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Fünftes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Viele Tage hintereinander gingen und kamen, einer wie der andre, obgleich jedweder ein neues Kleid anzunehmen bemüht schien. Aber es waren beständig ermüdende Gastereien; selten zwischendurch ein Sonnenblick der Liebe. Wenn Alwin, von Wein und Gesellschaft belebt, einmal freudige, begeisterte Worte sprach, blickte man sich einander zweifelnd, halbspöttisch an; vor Allen Mathilden's Anverwandte, welche sich mit dem neuen Ankömmling überhaupt unzufrieden zeigten, und was er sagen wollte gern durchaus unterdrückten, oder es doch baldmöglichst verwandelt und verstellt in ihren eignen Kreis herüberzogen. Mathilde war deshalb mit ihrem Freund unzufrieden. Ich kenne Dein feuriges, hochstrebendes Gemüth, pflegte sie bei solchen Gelegenheiten zu sagen, ich weiß, daß Du wie ein allzuergiebiges Erdreich das Gold aus Deinen Tiefen unangeschlagen zu Tage förderst, aber bedenke nur, daß die auf der Oberfläche wohnen, keine Chemiker sind, und Dein edles Metall als nutzlosen Flitter verachten.

Laß sie doch achten, oder verachten, wie es ihnen gefällig ist, erwiederte Alwin eines Abends auf ähnliche Vorstellungen. Wir können doch nicht ewig in ihrem Kreise leben. Mich zieht's mit zaubrischer Gewalt nach Deinem Schloß hinaus, in die hohen, altväterlichen Gemächer, unter die Schatten des Thiergartens hin. Dort laß uns leben und lieben, meine süße Freundin, dort erst alle Freudenbecher der Welt genießen.

Dein Blick ist getrübt lieber Alwin, sagte Mathilde. Das Leben der andern Menschen kommt Dir fratzenartig vor, wenn irgend etwas darin gegen Deine Lieder und Mährchen anstößt, und Du wunderst Dich doch über keinen Baum, der seinen graden Wuchs in einen häßlichen verstellt hat.

Ich rotte ihn aber aus, oder verbrenne ihn, antwortete Alwin mit gezwungner Kaltblütigkeit, und das würde man mir bei Menschen nicht gut aufnehmen.

Du bist hypochondrisch, fuhr Mathilde fort. Die Leute sind fürwahr Alle recht gut, und ertragen auch uns mit unsern Schwächen. Eine Liebe ist der andern werth.

Das nennst Du Liebe, sagte Alwin. Diesen erbärmlichen Tauschhandel, wie einmal Adalbert etwas Aehnliches nannte! Kennst Du denn die Göttlichen nicht mehr, welche uns einander im Pyrenäenthale zuführte, daß Du ihren Namen so schmählich entweihen kannst! Liebe, dies einige, durchdringende Gefühl unsers Lebens, nein dies einige Leben selbst, und jenes erbärmliche Ertragen von Erbärmlichkeiten.

Wir misverstehen uns jetzt öfters, sagte Mathilde, und es bedarf eines klaren Aussprechens unsrer Gefühle.

Du sprichst so ruhig Mathilde, seufzte Alwin, indem er sich bleich und zitternd ihr gegenüber setzte.

Ich finde meine liebste Freude in der großen Welt, fuhr Mathilde fort, und würde es für Falschheit halten, Dich fortan darüber im Irrthum zu lassen, so wie es eigne Thorheit war, vermöge deren ich selbst mich lange darüber betrogen habe. Es mag Gemüther geben, die Walddunkel, Einsamkeit, stilles wiederhohltes Leben, so wie die Sterne auf und untergehn, Thalgesang von uns allein vernommen, Gemüther, sage ich, die dergleichen über Alles lieben; ich gehöre nicht zu dieser Art. Wenn so etwas auch bisweilen recht behaglich an mir vorüber zieht, bleibt es doch niemals mein rechter Ernst, mein bleibendes, beseeligendes Gefühl. Ich bedarf der lichten Kreise, die sich hier regenbogenfarbig um meine Schönheit ziehn; in Braunschweig trafst Du mich zuerst in meinem wahren Dasein an, hier triffst Du mich in dessen Mitte wieder. Denke nicht an das vergebliche Streben, mich meinem Glück zu entführen.

Unsre Liebe ist also nicht mehr Dein Glück? fragte Alwin sehr betrübt.

Ja doch, Du seltsames, unartiges Kind, antwortete Mathilde lachend, aber nicht mein einziges, mein ausschließliches. Als ob ich auf Deine Zither eifersüchtig sein wollte!

Meiner Zither, sagte Alwin, erzähle ich nur immer von Dir.

Und ich, erwiederte Mathilde, putze mich eigentlich auch blos für Dich. Aber nimm es überhaupt nicht so ängstlich mit der Liebe. Alles hat seine Blüthenzeit, und wer sie muthwillig verlängern will, schafft nur Treibhauswerk. Ja, ich habe an Deinen Blicken gehangen, ich habe Deine Seufzer geathmet, aber es ist damit vorüber, und wir müssen trachten, ein glückliches Leben in der umgebenden Welt zu führen. Laß Dich nicht von der Wahrheit kränken. Auch Du bist viel anders, als Du vordem warst.

Nur das nimm mir nicht, rief Alwin in Thränen ausbrechend, nur nicht mein eignes schmerzhaftes Gefühl!

Gar Thränen! sagte Mathilde. Wer sollte daran den braven Kriegsmann erkennen?

Wer sich kein Puppenbild von einem braven Kriegsmann gemacht hat, fuhr Alwin ungeduldig auf. In Eurer Welt mag es so Mode sein, daß ein Soldat nur marschiren und kommandiren darf. Ich schäme mich meiner Thränen nicht, des Perlenschmucks aus meiner Kinderzeit, der die männliche Rüstung nicht entstellt.

In Deinen Mährchen vielleicht nicht, antwortete Mathilde. Im Leben müssen wir es doch anders anfangen, wenn wir ein leidliches Dasein führen wollen. Du bist heut sehr erhitzt. Schlaf wohl. Morgen wirst Du klüger sein.

Alwin ging schweigend nach Haus. Dort ließ er Alles zum schleunigen Aufbruch ordnen. Es waren nicht gleich Pferde bereit, und er ging allein mit seiner Zither voraus. Er wollte den Morgen in diesen Mauern nicht mehr anbrechen sehn.

Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué

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