eine heiße Schokolade bestellen! Na warte, mein Bürschchen, dachte ich mir, dir mache ich mal Eine! So bereitete ich ihm die gruseligste Schokolade überhaupt zu, die mir einfiel. Costa sah das natürlich, und grinste. Er fragte ihn: “Na, schmeckt Dir das?“ Und der Alex nickte brav: „Em, ja sehr gut.“ Dann rief mich der Ladeninhaber zu sich: „ Darf ich Dir mal diesen Bauern vorstellen, er hat 3000 Schafe in Griechenland.“ Wenn man in Griechisch sagt, jemand hat Schafe, meint man, er ist doof. Zu nichts Anderes als zum Hüten zu gebrauchen. Aber ich war auch doof, eine Unschuld vom Lande, und lächelte entzückt:„ Oh, habt ihr Schafe?“ „Ja, mein Onkel hat welche, aber wir haben Felder.“ „Ach, und ich habe einen Wald!“, sagte ich, „ und was für Felder habt ihr bitte genau?“ „Wir bauen Reis, Mais und Melonen an.“ Makedonien, das wusste ich schon von ihm, beste makedonische Erde also, Festland. Die Kornkammer Griechenlands.
An dieser Stelle möchte ich anfügen, dass die heutigen Griechen in dieser Stadt nicht mehr der Einschätzung von damals entsprechen. Viele sind sehr respektable und ehrbare und fleißige Mitmenschen, voll integriert. Besonders die griechischen Damen meiner Altersgruppe sind wirklich sehr freundliche und liebenswerte Geschöpfe, das meine ich wirklich so.
Dieser Alex bekam gar nicht mit, was ihm zunächst durch mich wiederfuhr. Männer können so absolut manipulierbar und vernagelt sein! Er wurde damals gehandelt, und als potenzieller Schwiegersohn gesehen einiger lediger Damen. Das bekam zwar er durchaus mit, aber er konnte das nicht so wirklich an sich heran lassen. Denn Griechen neigten dazu, sich Herren für ihre Töchter zu bestellen. Diese wurden manchmal auch direkt aus Griechenland importiert, bekamen schon mal nur allein für das Kommen neue rote BMWs. Manche nahmen nach Ansicht der Braut in einer Nacht und Nebelaktion das Auto, und hauten wieder ab. Ein echter Grieche wollte zu der Zeit niemals seine Heimat eintauschen. Das Gefühl, wenn man Griechenland betritt, wirklich sich öffnet mit der Seele, heißt Freiheit! Doch er war ja von sich aus hier! Und sie umgarnten ihn.
Nach unseren Smalltalk ordnete ich an, dass er mich nach der Arbeit mal irgendwann in ein Restaurant einladen dürfte. Er war so verwirrt, das er mindestens die ersten Verabredungen absolut verpatzte, immer an den falschen Orten auf mich gewartet hatte. Doch eines Tages, es war ein Sommer Regentag, erwischte er mich direkt vor dem Café. Er hielt den Schirm, und wir gingen zum besten Italiener der Stadt. Dort handelte eine nasse Katze erstmal die Rahmenbedingungen unserer Bekanntschaft aus. Das verwirrte ihn noch mehr. Er durfte nur mit mir ab und zu ausgehen. So landete ich nun also in den heimischen griechischen Radius. Wir fuhren mit „seinen Bekannten“ ab und zu in andere Städte um nachts auszugehen. Er kannte nicht viele, doch nun durfte ich offiziell mitfahren. Oder wir spielten Billard, ey, und er reagierte gar nicht weiter auf mein niedliches Äußeres. Das war auch in Griechenland durchaus der übliche Verfahrensweg, denn bis man damals dort etwas mit einer Lady hatte, vergingen Monate! Aber einige hier ansässige Barbaren von denen griffen durchaus zu ganz anderen Mitteln! Einer lauerte auch mal locker mit seinem Mercedes vor meiner Tür, und auch dieser Jiannis nervte ab und an. Ich brauchte Alex zu meinem Schutz. Und er brauchte mich, um nicht gleich verlobt zu werden! Eines Abends, als wir spontan ausgegangen waren, befanden wir uns noch auf einen Mocca in einer Wohnung eines perfiden Typen, der in Hamburg Medizin studierte. Und genau Dieser mischte dann in meine Tasse so etwas wie spanische Fliege, aber Alex bekam das mit, vertauschte die Tassen, trank die volle Mischung, er war eben keine Lusche, einer der in Griechenland als Soldat ausgebildet worden war, damals musste ein Mann dort sehr hart im Nehmen sein! Und er brachte mich trotzdem danach unmittelbar sicher nach Hause! Danach sind wir nie wieder mit denen ausgegangen. Er war nicht mal mein ordnungsgemäßer Freund, aber hat von Anfang an immer auf mich aufgepasst! Auch als ich einfach nicht in dem Café für meine Arbeit bezahlt wurde, regelte er auch das für mich. Es wurden mir 1200 DM geschuldet, denn sie suchten Streit mit mir, um mich nicht bezahlen zu müssen, doch Alex bekam dann immerhin noch 960 DM heraus.
Dann war ich wieder mal weg, natürlich diesmal in Thessalien und auf Skiathos und in Athen. Und dann hatte ich noch einen Mann in Griechenland, der sich als mein Verlobter fühlte: Alex Ayverinakis, ich war die größte Liebe seines Lebens, er wartete noch 7 Jahre auf mich, bis er sich dann doch entschloss, ein blauäugige Griechin zu ehelichen.
Doch zuvor hatte ich in meinem Träumen mich schon für den Alex entschieden, der mein Freund war. Er war eben zuverlässig und in meiner Heimat.
So nahm ich einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach. Zur Ruhe wollte ich kommen, angekommen sein. Etwas aufbauen, eine Familie und Sicherheit haben.
Mich selbst verlor ich aus den Augen, lebte das Klischee der Ehefrau und Mutter vom Dorf. Sehr einsam war ich, fühlte mich abgeschnitten von der Welt. Mein Mann machte sich selbstständig, und wir bekamen drei Kinder. Er verblühte und war fast nie zuhause.
Ich tröstete mich mit Hauswirtschaft und Sport, aber mir war kalt. So blieb mir nur mein Leben um meine Kinder herum zu gestalten. Ich verschlief den Zeitgeist, hatte keine Freunde nur Bekanntschaften, nur manchmal weinte mein hartes Herz in das Kissen, da es im Grunde gar nicht stark und eiskalt war, sondern warmherzig, verzweifelt und sich nach Liebe und Aufmerksamkeit sehnte. Mein Mann begriff das nicht. Bis heute begreift er nicht was eine Partnerschaft ist, Nähe und Seelenverwandtschaft.
Damit steht er als Mann gewiss nicht allein dar, doch ich kannte schon immer Anderes. Wenn ich eine Freundschaft habe, dann nur ein solche Version von Nähe, Vertrauen und Zuneigung, Ehrlichkeit. Denn ich bin ein Beziehungsmensch und neige eher zu Wenigen als zu vielen oberflächlichen Bekanntschaften.
Doch dieser Mann ist genau anders herum. Er kennt nur Bekanntschaften, keine Freunde. Nun vielleicht bin ich sein einziger Freund, doch ich bin ihm fremd, denn er versteht mich nicht.