Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 25
Achtes Kapitel
ОглавлениеDer Tag stieg heller herauf, das Schießen tönte näher und heftiger, aus Alwin's Gemüth verschwanden allgemach die nächtlichen Schauer, und gaben der Schlachtlust Raum, nur sein Barberhengst blieb noch scheu und wild, wie vom Wahnsinn des Verwundeten angesteckt, so daß er oft schneller durch Wald und Thal sprengte, als der Reiter es eigentlich wollte, der Trense und Schenkel unaufhörlich brauchen mußte, um das schäumende Thier nur einigermaaßen in der Gewalt zu behalten. Schon waren einige Kugeln scharf über ihn hin geflogen, er mußte nah' am Kampfplatz sein, vielleicht schon mittendrauf, da trabte eine Reiterschaar ihm entgegen, Adalbert an der Spitze. Zur guten Stunde, rief dieser, Alwin! Nachtschwärmer! Es gilt! Sie drängen uns mit all' ihrer Macht, mit Fußvolk, Feldschlangen und weiß der Satan was noch. Auf dem Felde jenseits marschieren Hakenschützen, um Balderich zu überflügeln; sie verlassen sich auf den Busch hier, darin ihre Jäger liegen, aber weiter hinunter wird's lichter, und man reitet nothfalls durch. Führt das aus. Ich laß Euch Eure Halberstädter, und will nun von dort aus die feindlichen Reiter in Respekt halten. Damit warf er das Pferd herum, und jagte zurück. Alwin trabte auf den angewiesenen Wege mit seinen Kampfgenossen fort, die sich freuten ihren jungen Führer an der Spitze zu sehn. Ein Reiter sang:
Was macht den Helden sein Herze groß?
Der Schlacht Getos.
Wo liegt er aber in Freuden warm?
In Mädchen's Arm.
Und kommt er 'mal später auf's Waffenfeld,
So weiß sein's Gleichen was fern ihn hält.
Die andern Reiter lachten, und Alwin mußte mit einstimmen, so unbefangen er sich auch zuerst hatte anstellen wollen.
Rechts wurden die Bäume schon einzelner, das Strauchwerk weniger dicht: man zog sich näher an die Waldung. Durch's Gezweige drang der Dampf aus den Gewehren der Hakenschützen, man hörte sie ganz nahe schießen und rufen. Plötzlich zeigte sich eine offnere Stelle, wenige Jäger zu deren Deckung drin. Rechts schwenkt Euch! rief Alwin. Galopp. Drauf! Die Jäger feuerten erschreckt und unsicher, Alwin's Reiter jubelten laut, und sprengten ihm nach, während sein Hengst in voller Wildheit durchging, aber Alwin war jetzt eines Sinnes mit ihm: die Sporen drückte er ihm noch in den Leib, denn jenseits sah' er die Hakenschützen, die den Anfall merkten, und zusammenlaufen wollten, um eine feste Stellung zu nehmen. Zu spät. Die Halberstädter waren rasch durch den Wald, und hieben das Fußvolk einzeln nieder. Alwin, von seinem wilden Roß weit vorausgetragen, sah die feindliche Reiterei geschlossen ansprengen. Apell! Trompeter! rief er, Apell! Der nächste, der ihn eben hörte, blies, aber die Feinde waren zu nah, die Halberstädter verloren, hätte nicht Adalbert aus einem nahen Busche auf die Angreifer losgestürmt. Diese stutzten, wandten sich zur Flucht, und Adalbert rief im vorbeijagen: laßt Euch nicht stören! Dort unten haben sie zwei Feldschlangen. Nehmt sie! Alwin warf mühsam sein tolles Roß nach der bezeichneten Gegend herum, einige Reiter sammelten sich um ihn, sie eroberten das Geschütz, indem es eben abfahren wollte. Der Feind verließ hierauf die bisher behauptete Stellung, aber durch seine Uebermacht ward ihm der Rückzug erleichtert. Man focht den ganzen, heissen Tag hindurch, Adalbert war allerwärts; bravo, lieber Knabe! rief Balderich einigemal dem kecken Alwin zu, wenn er ihn mit seinen Reitern vorüberfliegen sah; gegen Abend zerstreute sich der Feind in rettungslose Flucht. Eins der wenigen Feldstücke, die er noch gerettet hatte, feuerte von jenseit eines Baches herüber in die Flanke der Sieger. Kehrt Euch nicht dran, Halberstädter, rief Alwin. Haut nach! Die Reiter folgten ihm, der wilde Hengst begann erneuten, tollen Flug, da faßte ihn eine Ladung der Feldschlange dicht vor dem Sattel, er wollte mit seinem Reiter einen Abhang hinunter. Im Staub und Gewirr hatte es Niemand gesehn, und nachdem sich Alwin von seinem tollen Pferde losgemacht hatte, stand er einsam unter vielen Leichen. Die Schlacht tobte weit abwärts hin. Auch hier war hart gefochten worden. Freund und Feind lagen durcheinander, von harten Wunden gezeichnet. Einige Schritte von sich, unter einer verwitterten Eiche glaubte Alwin die rothe, goldgestickte Schärpe Hartwalds zu bemerken; erschreckt gieng er drauf zu; und fand wirklich den todten Körper seines Freundes. Eine tiefe gräßliche Hiebwunde ging in den Hirnschädel hinein, geronnenes Blut war durch das schwarze Haar gedrungen, und starrte auf dem bleichen Angesicht. Alwin stand im stummen Entsetzen davor.
Das ist die Herrlichkeit der Welt und der Schmaus der Sinnen, sagte Emilie die, von Alwin noch unbemerkt, hinter dem alten Eichenstamme gelegen hatte, und sich nun langsam empor hob. Laß es Dir von Hartwald predigen, wenn Du es noch nicht weißt. Er verstand sonst ganz andre Reden zu halten, nun ist er wider Willen zum entgegengesetzten Beweise gelangt. Wie hübsch man sich Alles in der Welt zu verleiden weiß: Die Sünde mit Myrten, den Tod mit Lorbeern. Blüht was von Myrten in meinem verwirrten Haar? Was von Lorbeer auf dieser bleichen, blutigen Stirn? Eine Hirnwunde ist gar ein seltsamlicher Prophet, wenn sie nur gefaßt hat. Lustiges Kriegerleben, rühmliches Ende, so hieß es immer bei unsern Gelagen. Dies ist ja wohl ein rühmliches Ende; mindestens wird es dafür gelten in allen Berichten, mündlich und schriftlich; und ich kann nichts Liebliches dran sehn. Blick einmal recht scharf hin, Alwin, ob Du dergleichen gewahrst. Da müssen wir alle mit; auf tausendfache Weise faßt uns das alte Gerippe, plötzlich den bunten Schleier wegreissend, den wir über sein häßliches Grinsen gedeckt hatten. Du, Du, der Du mich hörst, ich, ich, die zu Dir rede, wir werden so gräulich aussehn, als Hartwald eben vor uns liegt, wir werden verwesen, und bei den Würmern liegen, ihr Fraß, in der dumpfen Erdenluft fest, die uns jetzt aus einem Keller schon im Vorüberstreifen furchtbar anhaucht. Wir sind Alle blödsinnig, daß wir uns auf einen Augenblick von diesem Entsetzen losmachen können.
Es waren unterdeß einige Reiter Hartwalds herangekommen, die den Leichnam ihres Heerführers still und traurig auf eine Bahre von Weidenästen legten, und Emilien einen Zelter vorführten. Ich ziehe wieder in's Kloster, sagte diese aufsteigend zu Alwin. Da behalte ich den Tod in stäter Buße vor Augen und werde mich gar nicht mehr wundern, wenn er nun endlich mit den Knochenfingern nach mir greift. Ich wollte Euch wohl die Hand zum Abschiede reichen, aber was soll Gebein und Gebein so schauderhaft an einander streifen? Sterbt wohl. Und damit wandte sie ihr Pferd.
Alwin hatte dies alles stumm und bebend angehört; nun starrte er mit Anstrengung all' seiner Sehkraft dem Zuge nach, der sich langsam fort bewegte mit der Bahre über eine unabsehbare Haide.
Er hörte endlich, daß man ihn einigemal bei seinem Namen rief, und ging unsichern Trittes, wie ein erweckter Nachtwandler, den Abhang hinan.