Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 24

Siebentes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Das Herz voll nie empfundner Sehnsucht, die Sinne voll wilder, gaukelnder Gestalten, jagte Alwin nach Flaminiens Schlosse zu; wenn ihm die glühenden Rosenwangen, die liebefunkelnden Augen, die weißen, schöngeformten Arme recht lebhaft vor dem innern Blick' emporstiegen, so streifte wohl Alinens reine Engelsbildung wie ein schützender Genius zwischen durch, aber er scheuchte den Traum der Vergangenheit muthwillig von sich. Reiche Grafenbraut! rief er ein Paarmal schallend aus, und lachte spöttisch hinterdrein. Die geliebte Erscheinung kam nicht wieder, oder wehte doch nur bleich und luftig wie ein Nebelgebild an ihm hin, ohne die Gegenwart in all ihrer frischen, sinnlichen Herrlichkeit verdunkeln zu können.

Er fand Flaminien wie gewöhnlich allein, und die jugendliche Liebesgluth, so lang schon mühsam gezügelt, strömte in wilden Flammen von seinen Lippen. Ihr seid nicht klug, antwortete Flaminia lachend; wie fällt Euch das eben jetzt ein? Und dabei funkelten doch ihre Augen so freundlich und verheißend, daß er nicht den leisesten Unwillen über jene seltsame Antwort empfinden konnte. Aber die Fortsetzung seiner Rede ward ihm abgeschnitten, denn Flaminia wußte so viel artige Tändeleien, so viel zerstreuende Gespräche zu beginnen, daß es ihm lächerlich vorkam, in den ersten leidenschaftlichen Ton wieder einzufallen, oder, sich herabstimmend, einen Angriff auf andre Weise zu versuchen. Beim Abschied war es ihm, als fühle er den Druck ihrer warmen, zarten Hand, ohne doch recht zu wissen, ob er sich nicht vielleicht nur mit seinen Wünschen bethört habe. So ging es mehrere Tage hindurch. Er kam, er bat, ward auf das anmuthigste verlacht, und doch wieder durch Winke und Blicke, deren er sich kaum bewußt war, in süßer Hoffnung erhalten – die Welt drehte sich schwindlich vor seinen Blicken.

Eines Tages kam ihm Flaminia mit Thränen in den Augen entgegen. O, ich Thörin! rief sie, ich Unheilige, Unwerthe, Selbstverderbliche! Was hab' ich gethan! Wo sind die schönen Tage hin, die keine Sehnsucht zurückrufen wird, wie oft ich auch nach ihnen ausschauen mag, wenn nun die trübe Zukunft als Gegenwart vor mir steht, mich einhüllend mit all' ihren grauen Schleiern, daß keine Liebeshoffnung ihre Strahlen hindurch senden kann. Keckes Spiel mit dem mächtigsten, seeligsten Wollen, wie hast Du mir so übel gelohnt, Du feindliches Irrlicht!

Alwin blieb staunend vor ihr stehn: sie wand ihre schönen Arme um seinen Hals. Fühlst Du es nicht, wie unendlich ich Dich liebe? Konnte Dich wirklich mein arger, neckischer Dämon so gar verblenden, daß Du vor seinen Gaukeleien die süße Zeichensprache der Liebe nicht verstandest? O, wie es mich schmerzte, daß Du anfangs so lange kalt bliebst und ruhig! Wie seelig und stolz mich Dein erstes Geständniß über mich selbst erhob. Ja, über mich selbst! In meiner Eitelkeit und Freude wußt' ich des Uebermuthes kein Ziel, und versagte mir selbst die holde Frucht, immer weiter hinaus den Tag der Erwiedrung, den ersehnten, lohnenden, rückend. – Blödes Menschengeschlecht! Noch immer nicht gewitzigt, so Manchen auch Trennung und Tod schon vor seinen aufgesparten Freuden hinweggerissen hat! – Höre nun! Höre nun schnell! – Der Feinde Aufbruch ist nah; sie werden Euch vorher noch mit aller Macht anfallen, vielleicht schon Morgen. Reite, flieg' in's Lager zurück mit der Kunde. Noch schneller flieg' wieder her, mein lieblicher Held, wenn die Sterne am Himmel stehn. Eine Nacht, wenigstens Eine, muß unser sein. An der Süderpforte soll Dich Clotilde erwarten.

Alwin, stumm in der wonnigsten Ueberraschung, antwortete nur mit einem flammenden Blick. Wie berauscht sprengte er in's Lager, sprach mit Adalbert so viele verständige Worte, als unumgänglich nothwendig waren, und indem er damit fertig ward, stampfte Anselmo's Rothroß schon den Boden, seinen neuen Herrn vor dem Zelte erwartend. Im Hui sprang er hinauf, im Fluge ging's durch die Abenddämmerung nach Flaminien's Zauberschlosse zurück. Flieg mein Roß, mein schneller Renner! Flieg' auf unserm ersten Ritt! so sang' er immer leise vor sich hin, und es war, als verstände ihn Anselmo's Pferd. Die Grashalme bogen sich kaum unter seinem flüchtigen Huf, die Hügel hinauf, die Hügel hinunter, die Fußpfade zwischen den Büschen hindurch, hoch über die Hecken, leicht über die Gräben fort, so kamen Roß und Reiter, wie von gleicher Freude belebt, am Süderpförtchen der Burg an. Hast mich so gut getragen, mein Roß, sagte Alwin. Hier auf dem frischen Anger sollst Du weiden, und laß Dir die Zeit nicht lang währen, indeß Dein Herr im Paradiese weilt. Er hatte das Pferd bei diesen Worten abgestangt, und ließ es in eine umhegte Koppel hineinlaufen.

Der Pfortering klang, Alwin trat in den blühenden, monderhellten Garten. Von allen Seiten nickten ihm die Gebüsche wie einladend zu, alle schienen ihn neckend festhalten zu wollen, lockten ihn von einer Laube zur andern, bis er Lichter aus Flaminiens Schlafzimmer blinken sah, und vor einer offnen Seitenthür des Schlosses stand. Drinnen bezeichneten Lampen mit lindem, vertraulichen Schein die Wege zum süßen Ziele hinauf. Wohlgerüche dufteten, der glühende Jüngling schlich leise leise, mit hochschlagendem Herzen über die schöngewundne Treppe, an der nächsten Thüre rauscht' es wie von seidnem Gewande, sie ging auf, und Flaminia stand vor ihm, leicht gekleidet, fast unverhüllt jeglicher jugendliche Reiz, jegliche zarte, weibliche Form, er führte sie, er trug sie wollusttrunken in's blumenumkränzte Gemach, und sein ward alle Wonne und Herrlichkeit der Liebe.

Stunden waren vorübergeflohn wie Minuten, ein heimlich Geplauder hatte sich milderer und belebend durch ihre Entzückungen geflochten, als Alwin bemerkte, daß Flaminia öfters in seinen Armen bleich ward, und ihr Haupt an seiner Brust zu verbergen strebte.

Warum mir die Spiegel meines Himmels rauben? fragte er, die leuchtenden Funken aus meiner Freudensonne? Laß mich von neuem lesen in diesen süßen, stolzen, wollüstigen, bänglichen Zügen, was mich erhebt und beglückt über alle Söhne der Erde hinaus. Er faßte sie liebkosend unter das Kinn, und wandte das bezaubernde Gesicht zu sich empor. Aber nein, fuhr er fort, es ist nicht mehr das Zagen der hingebenden Liebe, was diese Rosen bleicht. Es ist der Schreck, die bange Furcht. Liebe! was kann Dich so feindlich aus unsrer Wonne erwecken?

Du Glücklicher, sagte Flaminia, Du hast nicht gehört, was mir schon seit einer halben Stunde ins Ohr drang. Auch ich wollte nicht hören. Wie ein krankes Kind, wenn's den Ruf der Mutter verschlafen möchte, die ihm Arznei bringt, und es vor sich selbst und Andern thut, als schlummert' es fest und fester, sein Haupt in die Küssen drückend, so wollt' auch ich mir's abläugnen, mich betäuben, und drückte mich fest an Deinen Busen an, in Deine Locken hinein, – aber es wird lauter und heftiger. Höre das Schießen! Höre! Schon wieder. Und ganz in der Nähe!

Alwin vernahm wirklich einige Musketenschüsse, dem Ansehn nach nicht weit vom Schlosse, und weiterhin rollte ein schärferes Feuern, zwei bis drei Schläge vom groben Geschütz schmetterten drein. Die Ehre trat in ihre Rechte; aufspringend griff er nach seinem Pallasch.

Mein tapfrer Freund, rief Flaminia, schlage sie, treib sie zurück, vernichte sie, laß sie Deiner Geliebten nicht schaden. Sie zitterte wieder heftig. O, ich Espenlaub, fuhr sie fort. Will denn der Sturm uns keinen stillen, freundlichen Abschied gönnen? Ihm zum Trotz, Alwin! Freudig sollst Du mich sehn, freudige Bilder von mir mit hinwegnehmen, daß sie Dich einst wieder zurücklocken in meine Arme. Feindlich drohend Geschick! Ich will, will noch die letzten Tropfen des Kelches schlürfen in all' ihrer Lieblichkeit. Sie drückte einen Kuß auf Alwins Lippen, glühender als jeden frühern, denn eine fieberhafte Angst jagte Flammen durch sie hin. Siehst Du? rief sie, wir scheiden lustig, ohnmächtigen Drohungen zum Hohn. Wie trüb' die Lampe schon brennt! Aber ich könnte sie aus meinen Augen wieder anzünden. Das fühl' ich, fühl's an ihrer unbändigen Gluth. Wirklich brannten ihre Blicke, von Liebe, Angst und gewaltsamer Anstrengung erregt, wie zwei furchtbare Flammen. Nun geh', mein Liebster, geh' mein Held, rief sie laut, und Alwin schwankte, wie im Traum, die Steigen hinab drauf die Lichter schon größtentheils erloschen waren. Ungewiß tappte er öfters an den Wänden umher; als er die Thür nach dem Garten zu aufstieß, war's draussen neblich und finster, der Mond stand ganz bleich über den nördlichen Gebirgen, die Gänge und Gebüsche sahen unbekannt und seltsam aus. Feuchte Morgenkühle hauchte über sein glühendes Gesicht; an der Pforte wartete Clotilde, vom Froste halb erstarrt; und nahm mit schläfriger Geberde und eiskalter Hand, das Gold, welches er ihr darbot. Darauf schlug sie hinter ihm die Thüre zu, und er hörte sie mit schnellen Tritten nach dem Schlosse zurückfliehn, durch ein innres Grausen gejagt. Fernher tönte das dumpfe Schießen von der Gegend des Lagers heran. Indem Alwin sein Pferd wieder suchen wollte, fand er die Gatterthür zur Koppel offen, und gewahrte, beunruhigt innerhalb derselben umherblickend, eine Menschengestalt, die sich mit dem scheuen Hengste herumarbeitete, und vergeblich voll seltsamer Unbehülflichkeit hinaufzuklimmen strebte. Laß ab von meinem Roß, schrie Alwin durch die Nacht. Da schauderte die Gestalt zusammen, und klomm mir erneuter Anstrengung hinauf. Nun saß es droben, das unförmliche Gebild, und der Hengst trabte schnarchend und langsam damit über die Wiese. Plötzlich stürzt' es herunter, hielt aber den Zügel fest, und das entsetzte Thier zerrte bäumend, sich los zu machen. Alwin kam herzu, und erkannte einen Blutenden, der in Wundfieber und Wahnsinn hier hergerathen war. Die Katholiken hauen lauter Kreuzhiebe, murmelte er vor sich hin; sie haben mich geseegnet. – Beute, meine Beute! stöhnte er noch einmal auf, indem Alwin die Zügel aus seiner krampfhaft zusammengezognen Hand losmachte, und sank gleich darauf in Ohnmacht zurück. Schaudernd sprang Alwin in den Sattel, der vom Blute des Wunden naß geworden war; das Pferd schnob und prellte scheu von der Seite, als habe es noch seinen unheimlichen Reiter auf sich, und flog endlich schäumend in den Wald hinein.

Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué

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