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Hilfen für das persönliche Gebet

Bereits das Gotteslob von 1975 stand vor der Herausforderung, neben den Liedern und den Texten für die liturgischen Feiern einen Gebetsteil zu integrieren, der auf den einzelnen Christen ausgerichtet war. Begründet wurde dieses Vorgehen mit der zunehmenden Säkularisierung auf der einen Seite, die eine religiöse Sozialisation erschwere, und der Gebetsnot auf der anderen Seite, die bei kirchennahen wie kirchenfernen Christen anzutreffen sei. Der Gebetsteil sollte so etwas wie eine kleine christliche Gebetsschule sein. Damit trat neben die Funktion des liturgischen Rollenbuches für die Gemeinde die des individuellen Gebetbuches, als das das Gotteslob ebenfalls verstanden werden sollte.

Das individuelle Gebet

Die neue Gotteslob-Ausgabe hat dieses Konzept übernommen und Gebetsvorschläge für den Einzelnen in einem ersten großen Abschnitt I. Geistliche Impulse für das tägliche Leben (GL 1–29) zu Anfang des Buches gestellt. Dieser beginnt aber nicht direkt mit Gebeten, sondern mit einem kleinen Kapitel Gottes Wort hören – Umgang mit der Heiligen Schrift (GL 1). Aus der Erkenntnis, dass all unser Beten nur Antwort auf Gottes vorhergehende Anrede sein kann, die wir in der Heiligen Schrift erfahren, gibt es Hinweise, wie eine private Lektüre und eine gemeinschaftliche Bibellesung aussehen und fruchtbar gemacht werden kann. Es sind allesamt Anregungen, wirklich zu Hörern des Wortes Gottes (gerade im Sinne einer inneren Haltung) zu werden, bevor wir selbst unser Gebet artikulieren.

Entsprechend ist ein Großteil des weiteren Abschnitts mit Im Gebet antworten (GL 2–22) überschrieben. Hier haben die Grundgebete ihren Platz – einige auch mit lateinischen Fassungen, wenn diese im Gottesdienst noch Verwendung finden. Der Rosenkranz (GL 4) druckt nicht nur die Texte der Geheimnisse ab, sondern veranschaulicht mit Grafik und Erläuterungen, wie der Umgang mit der Perlenschnur vonstattengeht. Unter GL 5 findet sich dann ein ganz neues Element, nämlich eine Anleitung für eine spirituelle Erfahrung des Kirchenraumes samt Gebeten für einzelne Stationen. (Das Bistum Aachen hat im Anhang unter GL 845 noch eine eigene Form Einen Kirchenraum erfahren aufgenommen.) Gebete unterschiedlicher Art werden im Abschnitt Vor Gottes Angesicht (GL 6–9) abgedruckt, die an Gott, den Vater, an Jesus Christus, an den Heiligen Geist oder an den dreifaltigen Gott gerichtet sind. Aber auch Texte zum Beten nach der Kommunion oder mit weiteren Motiven wie Lobpreis, Vertrauen, Klage, Bitte oder Dank haben hier Aufnahme gefunden (GL 8–9). Sie werden durch Gebete zu Maria, den Engeln und den Heiligen (GL 10) ergänzt.

Der Abschnitt Meine Zeit in Gottes Händen (GL 11) knüpft im Gebet an der Erfahrung des Tageslaufs an, GL 12 enthält Tischgebete, GL 13 bietet Segensbitten und Reisesegen. Die nachfolgenden Nummern beinhalten Hilfen für das Beten mit Kindern, für Jugendliche und Erwachsene sowie für konkrete Lebenssituationen und Nöte (GL 14–18). Die Anliegen der Welt, zu der neben Frieden, Gerechtigkeit und Verantwortung für die Schöpfung auch der Dialog zwischen den Religionen gezählt wird, können ebenso ins Gebet gehoben werden wie die Anliegen der Kirche (GL 19–22). Darin enthalten sind unter der Rubrik Für das pilgernde Volk Gottes (GL 22) auch Gebete und Hinweise zur Wallfahrt als ganzheitlicher Ausdrucksform des Betens.

Gemeinsames Beten und Glauben

Ein eigenes, neu aufgenommenes Kapitel In der Familie feiern (GL 23–28) ist darin begründet, dass die Lebensgemeinschaft des Hauses seit neutestamentlicher Zeit den Urkern der Glaubensgemeinschaft bildet. Entsprechend der hauptsächlichen Bedürfnisse für solche Feiern sind Modelle für eine Segnung des Adventskranzes, für das Hausgebet im Advent und für die Feier am Heiligen Abend aufgenommen. Dank- und Segensfeiern aus unterschiedlichen Anlässen (z. B. Jubiläen) haben hier ebenso ihren Platz wie das Hausgebet für Verstorbene.

In einem letzten Abschnitt Den Glauben leben (GL 29) haben nicht so sehr Gebete Aufnahme gefunden, sondern er fungiert als ein kleines theologisches Kompendium, vielleicht könnte man auch von einem „Mini-Katechismus“ sprechen. Hier werden die Hauptgebote der Liebe, die Seligpreisungen, die Werke der Barmherzigkeit, die Gaben des Heiligen Geistes, aber auch die Tugenden, die Zehn Gebote und die Gebote der Kirche erläutert bzw. wiedergegeben. Es geht also mehr um eine Erklärung grundlegender Lebenshaltungen und Glaubensinhalte, die sicher mit dem Gebet zusammenhängen, die aber nicht direkt zum Gebet gehören. Dies ist eine Stelle, an der die Problematik deutlich wird, mit einem Gebet- und Gesangbuch den Mangel an Glaubenswissen kompensieren zu wollen. Dieser Ansatz birgt die Gefahr in sich, letztlich das Gotteslob in seiner Funktion zu überfordern.

Charakteristik des Gebetsteils

Insgesamt handelt es sich beim Gebetsteil nicht um die reine Sammlung von Gebeten, sondern um ausgewählte Beispiele. Diese sollen verschiedene Situationen, Intentionen und Frömmigkeitsstile aufnehmen, aber auch auf unterschiedlicher Höhe religiöser Reife angesiedelt sein. Es handelt sich mehr um Beispieltexte, die man sich zu eigen machen, an denen man sich aber auch für das freiformulierte Beten schulen kann. Die Quellen der Gebete sind neben der liturgischen Tradition berühmte oder bekannte Theologinnen und Theologen, aber auch „Allerweltsmenschen“, die praktisch keiner von uns kennen wird. Es handelt sich um Personen unterschiedlichster Zeiten, Länder, Frömmigkeitsstile und Konfessionen. So stammt ein eindrückliches Mariengebet, das unter GL 10, 3 Aufnahme gefunden hat, von Martin Luther! Ebenso wurden Texte aus den Ostkirchen berücksichtigt. Der einfache Text einer Dreizehnjährigen (GL 15, 4) besitzt die gleiche Wertigkeit wie ein Gebet des Augustinus (GL 11, 6), ein kurzer Gebetssatz der Birgitta von Schweden (GL 21, 4) oder ein jüdisches Friedensgebet (GL 20, 5). All dies sind Vorbilder, an denen wir uns orientieren können. Am Ende jedoch gilt es, unsere Antwort auf Gottes Anrede immer wieder in eigene Worte zu fassen.

Einführung in das neue Gotteslob

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