Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 43
Neuntes Kapitel
ОглавлениеIn einer schönen mondhellen Nacht saß Alwin auf dem Gipfel eines Hügels, nicht allzu entfernt von dem Kloster, und hing seinen Wünschen nach und seiner Trauer; da erhob sich, ihm gegenüber, auf einer andern sanften Anhöhe, Raimunds Gestalt, der eben mit einer leichtverschleierten Dame hinanstieg. Raimund bemerkte seinen Freund, und sang zu ihm hinüber:
Du, einsam auf dem Hügel,
Verschwiegner Nacht Gefährt, sangreicher Waller,
Wie hältst die Lieder streng Du in Verwahrung,
Die zum Ergötzen Aller
Ausflögen gern auf angebornem Flügel,
Der tiefsten Lieb' und Sehnsucht Offenbarung.
Nicht ziemt uns Dichtern ängstliche Bewahrung
Der Schätze, die uns Gottes Huld gespendet;
Fortströmen sollen wir, wir heil'ge Bronnen,
Bewußt, daß unsrer Wonnen
Himmlische Freudengabe wen'ger ahndet,
Je reicher wir vertheilen.
Du, angestrahlt von der Begeistrung Sonnen,
Wie Blick und Stellung Zeugniß deß ertheilen,
Du darfst nicht klanglos, edles Bild, verweilen.
Alwin sang entgegen:
Gesänge rauschen, klingen,
Umschweben dreisten Flugs der Länder Gränzen,
Aus freiem Sinn in freier Lust entsprossen.
Doch nicht zu Siegerkränzen
Mag sich dem Herzen schwerer Gram entschwingen,
Wehklage nach der Freude längst verflossen.
Beschämt muß ich verstummen dem Genossen,
Der heitre Saiten schlägt zu hellen Tönen,
Ein Aar, den Blick wohl senkend, nie den Fittig.
In stiller Brust erlitt' ich
Von Liebe Leid, fand Schonung nicht beim Schönen,
Vertraun nicht bei der Treue.
Drum laß mich schweigen, trauter Meister, bitt ich,
Der Schleier dort birgt holder Augen Bläue,
Vor der ich mehr noch mein Erliegen scheue.
Raimund.
In liebentbrannten Klagen
Will Nachtigall die Flammen süß verhauchen,
Die ihren Busen schwell'n und fast zersprengen,
Daß Sterne, die sich tauchen
In feuchter Wolken duftumhüllten Wagen,
Man lauschend sieht hervor die Lichter drängen.
Dies Heil entblüht den klagenden Gesängen,
Entblüht allein den sehnsuchtsvollen Liedern,
Wo aus dem Abgrund lieberfüllter Herzen
Sich Freuden oder Schmerzen
Erheben, um als Echo zu erwiedern
Verschwiegner Liebe Feier.
Auf, neu entzündend Deiner Andacht Kerzen,
Belebe süßen Klagelauts die Leier,
Und sing' von diesen Augen fort den Schleier.
Alwin.
Du willst, und ich beginne,
Auch Dir mit nächt'gen Liedern zu verkünden,
Was stets ertönt, von mir allein vernommen.
In tiefen Erdengründen
Schläft die Geliebte; Seele mir und Sinne
Ließ sie zurück in heil'ger Gluth entglommen.
Wenn nun des Lebens Lustgebilde kommen,
Zu mahnen mich in ihre heitern Kreise,
Zu locken mich in's bunte Weltgetriebe,
Dann seufz' ich nur nach Liebe,
Fremd scheint und freudlos mir die ferne Reise,
Feind ringsum auf der Lauer.
Drum tracht' ich, wo ich still und einsam bliebe,
Wo Niemand spotte meiner frommen Trauer,
Und gütig winkt mich Nacht in ihre Schauer.
Raimund.
Wenn in des Frühlings Milde,
Der Landmann ausgeht, schauend seine Saaten,
Die er vertraut hat der Natur Umarmung,
So weiß er: nicht gerathen
Mag jeder Halm im grünenden Gefilde,
Nicht jeden faßt des Sommers Lieb's-Erwarmung,
Doch bringt's der goldnen Erndte nicht Verarmung.
Was eines weigern mag, wird andres spenden,
Was hier verwelkt, dort zwiefach sich erschließen,
Und Windsturm und Ergießen
Des kalten Regens all zum Heil sich wenden,
Gelenkt von eigner Güte.
Faß Muth! denn Heil muß ew'ge Liebe senden
Den Liebessaaten, und was heut verglühte
Wacht morgen lockend auf zu schön'rer Blüthe.
Alwin.
So hold, so allgewaltig
Ist Liebe, daß vor ihren heil'gen Thronen
Nie unerhört sich frommes Bitten neigte.
Nur hoffe nicht Belohnen
Wer, ein Rebell, durch Frevel mannigfaltig
Der süßen Macht sich widerstrebend zeigte.
War ich's nicht, dem sie günstig ehmals reichte
Das Pfand erhörter Sehnsucht, freundlich Winken,
Vertraulich Lächeln? Händedruck und Neigen?
Da, neuen Sternen eigen,
Wandt' ich mich abwärts vom gewohnten Blinken,
Abwärts von trauten Worten.
Nun seh' ich die verscherzten Wonnen sinken,
Und nirgends öffnet mir an fremden Orten
Ein neues Morgenroth die ros'gen Pforten.
Raimund.
O, Alchymist, wie blöde!
Nun die geheimen Kräfte streitend ringen,
Die Du in glüh'nden Wünschen hast entzündet,
Sich liebend bald verschlingen,
Bald von einander fliehn, erzürnt und spröde,
Nun gilt's! Nun sei Dir Hoffnung treu verbündet.
Dir wird Dein Heil im nächt'gen Grau'n verkündet,
Dein Venusstern, Dein langersehntes Leuchten.
Laß nicht unzeitig zweifelnde Gedanken
Den edeln Muth umwanken,
Den Muth, den keiner Schlachten Donner scheuchten,
Die Zeit ist angebrochen,
Wo Freudenthränen Deine Wangen feuchten,
Die Pulse Dir von süßer Wonne pochen.
Drum kühn die höchste Sehnsucht ausgesprochen!
Alwin.
Sie kam zu meinen Träumen,
Die Herrin, oft in all' den Hoheits-Strahlen,
Die ihre Bildung götterähnlich krönen,
Bis, wach von meinen Qualen,
Ich wieder einsam mußt' und bangend säumen,
Unwerth, ich fühlt' es, der ersehnten Schönen.
Wer allzu Hohes liebt, der scheut Verhöhnen,
Nicht fremdes nur, auch das im eignen Geiste,
Drum schweigt er, läugnet selbst sich ab die Klage,
So wie ich jetzt noch zage,
Nur Dein Gebot mit Widerstreben leiste,
Dir und dem holden Bilde
Zu Deiner Seite, das der Mond umkreiste,
Verliebt schon, süßern Lichtes, hell'rer Milde,
Euch trau' ich's an – mein Sehnen heißt Mathilde.
Raimund stand am Schlusse dieser Strophe vom Rasen auf; die Dame neben ihm erhob sich zugleich mit zögernder Würde, und Beide schritten hinab, nach Alwin hinüber, der sich, wie von Magie gezogen, gleichfalls zu ihnen hinbewegte. Als sie sich im Thale zwischen den Hügeln begegneten, vom hellsten Mondglanz beschienen, warf die Dame den Schleier zurück, und Mathildens Züge leuchteten dem entzückten Jüngling in's Antlitz. Er sank wie anbetend nieder, die herrliche Gestalt beugte sich über ihn, und umschlang ihn in glühender Umarmung. Raimund sang:
Ein süßes Weh, o Lied, hast du entschleiert!
Nun sich's in Lied' erschloß und Freudewallen,
Ziemt's Dir, in leisen Klängen zu verhallen.