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Erster Aufzug
Vierter Auftritt

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Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Questenberg.

Max

     Da ist er ja gleich selbst. Willkommen, Vater!


(Er umarmt ihn. Wie er sich umwendet, bermerkt er Questenbergen und tritt kalt zurück.)

     Beschäftigt, wie ich seh? Ich will ihn nicht stören.


Octavio

     Wie, Max? Sieh diesen Gast doch näher an.

     Aufmerksamkeit verdient ein alter Freund;

     Ehrfurcht gebührt dem Boten deines Kaisers.


Max. (trocken)

     Von Questenberg! Willkommen, wenn was Gutes

     Ins Hauptquartier Sie herführt.


Questenberg. (hat seine Hand gefaßt)

     Ziehen Sie

     Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini,

     Ich fasse sie nicht bloß von meinetwegen,

     Und nichts Gemeines will ich damit sagen.


(Beider Hände fassend.)

     Octavio – Max Piccolomini!

     Heilbringend, vorbedeutungsvolle Namen!

     Nie wird das Glück von Österreich sich wenden,

     Solang zwei solche Sterne, segenreich

     Und schützend, leuchten über seinen Heeren.


Max

     Sie fallen aus der Rolle, Herr Minister,

     Nicht Lobens wegen sind Sie hier, ich weiß,

     Sie sind geschickt, zu tadeln und zu schelten —

     Ich will voraus nichts haben vor den andern.


Octavio. (zu Max)

     Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog

     Nicht ganz so wohl zufrieden ist als hier.


Max

     Was gibt's aufs neu denn an ihm auszustellen?

     Daß er für sich allein beschließt, was er

     Allein versteht? Wohl! daran tut er recht,

     Und wird's dabei auch sein Verbleiben haben. -

     Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern

     Geschmeidig sich zu fügen und zu wenden,

     Es geht ihm wider die Natur, er kann's nicht.

     Geworden ist ihm eine Herrscherseele,

     Und ist gestellt auf einen Herrscherplatz.

     Wohl uns, daß es so ist! Es können sich

     Nur wenige regieren, den Verstand

     Verständig brauchen – Wohl dem Ganzen, findet

     Sich einmal einer, der ein Mittelpunkt

     Für viele Tausend wird, ein Halt; – sich hinstellt

     Wie eine feste Säul', an die man sich

     Mit Lust mag schließen und mit Zuversicht.

     So einer ist der Wallenstein, und taugte

     Dem Hof ein andrer besser – der Armee

     Frommt nur ein solcher.


Questenberg

     Der Arme! Jawohl!


Max

     Und eine Lust ist's, wie er alles weckt

     Und stärkt und neu belebt um sich herum,

     Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe

     Gleich deutlicher sich wird in seiner Nähe!

     Jedwedem zieht er seine Kraft hervor,

     Die eigentümliche, und zieht sie groß,

     Läßt jeden ganz das bleiben, was er ist,

     Er wacht nur drüber, daß er's immer sei

     Am rechten Ort; so weiß er aller Menschen

     Vermögen zu dem seinigen zu machen.


Questenberg

     Wer spricht ihm ab, daß er die Menschen kenne,

     Sie zu gebrauche wisse! Überm Herrscher

     Vergißt er nur den Diener ganz und gar,

     Als wär' mit seiner Würd' er schon geboren.


Max

     Ist er's denn nicht? Mit jeder Kraft dazu

     Ist er's, und mit der Kraft noch obendrein,

     Buchstäblich zu vollstrecken die Natur,

     Dem Herrschtalent den Herrschplatz zu erobern.


Questenberg

     So kommt's zuletzt auf seine Großmut an,

     Wieviel wir überall noch gelten sollen!


Max

     Der seltne Mann will seltenes Vertrauen.

     Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er sich setzen.


Questenberg

     Die Proben geben's.


Max

     Ja! so sind sie! Schreckt

     Sie alles gleich, was eine Tiefe hat;

     Ist ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach ist.


Octavio. (zu Questenberg)

     Ergeben Sie sich nur in gutem, Freund!

     Mit dem da werden Sie nicht fertig.


Max

     Da rufen sie den Geist an in der Not,

     Und grauet ihnen gleich, wenn er sich zeigt.

     Das Ungemeine soll, das Höchste selbst

     Geschehn wie das Alltägliche. Im Feld,

     Da dringt die Gegenwart – Persönliches

     Muß herrschen, eignes Auge sehn. Es braucht

     Der Feldherr jedes Große der Natur,

     So gönne man ihm auch, in ihren großen

     Verhältnissen zu leben. Das Orakel

     In seinem Innern, das lebendige —

     Nicht tote Bücher, alte Ordnungen,

     Nicht modrigte Papiere soll er fragen.


Octavio

     Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen

     Gering nicht achten! Köstlich unschätzbare

     Gewichte sind's, die der bedrängte Mensch

     An seiner Dränger raschen Willen band;

     Denn immer war die Willkür fürchterlich —

     Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Krümmmen,

     Er ist kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes,

     Geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad —

     Schnell, auf dem nächsten Wege, langt er an,

     Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.

     Mein Sohn! Die Straße, die der Mensch befährt,

     Worauf der Segen wandelt, diese folgt

     Der Flüsse Lauf, der Täler freien Krümmen,

     Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhügel,

     Des Eigentums gemeßne Grenzen ehrend —

     So führt sie später, sicher doch zum Ziel.


Questenberg

     Oh! hören Sie den Vater – hören Sie

     Ihn, der ein Held ist und ein Mensch zugleich.


Octavio

     Das Kind des Lagers spricht aus dir, mein Sohn.

     Ein fünfzehnjähr'ger Krieg hat dich erzogen,

     – Du hast den Frieden nie gesehn! Es gibt

     Noch höhern Wert, mein Sohn, als kriegerischen;

     Im Kriege selber ist das Letzte nicht der Krieg.

     Die großen, schnellen Taten der Gewalt,

     Des Augenblicks erstaunenswerte Wunder,

     Die sind es nicht, die das Beglückende,

     Das ruhig, mächtig Dauernde erzeugen.

     In Hast und Eile bauet der Soldat

     Von Leinwand seine leichte Stadt, da wird

     Ein augenblicklich Brausen und Bewegen,

     Der Markt belebt sich, Straßen, Flüsse sind

     Bedeckt mit Fracht, es rührt sich das Gewerbe.

     Doch eines Morgens plötzlich siehet man

     Die Zelte fallen, weiter rückt die Horde,

     Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt

     Der Acker, das zerstampfte Saatfeld liegen,

     Und um des Jahres Ernte ist's getan.


Max

     Oh! laß den Kaiser Friede machen, Vater!

     Den blut'gen Lorbeer geb ich hin mit Freuden

     Fürs erste Veilchen, das der März uns bringt,

     Das duftige Pfand der neuverjüngten Erde.


Octavio

     Wie wird dir? Was bewegt dich so auf einmal?


Max

     Ich hab den Frieden nie gesehn? – Ich hab ihn

     Gesehen, alter Vater , eben komm ich —

     Jetzt eben davon her – er führte mich

     Der Weg durch Länder, wo der Krieg nicht

     hingekommen – oh! das Leben, Vater,

     Hat Reize, die wir nie gekannt. – Wir haben

     Des schönen Lebens öde Küste nur

     Wie ein umirrend Räubervolk befahren,

     Das, in sein dumpfig-enges Schiff gepreßt,

     Im wüsten Meer mit wüsten Sitten haust,

     Vom großen Land nichts als die Buchten kennt,

     Wo es die Diebeslandung wagen darf.

     Was in den innern Tälern Köstliches

     Das Land verbirgt, oh! davon – davon ist

     Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen.


Ocatvio. (wird aufmerksam)

     Und hätt' es diese Reise dir gezeigt?


Max

     Es war die erste Muße meines Lebens.

     Sag mir, was ist der Arbeit Ziel und Preis,

     Der peinlichen, die mir die Jugend stahl,

     Das Herz mir öde ließ und unerquickt

     Den Geist, den keine Bildung noch geschmücket?

     Denn dieses Lagers lärmendes Gewühl,

     Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern,

     Des Dienstes immer gleichgestellte Uhr,

     Die Waffenübung, das Kommandowort —

     Dem Herzen gibt es nichts, dem lechzenden.

     Die Seele fehlt dem nichtigen Geschäft —

     Es gibt ein andres Glück und andre Freuden.


Octavio

     Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn!


Max

     O schöner Tag! wenn endlich der Soldat

     Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit,

     Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,

     Und heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch.

     Wenn alle Hüte sich und Helme schmücken

     Mit grünen Maien, dem letzten Raub der Felder!

     Der Städte Tore gehen auf, von selbst,

     Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen;

     Von Menschen sind die Wälle rings erfüllt,

     Von friedlichen, die in die Lüfte grüßen —

     Hell klingt von allen Türmen das Geläut,

     Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend.

     Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd strömt

     Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger

     Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd —

     Da schüttelt, froh des noch erlebten Tags,

     Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Hände.

     Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum,

     Das längstverlaßne, ein; mit breiten Ästen

     Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr,

     Der sich zur Gerte bog, als er gegangen,

     Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,

     Die er einst an der Amme Brust verließ.

     Oh! glücklich, wem dann auch sich eine Tür,

     Sich zarte Arme sanft umschlingend öffnen —


Questenberg. (gerührt)

     Oh! daß Sie von so ferner, ferner Zeit,

     Und nicht von morgen, nicht von heute sprechen!


Max. (mit Heftigkeit sich zu ihm wendend)

     Wer sonst ist schuld daran als ihr in Wien? —

     Ich will's nur frei gestehen, Questenberg!

     Als ich vorhin Sie stehen sah, es preßte

     Der Unmut mir das Innerste zusammen —

     Ihr seid es, die den Frieden hinder, ihr!

     Der Krieger ist's, der ihn erzwingen muß.

     Dem Fürsten macht ihr's Leben sauer, macht

     Ihm alle Schritte schwer, ihr schwärzt ihn an —

     Warum? Weil an Europas großem Besten

     Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes,

     Die Östreich mehr hat oder weniger —

     Ihr macht ihn zum Empörer und, Gott weiß!

     Zu was noch mehr, weil er die Sachsen schont,

     Beim Feind Vertrauen zu erwecken sucht,

     Das doch der einz'ge Weg zum Frieden ist;

     Denn hört der Krieg im Kriege nicht schon auf,

     Woher soll Friede kommen? – Geht nur, geht!

     Wie ich das Gute liebe, haß ich euch —

     Und hier gelob ich's an, verspritzen will ich

     Für ihn, für diesen Wallenstein, mein Blut,

     Das letzte meines Herzens, tropfenweis, eh' daß

     Ihr über seinen Fall frohlocken sollt!


(Er geht ab.)

Die Piccolomini

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