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III
Der erste Erfolg und seine Verwerthung

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Das erste Unternehmen, das in diese Jahre fällt, ist sehr charakteristisch. Es entspricht dem leitenden Grundsatz des Vaters: „Ohne gutes Eisen kein guter Stahl!” und gleichzeitig der Geschäftsregel des Sohnes: „Die Fabrik muß sich ihre Bedürfnisse selbst herstellen.” Das wichtigste Bedürfniß ist unstreitig das Rohmaterial. Seine schwierige Beschaffung war dem Vater oft ein großes Hemmniß gewesen. Um ein dem in England (Sheffield) benutzten möglichst gleichwerthiges Material zu besitzen, hatte er das Siegerländer Renneisen, ein aus dem Erz in kleinen Schachtöfen reducirtes, also recht kostspieliges Schmiedeeisen verwendet und durch Cementirung, d. h. Erhitzen in Kohlenstaub, ihm den nothwendigen Kohlenstoffgehalt zugeführt, auf diese Weise den Rohstahl aus dem Schmiedeeisen hergestellt. Das nochmalige Schmelzen dieses Rohstahls in Thontiegeln hat ja nur den Zweck, ein selbst von den kleinsten Schlackenresten befreites, durch und durch gleichmäßiges Material zu gewinnen. Aus dem Rohstahl sind erstere durch Hämmern und Walzen nie ganz zu entfernen – und die kleinen Schlackenkörnchen sind, zumal für ganz kleine und dünne Stahlgegenstände, wie Uhrfedern, Messer von stark beeinträchtigender Wirkung – ; der aus einem teigigen Zustande entstandene Rohstahl besteht anderseits aus verfilzten und zusammengeschweißten Fasern verschiedener Härte, es fehlt ihm die Homogenität, welche erst die größte Leistungsfähigkeit garantirt. Die Art und Weise des Schmelzens und Gießens mit dem Tiegel, sowie die schwierige und für den Prozeß einflußreiche Herstellung dieser hatte Friedrich Krupp selbständig gefunden, das Material des Rohstahles aber auf die angedeutete Weise gewonnen.

Alfried Krupp führte ein neues, von dem bisherigen ganz abweichendes Verfahren ein, indem er selbst in Puddelöfen nicht nur das Schmiedeeisen aus Roheisen erzeugte, sondern in denselben Oefen durch ein vorzeitiges Abbrechen des Entkohlungsprozesses auch den Rohstahl fertigte. Um den letzten Schritt zu thun, nämlich auch das Roheisen in eigenen Hohöfen zu erblasen, fehlten freilich noch die Geldmittel, er ward einer späteren Zeit vorbehalten.

Sein zweites Augenmerk war auf die Herstellung schwererer, umfangreicherer Gußstücke aus Tiegelstahl gerichtet. Die Erfindung des Homogenstahls war aus dem angedeuteten Bedürfniß hervorgegangen, kleine Gegenstände von außerordentlicher Haltbarkeit und Leistungsfähigkeit zu erzeugen, wozu der gewöhnliche Stahl nicht tauglich war. Bei der Fabrikation solcher verhältnißmäßig kleiner Stücke war die Stahlindustrie in England stehen geblieben. Alfried Krupp erkannte aber mit scharfem Blick, daß der Homogenstahl auch für größere Gegenstände von Bedeutung sein müsse, welche einer besonderen Beanspruchung aus Festigkeit und Härte zu entsprechen hätten. Und gerade die dreißiger und vierziger Jahre eröffneten ihm eine Perspektive in weite Gebiete, in welchen der Gußstahl zur vollsten Anerkennung seiner Vorzüge kommen mußte, wenn es gelang, ihn in großen Stücken zu erzeugen. Es waren ja die Jahrzehnte, in welchen die Dampfmaschine ihren siegreichen Einzug hielt in alle europäischen und überseeischen Länder; seit 1835 liefen die ersten Lokomotiven auf europäischen Schienengeleisen, und von Jahr zu Jahr vermehrten sich die Eisenbahnen, deren Linien bald den ganzen Erdtheil mit einem eng gemaschten Netz überziehen sollten; schneller noch hatten sich die Dampfschiffe auf den Weltmeeren und den großen Strömen eingebürgert. Hier galt es überall einen Fortschritt zu erzielen durch leistungsfähigere und haltbarere Eisentheile, als sie bisher aus Schmiedeeisen hergestellt wurden. Hier war der Gußstahl am Platze und, ihm diesen zu erobern, war Krupp unablässig bemüht. Hier war das Gebiet, auf welchem die englische Industrie überflügelt werden konnte, wo der deutschen alle Aussichten auf einen erfolgreichen Wettbewerb sich öffneten.

Eine günstige Gelegenheit, um in den offenen Kampf einzutreten, fand sich bereits 1851 in der ersten internationalen Industrie- und Kunst-Ausstellung zu London. Das Hauptstück der Krupp’schen Ausstellung war ein roher Gußstahlblock von ca. 2000 kg Gewicht. Auf einem englischen Stück Gußstahl von nahezu 1000 Pfund, erzählt ein Fachbericht, soll sich der Ausdruck „Monsterpiece” finden; dem gegenüber stellte Krupp seinen Block von dem viereinhalbfachen Gewicht und gewann damit sofort den ersten Platz unter sämmtlichen Gußstahl-Fabriken der Welt; er hatte geleistet, was die gesammte Eisenindustrie in Staunen versetzte, was man für eine Unmöglichkeit gehalten hatte. Kein Wunder, daß die Eisenindustriellen von weit herzukamen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen, daß einige englische Blätter einen Betrug witterten und die Schmiedbarkeit des Gußblocks ernstlich in Frage stellten. Krupp begegnete solchem Mißtrauen, indem er ein Stück herausschneiden, ins Schmiedefeuer bringen und auf dem Ambos nach allen Seiten ausschmieden ließ. Wie hoch diese eine Leistung in ihrer Bedeutung für die Eisenindustrie geschätzt wurde, ergiebt sich daraus, daß Krupp als Einziger mit der Council Medal ausgezeichnet wurde.

Charakteristisch sind seine weiteren Ausstellungsgegenstände. Neben Walzen von einer Politur, wie nur ein glasharter Stahl sie zu erreichen gestattet, standen da Trag- und Stoß-Federn und – eine Eisenbahnachse von zähestem Material. Daß seine Münzwalzen vertreten waren, ist selbstverständlich; waren sie doch selbst in England schon vordem als beste anerkannt und eingeführt. Außer einem Küraß aus Gußstahl war auch ein Sechspfünder-Geschütz ausgestellt, das später noch Erwähnung finden wird.

Den in London errungenen Sieg war Krupp bemüht sofort auf das energischste auszunutzen, und auf dem gewonnenen Terrain weiter Fortschritte zu machen. Er bekam durch zahlreichere Bestellungen die Mittel, um seine Fabrik, namentlich durch Aufstellung eines neuen 2000 kg schweren Hammers, zu vervollständigen und konnte im Jahre 1852 die Leistung auf 1450000 Pfund Gußstahl (gegen 1120000 Pfund im Jahre 1851) steigern. Sein Hauptaugenmerk richtete er jetzt auf die Herstellung von Achsen. Die Einführung des Gußstahls für Eisenbahnwagenachsen hatte sofortiges Verständniß gefunden und ihm eine starke Lieferung für die Ostbahn eingetragen. Hatten sie doch schon seit 2 Jahren in der Borsigschen Maschinenfabrik zu Berlin die schärfsten Erprobungen mit Erfolg überstanden; sie fanden bald allgemein Eingang und die Produktion stieg namentlich in den sechziger Jahren so gewaltig, daß 1865 bereits über 11000 Stück geliefert wurden.

Aber auch die Verwendbarkeit für Schiffsachsen war ohne Weiteres einleuchtend, und bald liefen Bestellungen für die Rheindampfschiffe, sowie für die des Oesterreichischen Lloyd in Essen ein. Man erkannte in allen Betrieben, wo die Achsenbrüche an Fahrzeugen und Maschinen bisher häufig genug störend geworden waren, die großen Vortheile, welche das Kruppsche Material bot, und so reihten sich auch bald die Achsen an Förder- und Wasserhaltungsmaschinen in diese Fabrikate ein.

Krupp’s aufmerksam spähendes Auge fand aber bald noch einen anderen wichtigen Bestandtheil des neuen Beförderungsmittels, der Eisenbahn, welcher durchaus einer Verbesserung bedurfte, und seine unermüdliche Erfindungsgabe schuf in genialer Weise Abhilfe. Es sind die Radreifen, die Bandagen der Eisenbahnräder, welche bis dahin aus Schweißeisen oder Stahl durch Zusammenschweißen hergestellt, an der Schweißstelle nur zu leicht brüchig wurden und unzählige Unglücksfälle herbeiführten. Das Problem bestand also darin, einen geschlossenen Reifen ohne jede schwächere Stelle, ohne Naht oder Schweißung zu erzeugen. Und dies gelang Krupp auf eine einfache Weise, welche er zuerst durch Experimente mit einem Bleiring, nicht größer als ein Fingerring, erprobte. Was mit dem Bleistück ausführbar war, mußte auch mit seinem homogenen Tiegelstahlblock sich ermöglichen lassen. Einen Barren vom Gewicht des zu fertigenden Radreifen versah er mit zwei Durchbohrungen, schnitt den zwischen beiden befindlichen Metalltheil mit der Säge durch und gewann hierdurch eine Oeffnung, groß genug, um einen Keil einzustecken und den Barren auseinander zu treiben. Durch allmähliche Verstärkung des eingetriebenen Dornes ward die Oeffnung immer mehr erweitert und das allseitig ihn umgebende Metall zum Ring geformt, wobei jede stellenweise Schwächung durch sorgfältige Behandlung vermieden werden konnte. Am 21. März 1853 erhielt der Fabrikant auf diese in ihrer Einfachheit geniale Erfindung ein auf 8 Jahre lautendes Patent von der preußischen Regierung, dessen Ausbeutung ihm endlich die Mittel gewährte, sich von allen aus schweren Zeiten noch restirenden Verbindlichkeiten frei zu machen und die finanzielle Möglichkeit zu gewinnen für andere besonders wichtige Versuche, welche ihm am meisten am Herzen lagen und doch erst mittelst bedeutender Geldopfer in dem wünschenswerthen größeren Maaßstabe ausgeführt werden konnten, es sind die Versuche in der Geschützkonstruktion, welche später im Zusammenhang zur Darstellung kommen werden. Die Erfindung der Radreifen, welche sofort durch Patente in allen Kulturstaaten geschützt wurde, bildete lange Zeit den ergiebigsten Zweig der Fabrik und brachte Gewinne ein, wie sie für die damalige Zeit beinahe unerhört waren. Begann doch der Eisenbahnbau in Europa und Amerika gerade in diesem Jahrzehnt sich mächtig zu entwickeln – die im Betriebe befindlichen Strecken betrugen 1860 105758 Kilometer gegen nur 38568 im Jahre 1850 – und der Bedarf an den allein haltbaren Krupp’schen Radreifen steigerte sich von Jahr zu Jahr, da nicht nur die europäischen, sondern auch die amerikanischen Eisenbahnen sie einführten. Die Jahresproduktion stieg in Folge dessen bis zu einem Maximum von 65000 Stück.

Die reichlich ihm zufließenden Mittel gaben Krupp auch die Möglichkeit, einen Gedanken zur Ausführung zu bringen, der ihm schon lange am Herzen lag. Seine auf Förderung des geistigen und leiblichen Wohles seiner Arbeiter gerichteten Bestrebungen hatten sich bisher nur von Fall zu Fall bethätigen können. Aus den selbst überstandenen schweren Noth- und Sorgen-Jahren hatte er aber einerseits die Ueberzeugung gewonnen, daß nur durch feste Institutionen die Möglichkeit geschaffen werden könnte, den Bedürfnissen der Arbeiter auch in ungünstigen Zeitläuften gerecht zu werden, sie in Krankheit und Arbeitsunfähigkeit gegen Mangel zu schützen; anderseits war es ihm zu einem tiefempfundenen Bedürfniß geworden, seinen Untergebenen ein besseres Loos zu schaffen, als es ihm selbst durch Jahrzehnte zu Theil geworden war. Aus allen seinen an die Arbeiter gerichteten Veröffentlichungen leuchtet das tiefe Verständniß hervor, welches er für ihre Lage, für ihre Bedürfnisse in leiblicher und geistiger Beziehung hatte, und welches ihm aus der eigenen schweren Jugend erwachsen war. Es ist sicher anzunehmen, daß er die Vortheile nicht übersah, welche seiner Fabrik aus der Verbesserung der Lage der Angestellten erwuchsen, da sie mit Herz und Verstand an eine Gemeinsamkeit sich würden fesseln lassen, in welcher sie Schutz gegen Noth und Hilfe in allen Unglücksfällen zu gewärtigen hatten. Es entging ihm sicher nicht, daß allen Regungen von Unzufriedenheit würde vorgebeugt, jeder Beeinflussung von außerhalb am besten würde begegnet werden können, indem man den Arbeitern Vertrauen zur Fürsorge der Leitung, Zufriedenheit mit ihrer Lage und Sicherheit der Zukunft gegenüber verschaffte. Und so muß man die Weisheit bewundern, mit der Krupp zukünftige Gefahren voraussah und ihnen mit allen Mitteln vorzubeugen verstand, wie er ohne andere Anregung, als die seines Herzens und seines Nachdenkens im Bereiche seiner Wirksamkeit die soziale Frage zu lösen vermochte, bevor man anderswo daran dachte. Es ist aber sicher, daß sein Herz, sein aus der eigenen Vergangenheit erwachsenes Verständniß für die Noth des Arbeiters den ersten Impuls dazu gab; und da seine nimmer ermüdende und nach weiteren Hilfsmitteln sich umschauende Fürsorge dieser Quelle und nicht der einer klugen Berechnung entsprang, hat er auch stets die richtigen Wege gefunden, in Zeiten der Gefahr den rechten Ton anzuschlagen verstanden, der im Herzen des Arbeiters Widerhall fand, und seine ernsten Bemühungen meist reich gesegnet gesehen.

Seine erste Fürsorge galt selbstverständlich den durch Krankheit und Todesfall herbeigeführten Nothständen, und sobald ihm nach der Londoner Ausstellung die Verfügung über größere Einkünfte erlaubte, die Pflicht eines stetigen Zuschusses für solchen Zweck zu übernehmen, gründete er – im Jahre 1853 – eine „Hilfskasse in Fällen von Krankheit und Tod”, in die jeder Meister und Arbeiter je nach seinen Einkünften eine gewisse Summe zu zahlen hatte, während Krupp selbst sich zur Zahlung der Hälfte des Gesammtjahresbeitrages seiner Arbeiter verpflichtete. Diese am 5. September 1855 mit einem definitiven Statut versehene Kasse sicherte ihren Mitgliedern im Krankheitsfalle ärztliche Hilfe und Unterstützung mit Heilmitteln, sowie vom dritten Tage der Erkrankung ab eine Geldunterstützung und im Todesfalle den Hinterbliebenen einen Beitrag zu den Beerdigungskosten. Aber auch die Bildung eines Pensions-Fonds für arbeitsunfähige Mitglieder wurde sofort ins Auge gefaßt und die Ueberschüsse der Kasse hierfür bestimmt.

Dies war der Anfang der Wohlfahrtseinrichtungen, welche Krupp mit der weiteren Entwickelung seiner Fabrik zu einem System ausbaute, wie es in seiner Vielseitigkeit und Vollkommenheit einzig in der Welt dasteht. Es sei dies schon hier im Zusammenhange vorgeführt, um ein übersichtliches Gesammtbild dieses überaus wichtigen Zweiges seiner Thätigkeit zu gewinnen.

Das schnelle Anwachsen der Fabrik, deren Arbeiterzahl 1858 das erste Tausend, 1861 das zweite, 1863 das vierte, 1864 das sechste und 1872 das zehnte Tausend überschritt – hatte eine Reihe von Uebelständen im Gefolge, denen im Interesse der Arbeiter abgeholfen werden mußte. Mit den Arbeitern kamen nicht nur ihre Familien, deren Köpfe mehr als das Doppelte betrugen, sondern auch zahlreiche Krämer, Handwerker und dgl. nach der Stadt Essen, so daß deren Einwohnerzahl in den oben genannten Jahren die Ziffern von 17, 20, 25, 31 und 51 Tausend überschritt. In gleicher Geschwindigkeit wuchsen natürlich nicht die Häuser aus der Erde, und die Folge war ein immer drückenderer Wohnungsmangel, Steigerung der Miethspreise und Vertheuerung der Lebensmittel. Unzählige Handeltreibende überschwemmten die Arbeiterviertel, zumeist kleine Winkelgeschäfte, die sich an den Wegen ansiedelten, welche der Arbeiter zwischen seiner Wohnung und der Fabrik zu gehen hatte. Schlechte Waaren wurden ihm zu hohen Preisen, aber gegen Kredit, angeboten und er verfiel dem Schuldbuch und dem Wucher. Anderseits schossen die kleinen Wirthshäuser wie Pilze aus der Erde und verlockten den Arbeiter, seine unbehagliche, überfüllte Wohnung mit der Kneipe zu vertauschen und seinen mancherlei Aerger und Verdruß dort mit Bier und Schnaps hinabzuspülen. Es waren dieselben Verhältnisse, wie sie in jeder Industriestadt mit deren schnellem Emporblühen beobachtet werden konnten, wie sie die Arbeiter zur Vergeudung ihres Erwerbes, zur Verschuldung und zum Verschleudern ihres ärmlichen Besitzes, zu häuslichem Unfrieden und Unbehagen, zu allgemeiner Unzufriedenheit, zu rohen Raufereien und zu redeseligen Kneipensitzungen veranlaßten, wie sie den Boden vorbereiteten für die Wühlereien staatsfeindlicher sozialdemokratischer Agitatoren.

Hier mußte Abhilfe geschaffen werden, hier mußte die soziale Frage, zu welcher die Form der Produktionsweise, der Indienststellung großer Arbeitermassen bei einem immer anwachsenden Fabrikbetrieb hindrängte, soweit es möglich war, gelöst werden, ohne letzteren zu gefährden und zum Zweck, ihn auf die Dauer überhaupt zu ermöglichen. Es war so schlimm, daß im Stadtbezirk „zum heiligen Geist” auf 124 Häuser 2962 Einwohner, auf jedes kleine Arbeiterhaus also 24 Personen kamen. Zwei Mittel nur konnten Abhilfe gewähren: Schaffung von Wohnungen zu billigem Miethszins und Zuführung aller Bedürfnisse zu entsprechenden Preisen und in guter Qualität, um die Arbeiter aus den Händen der Spekulanten und Wucherer zu reißen.

Letzteres Mittel brachte Krupp, als das für die wirthschaftliche Existenz nothwendigste und am schnellsten durchzuführende, zuerst zur Anwendung. Er schuf Konsumanstalten und zwar allmählich in einem solchen Umfange, daß der Arbeiter alle seine Bedürfnisse innerhalb der Fabrik befriedigen konnte und daß diese auch daselbst soweit als irgend möglich hergestellt wurden. Das entsprach dem Kruppschen Grundsatz der Selbstfabrikation. So entstand 1856 eine „Menage”, zunächst für 200 Mann, es war ein erster Versuch. 1858 folgte eine „Bäckerei”, deren Brot zum Selbstkostenpreis gegen beim Lohn zu verrechnende Marken abgegeben wurde. Im Jahre 1868 ward eine Konsumanstalt für Kolonial- und Spezereiwaaren. 1869 eine Dampfmühle, 1871 Kaffeebrennerei und Lagerhaus sowie eine Verkaufsstelle für Schuhwaaren nebst Schusterwerkstatt für Reparaturen errichtet. Im Jahre 1872 kam hierzu eine Selterswasser-Fabrik, Schneiderei, Manufakturwaarenlager, Bierhallen und ein Gasthaus, 1874 eine Zentral-Verkaufsstelle, wo auch Möbel, Betten, Nähmaschinen etc. auf Lager gehalten wurden, 1875 endlich auch Schlachterei und Fleischverkauf. In allen diesen Anstalten werden die Bedürfnisse dem Arbeiter zum Selbstkostenpreise, aber nur gegen Baarzahlung verabfolgt. Sie wurden binnen Kurzem von den Arbeitern gewürdigt, da ihnen die gebotenen Vortheile nicht entgingen; die Benutzung stieg von Jahr zu Jahr und die Winkelgeschäfte in der Nähe der Fabrik wurden verdrängt.

Aber auch der Wohnungsfrage trat der Fabrikherr näher. Nachdem er 1860 mit dem Ankauf und Neubau eigener Wohnhäuser begonnen hatte, legte er im Jahre 1863 seine erste Arbeiterkolonie Westend mit 160 Wohnungen an. Diese erweiterte er 1871 durch 10 Doppelhäuser zu 60 und 8 Doppelhäuser zu 48 Wohnungen, baute eine neue Kolonie Nordhof mit 162 Wohnungen, legte in dieser eine Kochanstalt mit großem Speisesaal im Erdgeschoß und Schlafräumen in den oberen Geschossen für unverheirathete Arbeiter an und gab der Kolonie eine Feuerwehr mit Spritzenhaus und eine eigene Verkaufsstelle der Konsumanstalt. Gleichzeitig erbaute er eine dritte Kolonie inmitten von Ländereien südlich der Stadt, wobei er Gelegenheit hatte, die Häuser mehr in ländlichem Charakter mit Stallungen und kleinen Gärten herzustellen. Diese Kolonie, Dreilinden, umfaßt 18 massive Häuser mit 72 Wohnungen. Schon im folgenden Jahre ward der Bau von zwei neuen Kolonien, Schederhof und Kronenberg, in Angriff genommen, erstere mit 82 dreistöckigen massiven Häusern und 492 Wohnungen, letztere mit 1248 Wohnungen in 208 massiven Häusern. Nach deren Vollendung verfügte die Fabrik über 3277 gute und gesunde Familienwohnungen, in denen mehr als 15000 Menschen Platz finden konnten.

Die Wohnungen sind, den verschiedenen Verhältnissen der Arbeiter und Beamten entsprechend, mit 2 bis 6 Räumen versehen und werden an die Bediensteten zu einem verhältnißmäßig geringen Miethzins vergeben; eine 2räumige Wohnung mit Keller zu 90–108, eine 3räumige zu 120 bis 162, eine 4räumige zu 180–200 Mark. Die Miethe wird den Arbeitern am 14tägigen Lohne gekürzt. Dagegen ist der Ankauf eines Hauses in den Kolonien diesen nicht gestattet. In den Bergwerksdistrikten hat Krupp seinen Arbeitern die Erwerbung eines Hauses mit Garten- oder Ackerland vielfach erleichtert, dieses erschien aber unmöglich in der dichtbevölkerten nächsten Umgebung von Essen, wo die Wohnungen zur Verfügung der Fabrik erhalten werden müssen, während ein Verkauf wahrscheinlich die Arbeiter verdrängt und fremde Elemente in die Kolonien gebracht haben würde.

Das nächste Erforderniß war ein Krankenhaus. Zu einem solchen gab der Feldzug 1870/71 den Anstoß, da Krupps Patriotismus ihn veranlaßte, auf eigene Kosten ein Lazareth von 100 Betten zu errichten, in dem während des Krieges 356 verwundete und erkrankte Soldaten behandelt wurden. Diese aus 3 Pavillons, einem Verwaltungs- und Oekonomiegebäude und einigen kleineren Gebäuden bestehende Anstalt ward am 1. Mai 1872 der Leitung des Anstaltsarztes als Krankenhaus der Fabrik übergeben. Um einer Epidemie, wie sie nach dem Krieg von 1866 in Gestalt der Cholera die Stadt Essen heimgesucht hatte, begegnen zu können, ward im Sommer 1871 der Bau eines Epidemienhauses auf einem noch wenig angebauten Gelände nordwestlich der Stadt in Angriff genommen und 6 Baracken mit je 4 Krankensälen, Wärter-, Wasch- und Badestube errichtet. Es sollte diese Anstalt erst im Jahre 1882 zur Verwendung kommen, als gelegentlich einer Pocken-Epidemie der städtischen Verwaltung zwei Baracken eingeräumt wurden. Ein zweites Epidemie-Lazareth wurde 1884 südlich der Stadt bei Altendorf erbaut.

Hygienischen Zwecken dient ferner eine 1874 errichtete Badeanstalt, ein gleichzeitig aufgestellter Desinfektionsapparat, sowie die Einsetzung einer Sanitäts-Kommission, welcher unter anderem auch die Führung einer Krankheits- und Sterblichkeitsstatistik obliegt. Hiermit ist eine Organisation des ganzen Betriebes in hygienischer Beziehung verknüpft, welche für Ueberwachung und Pflege des allgemeinen Gesundheitszustandes die erforderliche Garantie bietet. Es tritt hierin ebenso wie in der Administration der großartigen Konsum-Anstalten das organisatorische Talent Alfried Krupps zu Tage, welches an keinem Punkte nur das Erforderliche zu schaffen, sondern auch gleichzeitig dem ganzen, allmählich ins Ungeheure anwachsenden Organismus so einzupassen wußte, daß unter seinem Alles überwachenden Auge doch jeder einzelne Betrieb sich selbständig und ohne einen anderen störend zu beeinflussen, regeln und gesund entwickeln konnte.

Es bleiben noch die Maßnahmen kurz zu erwähnen, die Krupp im Interesse der wissenschaftlichen Ausbildung und Fortbildung für seine Arbeiter für nothwendig erachtete. Als sich die neugebauten Kolonien zu bevölkern begannen, zeigte sich die Nothwendigkeit, für den Unterricht der Jugend zu sorgen, und Krupp gab ihnen eine Volksschule. Sie ist simultanen Charakters und besteht aus je 8 Knaben- und Mädchen-Klassen unter einem Rektor und 19 Lehrern bezw. Lehrerinnen, deren eine Hälfte evangelischer, die andere katholischer Konfession ist. Der Unterricht wird unentgeltlich ertheilt und alle Kosten werden von der Firma getragen. Im Jahre 1876 ward das erste Schulhaus mit 8 Lehrsälen und 4 Zimmern erbaut, im Jahre 1882 zwei weitere Gebäude mit 4 Lehrsälen und 4 Klassenzimmern neben verschiedenen anderen Räumen hinzugefügt. Außer dieser in eigenen Gebrauch genommenen Anstalt wurden aber der Gemeinde Altendorf Schulgebäude mit 20 Schulzimmern für deren Volksschulen beider Konfessionen unentgeltlich zur Verfügung gestellt, im Interesse der in der Gemeinde wohnenden zahlreichen Angestellten der Fabrik, und bei den verschiedenen allmählich von der Firma erworbenen Hütten und Gruben wurde dem Bedürfniß durch Ueberlassung geeigneter Räume, durch Erbauung von Schulhäusern oder durch jährliche Beiträge abgeholfen.

Die Fortbildungsschulen, wie sie in Essen 1860 und in Altendorf 1874 eingerichtet wurden, unterstützte Krupp durch Zuschüsse und legte seinen Lehrlingen die Verpflichtung des Besuches auf. Daß er solche in der Fabrik annahm, und seinen Meistern und Betriebsführern dadurch einen großen Zuwachs an Arbeit verursachte, hat sich nicht weniger für die Gußstahlfabrik durch die Heranziehung tüchtiger Handwerker und Arbeiter in Spezialitäten, als auch in hohem Maaße für die Lehrlinge selbst als nützlich und segensreich erwiesen, denn sie erhalten eine gründliche Fachausbildung, und werden an exakte Arbeit und eine regelmäßige Lebensführung gewöhnt.

Wie für die Ausbildung der heranwachsenden Knaben zu tüchtigen Arbeitern, sorgte der Fabrikherr aber auch für eine sachgemäße Erziehung der Mädchen durch Industrieschulen, welche 1875 in den drei Kolonien für schulpflichtige Kinder mit Unterricht im Stricken, Häkeln und Nähen eingerichtet wurden. Für Frauen und Mädchen über 14 Jahre ward gleichzeitig eine Industrieschule gegründet, welche für Zwecke des Hauswesens und zur Förderung der Erwerbsfähigkeit in allen weiblichen Handarbeiten gegen ein sehr mäßiges Schulgeld (z. B. Kleidermachen, Dreimonatskursus von täglich 3 Stunden für 10 Mark) eine gründliche Ausbildung verschafft.

Schließlich bleibt noch die Gründung eines Lebensversicherungsvereins zu erwähnen, durch welche Alfried Krupp die Wohlfahrtseinrichtungen für seine Beamten und Arbeiter im Jahre 1877 wesentlich ergänzte. Er schloß mit acht Lebensversicherungsgesellschaften Verträge ab, um dadurch besondere Vortheile für seine Angestellten zu erlangen, nahm alle schon bisher mit verschiedenen Gesellschaften geschlossenen Verträge in den neuen Vertrag auf und stiftete dem neuen Verein persönlich ein Grundkapital von 50000 Mark, das er gelegentlich der goldenen Hochzeit des Kaisers Wilhelm I. 1879 durch ein weiteres Geschenk von 6000 Mark vermehrte.

In Folge des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883, welches die Vereinigung von Pensionseinrichtungen mit den Krankenkassen nicht zuläßt, mußte die „Kranken- und Sterbekasse” umgestaltet werden. Es entstand eine Kranken- und eine Pensionskasse mit getrennter Verwaltung am 1. Januar 1885. Krupp begnügte sich aber nicht damit, den nunmehr gesetzlich vorgeschriebenen Forderungen zu genügen; so wie er mit seiner Krankenkasse bereits vor 30 Jahren der gesetzlichen Einführung zuvorgekommen war, übernahm er nun Leistungen für diese, welche über die gesetzlich vorgeschriebenen weit hinaus gehen. So beträgt die Verpflegungsfrist bei Personen, welche über 5 Jahre auf dem Werke in Arbeit sind, 26 Wochen, und neben dem eigenen Krankengeld wird für jedes Kind unter 15 Jahren ohne Verdienst ein Zusatz-Krankengeld von 5 % des Verdienstes gewährt. Auch wurde allmählich das Ziel zu erreichen gestrebt, nicht nur den Mitgliedern sondern auch ihren Familienangehörigen nach Möglichkeit kostenfreie ärztliche Behandlung zu verschaffen und zu all diesen Zwecken außer den jährlichen nach den Mitgliederbeiträgen geregelten Zahlungen Seitens der Firma noch bedeutende Mittel durch Schenkung überwiesen.

Ueberblicken wir dieses ganze wohldurchdachte und weitverzweigte System von Wohlfahrtseinrichtungen, so müssen wir dem Worte des Ministers von Puttkamer beistimmen, welcher bei einem Besuche der Essener Fabrik sie als einen klassischen Boden in sozialistischer Hinsicht bezeichnete. Hier bedurfte es nicht der staatlichen Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Wahrung der Interessen und der Wohlfahrt der letzteren; hier waren die Zwecke des Krankenkassen-, Unfallversicherungs- und Altersversicherungsgesetzes längst erreicht, bevor der gesammten Arbeiterwelt durch kaiserliche Botschaft diese Segnungen sozialpolitischer Maßnahmen verkündigt wurde. Aus dem warmen mitfühlenden Herzen Alfried Krupps heraus waren längst diese Institutionen entstanden und durch ihre für Arbeiter und Fabrik gleich segensreichen Wirkungen der Beweis für ihre Durchführbarkeit erbracht, den Sozialpolitikern die Wege gewiesen, auf denen sie eine Lösung der sozialen Frage anzustreben im Stande seien. Alfried Krupp ist der Bahnbrecher und Führer auf diesem für unsere Zeit so außerordentlich wichtigen Gebiet und er konnte es sein, weil er selbst die ganze Noth des Arbeiters durchgemacht hatte und weil seine hohe Begabung und seine unermüdliche Thatkraft ihm die Mittel in reichem Maße verschafften, um seine humanen und weisen Ideen zum Segen seiner Arbeiter ins Leben zu rufen. Aus eigener Kraft, aus eigener Erfahrung, aus eigenem Bedürfniß und mit selbst erkämpften Mitteln hat er dieses große Werk vollbracht, welches allein genügt, um ihm eine der ersten Stellen unter Deutschlands größten Männern zu sichern.

„Meine Fabrik soll, wie jedes gewerbliche Etablissement, zunächst das äußere Wohlergehen aller ihrer Angehörigen sichern. Bei so gesichertem Erwerb und Frieden in seinem Hause kann Jedermann seines Daseins froh werden.”

Wie himmelweit verschieden lautet dieser sein ausgesprochener und durch sein ganzes Leben bethätigter Grundsatz gegenüber den lediglich auf Geldgewinn gerichteten Spekulationen so vieler Industriellen, welche im Streben, die Konkurrenten durch Preisermäßigungen zu überflügeln, die Produktionskosten herabzudrücken suchen und erst durch Gesetze des Staates dazu gezwungen werden müssen, ihre darbenden Arbeiter wenigstens bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit nicht hilflos im Stich zu lassen. Wie anders würde es in den Industriebezirken unseres Vaterlandes aussehen, wenn Alle dem leuchtenden Beispiele Alfried Krupps folgen und, frei von persönlicher Habgier, vor allem ein Herz für das äußere Wohlergehen ihrer dienenden Mitmenschen beweisen wollten!

Auch Alfried Krupp sollten freilich die Erfahrungen nicht erspart werden, daß das giftige Unkraut des Unfriedens durch staatsfeindliche Elemente unter seinen Arbeitern ausgesäet wurde, aber wir werden sehen, wie machtlos an dem auf dem Fundament echter Humanität errichteten Gebäude der Ansturm abprallte.

Alfried Krupp

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