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Diskussionen um die Berechtigung der Kindertaufe

Ein Beispiel wechselnder Fragestellungen

Die sachlich nicht trennbare Wechselbeziehung von Gnadengeschenk der Taufe und dem Zum-Glauben-Kommen hat sich im 20. Jahrhundert in der Diskussion um die Kindertaufe widergespiegelt. So sehr nämlich in der Zeit des Neuen Testaments und der antiken bis frühmittelalterlichen Kirche die Erwachsenentaufe die selbstverständliche Norm bildete, so wurden doch ab dem Mittelalter zunehmend Kinder getauft. Besonders die Erbsündenlehre führte dazu, dass die Taufe immer näher an den Geburtstermin eines Kindes heranrückte, bis sie schließlich wenige Tage nach der Geburt vollzogen wurde. Nur die so genannten „Täufer“ des 16. Jahrhunderts gestatteten allein die Taufe von mündigen Erwachsenen.

Die systematische Fragestellung

Es überrascht darum, dass im 20. Jahrhundert eine relativ lange Diskussion um die Berechtigung der Kindertaufe stattfand, die in der evangelischen Kirche geführt wurde, aber auch in die katholische Kirche ausstrahlte. Wichtig ist der Kontext der zunächst systematischen Diskussion: Auslöser war der reformierte Theologe Karl Barth, der 1943 die Praxis der Kindertaufe verwarf. Er protestierte gegen die gängige Volkskirchlichkeit, die die Taufe als Konvention und Abrundung des gesellschaftlichen Lebens ansah. Diese Volkskirchlichkeit sah er durch Kaiserreich und Naziregime korrumpiert. Entscheidend für Taufe (und Kirchenverständnis) sei hingegen die freie und mündige Glaubensentscheidung des Einzelnen. Der Glaube sei Antwort des Menschen auf das heilswirksame Wort Gottes – die Taufe eher Mittel und Abbild für dieses Geschehen.

Der Theologe Heinrich Schlier widersprach dem im Jahr 1947 und berief sich auf die lutherische Bekenntnistradition: Selbstverständlich sei die Taufe ein Zeichen, aber eines, das ursächlich das Heil des Täuflings bewirke, weil Christus sich und seine Gnade an dieses Zeichen gebunden habe. Sicher sei der Glaube notwendig, mache aber nicht erst das Zeichen wirksam. Von der Theologie des Neuen Testaments (besonders Joh 3, 5) her sei die Kindertaufe notwendig. Ansonsten biete das Neue Testament keine klare Aussage zur Taufe von Kindern.

Die biblisch-historische Fragestellung

Damit veränderte sich die Diskussion in Richtung einer biblisch-historischen Fragestellung, ob zur Zeit des Neuen Testaments schon Unmündige getauft wurden – dogmatisch hielten die beiden neuen „Kontrahenten“ die Kindertaufe für gerechtfertigt. Joachim Jeremias vertrat 1958 die Auffassung, dass neben anderen Stellen vor allem die so genannten Oikos-Formeln der Apostelgeschichte als Beleg für die Kindertaufe herangezogen werden müssen. Mehrfach finden sich im Neuen Testament Aussagen, dass sich eine Person und ihr ganzes „Haus“ (griechisch: oikos) habe taufen lassen (vgl. Apg 11, 13f.; 16, 15; 16, 31.33; 18, 8). Im Hintergrund stand die Übertragung der jüdischen Sitte, dass beim Übertritt zum Judentum sich nicht nur der Mann als Hausvorstand beschneiden ließ, sondern alle Familienangehörigen – auch die kleinen Kinder – die Proselytentaufe empfingen und alle männlichen Angehörigen beschnitten wurden. Gleiches wurde nun für den Übertritt zum Christentum vermutet – obwohl die jüdische Proselytentaufe selbst erst für spätere Zeit belegt ist. Kurt Aland hingegen sah 1961 gerade die Auffassung des Paulus, dass die Kinder einer heidnisch-christlichen Mischehe durch den christlichen Elternteil geheiligt seien (1 Kor 7, 14), als Beleg an, dass dieser von der Sündlosigkeit christlicher Kinder ausgehe. Erst die Kirche habe im Laufe des 2. Jahrhunderts eine andere Position eingenommen.

Heute besteht ein gewisser Konsens, dass für die neutestamentliche Zeit eine Taufe von Unmündigen weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Gängige Form war sicher die Erwachsenentaufe; für das Ende des 2. Jahrhunderts ist die Kindertaufe auf jeden Fall nachweisbar. Augustinus machte dann die bestehende Praxis der Kindertaufe mit ihren exorzistischen Formeln zur Grundlage seiner Erbsündenlehre, die die Tauftheologie der folgenden Jahrhunderte prägte.

Die theologische Relevanz der Fragestellung

Nun kann man leicht einwenden, dass dies doch eine rein innerevangelische Diskussion ist, die nicht weiter tangieren muss. Dennoch hat die Beobachtung der Argumente auch in der katholischen Kirche zu vorsichtigeren Äußerungen geführt. Die katholische Kirche hatte im Trienter Konzil die täuferische Position strikt abgelehnt mit der Begründung, dass die Taufe der kleinen Kinder, die keinen eigenen Glaubensakt vollziehen können, aufgrund des Glaubens der Kirche geschehe. Dahinter steht die Überzeugung der scholastischen Theologie, dass die Taufe den Glauben als habitus, d. h. als von Gott geschenkte Befähigung, eingieße. Der Glaube als actus, als eigenverantwortliche Verwirklichung des habitus, müsse im Erwachsenenalter folgen. Entsprechend wurde das Kind bis zur Liturgiereform in der Taufe angeredet, aber die Paten antworteten an seiner statt. In der Neuzeit wurde deshalb die Firmung zunehmend als Akt des eigenen, mündigen Bekenntnisses gedeutet. Folglich steht dann die Kirche in der Pflicht, den Glauben des Einzelnen nach der Taufe zu fördern. Solange die Gesellschaft und das Leben des Einzelnen von der Kirche geprägt waren, konnte von der beschriebenen Abfolge mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.

Die praktische Relevanz der Fragestellung heute

Heute stellt sich die Situation aber anders dar in einer Gesellschaft, in der die beiden Großkirchen in Deutschland nur noch jeweils 30 % der Bevölkerung als Mitglieder zählen. Zwar fordert das katholische Kirchenrecht im Canon 867 § 1 weiterhin die Taufe eines Kindes in den ersten Wochen nach der Geburt und haben kirchliche Mitarbeiter mit Konsequenzen zu rechnen, wenn sie ihre Kinder bewusst nicht taufen lassen.

Andererseits hat das liturgische Buch „Die Feier der Kindertaufe“ schon längst die neue Situation im Blick: Wenn weder die Eltern noch eine Person aus dem Umfeld des Kindes sich für die religiöse Erziehung des Kindes verantwortlich zeigen können, besteht die Möglichkeit des Taufaufschubs. Damit wird die Frage der Kindertaufe zu einer Frage der pastoralen Praxis, die erhebliches Fingerspitzengefühl erfordert. Zudem führt mittlerweile die konstante Zahl von Taufen von Kindern im Schulalter und von Erwachsenen (seit 1996 in Deutschland jährlich über 10 000) zu einer gewissen Gelassenheit im Umgang mit dem Phänomen.

Von Seiten der Eltern scheint sich die Frage nach der Berechtigung der Kindertaufe in der Regel nicht zu stellen – die Taufrate der Kinder von in Glauben und Kirche gebundenen Eltern ist unvermindert hoch.

Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel

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