Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 39
Fünftes Kapitel
ОглавлениеMan fing nun an, sehr lebhaft zu streiten; einige gegen Florismartes Anspruch, andre dafür. Jene führten an: er habe eine Sünde begangen, indem er daran schuld sei, daß die Gesellschaft nun ihren besten Lustigmacher gar nicht zu sehn bekomme; ob er denn für weiser gelten wolle als der Schöpfer, der doch keine Dunkelheit verschmähe, um sein Licht desto leuchtender zu beschauen? Und wie man je zu einem rechten Lachen gelangen möge und drin beharren, wenn man die Wirklichkeit so von sich abstelle, und nur immer mit den Geschöpfen eigner Phantasie zu thun habe, da doch Niemand sich selbst zu kitzeln im Stande sei? Florismarte verdiene keinen Kranz; vielmehr müsse er als irrender Ritter in der Welt umher ziehen, bis er das verschleuderte Juweel wieder auffinde und zur Stelle bringe. Die Vertheidiger wandten dagegen ein: die Dummheit sei nur lustig, wenn man sie aus der gehörigen Entfernung beschaue; in der Nähe betrachtet werde sie wie ein grobes Gemälde zu häßlichen, formlosen Klaksen. Dazu sei es noch eine ganz andre Sache, sich einmal für allemal über dergleichen satt lachen, als den gemeinen Anblick täglich und unvermeidlich vor Augen haben. Bewähre ja doch die Erfahrung daß selbst schöne und prächtige Gegenstände von stätem Anschauen an ihrem Zauber verlöhren, was man denn von dem fortgesetzten Umgange eines sentimentalen Kaufmannsburschen erwarten solle? Noch ungerechnet, daß er mit einem stärkern Heere gedroht habe, mit den sechs bis sieben gleichgestimmten Seelen; das trefliche Weib, die Gastwirthin, nicht einmal gerechnet. Florismarte verdiene also auf alle Weise den Kranz. Die letztre Meinung behielt endlich die Oberhand, und es fragte sich nur, woraus man ihm seine Siegerkrone flechten solle.
Nur nicht aus Rosen, sagte eine schöne Frau, wie mein sanfter, freundlicher Raimund eine erhalten hat. Warum nicht? erwiederte eine Andre; man müßte aber die Dornen nicht dran vergessen. Damit sie sich mir ins Fleisch drückten, fiel Florismarte ein. Dafür hab' ich daran ohnehin genug, und protestire förmlich dagegen. Nun gut, rief die zweite Sprecherin. Ich habe den rechten Ausweg gefunden. Kommt her, Ihr Gränzvertheidiger, Ihr wilder Jäger. Sie nahm einen kleinen goldnen Pfeil, den sie zwischen anderm Geschmeide in den schwarzen Locken trug, herunter, und zugleich eine rothe, goldgestrickte Schärpe von den Hüften, womit sie jene artige Waffe in Florismartes Haare festband. So seid Ihr bekränzt, wie's Euch gebührt, sagte sie; als ein wunderlicher Mensch, der mitunter heidnisch genug aussieht, und die Waffe blitzt aus dem Turban hervor. Alle riefen ihr Beifall zu; in der That sah Florismarte mit dem seltsamen Hauptschmucke vortrefflich aus, keck, fremdartig, so daß Viele behaupteten, er sei Zoroaster, oder irgend sonst ein orientalischer Magus, der unter dieser Gestalt seinen Spaß mit ihnen treibe.
Wenn Ihr das meint, antwortete Florismarte, muß ich Euern Glauben wenigstens nicht ganz und gar zu Schande machen, sondern Euch vielmehr ein Fest auftischen, das ich für Euch Alle bereitet habe.
Und bist kaum seit zwei oder drei Stunden hier? fragte man von mehrern Seiten.
Ihr macht auch einen gar zu schlechten Zoroaster aus mir, sagte er. Ich könnte ja wohl meine Geister auf einige Tagereisen vorausgeschickt haben. Diesmal war es nun leichter mit meinen Dienern abzumachen. Aber was geht Euch dann das auch überhaupt an? Komme es, woher es wolle, das Fest steht bereit, die Nacht dunkelt herein und ist still, so daß es sich gut ausnehmen wird, und also mir nach!
Er führte sie durch Gegenden des Thales, wo bald auch die geübtesten Herumstreifer unter ihnen sich als Fremdlinge vorkamen. Dabei sang er ihnen Lieder vor, die er aus den südlichern Ländern mitgebracht hatte, erzählte Mährchen, stieß lustig ins Waldhorn, und war wie allgegenwärtig im Zuge, so daß Niemand irgend eine Beschwerde auf dem steilen Bergwege empfand, welchen er sie eine lange Strecke hindurch fortführte. Die Nacht war völlig hereingebrochen, als sie am Fuß eines Hügels ankamen, hinter dem es wie eine Gluth hervordrang. Florismarte schritt munter hinan, eine laute Musik von Trompeten, Hoboen und Hörnern scholl herüber. Lustig nur, sagte der Führer. Wir sind am Ziele.
Oben fielen der Gesellschaft so viele Lichter in's Auge und so verworren, daß Anfangs niemand recht sicher wußte, was er eigentlich sehe. Endlich aber ließ es sich unterscheiden, daß gegenüber ein hoher, sehr steiler Berg lag, mit kleinen Flammen wie besät. Nachdem man, von dem überraschenden Schauspiele zurückschauend, näher um sich zu blicken Zeit gewann, zeigten sich dicht vor der Gesellschaft viele Rasentische, bequeme Sitze daneben, Alle im Halbzirkel geordnet, und auf's zierlichste mit Wein und Speisen besetzt, jedoch nur schwach erhellt, so daß man einander kaum wahrnahm, und beständig unwillkührlich von der großen Erleuchtung gegenüber angezogen ward.
Man ließ sich schweigend oder leise flüsternd nieder. Die ungesehne Musik aus dem Thale klang in gehaltnen, vorbereitenden Tönen, bis die Flammen des Berges anfingen, höher aufzusprudeln, wie Springbrunnen empor zu wirbeln, und wieder funkenweis in sich zurückzufallen, wobei auch die Klänge künstlich wirbelten, und sich Saiteninstrumente in gewählten und kecken Gängen vernehmbar machten. Die Flammen stiegen höher, breiter, fielen nicht mehr als Funken auseinander, sondern bildeten sich wie feste Säulen, und schlangen ihre Arme in unermeßlicher Höhe zusammen, einen gewaltigen gothischen Feuerdom bildend, dessen Bogen in jedem Augenblick wechselten, und doch immer ein eigenes Gebäude ausmachten. Die Musik drang ihnen aus dem Thal in Chorälen nach. Plötzlich hörte man Florismarte rufen: Genug! Hinab! Seine Stimme hallte wild von den Klippen zurück. Die Säulen rauschten in zahllosen Feuergarben empor, prallten feindseelig gegen einander, kreuzten sich mit ihren wunderlichen Schwingungen, so daß Alles in eine ungeheure, blendende Flamme zusammenflog. Aus dem Thale schmetterten Pauken und Trompeten im taktlosen, betäubenden Gewirr zusammen. Und mit Eins war die Gluth erloschen, still die Musik, durchaus schwarz und schweigend die Nacht, denn auch die schwache Erleuchtung des Mahles verlosch. Man wollte fragen, aufstehn, Zungen und Glieder waren wie gelähmt, denn kalter Flügelhauch wehte an Aller Wangen vorbei, schauerliches Geflüster tönte in Aller Ohren. Die ihre Augen nicht schlossen, gewahrten dicht neben sich bleiche Gestalten, herumgaukelnde Schatten. Da lachte Florismarte laut auf, und sagte: laßt's Euch als Nachspiel gefallen. Gott der Herr sogar kann Euerm Leben kein Beßres schaffen. Das Grausen vermehrte sich durch diese Worte, aber er blies die schmeichelndsten Töne aus dem silbernen Waldhorn, es war als blickten Sterne durch die Nacht, Alle Blicke wandten sich nach oben, – da standen ringsumher Bediente mit Fackeln auf, die so lange dicht um sie her versteckt gelegen hatten, das Gleiche geschah vor ihnen am Abhang des Berges, und es zeigte sich daß sie neben einem Fahrwege saßen, dem einzigen zum Kloster führenden, welches ganz nahe bei ihnen lag. Ihr wart nur im Kreise herumspaziert, sagte Florismarte. Die Musik spielte einen allgemein bekannten Tanz, und man ging wie schon im halben Traum nach Hause.