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Die Kollektenthematik in der Apostelgeschichte*

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* Zuerst erschienen: Friedrich Wilhelm Horn, Die Kollektenthematik in der Apostelgeschichte, in: C. Breytenbach und J. Schröter (Hg.), Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung, Festschrift für Eckhard Plümacher, AGAJ 57, Brill, Leiden/Boston 2004, 135–156, ©, Koninklijke Brill NV/Leiden, reproduced with permission.

Die KollekteKollekte „für die Armen unter den Heiligen Jerusalems“ (Röm 15,26$Röm 15,26) wird von Paulus in seinen authentischen Briefen im Zusammenhang mit dem Rückblick auf die Vorgänge des Apostelkonvents in Gal 2,10$Gal 2,10 erwähnt, allerdings nicht eindeutig mit den Abmachungen des Konvents, hier der Aufteilung der Missionsgebiete, verknüpft. In den paulinischen Briefen verweist 1Kor 16,1–4$1Kor 16,1–4 auf eine wohl mündlich vorgetragene Anordnung zur Kollekte in den galatischen Gemeinden und fordert die dort gemachten Modalitäten der Sammlung auch für Korinth ein. 2Kor 8$2Kor 8, Teil eines weiteren Schreibens an die korinthische Gemeinde, empfiehlt das Vorbild der makedonischen Gemeinden und erwartet in der Sammlung der Kollekte einen ihm entsprechenden Abschluss in Korinth. Zuletzt wendet Paulus sich in 2Kor 9$2Kor 9 erneut an die Gemeinden in der Achaia, um auf die Vollendung der Kollekte einzuwirken.1 Durch eine Voraussendung von Boten soll ihr Abschluss in diesen Gemeinden sichergestellt werden. In Röm 15,26 kann Paulus auf einen erfolgreichen Abschluss der Kollekte in Makedonien und Achaia zurückblicken, um nun die Reise zur Übergabe der Kollekte nach Jerusalem anzutreten, deren Annahme ihm zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits höchst fraglich ist (Röm 15,31). Ob die galatische Kollektenaktion nicht zu einem Abschluss gekommen oder ob sie unabhängig von der Kollektenreise des Paulus durch Delegierte der Gemeinden vollendet worden ist, kann auf der Basis der paulinischen Briefe allein nicht beantwortet werden.2 Demnach hat die Kollektenaktion Paulus mindestens von dem Zeitpunkt des Apostelkonvents bis zu seiner Ankunft in Jerusalem begleitet, nach einer üblichen Berechnung der Chronologie also ungefähr neun Jahre, nämlich von 48/49 bis 57/58 n. Chr.3 Genau genommen aber wird man sagen müssen, dass alle paulinischen Aussagen zur Kollekte in diesem Zeitraum in die letzten Jahre vor ihrer Übergabe fallen4 und hier unter zeitlich höchstem Druck zu stehen scheinen.5

Doch soll nicht die Analyse dieser hier kurz angesprochenen Belege im Corpus Paulinum im Mittelpunkt des Beitrags stehen, sondern die Kollektenthematik in der Apostelgeschichte. Bekanntlich wird in ihr weder in dem Bericht über den Apostelkonvent noch in den Darstellungen der Missionsreisen in der Asia, in Makedonien und in Achaia, also in denjenigen Gemeinden, die Paulus mit der Kollekte in einen Zusammenhang bringt, die Kollekte erwähnt. Gleichfalls scheint die letzte Reise des Paulus nach Jerusalem nicht der Übergabe der Kollekte zu dienen, sondern wird in Apg 20,16$Apg 20,16 als Wallfahrt bezeichnet. Dennoch gibt es etliche Hinweise in diesem Werk, die darauf hindeuten, dass ihr Verfasser von der Übergabe einer Geldsumme gewusst hat, auch wenn er sie nicht eigens thematisiert. Über die Gründe dieses angeblichen Verschweigens ist viel gerätselt worden, der vorliegende Beitrag wird sich an der Entschlüsselung dieses Rätsels partiell beteiligen. Oft diente das Übergehen der Kollekte der Bekräftigung des Urteils, Lukas stehe in einem historischen Abstand zu Paulus und habe keine deutliche Kenntnis der Vorgänge gehabt bzw. seine Quellen und Traditionen hätten hier eben geschwiegen. Er sei darüber hinaus ein relativ freier Schriftsteller, der im Umgang mit seinen Traditionen und Quellen dem eigenen übergeordneten theologischen Darstellungswillen ein grundsätzliches Prä einräume. Methodisch hat diese in der frühen redaktionsgeschichtlichen Betrachtungsweise vorherrschende Sicht dazu geführt, hinsichtlich der Kollektenthematik den paulinischen Berichten einen Vorrang der Apostelgeschichte gegenüber zu geben und die lukanischen Aussagen in das paulinische Gerüst einzupassen, sofern dies überhaupt möglich ist.

Jedoch ist auch das Vertrauen in die historische Verlässlichkeit der paulinischen Aussagen durch die Betrachtung einer rhetorischen Dispositionsanalyse der Schreiben und durch die Rezeptionsästhetik in gesunde Grenzen zurückgeführt worden. Denn die paulinischen Briefe sind nicht anders als die Apostelgeschichte auch immer daraufhin zu befragen, wie sie einen leitenden Gesichtspunkt argumentativ inszenieren und wie dieser demzufolge in den Gemeinden aufgenommen werden soll. Und es wird der Stellenwert, den diese Kollekte sowohl für Paulus persönlich als auch im Gegenüber zu seinen Gemeinden und zu der Jerusalemer Urgemeinde hatte, der er das Geld zu überbringen gedenkt (Röm 15,28$Röm 15,28), mit zu bedenken sein, wenn die Apostelgeschichte vergleichend herangezogen wird. Nach dem Zeugnis seiner Briefe ist die Kollekte, je länger je mehr, nicht mehr nur als eine Aktion der heidenchristlichen Gemeinden für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem, sondern auch als eine Maßnahme des Paulus, die der Rechtfertigung seiner Evangeliumsverkündigung unter den Heiden dient. Erscheint es noch in 1Kor 16,3f. als eher unwahrscheinlich, dass Paulus persönlich die Kollekte nach Jerusalem bringt, so geht er nach 2Kor 8,19$2Kor 8,19 von einer Übergabe durch sich und den in den Gemeinden dazu bestimmten Bruder aus, thematisiert in Röm 15,28.31 aber ausschließlich allein die Erfüllung dieser Aufgabe und seinen Dienst an Jerusalem, wenngleich er weiß, dass diese Kollekte das Werk der makedonischen und achaischen Gemeinden ist (Röm 15,26$Röm 15,26).

Um den Stellenwert der Kollekte im paulinischen Missionswerk möglichst präzise zu erfassen, scheint mir eine Zurückstellung des Berichts der Apostelgeschichte methodisch nicht gerechtfertigt zu sein.6 Vielmehr werden einerseits alle Hinweise des Lukas sorgsam aufzunehmen und zu analysieren sein, andererseits aber auch die paulinischen Aussagen nicht unbesehen für eine historische Rekonstruktion verwertet werden dürfen. Die an die Analyse der Kollektenthematik innerhalb der Apg gerichtete Frage lautet, ob es gelingt, die historischen Konturen des paulinischen Kollektenwerks präziser zu erfassen.

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