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Aus der Vergangenheit
2. Die Vorläufer
ОглавлениеDas Ursprungsland der Eisenbahn ist England.
Notwendig mußte jeder große technische Fortschritt in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in dem Inselreich seinen Anfang nehmen. Dort war ein politisch geschlossenes, von unmittelbaren Kriegsschäden gänzlich verschontes Land, in dem sich das gewerbliche Leben zu einer für die damalige Zeit außerordentlichen Blüte entwickeln konnte. Reichtum häufte sich an, und das Verständnis für technische Dinge war weit vorgeschritten. Watt hatte dort seine Dampfmaschine geschaffen, die als erste größere Kräfte zuverlässig zu erzeugen vermochte und von England aus das technische Leben der ganzen Welt umwälzte, ja es eigentlich erst schuf. Der Verkehr war kräftig genug, um jedes neue Fortbewegungsmittel sogleich aufnehmen zu können.
Sehr früh setzten denn auch schon in England die Bemühungen ein, die Kraft des Dampfs, der sich in ortsfesten Maschinen so ausgezeichnet bewährt hatte, zur Fortbewegung von Fahrzeugen anzuwenden.
Die erste Fahrt eines Schiffs mit Dampfantrieb freilich, an die sich dauernde Erfolge auf diesem Gebiet knüpfen, fand in Amerika statt. Am 17. August 1807 fuhr Fulton mit dem „Claremont“ den Hudsonfluß bis Albany hinauf; aber er war ein Mann, der in England seine Ausbildung genossen hatte, und die Schiffsmaschine entstammte der berühmten Fabrik von Watt & Boulton zu Soho bei Birmingham.
Die Entwicklung der Landdampffahrzeuge bis zur fertigen Lokomotive vollzieht sich ganz in England; nur hier und da macht der Werdegang eine unbedeutende Biegung nach Frankreich und Amerika hinüber.
Die ersten Fahrzeuge mit Dampfantrieb gehören ebenso zu den Ahnen des Kraftwagens wie zu denen der Lokomotive. Denn sie waren für das Befahren von Straßen gedacht. Hierdurch war der Dampfwagen gezwungen, eine recht mühselige und kümmerliche Jugendzeit durchzumachen. Er glich einer schönen, entwicklungskräftigen Blume, die in ungünstiges Erdreich gepflanzt ist. Die schwere Ausrüstung eines mit Dampf betriebenen Fahrzeugs ist nicht für die unebene Straße, sondern nur für den glatten Schienenweg geeignet. Das hat man erst nach Jahrzehnten erkannt, als schon eine gewisse Gefahr bestand, daß von der weiteren Durchbildung dieses für die Menschheit so unvergleichlich wichtig gewordenen Hilfswerkzeugs ganz abgesehen würde. Glücklicherweise fand sich noch zur rechten Zeit der kluge Gärtner, der das Pflänzchen in günstige Erde setzte, wo es dann zu herrlicher Blüte gedieh.
Schon der geistvolle Papin, ein geborener Franzose, der aber lange Zeit in Marburg gelebt und gewirkt hat und als Erster eine Dampfmaschine mit Kolben baute, dachte daran, eine solche Maschine außer zum Betrieb ortsfester Pumpen auch zur Fortbewegung eines Wagens zu benutzen. Die im Jahre 1690 zuerst von ihm beschriebene Dampfmaschine war eine sogenannte atmosphärische; denn bei ihr wurde der Dampf nicht unmittelbar zum Antrieb des Kolbens benutzt, sondern er diente nur dazu, durch seine Niederschlagung unter diesem einen luftverdünnten Raum herzustellen, in welchen dann der Druck der Atmosphäre den Kolben niederpreßte. Papin hat in Wirklichkeit ebensowenig einen Dampfwagen gebaut wie der Engländer Savery, der die erste atmosphärische Dampfpumpe schuf und gleichfalls mit Dampf durch die Lande rollen wollte.
Als der Student Robison im Jahre 1759 zu Glasgow die Gedanken des großen James Watt zuerst auf die Dampfmaschine lenkte, machte er ihn auch gleich auf die Möglichkeit aufmerksam, Wagenräder durch die Kraft des Dampfs in Bewegung zu setzen. Doch zunächst war Watt mit der Ausgestaltung der Maschine selbst zu sehr beschäftigt, als daß er auf diesem vorläufig etwas abseits führenden Weg hätte weitergehen können.
Der erste, der wirklich einen Dampfwagen baute, war der französische Artillerieoffizier Nicolas Joseph Cugnot. Im Jahre 1769 hatte er bereits ein kleines Modell fertig. Im Jahre darauf fuhr er mit einem wirklichen Wagen durch die Straßen von Paris. Der Kriegsminister Choiseul nahm lebhaften Anteil an der Erfindung, obgleich der Wagen nur eine Viertelstunde lang ununterbrochen zu laufen vermochte. Alsdann mußte der Kessel von neuem mit Wasser versorgt werden, und man war gezwungen, zu warten, bis sich wieder eine genügende Dampfspannung entwickelt hatte. Über die schneckenartige Geschwindigkeit von vier Kilometern in der Stunde kam Cugnot nicht hinaus.
Dennoch wurde er beauftragt, einen kräftigeren Wagen zu bauen, weil der Kriegsminister hoffte, damit ein besonders brauchbares Mittel zur Beförderung von Geschützen zu erlangen.
Der erste Artillerie-Kraftwagen in der Welt, den Cugnot darauf ins Leben rief, ist bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Es befindet sich als eine der größten Sehenswürdigkeiten in dem Conservatoire des arts et métiers in Paris. Der dreirädrige Wagen besitzt einen Rahmen aus schweren Eichenbalken. Der kochtopfförmige Kessel ist seltsamerweise ganz vorn in einer eisernen Gabel aufgehängt. Der Schornstein der Kesselfeuerung geht durch den Wasserraum hindurch. Die beiden Zylinder sind senkrecht aufgestellt und drehen das Vorderrad mit Hilfe eines Sperradgetriebes, so daß die auf und nieder gehenden Zahnstangen nur in einer Richtung antreibend wirken.
Die Lenkung des Wagens erfolgte durch Drehen der Vorderachse, wobei also der Kessel und die ganze Maschine mitgewendet werden mußten. Nur sehr muskelkräftige Arme vermochten den Wagen zu steuern, und es ist kein Wunder, daß er infolge dieser ungefügen Lenkeinrichtung schon bei seiner ersten Ausfahrt verunglückte. Mit einer Last von 5000 Kilogramm, einschließlich vier Personen, rannte er in der Nähe des Platzes, auf dem heute die Madeleine-Kirche steht, gegen eine Mauer. Hierbei bewies das Fahrzeug eine den heutigen Kraftwagen zweifellos überlegene Dauerhaftigkeit, denn es warf die Mauer um, ohne selbst wesentlichen Schaden zu erleiden. Doch dem Erfinder war durch diesen Vorgang sein Werk verleidet, und er hat weitere Versuche zur Ausbildung des Dampfwagens nicht gemacht.
Doch der Gedanke war nun einmal in die Welt gesetzt und sollte nicht mehr zur Ruhe kommen, bis ihm ungeahnte Erfolge beschieden waren.
Zunächst freilich blieb es bei erfolglosen Versuchen. Evans fuhr mit einem Dampfwagen unter dem Jubel einer großen Menge durch Philadelphia, aber er scheiterte schließlich ebenso wie Read und Symington in England.
Als Watt im Jahre 1784 sein berühmtes Dampfmaschinenpatent nahm, sprach auch er darin sehr deutlich von der Möglichkeit, die Dampfmaschine zum Antrieb von Wagen zu verwenden. Einer der hierauf bezüglichen Sätze heißt: „Meine siebente neue Erfindung bezieht sich auf Dampfmaschinen, die zur Beförderung von Personen, Waren oder anderen Gegenständen von Platz zu Platz verwendet werden sollen; für solche Fälle muß die Maschine selbst beweglich sein.“ An eine Ausführung des Gedankens ging Watt aber auch jetzt nicht. War doch damals seine wichtigste Aufgabe, den englischen Bergwerken, die infolge des immer tiefer eindringenden Abbaus im Wasser zu ertrinken begannen, endlich eine geeignete Antriebsmaschine für ihre Pumpen zur Verfügung zu stellen. Der große Erfinder wollte aber trotzdem jene andere Möglichkeit für die Verwendung der Dampfmaschine fest in seiner Hand behalten und ließ sie sich darum gesetzlich schützen. Das sollte für den zweiten wirklichen Dampfwagenerbauer ein schweres Hindernis werden.
In der großen Fabrik von Watt & Boulton zu Soho war als einer der tüchtigsten Betriebsingenieure W. Murdock beschäftigt. Ihn, der ein ungewöhnlich kräftig gebauter Mann von großer Entschlossenheit war, pflegten die Fabrikherren gern nach solchen Gegenden zu schicken, in denen die aufgestellten Maschinen nicht ganz nach Wunsch laufen wollten. Die Dampfmaschinen hatten ja damals noch viele Kinderkrankheiten zu überwinden und erregten jedesmal den höchsten Grimm der Bergarbeiter, wenn sie infolge Versagens die Grube ersaufen ließen. Der Abgesandte der Fabrik wurde von den Bergleuten meistens mit Hohn und Spott empfangen, und nur dem „eisernen Murdock“, wie man ihn gern nannte, gelang es, sie sich rasch vom Hals zu halten, indem er den stärksten zum Boxkampf forderte und meist rasch niederwarf.
Längere Zeit war Murdock als Aufsichtsbeamter in dem Bezirk von Cornwall tätig. Es ist dies jene Halbinsel, die im äußersten Südwesten von England weit in den Atlantischen Ozean vorspringt. In diesem eigenartigen Land sollte die Entwicklung des Dampfwagens ihre wichtigen nächsten Abschnitte durchmachen.
In der freien Zeit, die Murdock während seiner Tätigkeit an den Bergwerkspumpen fand, beschäftigte er sich damit, kleine Modelle von Dampfwagen zu bauen. Er hatte den Mut, hierbei die Dampfspannung im Kessel höher zu steigern, als das bisher üblich gewesen war. Die ersten von ihm gebauten Hochdruckdampfwagen führten denn auch wegen der größeren Energie, die zur Verfügung stand, sofort zu einem guten Erfolg. Das erste von Murdock 1786 in Redruth gebaute Wägelchen war etwa einen Fuß hoch. Als der Mitbesitzer der Fabrik in Soho, Boulton, einmal in Cornwall weilte, sah er das Maschinchen und war ganz entzückt von seinem Arbeiten. In einem Brief teilte er Watt mit, daß die kleine Maschine ganz vortrefflich im Zimmer herumlaufe und Kohlenschaufel, Feuerzange sowie Schüreisen mit sich herumtrage.
Bald reizte es Murdock auch, seine Maschine auf der Straße zu erproben. Hierbei ereignete sich ein heiterer Zwischenfall. Nachdem die Spirituslampe unter dem kleinen Kessel entzündet war, setzte sich der Wagen in Bewegung und lief so schnell davon, daß der Erfinder ihn nicht mehr einholen konnte. Plötzlich drangen laute Hilferufe an sein Ohr. Als Murdock hinzueilte, sah er den Ortsgeistlichen vor Schrecken gelähmt am Wegrand stehen. Er hatte das feurige, zischende Ungeheuer von nie gesehener Art, das ihm auf seinem Weg nach der Stadt entgegengekommen war, für den leibhaftigen Teufel gehalten und war vor Entsetzen fast gestorben.
Murdocks Tüchtigkeit und Tatkraft hätten ihn gewiß dazu befähigt, den Bau des Dampfwagens bedeutend zu fördern. Aber gerade als er an die Ausführung eines größeren Fahrzeugs gehen wollte, teilte man ihm aus der Fabrik zu Soho, gestützt auf die Patentrechte, mit, daß man dort eine solche Beschäftigung des für andere Zwecke angestellten Beamten nicht gern sähe. Murdock gehorchte sofort und nahm von weiteren Versuchen Abstand.
Doch das Samenkorn, das er ausgestreut hatte, war nicht auf steinigen Boden gefallen. Denn in Cornwall lebte einer, der gleichfalls Murdocks Versuche mit angesehen hatte, aber mit ganz anderen Augen als der Geistliche von Redruth.
Um die Art des Manns verstehen zu können, der Murdocks Pläne mit so bedeutendem Erfolg fortgesetzt hat, muß man sein Geburtsland und den Volksstamm näher kennen, dem er entstammte.
„Cornwall ist“, so schreibt Max von Weber in seinem Buch „Aus der Welt der Arbeit“, „ein ernstes, in den Ozean hinausragendes Land, von einer rauhen Gebirgskette durchsetzt, über deren kantige Gipfel und schroffe Täler das Meer, von drei Himmelsgegenden her, unablässig seine Winde und Regenwolken jagt, dessen Ebenen nur spärlich das Gold der Ährenfelder und das Silber der Blütenbäume zeigen.
„Aber seit mehreren Jahrtausenden holt ein Geschlecht von keltischen Bewohnern, das seit den Tagen Cäsars nur wenig seine Physiognomie geändert hat, aus diesem unwirtlichen Gebirge unermeßliche Schätze der, nächst dem Eisen, nützlichsten Metalle, Zinn und Kupfer, deren Fülle seinerzeit hinreichte, Richard von Cornwall den römischen Kaisertitel zu erhandeln und der ganzen Inselgruppe Großbritanniens den Namen der Zinninseln gewann.
„Der Kampf mit den Gewalten des Meeres an den langen, schroffen Ufern der Halbinsel, die schwere, gefahrvolle Arbeit in den Metallgruben, der Verkehr in rauhem Gebirg und Land erziehen in den Männern Cornwalls ein knorriges, festes Geschlecht von innerlicher, starker Arbeit, von unablässigem, energischen Angriff wohlüberlegten Vorhabens, von eisernem Willen und kräftiger Faust.
„Aber diesen realen, erzenen Naturen ist in sonderbarer Mischung ein phantastisches Element beigesellt.
„Uralte druidische Traditionen, lebendig erhalten durch die wunderlich riesigen Steingebilde zahlreicher Stonehenges und Dolmen, verbunden mit der Einwirkung des gespenstischen Wirkens in der gestaltenreichen Welt der Seenebel und Sturmwolken, des Gnomenmärchengetriebes in der unheimlichen Tiefe der Erzgruben, gesellten der derben Natur des ‚Cornishman‘ ein vages Wähnen und dunklen Impulsen Nachgeben, das sein ernstes und tüchtiges Wirken oft in folgeloser Weise von abenteuernden Ideen und Handlungen kreuzen ließ.“
Aus diesem Volk ging Richard Trevithick hervor, den man mit Weber den Ahnen der Lokomotiverfindung nennen muß, wenn man Georg Stephenson als deren Vater bezeichnet. Trevithick hat alle Höhen und alle Tiefen des Menschenlebens durchgemacht. Er pflegte lange Zeit mit größter Hartnäckigkeit bei der Durchführung eines einmal gefaßten Gedankens zu beharren, um ihn dann plötzlich, fast grundlos, wieder fahren zu lassen. Er war ein echter „Cornishman“.
Dieser ausgezeichnete, aber heute selbst in technischen Kreisen wenig bekannte Mann wurde am 13. April 1771 in einem Dorf des Kirchspiels Illogan inmitten des Bergwerkbezirks von Cornwall geboren. Sein Vater war Zahlmeister bei einer Zinn- und Kupfermine.
Wie viele Männer, die später Bedeutendes geleistet haben, hatte der junge Trevithick in der Schule keine großen Erfolge aufzuweisen. Der Lehrer in dem benachbarten Camborne bestätigte ihm, daß er ein ungehorsamer, schmutziger und unaufmerksamer Bube sei. Doch seine Fähigkeit im Rechnen blieb schon damals nicht unbemerkt.
Lieber als in die Schule ging der Knabe hinauf zu dem Hügel von Castle Carn Brea, wo zwei riesige Dampfpumpen von Watt & Boulton aufgestellt waren. Die hin und her schwingenden mächtigen Balanziers, die sausenden Schwungräder übten auf ihn eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Er trieb schon seine ersten Jugendspiele im Schatten der Maschinen, deren Poltern und Zischen ihn sein ganzes Leben hindurch begleiten sollten.
Der alte Murdock faßte rasch eine Zuneigung zu dem Knaben und zeigte ihm seine niedlichen Dampfwagenmodelle. Als Trevithick neunzehn Jahre alt war, trat er als Lehrling Murdock zur Seite. Dieser hatte ein solches Vertrauen zu dem jungen Mann, daß er ihm bald das schwierige Geschäft der Aufstellung großer neuer Maschinen übertrug. Trevithick lohnte dieses Vertrauen glänzend, indem die von ihm hergerichteten Maschinen bald am allerbesten in ganz Cornwall liefen.
Im Jahre 1791 war Trevithick bereits Ingenieur der Dingdong-Gruben. Er hatte die Wichtigkeit des hochgepreßten Dampfs erkannt und baute bald selbständig Pumpen, deren Dampfkessel weit höhere Spannungen aufwiesen, als Watt sie jemals zu verwenden gewagt hatte. Das war wichtig für den künftigen Bau von fahrenden Dampfmaschinen; denn diese, deren Kessel klein sein müssen, hätten mit Niederdruck niemals genügend Energie hergeben können.
Als die Hochdruckpumpen sich bewährt hatten, dachte Trevithick bald daran, die Versuche Murdocks fortzusetzen. Auch er stellte zunächst ein kleines Wagen-Modell her, dessen Kesselwasser durch Einlegen von glühenden Bolzen, also durch eine Art rauchloser Feuerung, zum Sieden gebracht wurde. Mit großer Freude sah er, wie sein Maschinchen Spazierfahrten im Zimmer machte. Aber unabhängiger als Murdock und wohl auch mit mehr Phantasie begabt als dieser bloße Gehilfe eines Größeren, beschloß er sofort, einen Versuch im großen mit dem neuen Gefährt zu versuchen.
Es schien ihm seltsamerweise jedoch zweifelhaft, ob die Reibung von glatten Rädern auf der Straße stark genug sein würde, um einen Dampfwagen auch Steigungen überwinden zu lassen. Als gescheiter Mann stellte er einen Versuch an Ort und Stelle an. Er lieh sich eine Postchaise, spannte vor einem Hügel die Pferde aus und drehte zusammen mit seinem Freund Gilbert die Räder, indem beide in die Speichen griffen. Der Wagen rollte vorwärts, und damit war die genügende Stärke der Anhaftung erwiesen.
Nun ging es sogleich an die Erbauung der ersten Dampfkutsche. Da es eigentliche Maschinenbauanstalten damals noch nicht gab, entstand sie mühselig in einer Schmiede. Lustig fuhr der Erfinder am Tag vor Weihnachten des Jahres 1801 mit dem neuen Gefährt durch die Straßen von Camborne und lud jeden Vorübergehenden ein, mitzufahren. Bald saßen zehn bis zwölf Personen in dem fauchenden Wagen und fuhren mit diesem hügelan. Einem vermögenden Vetter Richard Trevithicks, Andreas Vivian, gefielen die Versuche so gut, daß er sich mit Trevithick verband. Der Abschluß des Teilnehmervertrags fand gleich beim Christmahl statt. Beide Männer beantragten und erhielten nun ein Patent auf den Bau von Hochdruckdampfmaschinen und deren Anwendung für Wagen. Doch rasch machte ein unglücklicher Zufall, der so oft im Leben Trevithicks eine Rolle gespielt hat, dem Dasein der ersten Dampfkutsche ein Ende. Sie verbrannte eines Tags, als der Erfinder gerade beim Mittagsmahl saß.
Rasch entstand nach dem ersten ein zweiter Dampfwagen, den unser darstellt. Er wurde glücklich auf den eigenen Rädern bis nach London gesteuert und erregte, als er durch die Straßen der Hauptstadt fuhr, ungeheures Aufsehen.
Der Kessel mit dem wagerecht hineingebauten Zylinder lag zwischen zwei Rädern, die fast 21⁄2 Meter hoch waren und sich infolge ihrer Größe zum Fahren auf den schlechten Straßen besonders gut eigneten. Die Achse der hinteren Treibräder wurde von der Kolbenstange durch eine Kurbel und zwei Zahnräder angetrieben. Der Wagen konnte zehn Personen fassen und soll zuzeiten eine Geschwindigkeit von sechzehn Kilometern in der Stunde erreicht haben.
Sehr beachtenswert ist, daß Trevithick schon bei diesem Wagen vier noch für den heutigen Lokomotivbau wichtige Einrichtungen angewendet hat. Er arbeitete mit Hochdruck; der Kessel hatte eine zylindrische Form, die zum Widerstand gegen den hochgespannten Dampf am besten geeignet ist; in den Kessel war ein Flammrohr, das heißt eine von der Feuerung aus durch den ganzen Wasserraum laufende Röhre eingebaut, in der die heißen Abgase der auf dem Rost brennenden Flamme weiter zur Erhitzung des Wassers beitragen konnten; und endlich ließ der Erbauer den aus dem Kessel tretenden Dampf nicht unmittelbar ins Freie puffen, sondern führte ihn durch den Schornstein hinaus. Es ist dies die erste Anwendung des Blasrohrs, das bis zum heutigen Tag außerordentlich viel zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei Lokomotiven beiträgt. Der im Schornstein mit großer Geschwindigkeit aus dem Auspuffrohr tretende Dampf reißt die Luftsäule im Schlot mit sich; dadurch entsteht ein Unterdruck, und die äußere Luft muß nachströmen. Sie findet aber keinen anderen Zugang als nur den durch den Rost und die Feuerung hindurch, die sie lebhaft anfacht. Durch das Blasrohr kann die Lokomotivfeuerung auch dann Zug bekommen, wenn die Maschine stillsteht und demzufolge kein Wind durch den Aschkasten eintritt. Je kräftiger die Maschine arbeitet, desto lebhafter wird auch das Feuer angefacht. So entsteht eine immer der Leistung angepaßte Anfachung des Kesselfeuers.
Es ist nicht sicher, ob Trevithick das Blasrohr sogleich unter voller Erkenntnis seiner Wirksamkeit einbaute. Wahrscheinlich hatte er nur die Absicht, den Auspuffdampf hoch über den Köpfen der auf den Straßen Vorübergehenden fortzuführen. Später aber hat Trevithick das Blasrohr wohl absichtlich zur Anwendung gebracht, und es ist darum eigenartig, daß auch dieser Gedanke des Erfinders, wie manch anderer noch viel wichtigere, später vergessen ward. Séguin baute noch in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Lokomotive, der ein besonderer Gebläsewagen zur Erzeugung des Luftzugs für die Feuerung beigegeben war, und selbst noch in der Blütezeit von Stephensons Wirken wurden ähnliche Versuche gemacht.
Die bedeutendsten Männer Londons bewunderten den Dampfwagen, welchen der große Physiker Humphrey Davy „Kapitän Trevithicks Drachen“ nannte. Doch all das Staunen brachte dem Erfinder keinen Gewinn. Er verkaufte schließlich die Antriebsmaschine des Wagens an ein Walzwerk und hat nie wieder den Versuch gemacht, ein Kraftfahrzeug für die gewöhnliche Straße zu schaffen. Die Entwicklung dieser Gefährte ist jedoch später fortgeführt worden, und bevor die Eisenbahn alles andere verdrängte, gab es in England einen Dampfwagenverkehr auf den Landstraßen.
Wir gelangen nun zu dem kulturgeschichtlich unvergleichlich wichtigen Zeitpunkt, an dem Trevithick erkannte, daß das Schienengleis die rechte Bahn für seine fahrenden Maschinen sei. Der Anlaß, der ihn zu einem ersten Versuch trieb, war lächerlich genug: eine Wette.
Bei seinen vielen Reisen, die er zur Einführung der von ihm erfundenen Hochdruck-Dampfmaschine machte, kam Trevithick im Jahre 1804 auch nach Penydarran in Süd-Wales. In dieser Gegend bestand damals schon ein ziemlich bedeutender Schienenweg, der von dem Eisenwerk Merthyr Tydvil nach Cardiff führte und von Wagen mit Pferdezug befahren wurde. Bei einer Unterhaltung mit dem Grubenbesitzer Hill stellte Trevithick die Behauptung auf, daß ein auf die Schienen gestellter Dampfwagen eine Last von 10 000 Kilogramm würde befördern können. Das schien Hill, der wohl in der Hauptsache nur das Arbeiten von Niederdruckmaschinen gesehen hatte, ganz unglaublich. Er wettete gegen Trevithick um 500 Pfund Sterling, das sind 10 000 Mark. Der mit Glücksgütern nicht allzu reich gesegnete Erfinder fand durch diese Summe Anregung genug, sofort einen Dampfwagen für die Schiene zu bauen. Seiner großen Erfahrung gelang die Ausführung vortrefflich. Wie er selbst in einem Brief schreibt, rannte die Maschine „mit großer Geschwindigkeit hügelauf, hügelab und war leicht zu führen“.
Dieser Brief Trevithicks vom 15. Februar 1804 ist die erste Mitteilung über eine Lokomotivfahrt, die wir besitzen. Er spricht freilich von einem „tram waggon“, denn das Wort Lokomotive selbst ist erst sehr viel später eingeführt worden, wie im Abschnitt 14 näher dargelegt werden wird.
Bei diesem tram waggon finden wir, so ungefüge und seltsam er unseren heutigen Augen auch erscheinen mag, doch noch eine weitere, bis heute ausschlaggebend gebliebene Bauanordnung der Lokomotive verwendet. Es wird nämlich von der Maschine, die mit Hilfe von langen Geradführungsstangen eine Kurbel mit daran befestigtem Zahnrad antreibt, nicht mehr nur Eine Achse gedreht, sondern beide Achsen haben zwangläufigen Antrieb. Dies ist der Ursprung der gekuppelten Lokomotivachsen, die das nutzbare Reibungsgewicht auf den Schienen so bedeutend erhöhen. Freilich haben sich Zahnräder für diese Zwecke nicht bewährt. Die Achsenkupplung ist denn auch bald wieder verlassen worden, bis Stephenson, wie wir später hören werden, hierfür, wie für so vieles andere, die richtige Anordnung fand.
Bei dieser Lokomotive glaubte Trevithick noch ein Schwungrad zur Erzielung gleichmäßiger Bewegung notwendig zu haben. Steuerung und Schornstein lagen beide nebeneinander an der Vorderseite des Kessels, in den der Zylinder wiederum, wie damals allgemein üblich, zur besseren Warmhaltung der Wände hineingebaut war.
Die Maschine leistete weit mehr, als zum Gewinn der Wette notwendig war. Sie zog einen Zug von fünf Wagen, der mit 10 000 Kilogramm Eisen und siebzig Menschen beladen war, über die sechzehn Kilometer lange Bahn. Die Gesamtlast, die an der Lokomotive hing, betrug 25 400 Kilogramm. Mit dieser legte die Maschine die Strecke in vier Stunden fünf Minuten zurück. Der ungläubige Hill machte die Fahrt mit und mußte seine Wette verloren geben. Er versuchte zwar noch verschiedene Einwendungen, um Trevithick das Geld vorzuenthalten, dieser scheint es aber schließlich doch bekommen zu haben.
Inzwischen war man in Soho ziemlich außer sich. Watt sah seine Alleinherrschaft im Dampfmaschinenbau gefährdet. Er tat alles, um ein gesetzliches Verbot der Trevithickschen Arbeiten zu erreichen, indem er erklärte, der Mann aus Cornwall verdiene gehängt zu werden, weil er so hohe Dampfspannungen anzuwenden wage, daß ein Unglück unausbleiblich sei. Nur mit Mühe gelang es Trevithicks Freunden, ein Einschreiten der Behörden zu verhüten.
Trevithick selbst war mit dem Erfolg seiner Lokomotive sehr zufrieden. Er beschloß, ganz nach Penydarran überzusiedeln und sich der weiteren Durchbildung des Dampfwagens für Schienengeleise zu widmen. Hätte er nun nicht wiederum Unglück gehabt, so wäre es ihm wahrscheinlich zwei Jahrzehnte vor Stephenson gelungen, den Grundstein für die Lokomotiveisenbahn zu legen. Aber es war nun einmal sein Schicksal, daß dem Sonnenschein stets sogleich finsteres Gewölk folgen mußte.
Trevithicks neue Lokomotive war gut, aber das Gleis war ihr nicht ebenbürtig. Nachdem die Maschine einige Zeit auf den gußeisernen Schienen gefahren war, begannen diese unter dem Gewicht des Fahrzeugs zu brechen. Das „Meaning Journal“ brachte, nach Steiner, damals die folgende Mitteilung eines Augenzeugen über Trevithicks Lokomotive: „Sie war bestimmt, Eisen von den Hochöfen nach der alten Schmiede zu bringen, und arbeitete sehr gut. Wahrscheinlich infolge ihres Gewichts zerbrach sie die Schienen unter sich und fiel zwischen die Schwellen. Nachdem sie einige Zeit auf dem Gleis gearbeitet hatte, sollte sie eine Ladung Eisen von Penydarran hinunterbringen. An diesem Tag aber brachen viele Schienen, und die Maschine lief, ehe sie das Ziel erreichte, aus dem Gleis. Sie mußte mit Pferden nach Penydarran zurückgebracht werden und wurde von da an nicht mehr als Lokomotive gebraucht.“ Nur fünf Monate lang war sie gefahren. Nun wurde sie zu einer ortsfesten Betriebsmaschine umgewandelt, als welche sie noch jahrzehntelang der Grube gedient hat.
Doch ganz hatte Trevithick trotzdem den Mut nicht verloren. Auf Anregung Blacketts, des Besitzers der Wylam-Gruben, der die Versuche in Penydarran gesehen hatte, baute er eine neue Lokomotive. Da aber der Schienenweg von Wylam nur aus hölzernen Balken bestand, so hat er vermutlich die Maschine, gewarnt durch seine Erfahrungen, möglichst leicht gemacht. Auf diese Weise aber konnte sie nichts Rechtes leisten, da ja die Zugkraft jeder Lokomotive von ihrem Gewicht und der daraus folgenden Stärke der Anhaftung auf den Schienen abhängig ist. Trevithick trug denn auch in Wylam keinen irgendwie nennenswerten Erfolg davon. Dennoch ist seine dortige Tätigkeit wichtig, denn die Kohlenbahn von Wylam ging an Georg Stephensons armseligem Geburtshaus in dem gleichnamigen Ort vorüber, und dieser dürfte so infolge Trevithicks Tätigkeit zum erstenmal eine Lokomotive gesehen haben. Auch zwei andere Männer, deren Arbeiten für die Entwicklung des Dampfwagens auf den Schienen wichtig gewesen sind, Blenkinsop und Hedley, haben hier zweifellos Anregung erfahren.
Noch einmal versuchte Trevithick seine Erfindung durchzusetzen. Er wollte durch eine besondere Veranstaltung zeigen, wie vortrefflich der Dampfwagen zu fahren vermöge, wenn er auf Schienen gesetzt ist. Darum ging er 1808 noch einmal nach London und zwar mit einer neuen, wiederum verbesserten Lokomotive, der seine Schwester den stolzen Namen „Catch me who can“ („Fang’ mich, wer kann“) beigelegt hatte. In der Tat soll diese Lokomotive eine für die damalige Zeit ganz außerordentliche Geschwindigkeit erreicht haben, nämlich 30 Kilometer in der Stunde.
Die Maschine sollte in London keinem wirklichen Betrieb dienen, sondern sie war als ein Schaustück gedacht. Trevithick mietete in der Nähe des Euston Square einen weiten, unbebauten Platz, auf dem seltsamerweise später der Endbahnhof einer der bedeutendsten Eisenbahnstrecken Englands, der Nordwestbahn, errichtet wurde. Dort wurde eine kreisförmige Gleisbahn von 60 Metern Durchmesser angelegt und der ganze Platz mit einem hohen Zaun umgeben. Der Eintritt kostete einen Schilling, wofür man zugleich das Recht erwarb, in dem einen Wagen, den die Lokomotive hinter sich zog, mitzufahren. Aber hierzu hatten nur wenige den Mut. Überhaupt zog die Vorführung nicht so viel Zuschauer an, wie Trevithick erhofft hatte, und eines Tags, als die Lokomotive wieder einmal die Schienen zerbrochen hatte und ganz aus dem Gleis geraten war, sperrte er den Eingang zu, verkaufte die Maschine an einen Messerschmied und schloß damit auch seine Wirksamkeit für die Entwicklung der Lokomotive auf immer ab.
Nicht ohne Schmerz sieht man einen eifrig Strebenden hier in der Blüte seines Schaffens gebrochen. Aber Trevithick besaß eben nicht nur Kraft, sondern gleichzeitig einen allzu lebhaft umherschweifenden Geist. Er beschäftigte sich zur selben Zeit mit vielen Gegenständen, suchte Patente nach für Dampfkräne, Schwimmdocks, Wassersäulenmaschinen, Masten aus Eisenblech und vieles andere. So konnte das einzelne nicht zur vollen Reife gelangen.
Bald nachdem er der Lokomotive entsagt hatte, ließ Trevithick sich verlocken, eine Arbeit von außerordentlicher Größe in Angriff zu nehmen, für welche die damaligen technischen Mittel zweifellos noch nicht ausreichend waren. Er begann eine Untertunnelung der Themse. Aber mehrere Male brach das Wasser des Flusses in den Bau ein, und schließlich wurde dieser ganz überschwemmt. Nach fünfmonatlicher Arbeit mußte der Versuch aufgegeben werden. Erst ein Vierteljahrhundert später wurde der Rotherhithe-Tunnel unter der Themse durch Isambart Brunel fertiggestellt.
Von neuem brachte bald darauf ein Zufall Trevithick zu einer Stellung voll Ruhm und hohen Ehren.
In Peru begannen damals die Silber- und Goldbergwerke, ebenso wie einst die Kohlengruben in England, bei tieferem Absenken der Schächte unter dem eindringenden Wasser zu leiden. Gewöhnliche Wattsche Dampfmaschinen vermochten hier keine Abhilfe zu schaffen, da deren allzu schwere Teile nicht bis in die fast unzugänglichen Gebirgsgegenden gebracht werden konnten. Ein Schweizer, namens Charles Urville, wurde nach England gesandt, um sich dort umzusehen, ob es nicht irgendeine Maschinenbauart gäbe, die aus der Not zu retten vermöchte. Der Abgesandte war schon im Begriff, unverrichteter Sache wieder abzureisen, als er in dem Schaufenster eines Maschinenhändlers in London zufällig eine der kleinen, kräftigen Hochdruckmaschinen Trevithicks sah. Sofort bestellte er eine Anzahl von ihnen, und einige Zeit darauf erging aus Peru ein Ruf an Trevithick, selbst dorthin zu kommen, um die Maschinen in Tätigkeit zu setzen. Als sein Schiff im Februar 1817 in Callao einlief, wurde er mit königlichen Ehren empfangen. Ein Einkommen von 100 000 Pfund Sterling jährlich wurde ihm zugesichert, und es sollte eine Bildsäule von ihm, als dem Retter des Lands, in Silber aufgerichtet werden.
Doch nur allzu rasch ward Trevithicks Lebenssonne abermals verfinstert. Ein Krieg brach aus, durch den die Spanier aus Peru vertrieben werden sollten. Trevithick, der den eindringenden Truppen Unterstützung geliehen hatte, geriet in die größte Gefahr, von den spanischen Soldaten, als sie die Bergwerksgegend besetzten, gefangengenommen und ermordet zu werden. Nur eilige Flucht konnte ihn retten. Kein anderer Weg blieb übrig, als sich zu Fuß durch das Innere Südamerikas nach Panama durchzuschlagen. Nur in Begleitung eines treuen Manns begann Trevithick das Wagnis, und es gelang ihm nach unendlichen Gefahren wirklich, den Hafen von Cartagena am Golf von Darien zu erreichen. Zwei silberne Sporen waren sein ganzer Besitz, als er dort eintraf.
Zur gleichen Zeit mit Trevithick langte ein anderer Engländer in Cartagena an. Es war Robert Stephenson, der Sohn Georgs, der mit nicht geringer Verwunderung in dem abenteuernden, von allen Mitteln entblößten Mann den viel verehrten Trevithick erkannte.
Sofort nahm der junge Stephenson sich seines Landsmanns an und ließ ihn auf seinem Schiff mitfahren. Doch als ob der Unglücksfälle noch nicht genug gewesen wären, scheiterte das Fahrzeug an der Südspitze von Florida; nur mit Mühe retteten die Reisenden das nackte Leben. Wie Trevithick das ihm bestimmte Schicksal beurteilte, zeigt am besten sein auf dieses Begebnis bezüglicher Ausspruch: „Wäre ich nicht an Bord von Stephensons Schiff gewesen, wäre es nicht gescheitert, und wäre er nicht mit mir an Bord gewesen, so wäre ich ertrunken.“
Ende des Jahres 1827 war Trevithick wieder in England. Arm und elend kam er dort an: ein gebrochener Mann. Als das große Ereignis der Lokomotivwettfahrt zu Rainhill stattfand, war er noch am Leben. Doch zeigte er in keiner Weise mehr eine Teilnahme. 1833 starb Trevithick in einem kleinen Gasthof, und er wäre im Armensarg begraben worden, wenn nicht die Werkstattbesitzer und Arbeiter der Umgegend sich seines einst großen Namens erinnert und für ihn gesammelt hätten.
Das mißgünstige Schicksal, welches über Trevithicks Schaffen sein ganzes Leben hindurch geschwebt hatte, beeinträchtigte auch die Wirkung seiner Arbeiten auf die Zeitgenossen so sehr, daß sie bald gar nicht mehr beachtet wurden.
Die Vergessenheit, der die wichtige Wirkung des Blasrohrs schnell anheimfiel, wurde schon erwähnt. Aber viel schlimmer war, daß man auch bald von den Leistungen der Lokomotive auf glatten Schienen nichts mehr wußte. Schon wenige Jahre, nachdem Trevithick in London den Eingang zu seiner Rundbahn verschlossen hatte, glaubte man allgemein, daß die Anhaftung der Räder auf den Schienen allein nicht genüge, um die Lokomotive zum Ziehen schwerer Lasten zu befähigen.
Dieser sehr merkwürdige Rückschlag, welcher die Entwicklung der Eisenbahn jahrelang aufgehalten hat, ist vielleicht dadurch zu erklären, daß die letzten Lokomotiven Trevithicks aus Furcht vor der geringen Haltbarkeit der Schienen zu leicht gewesen waren, um einen genügenden Anhaftungsdruck auszuüben. So war es auch hier der unglückliche Mann wiederum selbst, der sein Lebenswerk beeinträchtigte.
Im Jahre 1811 baute Blenkinsop eine Bahn zwischen Leeds und Middleton, bei der er eine Zahnstange neben die Fahrschienen legte. Von den Kolbenstangen der beiden in den Kessel eingebauten Zylinder aus wurde durch zwei Schubstangen eine unter dem Kessel liegende Kurbelwelle gedreht, auf die ein großes Zahnrad gesetzt war. Dieses griff in die seitlich verlegte Zahnstange ein und zog so die Maschine vorwärts, während die anderen Räder nur zum Tragen dienten. Die Maschine ist lange Zeit in Betrieb gewesen.
Im folgenden Jahr führten die Brüder Chapman eine Anlage aus, bei der eine Kette zwischen die Schienen gelegt war. Sie wurde über eine Windetrommel an der Lokomotive geführt und bildete so eine Zugvorrichtung, wie sie noch heute in gleicher Weise bei der Kettenschiffahrt auf Binnenwasserstraßen angewendet wird.
Ganz besonders seltsam war der Behelf, auf den Thomas Brunton verfiel. Seine Lokomotive besaß zwei lange, hinter dem Kessel angebrachte Hebelstangen mit Platten, die bis auf den Boden reichten. Durch mehrere Gelenke konnten diese Hebelstangen gerade so wie Beine bewegt werden, und sie hatten tatsächlich die Aufgabe, auf dem Boden zu schreiten und die Maschine auf diese Weise vorwärts zu drücken. Als „fußbewegende Maschine“ erlangte dieses seltsame Gebilde seinerzeit eine große Berühmtheit. Selbstverständlich konnte diese „Rückkehr zur Natur“ nicht von dauernder Wirkung sein.
Auch nach Deutschland griff die eigenartige Verirrung hinüber.
Man glaubt größtenteils, daß die erste Lokomotive, die in Deutschland gefahren ist, jene „Der Adler“ genannte Maschine gewesen sei, die im Jahre 1835 den ersten Eisenbahnzug von Nürnberg nach Fürth zog. Aber das ist ein Irrtum. Denn schon 1816 ist eine Lokomotive in Deutschland gelaufen. Sie war kein englisches, sondern ein deutsches Erzeugnis, ein Berliner Kind. Von ihrer englischen Kameradin, die 22 Jahre lang in Betrieb war, unterschied sie sich freilich in beträchtlichem Maß dadurch, daß sie niemals einen Zug in Bewegung gesetzt hat. Bald nach den ersten Versuchen mit Dampflokomotiven auf Eisenbahngeleisen, die sehr lebhaftes Aufsehen erregten, sandte die preußische Bergbauverwaltung zwei Beamte, Eckardt und den Inspektor der Berliner Eisengießerei Friedrich Krigar nach England, wo sie die Anwendung der Dampfkraft für den Verkehr sich anschauen sollten. Sie führten ihren Auftrag so gründlich aus, daß Krigar nach seiner Rückkehr mit dem Bau einer Lokomotive beauftragt werden konnte, die auf der Königshütte in Oberschlesien zum Kohlenschleppen verwendet werden sollte.
Anfang Juni 1816 war das technische Wundertier fertig und begann in Berlin Probe- und Schaufahrten. Nach Angabe von Feldhaus meldeten die „Berliner Nachrichten“ vom 16. Juni, daß der „Dampfwagen“ täglich vormittags von 9 bis 12 Uhr und nachmittags von 3 bis 8 Uhr gegen Eintrittsgeld von vier Groschen vorgeführt würde. Am 9. Juli berichtete die „Vossische Zeitung“: „In der Eisengießerei ist auch seit einiger Zeit der neu erfundene Dampfwagen zu sehen, der sich in eigenem Geleise ohne Pferde und mit eigener Kraft dergestalt fortbewegt, daß er eine angehängte Last von 50 Zentnern zu ziehen imstande ist.“ Die Fahrten geschahen hier auf einer Rundbahn, und man kann sich wohl denken, welch ein Erstaunen das fauchende und feuerspeiende Gebilde bei den Berlinern hervorgerufen hat.
Es waren die einzigen glorreichen Tage dieser ersten deutschen Lokomotive. Denn als sie in Schlesien anlangte, stellte sich heraus, daß die Spurweite der Räder nicht zu den Geleisen in der Königshütte paßte. Man konnte die Maschine also nicht in Betrieb nehmen. Alsbald ist sie verschollen. Niemals konnte festgestellt werden, ob sie vielleicht irgendwo in einem rußigen Winkel als ortsfeste Maschine ein trübseliges Dasein gefristet hat.
Infolge des eigenen Unsterns, der über dieser Lokomotive schwebte, wäre uns auch beinahe jede Kunde über ihre äußere Gestalt verloren gegangen. Denn in dem politisch so unruhigen Jahr 1848 machten die Arbeiter einen Angriff auf die Königliche Eisengießerei. Ein Teil der Gebäude ging in Flammen auf, und dabei verbrannten fast alle Zeichnungen zu der denkwürdigen Lokomotive. Was erhalten blieb, würde ganz ungenügend sein, um uns ein Bild von der Maschine zu geben, wenn nicht die Eisengießerei die schöne Sitte gehabt hätte, am Neujahrstag höchst eigenartige und sehr haltbare Glückwunschkarten auszugeben. Diese waren aus Eisen sehr sauber gegossen und zeigten in erhabener Arbeit die Bilder der wichtigsten Erzeugnisse aus dem abgelaufenen Jahr. Auf der Gußkarte von 1816 hat ganz links unten unsere kurzlebige Lokomotive eine dauerhafte Wiedergabe gefunden. Man sieht deutlich das zwischen den Laufrädern angebrachte Zahnrad. Die Ähnlichkeit mit Blenkinsops Maschine ist sehr groß.
In England aber begann man schon im Jahre 1813 zur glatten Schiene zurückzukehren. Hedley hatte sich durch eigene Versuche von neuem von der genügenden Kraft der Anhaftung überzeugt. Seine Lokomotive „Puffing Billy“, die im gleichen Jahr in Betrieb kam, ist wieder frei von allem ziehenden oder schiebenden Beiwerk. Trotz der höchst verwickelten Antriebseinrichtung, die sie mit ihren Balanziers und Zahnradvorgelegen besitzt, bedeutet sie doch einen wichtigen Fortschritt in der Entwicklung der Eisenbahn. Auch sie besaß ein im Kessel hin und zurück gehendes Flammrohr; es liegen also auch bei ihr Schornstein und Feuerung auf derselben Seite. Die Maschine ist bis zum Jahre 1862 in Betrieb gewesen und wurde dann im Kensington-Museum in London aufgestellt, wo sie heute noch zu sehen ist.
1906 ließ der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen in der Zentralwerkstätte der bayerischen Staatseisenbahnen eine Nachbildung des „Puffing Billy“ anfertigen, um diese dem „Deutschen Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik“ in München zum Geschenk zu machen. Bevor die Lokomotive im Museum aufgestellt wurde, ist sie geheizt und auf einer Strecke ausgeprobt worden. Sie hat damals die über Hedleys ursprüngliche Maschine berichteten Leistungen tatsächlich vollbracht.