Читать книгу Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel - Friedrich Lurz - Страница 10
ОглавлениеAnknüpfung und Deutung der Taufe im Neuen Testament
Im Neuen Testament gehören Christusglaube und Taufe untrennbar zusammen. Es scheint keine Zeit ohne Taufe gegeben zu haben – bereits die Pfingstpredigt des Petrus fordert: „Ein jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden“ (Apg 2, 38; vgl. 2, 41). Und selbst Textstellen, die die Taufe nicht explizit erwähnen, scheinen sie vorauszusetzen. Die einzige programmatische Taufaussage der Evangelien (Mk 16, 15f. und Mt 28, 19) ist wahrscheinlich erst späteres Gemeindegut – so sehr die Gemeinden darin die feste Überzeugung zum Ausdruck bringen mochten, mit ihrer Taufpraxis den Auftrag des Auferstandenen zu erfüllen.
Damit stellt sich aber auch die Frage, woher die Taufe kommt: Ist sie genuine „Erfindung“ der frühen Christengemeinden oder knüpfte sie an Formen an, die in der jüdischen Umwelt bekannt waren?
Mögliche Anknüpfungen der Taufe
Im Alten Testament finden wir viele Stellen, die sich des Bildes vom Waschen oder Abwaschen mit Wasser bedienen, um damit das innere Geschehen einer Reinigung von Sünden zum Ausdruck zu bringen, bei dem sich der Einzelne als passiv erlebt: „Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee“ (Ps 51, 9). Ganz ausdrücklich wird dies bei rituellen Reinigungsbädern, die in Lev 11–15 und Num 19 gefordert werden. Aber diese Bäder sind nie Initiationsriten, also Riten, die in eine Glaubensgemeinschaft eingliedern. Teil des Volkes Israel wird man mit der Geburt durch eine jüdische Mutter, bei Jungen wird zusätzlich die Beschneidung vorgenommen (vgl. Gen 17, 10; Lev 12).
In größerer Nähe zur christlichen Taufe sahen Forscher lange Zeit die so genannte Proselytentaufe des späteren Judentums: Wenn Heiden zum Judentum übertraten, vollzogen sie dieses Wasserbad, um ihren Übertritt zu bekunden. Allerdings war für Männer immer die Beschneidung, die vor dem Bad vollzogen wurde, das entscheidende Kennzeichen des Übertritts. Zur christlichen Taufe passt auch nicht, dass die Proselyten sich selbst untertauchten. Ebenso bleibt bei dieser These unverständlich, warum auch Juden bei der Annahme des Christusglaubens getauft wurden, denn in den ersten Jahrzehnten ist noch nicht davon auszugehen, dass man bei einem solchen Schritt bereits meinte, die Religion zu wechseln. Überhaupt werden bei der Annahme, dass die Proselytentaufe das Vorbild der christlichen Taufe darstelle, die in späteren Quellen geschilderten Riten in die Zeit Jesu zurückprojiziert – unter der Annahme, dass sich allein christliche Riten aus jüdischen entwickelt haben können, nicht umgekehrt. Heute ist aber klar, dass auch im Gefüge jüdischer Riten, das in den ältesten Texten greifbar wird, vieles nur in einer Reaktion auf die Christengemeinden und ihre Liturgie entstanden sein kann – ja dass sich „Christentum“ und „Judentum“ erst in einem längeren Prozess der Auseinandersetzung und gegenseitigen Beeinflussung herausgebildet und voneinander abgegrenzt haben.
So bleibt als entscheidender Anknüpfungspunkt die Taufe des Johannes, der wegen seines singulären Wirkens selbst in nichtchristlichen Quellen als „Täufer“ bezeichnet wird. Seiner Taufe am Jordan geht eine Gerichts- und Umkehrpredigt voraus, die als das letzte Wort vor der Vollendung der Welt verstanden wird. Die innere Gesinnung der Umkehr findet ihren Ausdruck darin, sich taufen zu lassen, also passiv die Taufe zu empfangen (vgl. Mk 1, 4; Lk 3, 3). Auch mit seiner Kleidung und Nahrung gestaltet Johannes die Taufe als erneuten Einzug Israels aus der Wüste ins Gelobte Land und weist ihr in prophetischem Selbstbewusstsein die Sündenvergebung durch Gott zu. Die Johannestaufe versteht sich somit als endzeitlich und heilswirksam wie die christliche Taufe, richtet sich jedoch an die bestehende Gemeinschaft Israels und konstituiert auch keine eigene Gemeinde. Allerdings belegen außerbiblische Quellen, dass sich eine johanneische Jüngerschaft herausgebildet hat, die zunächst auch nach seinem Tod erhalten geblieben ist.
Die christliche Deutung der Taufe
Die christliche Taufe scheint an diese originäre Form anzuknüpfen, zugleich aber entscheidende Umformungen oder Weiterentwicklungen zu beinhalten. Denn die Botschaft Jesu ist nicht primär eine Predigt des Gerichtes, wohl aber eine vom Anbruch der Gottesherrschaft, die den Sündern die Rettung verheißt. Die Nähe der Enderwartung und die Gemeinschaft mit dem rettungsbedürftigen Israel ermöglichen Jesus, sich selbst der Taufe durch Johannes zu unterziehen, auch wenn sie bei ihm eine andere Bedeutung erhält. Entscheidend sind Geistempfang, himmlische Stimme und Bekenntnis, die die Szene als Bezeugung der Sohnschaft Jesu durch Gott erweisen; die Wasserhandlung selbst ist dazu eher instrumental zu sehen.
Wie bei Johannes ist die Taufe der Christen eine Umkehrtaufe, die Rettung bewirkt, die aber eng mit dem Namen Jesu Christi verbunden ist, auf den getauft werden soll (vgl. Apg 2, 38). Und Mk 1, 8 legt Johannes selbst in den Mund, dass entscheidender Unterschied die Gabe des Geistes durch die christliche Taufe ist.
Besonders die paulinische Theologie hebt die enge Verbindung der Taufe zum Heilstod Jesu hervor: Getauft werden heißt, mit Christus zu sterben und mit ihm aufzuerstehen (vgl. 1 Kor 1, 13, besonders aber Röm 6, 3f.).
Es ist dieses Einswerden mit Christus selbst, durch das in der paulinischen Theologie die Taufe zur Handlung der Eingliederung in die endzeitliche Christengemeinde wird. Dass diese Bedeutungserweiterung auch die Gefahr magischen Missverständnisses mit sich bringt, zeigt seine Erwähnung, dass Gemeindemitglieder meinen, sich stellvertretend für Verstorbene taufen lassen zu können (1 Kor 15, 29). Demgegenüber betont Paulus die Verbindung von Glauben und Taufe, sodass er selbst sich ganz auf die Botschaft vom Kreuz konzentrieren kann und die Taufe als Teil der Gemeindebildung anderen überlässt (vgl. 1 Kor 1, 14–17). Von daher sind die Taufe und das in ihr geschenkte Heil nicht nur Ausdruck und Vergegenwärtigung der Glaubens- und Lebenswende, sondern beinhalten für die Getauften die Verpflichtung, es in ihrem Leben immer mehr zur prägenden Wirklichkeit werden zu lassen (Röm 6, 1–14).