Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 59
Neuntes Kapitel
ОглавлениеWas kam ihm denn an, daß er so plötzlich davon lief? sagte Alwin.
Laß uns Gott danken, daß wir es nicht wissen, antwortete der Fremde. Wenn man ein gottesfürchtiges Wort spricht, zündet es die reine Liebesflamme im Herzen der Getreuen an, aber wo abtrünnige Gemüther sind, bleibt es auch nicht ohne Wirkung, nur geht es schlimm damit, wie als die Engel nach Sodom kamen. Das Böse sieht sich selbst im reinen Spiegel verspottet, nach all seiner Häßlichkeit. Es bläht sich, trozt, und erzittert im eignen Zorn, bis es das Feuer im Himmel erweckt, und auf sich herabruft.
Er sagte nachher, daß er mit Alwin gehn wolle, wenn dessen Weg sich etwa nach dem Forsthause richte, denn dort pflege er gern Besuche abzustatten, und sei nur durch den strengen Winter so lange davon entfernt gehalten.
Wie sie unter den hohen Bäumen hingingen, blickte Alwin mit einem heimlichen Schauder auf seinen Gefährten, eben weil dieser so gar nichts auszeichnendes hatte, nicht in Kleidung, Gang noch Miene. Es war, als sei die äußre Form nur so zufällig um den reinen Geist geworfen, und als könne er sie in jedem Augenblick abstreifen, um in andrer Gestalt, auf das ihm Verwandte zu würken.
Sie kamen an eine Wiese in mitten des Forstes, auf welcher viele gelbe und rothe Blumen aufgeblüht waren. Der Fremde blieb davor stehn, und sah sie mit innigem Behagen an. Da seht einmal, lieber Freund, sagte er endlich, wie das Alles so mild und lustig neben einander steht, und Keines des Andern Platz beneidet, oder dessen Art und Weise schilt. Wie müßten sonst die gelben Blumen mit den rothen zanken, daß sie nicht einerlei Farbe tragen, und die Blumen zusammt mit den Grashalmen, ob es besser sei, ordentlich zu blühen oder nicht. So aber wohnen sie friedlich neben einander, und freuen sich an ihrer unterschiedlichen Herrlichkeit, damit wir doch auch ein Bild davon hätten, wie es im Himmelreiche zugeht unter den lieben Engeln, und wie Gottes Wille ist, daß wir mir einander leben sollen.
Er faßte ihn recht traulich bei der Hand, und sie gingen wie zwei alte Bekannte nach der Försterwohnung zu.
Die Kinder sprangen ihnen vergnügt entgegen. Walter! riefen sie, lieber Walter! Laßt Ihr Euch endlich auch einmal sehn. Die Eltern kamen auf das Geschrei aus der Thüre, und bewillkommten ihren Gast mit lebhafter Freude. Dieser setzte sich an den altväterlichen runden Tisch, und das Gespräch begann auf die gewohnte Weise, nur daß Alles einen Anflug von höhrer Liebe und Freundlichkeit gewann. Der Fremde erzählte selbst eine wunderliche Geschichte aus seiner Jugendzeit, wie er Gold in einem Berge angetroffen habe, und darüber erschrocken sei. Es kam Allen vor, als sei die Erzählung noch nicht ganz zu Ende, und Niemand konnte dennoch nach dem Schlusse fragen.
Da brach Walter auf, spät in der Nacht. Der Förster wollte ihn zurückhalten, oder ihn wenigstens bis zum großen Fahrwege geleiten, aber er antwortete: mein Lichtlein trag' ich immer bei mir, und läßt mich nicht vor Nacht und Gespenstern zagen. Lebt wohl.
Als er fortgegangen war, sprach der Förster noch viel davon, wie er ihn einst in des Waldes unwirthbarster Gegend getroffen. Dort habe ihm der wunderliche Fremde heilende Kräuter gezeigt, für seinen vom Eber verletzten Fuß, und sie seien mit einander nach dem Forsthause gegangen. An den Kindern fuhr er fort, fand unser Gast alsbald die besten Freunde, und sie hatten ihr lustiges Spiel mit ihm, während wir Alten noch immer etwas in der Ferne standen, und ihm wie einer Erscheinung zusahen, die unvermuthet gekommen ist, und auch eben so unvermuthet wieder verschwinden kann. Endlich wurden wir doch auch vertrauter mit ihm. Er kam uns aber beständig wie eine Gestalt aus andern Zeiten vor, aus einer unermeßlichen Ferne herüber, wie man so den Hirsch am frühen Morgen durch die Nebel stehn sieht, und manchmal denkt, es sei wohl nur ein Busch, oder ein bemooster Stein. Wir wußten nicht, wie er hieß, und bekümmerten uns auch nicht darum. Mein jüngster Knabe pflegte ihn Walter zu nennen; Gott weiß, ob nicht aus einer Eingebung, wie sie Kindern bisweilen kommen mag. Wir fanden wenigstens den Namen, wie auf unsern Gast erfunden, und als ich mich näher drüber besann, kam er mir auch recht wie Walter vor, wie Einer, der über uns Allen waltete, und wohl über Jedermann, den seine fromme Worte abreichen. Nachher haben wir erfahren, daß er in einem ziemlich entfernten Städtchen wohnt, und ein schlichter Bürgersmann ist, aber bekannt in Deutschland, und auch in andern Ländern wegen seines heiligen Lichts, das in ihm aus treuer Meinung entbrannt ist, und sich ohne sein Zuthun, durch die Verfolgung hochmüthiger Menschen angeschürt, so weit verbreitet hat.
Alwin fiel hierbei auf den Gedanken, ob er nicht unversehns den Germanischen Weisen angetroffen habe, zu welchem Raimund gezogen war, und dem selbst der hochfahrende Florismarte so freiwillig die Oberstelle einräumte.
Ich bin der, welchen Ihr meint, sagte Walter, als ihn bei seinem nächsten Besuche Alwin deshalb befragte. Ich that, wie Jeder unter uns thun sollte, dem seine Seeligkeit am Herzen liegt, ich ging mit frommem Muthe in mich selbst hinein, verwog mich des irdischen Lebens und Ruhmes für immer, nur daß ich Gottes klare Liebe finden wollte, und mich vor Anfechtungen darin bergen, wie ein Kind sich in der Mutter Schooße birgt. Die Flamme stieg aus Schmach und Noth herrlicher auf, weiter strahlend, als ich es jemals hätte denken können. Es sind Viele der gelehrten Männer zu mir gekommen, und haben mir Fragen vorgelegt über Leben und Tod, über Grab und Auferstehung. Darunter gehörte auch Euer Meister Raimund. O, des edeln, kunstreichen Gemüthes. Er brachte mir seine hübschen Reime, wie ein frommes Kind dem andern seine bestgepflückten Blumen bringt, und wir lebten mit einander in Lieb' und Freundlichkeit. Wir wollen auch so bei einander bleiben, wenn es Euch gefällig ist, lieber Herr und Freund, denn ich spüre in Euch das rechte Gold, und möchte gern dazu thun, daß es aus dem groben Stein an's Tageslicht gefördert würde.