Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 33
Sechszehntes Kapitel
ОглавлениеNicht weit von Rudolphs Schloß lag ein kleines Gebirgsdorf, dasselbe, dessen jener schon am Abende von Thorwalds Eintritt erwähnt hatte. Die beiden Freunde trafen dort mit ihren Schaaren ein, und wurden von den evangelischen Einwohnern unter lautem Jubel empfangen. Alwin hatte keine Zeit, sich den alten Bekannten zu entdecken; sein Herz schlug ungestüm, und trieb ihn nach dem väterlichen Sitz hinauf. Er stieg vom Rosse, nahm sein erbeutetes Panier zu sich, und schlug mit Adalbert den Fußsteig ein, der den Felsen hinan, durch allerlei dichtverwachsenes Waldgebüsch zu der Burg führte. Recht innig froh ging er neben seinem Freunde her, anfangs schweigend, weil die Erwartung des Wiedersehns ihm das Herz wunderbar beklemmte; endlich aber begann er:
Es ist doch dieselbe Sonne, dieselbe goldne, freundliche, welche nun durch diese Blätter scheint, und mir auch als Knabe so oft hier das Geleite gab. Ich habe Leute darüber klagen hören, daß ihnen die Lust der Kinderjahre entschwände ja, man hat einige recht hübsche Lieder über diesen Gegenstand, und doch ist an alle dem auch kein Sandkorn Wahres. Sie wundern sich nur blödsinniger Weise, daß ihre Wolken sich gestaltet haben, und kennen ihr eignes Gebild nicht mehr aus den festern Erscheinungen heraus. Als wenn mir es seltsam vorkommen wollte, daß Du lebendig und wahrhaft neben mir hergehst, weil ich hier sonst nur wechselnde Traumbilder zu Begleitern hatte. Man erschrickt gar oft vor seinen Wünschen, wenn sie sich leiblich, unwidersprechlich gewiß, vor unsern Blick hinstellen. Mir ergeht es nicht so; in meiner Rechten trag' ich das ersiegte Panier, zu meiner Seite geht ein berühmter Kriegsheld, mein Freund und Bruder; ich sehe ungeblendeten Auges drein, und freue mich über die herrliche Erfüllung.
Manche fromme Leute würden solche Aeusserungen verwegen schelten, antwortete Adalbert. Aber Du scheinst ein Liebling des Geschickes zu sein, und es wird Dir nun schon so zugelassen; ja, dieses Schöne bleibt Dir noch im Hinterhalt aufbewahrt. So zum Beispiel meinst Du nur neben einem berühmten Kriegshelden zu gehn, und gehst doch neben einem künftigen Fürsten.
Alwin blickte seinen Freund zweifelnd an. Im Ernst, fuhr dieser fort, so ist es, und Du kannst es auch Deinen Aeltern mittheilen, wenn Du willst, denn die Sache steht fest. Ein Reichsfürst am Rhein, der gar Vieles hat, Land und Leute, Geld und Gut, ein schönes einziges Töchterlein noch außerdem, und dem es nur an zwei Dingen fehlt: an männlichen Erben und männlichem Muth – dieser hat mich in der unruhigen Zeit zum Schwiegersohn erkoren, und schenkt mir den Fürstenhuth, damit ich ihm auf Lebenszeit mein Schwerdt leihe, und nach seinem Hintritt das Töchterlein schütze, mein liebliches Weib.
Ach, ist denn Mathilde so früh gestorben? seufzte Alwin.
Fange keine unzeitige Todtenklage an, erwiederte Adalbert. Sie lebt, ist frisch und gesund, aber freilich todt für mich. Es ist Dir vielleicht erinnerlich, daß ich seit den letzten Monaten wenig oder gar nicht von ihr gesprochen habe. Diese Verbindung taugte nicht ihr, nicht mir. Wär' ich glücklicher gewesen, hätt' ich ihr wohl gern eine Krone aufgesetzt, aber ein honettes, häusliches Leben mit ihr zu führen, ging nicht an, mit so vielen empfindsamen Briefen und gelehrten Schlüssen sie mir's in der letzten Zeit auch hat beweisen wollen.
Alwin sah stumm und zweifelnd vor sich hin; endlich sagte er: Nein, Du machst mich nicht irr' an Dir, wie klug Du es auch anfängst.
Adalbert antwortete: wahrhaftig, dergleichen Spaß ist mir nicht in den Sinn gekommen, und wenn Du mich nicht verstehst, ist mir's leid um Dich. Damit schritt er wieder vorwärts nach der Burg hinauf.
Halt! rief Alwin. Du sollst mir Rede stehn. Mit diesem gestörten Gefühl tret' ich nicht in meiner Väter Hallen.
So wirst Du wohl draußen bleiben müssen, sagte Adalbert ganz kalt, denn ich weiß Dir keine andre Erklärung zu geben.
Du betrügst also Mathilden! Wirst wortbrüchig an ihr! rief der Jüngling.
Adalbert trat einige Schritte zurück, und zog das Schwerdt. Wir sind Edelleute, sagte er, Soldaten, und solche Worte fordern Blut.
Erhitzt, wie Alwin sich schon fühlte, war ihm die ernste Aeußerung willkommen. Er lehnte sein Panier an die Felswand, und das Gefecht begann. Nach einigen Gängen blutete Adalberts rechter Arm. Halt! sagte er, die Wunde ist tief, ich kann für Heute nicht weiter fechten, und steh' Euch ein Andermal zu Dienst.
Euch? Und Du hast das trauliche Du vergessen? rief Alwin. Bin ich nicht mehr Dein Waffenbruder? Dein Freund? Hielt ich es doch immer für das Herrlichste des Zweikampfes, daß die augenblickliche Beleidigung mit dem Blute fortströmt, und Lieb' und Freundschaft in der alten Kraft beharrt.
Ganz recht, antwortete Adalbert, wo sich nämlich die Wege nicht allzuscharf trennen. Wir Beide aber, merk' ich, thun am Besten, von einander abzugehn, da es noch Zeit ist. Gute Nacht. Er wandte sich in's Thal hinunter. Alwin wollte den blutenden Arm verbinden. Inkommodirt Euch nicht, sagte Adalbert. Ich kann mir allein helfen.
Er verschwand hinter den nächsten Gebüschen. Alwin warf die Klinge in die Scheide, ergriff traurig sein Panier, und sagte zu ihm: komm nur. Wir müssen nun allein zur Burg hinauf gehn.