Читать книгу Die Pilzner - Fritz-J. Schaarschuh - Страница 11
Myzel + Fruchtkörper = Thallus = Pilz?
Оглавление(Hellmut übersetzt Pilzwissenschaftliches)
„So sehr sich Amanita muscaria und Amanita regalis (in ihrem Erscheinungsbild) gleichen, sind es doch zwei verschiedene Arten. Unterscheidungsmerkmale sind in der Färbung der Oberhaut und der Trama, im Lamellenansatz, in Größe und Ausgestaltung der Hüte älterer Exemplare u.a. zu finden, nicht aber, wie sonst am zuverlässigsten, anhand der Sporen (beide oval, 9-11 / 6-9 μm) und des Spp. (beide weiß). Gemeinsamkeiten wie Velum universale, deutliche Knolle, Muskarin- und Ibutensäuregehalt u.a. teilen Amanita muscaria und Amanita regalis mit Amanita pantherina, deren sicherstes Bestimmungsmerkmal gegenüber den beiden ersteren jedoch differiert: Unter dem Mikroskop erkennen wir eiförmige, 10-12 / 7-8 μm große Sporen. Das hebt sie von Amanita excelsa, dem Grauen Wulstling, in erster Linie mit deren kurz-ovalen, 9-10 / 7-8 μm großen Sporen ab (neben einigen weniger sinnfälligen Charakteristika wie Kartoffellagergeruch, konzentrisch angeordnete Hüllreste, vielzählige Farbvarianten). Unter den Basidiomyceten ...“
Klingt gelehrt, dieser Auszug aus einem wissenschaftlichen Wälzer, nicht wahr? Er gibt beweisbare Fakten wieder, bringt der Pilzkundige seine Genugtuung zum Ausdruck, dem die Aussagen über religiöse Riten und Namen des Fliegenpilzes, seine Verehrung und Verwendung als „Glückspilz“ unnützes Geschwätz sind.
Das wissenschaftliche Buch ist auch absolut notwendig, fragt man beispielsweise danach, wie viel Arten Fliegenpilze es auf Grund der deutschen Bezeichnungen denn gibt: eine („Fliegenpilz“), zwei (dazu noch „Königsfliegenpilz“) oder gar vier (einschließlich „Roter Fliegenpilz“ und „Brauner Fliegenpilz“)? Die wissenschaftliche Beschreibung, Systematik und Bezeichnung geben u.a. exakt Auskunft, dass, wodurch und wie drei der vier Amaniti giftig sind usw. Dass es im Übrigen noch weitere Fliegenpilz-Formen gibt, so den Gelben Fliegenpilz, selten auch in unseren Breiten, und den Weißen im Süden, sei hier nur am Rande erwähnt. Die Pilzwissenschaft arbeitet noch an der Klärung, ob es sich um Varietäten, Unterarten oder gar eine eigene Art handelt.
Doch wer von den Pilzfreunden und Hobbymykologen geht schon mit dem Mikroskop in der Tasche und dem Pilzwälzer in der Hand in den Wald? Lassen wir lieber das Banner der Entdeckerlust, des Augenschmauses und der Gaumenfreuden voran wehen. So erfreuen wir uns auch daran, dass uns ein wunderschöner roter Fliegenpilz entgegenleuchtet, dass wir oben im Gebirge seinen braunen Vetter und in der Kiefernebene den seltenen Pantherpilz entdeckt haben und dass wir für unser geplantes Waldpilzgericht endlich auch einen knackigen Grauen Wulstling ins Körbchen legen können. Klingt doch deutsch auch ganz nett, oder? Namen, die, um unserer Ironie die Spitze zu nehmen, auch jeder deutsche Pilzprofessor in seinen Bart brabbelt, wenn er im Wald auf der Pirsch ist.
Dass sich der Laie das eine oder andere Fremdwort des Fachmanns vorsetzen lassen muss, liegt in der Natur der Dinge, die eine tiefere menschliche Erkenntnis erst ermöglichen. Was aber, wenn ein verbaler Widerspruch so stark in uns verwurzelt ist, dass es erst einer besonderen Übereinkunft bedarf, damit sich die Leute reibungslos verständigen können? Wie in unserem Benennungsfall? Die Einen verstehen unter Pilz das, was man sehen, anfassen und essen kann – oder sein lassen sollte. Das sind wohl die meisten. Sie sagen zum Fruchtkörper Pilz. Doch der Fruchtkörper hat allein die Aufgabe, Sporen für die Vermehrung zu bilden und auszustreuen. Alle weiteren Aufgaben erfüllt der andere, meist unsichtbare faden- und fadenbündelförmige Teil des Pilzes im Boden, an der Baumrinde u.a. Dieses Myzel bildet zusammen mit seinem/seinen Fruchtkörper(n) den eigentlichen Pilz. Wir wollen ihn „Gesamtpilz“ nennen, um nicht noch weitere wissenschaftliche Bezeichnungen bemühen zu müssen. Damit sind wir – wie in der Praxis ohnehin – überein gekommen, mit dem Wort Pilz in erster Linie den Fruchtkörper zu meinen. Das schließt nicht aus, dass wir vom Augenhintergrund heraus immer auch auf das Myzel schielen.
Wir konzentrieren uns auf die heimischen Pilzarten mit Hut und Stiel. Und alle Pilze, die nicht mit irgendwie gestaltetem Hut und Stiel ausgestattet sind, darunter die winzig kleinen, lieben Hefepilze und der flächige böse Hausschwamm, wollen wir übergehen. Ob nun saprophytisch (organisches Material zersetzend), parasitisch (auf Kosten anderer Lebewesen existierend) oder symbiontisch als Mykorrhiza-Pilz lebend (der in friedlicher Eintracht mit einer Pflanze zu deren und seinem eigenen Nutzen wirkt) – die Lebensweise der Pilze wird nur dann eine Rolle für uns spielen, wenn sie entscheidend für die Fruchtkörperbildung ist.
Ein Kapitel aus der Mykologie verdient es, näher in Augenschein genommen zu werden, weil es aus den neueren Untersuchungen auch wirklich Neues bringt. Davon der folgende Bericht.