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Fünftes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Die feindliche Uebermacht behauptete noch immer hartnäckig alle Pässe, und sandte oftmals starke Partheien aus, um Adalberts Lager zu beunruhigen, oder wo möglich, zu überfallen, weshalb dieser täglich seine Stellungen änderte, und bald in dem, bald in jenem Gebüsche übernachtete. Alwin ward zwischendurch öfters mit Bothschaften und Anfragen nach Flaminiens Schlosse hinüber gesandt, und trat mit der reizenden Gräfin täglich in traulichere Verhältnisse. Dennoch hatte er nimmer gegen sie ein Wort von Liebe über seine Lippen gebracht, und rechnete dieses Opfer der abwesenden Braut hoch an. Aber es war nicht Beatrix, die ihn zurückhielt: Alinens sanfte, himmlisch zarte Gestalt, trat beständig im entscheidenden Augenblick zwischen ihn und Flaminiens Schönheit. Es ward ihm alsdann zu Sinne, als sei er eigentlich in ganz andern Welten zu Hause, und herberge nur eben zufällig in dieser, so daß er vor jeder Liebespracht vorüberging, wie ein frommer Pilger, der von Jerusalem kommt, und auf dessen Wiederanschauen in der ewigen Herrlichkeit wartet.

Eines Tages, (der April toste draussen mit all' seinem launischen Ungestüm) saß er in Flaminiens Schlosse, auf einem seidenen Ruhebette, und genoß nach ihrem Befehle des herrlichen Mahles, das man ihm aufgetragen hatte, während sie tändelnd im Zimmer auf und ab ging, bald einige Griffe auf ihrer reichgeschmückten Harfe versuchend, bald wieder ihr zierliches Schooßhündchen neckend, und hin und her dem jungen Kriegsmann erzählend, was sie vom Feinde erfahren hatte. Plötzlich blieb sie vor einem Spiegel stehn, der von der Decke bis zum Fußboden reichte, und die ganze herrliche Bildung in unverstellter Klarheit zurückwarf.

Wahrhaftig. sagte sie, ich bin doch schön, außerordentlich schön. Uebertrifft mich wohl die gepriesene Gräfin Mathilde?

Sie wandte sich mit dieser Frage unvermuthet an Alwin, dem es ergangen war, wie ihr selbst: der Abglanz ihrer Schönheit in dem klaren Glase hatte ihn auf das lebhafteste überrascht. Er schwieg lange, und sagte endlich nur: wer könnte ein andres Bild hervorrufen, diesem gegenüber?

Eine leidliche Wendung, sagte Flaminia, um gegen mich artig zu bleiben. und dennoch dem fernen Ideal nicht gradezu Abbruch zu thun, denn Ihr spracht ja immer von Mathilden mit so enthusiastischer Bewundrung, daß ich Euch für ihren Liebhaber halten würde, wenn nicht der gestrenge Feldoberste Adalbert all' seine Trophäen und Vortrefflichkeiten ihr bereits zu Füßen gelegt hätte, und auch die geziemende Gnade dafür gefunden. Ich möchte nur wissen, ob sich ihr Haar so zierlich ringelt als meines, ob ihre Hände und Arme weisser sein können, oder schöner geformt, ob sie mir nicht mindestens in den Augenbraunen, den feinen, zierlichgewölbten nachsteht, – aber von Euch läßt sich nichts Ordentliches erfragen. Reitet jetzt nur! Reitet!

Sie schien so ganz in ihr eignes Anschauen verloren, daß sie, wider Gewohnheit, Alwins Fortgehn kaum bemerkte, und diesen in vielfach aufgeregten Gedanken zum Lager zurücksandte.

Er fand den alten Balderich auf ihn wartend, der ihm befahl, am folgenden Morgen mit einer Streifparthei auszurücken. Die Halberstädter, fuhr er fort, haben Euch seit unserm frischen Gefecht besonders liebgewonnen, und fodern ihren tapfern Alwin zum Anführer. Nun folgte eine nähere Anweisung zum Marsch. Man hatte Kundschaft von einer Bewegung des Feindes, und etwa hundert seiner Reiter sollten durch Alwin überfallen werden.

Der Morgen kam nach dem gestrigen ungestümen Wetter frisch und heiter herauf, vor der Fronte des Lagers sammelte sich die abgehende Parthei: junge, kriegslustige Bursche, dazwischen hin und her ein alter Reiter, der seine Narben zum Wahrzeichen kühner Thaten trug. Während Alwin sein Roß vor ihnen herumtummelte, Vortrab und Seitenpatroll ordnend, lachten sie ihn Alle zurraulich an, zufrieden mit seinen gewandten Reiterkünsten; der, sagten Einige unter ihnen, könnte in die Hölle sprengen, wir ritten ihm nach. Sein bunter Federhut soll nicht wieder in solche Noth kommen wie letzthin. Wir wissen nun, was wir an den jungen Weigand haben, und wollen unsern besten Stein nicht aus dem Brette lassen.

Man brach auf, still und heimlich durch die grüne Waldnacht hin, die Blänker ritten mit ihren Nachrichten ab und zu, immer leise flüsternd, denn der Feind mußte nun ganz in der Nähe seyn, und man erwartete seinen Anblick, wie eine fröhliche Weihnachtsbescherung. Die jungen Reiter zeigten einander ihre blanken Klingen, und konnten sich kaum enthalten, sie an den Buchenästen zu prüfen, die alten winkten ihnen immer, stille zu bleiben, da kam wieder ein Blänker zurück, deutete freudeglühend auf das nahe Thal, und sprach sacht zu Alwin. Dieser gebot durch einen Wink den Uebrigen Halt, und ritt nach der bezeichneten Stelle vor.

Durch die blühenden Sträucher sah man hier in ein Thal hinab, dessen Gräser und Kräuter voll anmuthiger Frische grünten, von einem hellen Waldbach gewässert. An dessen Strande lagen die feindlichen Reiter, ein bunt geputztes, fremd aussehendes Kriegsvolk, Alle braun von Haar und Angesicht, in unterschiedlichen Spielen begriffen. Welche hatten ihre scharlachnen Mäntel in's Gras gebreitet, und würfelten darauf, Andre rangen zusammen, noch Andre hielten die Finger wechselnd in die Höh', und riefen dabei Worte in ihrer fremden Sprache, der Anführer (das schien er seinem prächtigen Waffenschmuck und edlem Anstande nach) saß, den Rücken gegen Alwin gekehrt, unter einer hohen Buche, oder lag vielmehr halb hingestreckt auf das weiche Moos, und scherzte mit seinen Reisigen. Hin und wieder sang er Strofen ausländischer Romanzen in die blaue Luft hinein. Die Rosse der gesammten Schaar weideten unter der Aufsicht einiger Reiter.

Wir haben sie, sagte Alwin zurückkommend, und theilte seinen Haufen dreifach zum Angriff ab. Aus- und Eingang des Thales sollte von zwei Schaaren zugleich angegriffen werden; er selbst hielt mit der dritten am Rande des nicht steilen Abhangs, um von da hinunter zu stürmen, im Fall die Widersacher an Gegenwehr denken sollten. Die Flügeltrupps ritten ab. Alwin rückte mit dem seinen bis an den Abhang vor, und sah die Feinde noch immer in gleicher Unbefangenheit und Lustigkeit gelagert. Kein Mann aus seinem Zuge regte sich, Alles blickte begierig in's Thal hinab, wie der Falke aus das Lager seines Wildes. Da fiel ein Schuß rechts, ein Schuß links, die Feinde hatten Posten zu beiden Enden des Thales ausgesetzt; blitzschnell liefen Alle nach den Pferden, Einige saßen schon drauf. – Marsch! Marsch! rief Alwin, sein Trompeter blies, sie brachen wie ein Gewitter vom Hügel hinunter, zu gleicher Zeit beinah die Flügeltrupps von beiden Ausgängen herein. Die Feinde wurden einzeln gefangen, größtentheils noch ehe sie zu Pferde kamen, aber ihr Anführer, der alsbald auf seinen schönen Hengst gesprungen war, jagte grimmig gegen Alwin an. Dieser wandte sich, und traf das Pferd seines Gegners mit einem kräftigen Hiebe an den Kopf, so daß es stieg, und auf einen zweiten Hieb überschlug. Drei Halberstädter fielen nun abspringend über den Reiter her, und nahmen ihn gefangen. Alwin flog indeß den Bach hinauf, hinab, um nutzloses Gemetzel zu verhindern, aber seine Kriegsleute, froh über die Beute, und gutmüthig wie er selbst, gaben ungeheißen Pardon, so, daß nur wenige Feinde am Boden lagen, und der Zug für die Heimkehr in's Lager bald geordnet war. Indem Alwin wieder an dessen Spitze sprengte, rief ihm der gefangene Anführer zu: Du haust eine gute Klinge, Alwin; ich kann von Glück sagen, daß ich nicht den Hals gebrochen habe. Dabei reichte er ihm freundlich die Hand; es war Anselmo.

Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué

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