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Zweites Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Noch ehe die Bäume in voller Blüthe standen, hatten die Reisenden den Rhein erreicht. Raimund ließ sich jeden Umweg gefallen, um den Helden unter allen deutschen Strömen früher zu treffen, und dort seines Freundes und Jüngers Gemüth zu heilen im Wiederschein der mächtigen Wogen, unter ihrer Ufer labendem Schatten. Es schien auch Alles auf Alwin eine recht gute Wirkung zu thun. Er war lustig, fast ausgelassen bei den Mahlen und Tänzen der heitern Rheinländer; nur wenn der Abend von den Bergen herunter schwebte, bewegte sich sein Herz in der heissesten Sehnsucht nach allem was er verloren hatte, und er schlief oftmals unter seinen bittern Thränen ein. Raimund ahnte davon nichts. Er nahm die fröhlichen Stunden des Jünglings zum Maßstab für sein ganzes Leben, und meinte der Kummer habe sein Recht über ihn verloren.

Sie saßen mit einander in Mainz an einer geselligen Tafel. Der edle Wein strömte reichlich in die Becher, hübsche, freundliche Mädchen warteten auf, so daß jede neue Flasche durch einen versagten, oder gewährten Kuß Bedeutung und Würze gewann. Viele lustige Lieder wurden gesungen; die beiden Dichter erfanden welche, und lernten zum Dank dafür wieder andre; Volkslieder, wie sie an dem edlen Strom, zwischen Trümmern der Vergangenheit und lustigen Weingärten in unendlicher Fülle aufsprießen. Da trat ein reichgekleideter Diener in's Zimmer, und lud den Meister Raimund nebst seinem Gefährten zu einer edlen Gräfin, die große Freude an der Poeterei finde, und deren edle Söhne zu ehren wünsche. Raimund besann sich einige Augenblicke lang. Um Gotteswillen, sagte ihm Alwin in's Ohr, schlag' es ab, oder laß sie wenigstens warten. Wir sind hier so froh und jugendlich beisammen; die Zeit kehrt nicht wieder, und was hilft es, daß die langweilige Staatsdame irgend wo sagen kann: ich habe auch in Mainz den berühmten Meister Raimund gesprochen!

Ei, junger Ritter, antwortete dieser, bist Du so spröde, wenn schöne Damen winken? Denn schön ist sie, das sagt mir mein guter Dämon; ich weiß es, weil ich's weiß, und will zu ihr gehn. Ich stehe gleich zu Eurer Herrschaft Befehl, sagte er, indem er sich zu dem Diener wandte, und als dieser das Zimmer verlassen hatte, und Raimund aufbrach, sagte Alwin lachend: wenn Du nun einer alten, gichtbrüchigen Frau gegenüber zu stehn kommst, Meister! Es gäb ein hübsches Mährchen! Versprich mir, daß Du mir's alsdann nicht verhehlen willst. Ich thue mehr, erwiederte Raimund; ich verspreche Dir, wenn sie artig ist und hübsch, Dein Nichterscheinen mit einer höflichen Ausflucht zu bemänteln, und Dich durch meinen Knaben auf irgend eine deutungsvolle Weise nachrufen zu lassen. Ist sie aber häßlich, alt, fatal, so bin ich gleich wieder hier, und Ihr Alle sollt mich den ganzen Abend lang auslachen. Es gilt, sagte der Jüngling freudig. Raimund verließ das Zimmer, und Alwin setzte sein vertrauliches Geplauder mit den Gästen fort.

Nach einiger Zeit jedoch zupfte es an seinem Kleide; es war der artige Knabe in seines Meisters Diensten: mein Herr sprach er läßt Euch sagen, oben sei das ganze Firmament zu schauen, und ein Blumenflor sonder Gleichen. Ich weiß zwar nicht, wie er das versteht. An der Thür kam ihm eine vornehme, wunderschöne Dame entgegen, die gar nicht so aussah, als ziehe sie etwa mit solcherlei künstlichen Schauspielen herum; aber er hat mir's so bestellt, von Wort zu Wort, das könnt Ihr glauben.

Schon gut, freundliches Kind, sagte Alwin, trinke hier meinen Wein aus; und damit ging er voll seltsamer Ahnungen nach den Zimmern der fremden Dame hinauf. Der Diener, welcher ihn und Raimund vorhin eingeladen hatte, stand mit vielen Andern im Vorzimmer, und öffnete ihn sogleich die Thür zum Cabinet der Gräfin, wo er sie mit Raimund auf einem Sopha sitzen sah.

Sie stand bei seinem Eintritt auf, und kam ihm freundlich entgegen; wie hätte er nur augenblicklich diese herrliche Gestalt verkennen mögen? Diesen reizenden Lockenwurf? Diese Lieblichkeit und Hoheit in jeder Geberde? Es war Mathilde.

Willkommen, sagte sie, willkommen, mein lieber Alwin; ich freue mich unendlich, daß Ihr es seid, von dem Meister Raimund eben so ehrende Worte gesprochen hat. O, unsre schönen Zeiten in Braunschweig! Und Ihr zögertet, mich zu besuchen.

Alwin stand in ihrem Anschauen verloren; es fehlte wenig, daß er eben so ungeschickt geantwortet hätte, als an jenem ersten Abende. Doch nahm er sich zusammen, und sagte, was in der That die Wahrheit war: er habe nicht hoffen können, sie hier zu treffen, und wär er auch von ihrer Nähe unterrichtet gewesen, wer wisse ob ihn eine gewisse Blödigkeit nicht zurückgehalten hätte? Denn blöde sei er einmal in ihrer Gegenwart, und gewohnt, sie als eine erhabne Gottheit aus der Ferne zu verehren.

Zeiten ändern Sitten; antwortete Mathilde. Was dem jungen Edelmann bei seinem ersten Ausfluge ganz leidlich wohl stand, würde sich für den versuchten Kriegshelden übel schicken, noch übler für den begeisterten Dichter. Setzt Euch zu uns, oder was besser ist, singt gleich etwas zu der Cither dort, so kommen wir in den rechten Ton zusammen.

Ihr erzeigt mir in der That eine Wohlthat, sagte Alwin, indem er die Cither ergriff, und einige Accorde darauf angab. Hier fühle ich mich zu Hause, und weiß besser zu sagen was ich meine, als irgend sonst.

Er sang:

Durch die Thäler ging ein Knabe,

Durch die Wälder schwarz und dicht;

Suchte was sein Herz erlabe,

Suchte stets und fand es nicht.

Ob auch von der Burg ein Funkeln,

Ein ergötzlich Leuchten kam,

Blieb der Blöde doch im Dunkeln,

Blieb allein mit seinem Gram.

Oben wohnen schöne Damen,

Wie sein glühend Herz begehrt,

Doch zu herrrlich Rang und Namen

Für des armen Knaben Werth.

Und er griff in Cithersaiten,

Sang dazu sein heimlich Leid,

Sang's den wald'gen Einsamkeiten

Und der nächt'gen Dunkelheit.

Töne sind von allen Banden,

Sind von allen Gränzen frei,

Schweben auf zu hellern Landen,

Fragen nicht, ob's schicklich sei.

Zu des reichen Schlosses Mauer

Klingt des Knaben Lied hinan,

Kündend des Verlassnen Trauer

Und das Grau'n auf seiner Bahn.

Und ein Jungfräulein entgegen

Sang, zu trösten seinen Gram,

Daß ihr Ton ein frohes Regen,

In sein Herz geschlichen kam.

Achtlos nun der vielen Lichter,

Fortgezogen sonder Wahl

Stand mit Ein's der blöde Dichter

Im erhellten Fürstensaal.

Ich freue mich recht darauf, sagte Raimund, wenn Du erst die südlichen Sylbenmaaße kennen wirst. Deine Poesie scheint ihnen oft schon sehnsuchtsvoll nachzustreben.

Das Gespräch ward nun freudig und zwanglos. Es blitzten Funken, aus allen Gemüthern, und Mathilde gefiel sich so wohl in der Gesellschaft der beiden Dichter, daß sie beschloß, die nächsten Tagereisen den Rhein hinauf in ihrem Geleite zurückzulegen.

Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué

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