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Deutschland ist nicht der Nabel der Welt
ОглавлениеDie Weltbevölkerung wächst mit hoher Geschwindigkeit. 1960 lebten lediglich 3 Milliarden Menschen auf dieser Erde, heute sind es gut 7,3 Milliarden. Auch wenn es jetzt schon wissenschaftliche Annahmen gibt, dass irgendwann in hundert Jahren die Weltbevölkerung schrumpfen wird, so rechnet man im Jahre 2050 mit 9,55 Milliarden Menschen. Und alle brauchen Energie.
Diesem Wachstum stehen bekannte Energiereserven mit statistischen Reichweiten an Öl für rund 40 Jahre, Gas rund 60 Jahre, Uran und Thorium rund 60 Jahre, Steinkohle rund 160 Jahre und Braunkohle rund 220 Jahre zur Verfügung. Natürlich sind die vermuteten Primärenergieressourcen weit größer; die größten Steinkohlevorkommen ruhen in Nordamerika, Russland und China. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Frage beantwortet werden muss, wie diese Energien verteilt werden sollen, wer die Energiemarken ausgibt.
Es sind vor allem die fossilen Primärenergien, auf die die wachsende Weltbevölkerung zugreifen wird. Immer mehr Kohle und Gas werden zu Strom. Immer mehr Autos schlucken die Ölvorräte. Immer mehr Klimagase werden an die Umwelt entlassen. Veraltete Kraftwerke werden in Industrieländern demontiert und in Dritt- und Schwellenländern wieder aufgebaut. Veraltete, bei uns ausgediente benzin- und dieselfressende Kraftfahrzeuge werden gewinnbringend in diese Länder exportiert. Wer verhindert eigentlich den Handel mit den ausgemusterten energieverzehrenden und umweltbelastenden Wracks? Wenn wir es wirklich ernst meinen, dann muss Klimaschutz ganzheitlich greifen. Dann müssen unsere Gesetzgeber und übergreifend jene in der EU dafür sorgen, dass beispielsweise der Export alter Kraftwerke und alter Kraftfahrzeuge sofort unterbunden wird. Das wäre ein gutes Beispiel grenzüberschreitenden Klimaschutzes. Wenn Dritt- und Schwellenländer Kraftwerke brauchen, dann sollen sie solche bauen, die effektiv und umweltschonend arbeiten. Wir können ihnen dabei mit gezielter Entwicklungshilfe technisch und finanziell unter die Arme greifen. Was wir dort investieren, kommt uns allen und unserer Umwelt zugute.
Die Ziele der deutschen Politik hinsichtlich des Klimaschutzes und des sparsamen Umgangs mit Energie haben die Bürger verstanden. Der Wille, diese Ziele zu unterstützen, ist vorhanden. Allerdings ist es für die Bürger schwer, den Politikern zu folgen, weil sie keine einheitliche Sprache sprechen und oft eher Panik verbreiten als verbindliche Informationen zu geben. Vor dem Hintergrund der verbreiteten Hektik gilt es, Ruhe zu bewahren. Denn um die ehrgeizigen Umweltziele zu erreichen, bedarf es Zeit, die wir uns nehmen müssen, um die besten Konzepte umsetzen zu können. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass Deutschland wie jedes andere Industrieland den Schwankungen der internationalen Märkte und den Vorgaben der EU ausgesetzt ist.
Deutschland hat bislang kraftvoll auch schwierigste Aufgaben gelöst. Die Kehrseite: Deutschland ist gründlich, was die EU angeht und reagiert sensibel bis ängstlich, wenn es um Katastrophen geht:
Wir bewältigten die Wiedervereinigung.
Wir bekamen 1991 das Stromeinspeisungsgesetz (StromEinspG).
Deutschland knickte vor Europa ein und peitschte die Liberalisierung des Strommarktes durch, sodass unsere europäischen Partner vor lauter Staunen nicht Schritt halten konnten.
Über allem schwebte die Apokalypse Erderwärmung wie ein Fallbeil und mit ihr wuchs die Angst, dass in 100, 500 oder 1.000 Jahren Hannover unter Wasser stehen könnte.
Es gab den Ausstieg unter Rot-Grün, den Wiedereinstieg und unter dem Eindruck Fukushima schließlich den Wiederausstieg aus der Kernkraft unter Schwarz-Gelb.
Der Umbau der Planwirtschaft der ehemaligen DDR in marktwirtschaftliche Strukturen ist gelungen. Dass der Umbau der monopolistisch aufgestellten deutschen Elektrizitätswirtschaft in marktwirtschaftliche Strukturen ein ganz anderes Kaliber war, ist unterschätzt worden. Schon sehr früh wurden grundlegende organisatorische Fehler gemacht und Schwächen bei der Durchführung sichtbar.
Der Umbau Elektrizitätswirtschaft lief vollends aus dem Ruder, als die neue rot-grüne Bundesregierung 2000 das Stromeinspeisungsgesetz durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG ersetzte. Das EEG war der Grundstein einer politisch völlig falschen Weichenstellung für die Energiewende, weil das Pferd von hinten aufgezäumt wurde. Ein Bauherr würde nie im Leben auf die Idee kommen, auf seinem unbebauten Grundstück erst den Garten anzulegen, um dann die Baugrube auszuheben. Mit Fukushima wuchs auch der Druck, regenerative Energien stärker zu fördern, als ob es nur darum ginge, die Kapazität der Kernenergie hierzulande durch Sonne und Wind und Biogas zu ersetzen. In dieser Aufbruchstimmung beschleunigten subventionierte und langfristig garantierte Preise die EEG-Öko-Strom-Gelddruckmaschine und sorgten für den finanziellen Aufstieg der Ökostrom-Profiteure.