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Zwölftes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Sie waren um die Zeit der Morgendämmerung schon nahe an das Ziel ihrer Reise gekommen, als man einen Reitertrupp meldete, welcher den Weg zu verlegen schien. Alwin sprengte mit einigen Andern vor, und erkannte bald den Secretarius Thorwald, der bei Alinens Entführung entwischt war, und einige Kriegsleute ihres Gemahls an sich gezogen hatte, um dem Feinde seine Beute wieder abzugewinnen. Sie erklärten sich gegen einander, und Thorwald fiel dem jungen Manne mit ungewöhnlicher Herzlichkeit um den Hals.

Ihr Glücklicher, rief er aus, Ihr müßt wirklich zu etwas Großem aufgehoben sein, denn so herrliche Dinge begegnen nur begünstigten Menschen. Ihr habt sie also wirklich befreit? Sie ist gesund? nicht allzuheftig ergriffen durch die Begebenheiten des gestrigen Tags und dieser Nacht?

Ich weiß es selbst nicht genau, erwiederte Alwin. Gleich nach ihrer Befreiung sprengte ich wieder an die Spitze meiner Reiter, um alles zur Sicherheit des Marsches anzuordnen. Jetzt will ich Euch zu ihr führen.

Er hatte sein Pferd schon herumgeworfen, als Thorwald sagte: nein laßt, ich bitt' Euch. Wär' sie krank, hätte man's wohl gemeldet, und sie genießt vielleicht eben eines erquickenden Schlummers. Wir wollen sie nicht stören. Nach Euerm Belieben, murmelte Alwin mißmuthig, und lenkte wieder nach der ersten Richtung des Weges ein. Thorwald fing nun an, ihn zu befragen wie Alles gekommen sei, und warum, so daß sie in diesen Gesprächen bis an das Stadtthor gelangten, ja bis an das Haus, welches der Secretarius vorläufig zu Alinens Empfange hatte einrichten lassen. Gefreite von der Halberstädter Schaar näherten sich ihrem jungen Führer, nach diesem und jenem fragend, er ward dadurch erinnert, daß er noch keine Feldwacht ausgesetzt hatte, obgleich die Feinde doch immer in der Nähe standen, so daß er gleich zwanzig Pferde zum Haupttrupp bestimmte, zwanzig andre für zwei Nebentrupps, und während dieser Anordnungen nur von fern sah, wie Aline aus der Sänfte stieg, Thorwalden mit ein Paar freundlichen Worten begrüßte, und unterm ehrerbietigen Geleit der gräflichen Soldaten in's Haus ging. Die Worte stockten ihm, er sprach verworren, und bedurfte aller Anstrengung, um die angefangnen Befehle mit einiger Deutlichkeit zu beendigen.

Er ritt nun mit hinaus, um den Posten selbst ihren Standpunkt anzuweisen; die Sonne ging eben über eine fruchtbare, friedliche Gegend auf. Er fühlte lebendig, daß Thorwald Recht hatte, ihn einen begünstigten des Himmels zu nennen. Ein Unterpfand hatte ihm diese That gegeben für eine würdige Zukunft, Morgenwolken und Lerchen gaukelten um ihn her, Alles stand in wundervoller Klarheit da, so daß ihm selbst Gebürge, See'n und Flüsse wie alte Bekannte erschienen, und der mitgenommene Bote kaum nöthig hatte, von Weg und Steg zu reden: dieser sah deshalb den jungen Anführer für einen Eingebornen an, und suchte durch allerlei verfängliche Fragen von ihm herauszulocken mit welcher Familie des Städtchens er eigentlich am nächsten verwandt sei.

Er kam sehr heiter zurück; die Gewißheit, Alinen wiederzusehn, einen freundlichen Gruß von ihr zu empfangen. belebte seinen Geist, und die seltsamen Gestaltungen trieben wie mit Regenbogenfarben ihr Spiel darin.

An der Thür empfing ihn Thorwald, und fragte sehr verwundert, was ihn noch hier zurückgehalten habe? Alwin sah nicht weniger verwundert aus; ihm war gar nicht eingefallen, daß er heute noch aufbrechen könne, und er blieb schweigend vor dem Secretarius stehn. Dieser nahm ihn mit in ein Zimmer, welches man ihm im untern Geschoß eingeräumt hatte, und fuhr fort: Ich muß Euch heute früh unrecht verstanden haben. Mir kam's vor, als erzähltet Ihr von einem zweiten Trupp des Feindes, den ein junger Rheingraf anführe.

Nun freilich that ich das, sagte Alwin.

Und seid noch nicht aus, ihn zu fangen? fragte Thorwald weiter.

Nein, antwortete der Jüngling erröthend und kurz, indem er sich nach dem Fenster wandte. Eure Pferde bedürfen wohl der Ruhe, meinte Thorwald.

Alwin schwieg, und der Sekretarius sah' ihn unverwandten Blickes an.

Wie lange braucht Ihr wohl zum Ausruhen und Futtern? fragte er endlich wieder, und als er abermals nur einen unwilligen Blick zur Antwort erhielt, fuhr er fort: es thut mir leid, daß Ihr Euch einen der höchsten Augenblicke Eures Lebens zu verderben gesonnen seid. Ihr habt nun wirklich etwas Wackres, ja sogar etwas Schönes gethan, aber Ihr wollt das gewonnene Ehrenkleid abtragen, bis auf den letzten Faden, wo möglich. Schämt Euch und bewahrt es lieber unversehrt in Euerm innersten Heiligthum. Könnt Ihr Leute denn gar nichts thun, oder fühlen, ohne eine schlechte Parade damit machen zu wollen?

Ihr habt mich durchschaut, brach Alwin los. Wohl! Ich gönn' Euch die Ehre, aber gönnt mir meine Freude. Sie ist Eurer Pflegbefohlnen unschädlich, Herr Abgesandter, denn Alinens Herz wird nimmer in meiner Gegenwart schneller schlagen: das weiß ich, dafür bürg' ich, ob auch Dankbarkeit ihr einmal ein freundliches Lächeln gegen mich entlockte.

Seltsamer Mensch! sagte Thorwald. Bildet Ihr Euch denn wirklich ein, daß eine ähnliche Besorgniß in mir aufgewacht sei. Darüber beruhigt Euch; ich weiß, daß sie Euch nicht liebt, und wahrscheinlich auch nie geliebt haben würde, unter welchen Umständen Ihr immer aufgetreten wärt.

O harter Chirurgus! rief Alwin, und drückte die Hand fest auf sein Herz, als sei ihm dort eine Wunde schmerzhaft berührt worden.

Ich meine es gut mit Euch, sagte Thorwald, und möchte Euch davon überführen. Euer Umgang ist für Alinen unschädlich, nicht so der ihrige für Euch; keine Dankbarkeit, die sie Euch schuldig ist, wird ihren Sinn zu höhern Flammen entzünden, als denen auch der eifersüchtigste Soldan geruhig zusehen könnte. Euch aber möchte es leicht vorkommen, als hättet Ihr nun mehr zu erwarten, und Eure Hoffnung, grundlos und thöricht –

Alwin war bei diesen Worten schon aus dem Hause gestürzt, ohne die Rede weiter anzuhören. Er ließ zum Ausrücken blasen, zog seine Posten an sich, und während Alinens schöne Augen noch von Schlaf und Mattigkeit geschlossen waren, rückte er schon auf die Gegend los, wo er den Rheingrafen erwartete. Er fand ihn, er griff ihn an, wie ein Verzweifelter, aber die Kugeln trafen ihn nicht, die Säbelhiebe zischten ihm vorbei. Siegreich, mit vielen Gefangnen, stieß er wieder zu Adalbert, den er im schleunigsten Marsch begriffen fand, weil ein Oberster von Herzog Christians Heer, Nachricht von einer Hauptschlacht gebracht hatte, die man dort in den nächsten Tagen zu liefern dachte.

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