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Erste Erfindungen

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Siemens hatte an einem der zahlreichen Duelle, wie sie unter den Offizieren der kleinen Garnison häufig vorkamen, als Sekundant teilgenommen, und der Zufall wollte es, daß das Vorkommnis zur Anzeige gelangte. Die Strafen, die das Gesetz damals den Duellteilnehmern androhte, waren äußerst streng. Die Duellanten wurden demzufolge zu zehn, Siemens zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.

Als er sich nach der Zitadelle von Magdeburg begab, um dort seine Strafe anzutreten, versorgte er sich beim Vorübergehen in einer Chemikalienhandlung mit den Mitteln, um seine elektrolytischen Versuche fortsetzen zu können. Er richtete sich in der Zelle ein kleines Laboratorium ein und experimentierte mit Gold in unterschwefligsaurem Natron. Diese Flüssigkeit benutzte er zur Anstellung eines ersten galvanoplastischen Vergoldungsversuchs. Er gelang über alles Erwarten gut.

»Ich glaube,« so schreibt er darüber, »es war eine der größten Freuden meines Lebens, als ein neusilberner Teelöffel, den ich, mit dem Zinkpol eines Daniellschen Elementes verbunden, in einen mit unterschwefligsaurer Goldlösung gefüllten Becher tauchte, während der Kupferpol mit einem Louisdor als Anode verbunden war, sich schon in wenigen Minuten in einen goldenen Löffel vom schönsten, reinsten Goldglanze verwandelte.«

Die goldenen Löffel, die der Leutnant Siemens durch Zauberkraft aus unechten zu erzeugen vermochte, erregten ein solches Aufsehen, daß die Kunde davon über die festen Mauern der Zitadelle hinaus bis in die Stadt drang. Ein Magdeburger Juwelier erschien in der Zelle und kaufte dem jungen Erfinder das Recht zur Anwendung seines Verfahrens für 40 Louisdor ab. So gelangte auf galvanoplastischem Weg auch Gold in Siemens' Portemonnaie, und er hatte nun die Mittel, seine Versuche fortzusetzen. Im Jahre 1842 nahm er sein erstes Patent, das damals nicht länger als fünf Jahre lief, »auf ein Verfahren, Gold behufs der Vergoldung auf nassem Wege mittels des galvanischen Stromes aufzulösen«.

Nun gerade, wo es notwendig war, weiter an dem Verfahren zu arbeiten, erschien unerwartet der wachthabende Offizier in der Zelle und überreichte Siemens zu seinem nicht geringen Schrecken, wie er bekennt, die königliche – Begnadigung. Das war ein schwerer Schlag für ihn, denn die Zelle war vollgestopft mit allen erdenklichen chemischen Stoffen und elektrischen Einrichtungen, und es erschien dem jungen Erfinder ganz unmöglich, diese rasch und glücklich nach dem noch ganz unbekannten Ort zu schaffen, wohin man ihn jetzt versetzen würde. Er tat darum einen nicht ganz gewöhnlichen Schritt.

Er schrieb nämlich an den Festungskommandanten ein Gesuch, in dem er bat, noch einige Zeit in seiner Gefangenenzelle verbleiben zu dürfen, in der er mehr edles Metall zu finden hoffen durfte als in der goldenen Freiheit. Man nahm ihm aber eine solche Undankbarkeit gegen eine königliche Gnade sehr übel und bestand darauf, daß er sich sofort empfehle. Gerade um die Mitternachtsstunde wurde er mit sanfter Gewalt aus der Zitadelle entfernt und befand sich nun inmitten seiner Habseligkeiten hilflos auf der Straße. So kann auch die Gnadensonne einmal wie ein Schadenfeuer wirken.

Aber so ganz verlassen, wie er geglaubt hatte, war er doch nicht. Die vorgesetzte Behörde war offenbar auf seine chemischen Talente aufmerksam gemacht worden, und man sandte ihn nicht nach Wittenberg zurück, sondern kommandierte ihn nach Spandau zur Lustfeuerwerkerei-Abteilung. Hier konnte er seine chemische Kunst lebhaft betätigen, und er machte in dem neuen Wirkungsbereich so rasche Fortschritte, daß ihm ein Feuerwerk, welches er am Geburtstag der Kaiserin von Rußland im Park des Prinzen Carl in Glienicke bei Potsdam abbrannte, wegen der Pracht der Farben viel Ehre und Anerkennung eintrug.

Aber das war doch ein totes Gleis, und zu seiner größten Freude erhielt er bald das längst gewünschte Kommando zur Artilleriewerkstatt in Berlin. Hier war der Ort, wo er seine naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, die, wie er wohl wußte, an manchen Stellen noch recht mangelhaft waren, weiter vervollständigen konnte.

Aber noch immer sollte er nicht zu einer systematischen Ausgestaltung seines Wissens gelangen. »Das verdammte Geld,« so schrieb er damals, »ist doch der Knüppel, den man stets am Halse trägt.« Er meinte mit diesem Knüppel das Geld, das man nicht besitzt.

Die Verpflichtung, für die jüngeren Geschwister zu sorgen, drückte immer schwerer, je weiter diese heranwuchsen. Hans und Ferdinand hatten zwar noch immer die Domänenpachtung, aber das aus der Bewirtschaftung gewonnene Geld reichte bei weitem nicht zu der Erziehung der Kinder aus. Der Zwang, Geld verdienen zu müssen, war darum die Peitsche, die Werner vorläufig immer noch von der Wissenschaft forttrieb. Mit Hilfe von Erfindungen dachte er auch jetzt noch, Fortunas Rockzipfel leichter ergreifen zu können.

Vor allem suchte er nun sein Patent auf galvanoplastische Vergoldung und Versilberung richtig zu verwerten. Er trat mit der Neusilberfabrik von J. Henniger in Berlin in Verbindung, die sein Verfahren in größerem Maßstab anwenden wollte und ihn am Gewinn beteiligte. Damit entstand die erste galvanoplastische Anstalt in Deutschland.

Der Gewinn, der in Werner Siemens' Tasche floß, war aber gering, und bald trieb die weitere Not ihn dazu, alle Ansprüche aus dem Vertrag für 800 Taler an die Firma Henniger zu verkaufen. Kaum war dies geschehen, so vergrößerte Henniger seine Fabrikation, die bis dahin nur schwächlich betrieben worden war, ganz bedeutend und zog weiter ansehnliche Gewinne aus dem Verfahren.

Die immer ärger sich fühlbar machende Not trieb Werner Siemens nun dazu, eine richtige Spekulation zu beginnen. Er hatte gehört, daß ein Herr Elkington in London gleichfalls ein Verfahren der galvanischen Vergoldung und Versilberung gefunden habe, bei dem er Cyanverbindungen verwendete. Siemens hielt seine unterschwefligsauren Salze für besser wirkend und hoffte darum, in England, dem damaligen Paradies der Technik, dem für alles Neue empfänglichen und zur Aufnahme jeder guten Idee am ehesten bereiten Land, goldene Berge verdienen zu können. Er selbst konnte nicht hinübergehen, da er ja als Offizier an seinen Garnisonort gebannt war. Aber sein Bruder Wilhelm war sehr gern zu der Reise bereit.

Der junge Mann hatte inzwischen einige Zeit in Göttingen bei seiner Schwester Mathilde Himly zugebracht, wo er mit Hilfe seines Schwagers seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse hatte vertiefen können. Darauf war er nach Magdeburg zurückgekehrt und dort als Eleve in die Gräflich Stollbergsche Maschinenbauanstalt eingetreten. Dem lebhaften Geist Wilhelms behagte der Aufenthalt gar nicht, und gern ergriff er die Gelegenheit, ins Weite hinauszuziehen. Diese erste Fahrt Wilhelms nach England ist ein richtiger kleiner Roman, dessen günstigen Ausgang der recht klägliche Anfang keinesfalls erwarten ließ.

Im Februar 1843 trat der junge, kaum zwanzigjährige Wilhelm seine Reise an. Er begab sich zunächst nach Hamburg, wo er sich die Mittel für die Überfahrt nach England mit viel Mühe dadurch verschaffte, daß er an einen Fenstersprossenfabrikanten ein galvanisches Verkupferungsverfahren verkaufte und schließlich auch noch alle Chemikalien, die er bei sich hatte und nicht in England einführen wollte, zu Geld machte. Die Gesamtsumme des Erlöses war so gering, daß er im Augenblick der Abfahrt an Werner schrieb, er dürfe in England im ganzen nicht mehr als sechs Louisdor verzehren, wenn er noch imstande sein solle, mit Ehren nach Haus zurückzukehren.

Nach seiner Landung in London nahm er in einer bescheidenen Herberge Quartier. Er hatte vom Leben in England gar keine Kenntnis, beherrschte auch die Sprache des Landes recht mangelhaft. Nur einen einzigen Empfehlungsbrief brachte er mit, aber trotz dieser bescheidenen Ausrüstung warf er sich doch kühn in den Strudel des Lebens der Riesenstadt. Über seine Erlebnisse hat Wilhelm später einmal in einem Vortrag, den er im Jahre 1881 im Rathaus von Birmingham hielt, selbst in interessanter Weise berichtet:

»Ich hoffte irgendein Bureau ausfindig zu machen, wo man Erfindungen einer Prüfung unterwerfen und eventuell je nach Verdienst vergüten würde; doch niemand konnte mir einen derartigen Platz angeben. So spazierte ich denn Finsbury Pavement entlang und sah auf einmal über einer Tür »So und So« – der Name ist mir entfallen – »Undertaker« (das bedeutet Unternehmer von Leichenbegängnissen) in großen Buchstaben geschrieben. Halt, dacht' ich, das muß wohl der lange gesuchte Ort sein; denn auf alle Fälle wird doch ein Mann, der sich »Undertaker« nennt, sich auch nicht weigern, einen Einblick in meine Erfindung zu tun und mir am Ende dann auch die gewünschte Anerkennung oder besser noch meinen Lohn dafür besorgen können. Beim Eintritt ins Haus überzeugte ich mich jedoch sehr bald, daß ich entschieden zu früh gekommen war, um dort bedient zu werden, und als ich mich dann dem Inhaber des Etablissements gegenüber befand, deckte ich meinen Rückzug mit einigen abgebrochenen Entschuldigungen, die dem Herrn »Undertaker« jedenfalls sehr leer vorgekommen sein müssen.

»Hierdurch keineswegs entmutigt, setzte ich meine Forschungsreise fort und fand endlich meinen Weg zum Patentoffice der Herren Poole & Carpmael, die mich nicht nur freundlich empfingen, sondern mir auch ein Empfehlungsschreiben an Herrn Elkington mitgaben. So ausgerüstet, fuhr ich nach Birmingham, um hier mein Glück zu versuchen.«

Von Birmingham aus trat Wilhelm nun an Elkington heran und glaubte einen großen Trumpf in der Hand zu haben, als er diesem sein vermeintlich besseres Verfahren anbot. Er war gar nicht bescheiden, sondern forderte dafür gleich 3000 Pfund Sterling (60000 Mark). Es ist nicht weiter verwunderlich, daß Elkington auf dieses Angebot des etwas stürmischen jungen Manns nicht einging. Er ließ jedoch Wilhelm zu sich kommen, und dieser erfuhr nun zu seiner nicht geringen Bestürzung, daß Werners Erfindung in einem der Elkingtonschen Patente schon erwähnt, also nicht mehr neu und demgemäß auch kein Handelsobjekt war.

Aber Wilhelm gewann Elkingtons Vertrauen, und dieser erlaubte ihm, in seiner Fabrik zu experimentieren. Hierbei glückte es Wilhelm Siemens, eine bedeutende Verbesserung des Elkingtonschen Verfahrens zu erfinden. Der offenbar sehr vornehm denkende Engländer ermöglichte Wilhelm darauf, ein Patent auf seine Erfindung zu nehmen und zahlte ihm schließlich dafür die Summe von 1600 Pfund Sterling, von der jedoch 110 Pfund Sterling für Patentkosten abgingen.

Wilhelm konnte also mit einer Summe von annähernd 30000 Mark nach Deutschland zurückkehren, wodurch er der Gegenstand staunender Bewunderung für die ganze Familie ward. Die Schwester Mathilde Himly schrieb damals in einem Brief an Werner: »Von unserem lieben Goldfisch erhielt ich vor wenigen Tagen die erste Nachricht, seit er Dich gesehen. Deine Freude über Wilhelms Erscheinen als Croesus! wird wohl so ziemlich so gewesen sein als die meine; bis dahin hatte mich noch nie eine Freude so außer Fassung gebracht. Ach! Werner – warum mußten dies die theuern seligen Eltern nicht erleben! – Werdet Ihr das Geld denn brüderlich theilen? Ich bin überzeugt, daß Wilhelm noch mehr so glücklich spekulieren wird, und so nimm es nur gern an …«

Damit traten nun die Geldsorgen für einige Zeit in den Hintergrund. Aber ein solcher Erfolg hätte bei einem schwächeren Charakter, als er Werner Siemens zu eigen war, leicht dauernd auf eine schiefe Bahn führen können. So trieb er ihn nur für einige Zeit auf das trügerische Meer der »Erfindungsspekulationen« hinaus, wie er selbst die Bestrebungen jener Zeit später etwas verächtlich genannt hat. Eine Erfindung folgte jetzt rasch der anderen. Wissenschaftliche Bestrebungen wurden zurückgestellt, zumal das aus England gebrachte Geld bei den zahlreichen Verpflichtungen der Brüder nicht lange reichte, und die Bedrängnisse bald wieder begannen.

Werner dehnte zunächst seine elektrolytischen Versuche weiter aus und gelangte dazu, gute Nickelniederschläge herzustellen. Das schien etwas sehr Aussichtsreiches zu sein, da die teuren, für den Druck verwendeten gravierten Kupferplatten durch den Nickelüberzug, der die Feinheit der Striche nicht beeinträchtigte, sehr viel haltbarer wurden. Bald jedoch wurde der galvanische Eisenniederschlag erfunden, dem man gegenüber dem Nickelüberzug den Vorzug gab, und die Erfindung konnte nichts mehr einbringen.

Gleichzeitig arbeitete Werner zusammen mit seinem Bruder Wilhelm einen Apparat aus, der imstande sein sollte, den Gang von Dampfmaschinen, die damals noch an vielen Stellen bei ihrer Arbeit durch Wind- und Wassermotoren unterstützt wurden, genau zu regeln. Es sollte dies unter Anwendung des Differentialverfahrens geschehen, und so entstand der Differenzregulator.

Dann bemühte sich Werner Siemens, den damals gerade bekannt gewordenen Zinkdruck für die Rotationspresse brauchbar zu machen, und erfand ferner das anastatische Druckverfahren, das durch Anwendung von Chemikalien gestattet, ältere Drucke zu vervielfältigen. Auch einer Tretfliegemaschine wandte er sein Interesse zu, derselbe Mann, der später behauptet hat, daß man niemals Flugmaschinen würde bauen können, wenn man nicht imstande wäre, Antriebsmaschinen zu erschaffen, die im Verhältnis so leicht und kräftig sind wie die Bewegungsmuskeln der fliegenden Tiere.

Zur Ausbeutung dieser Erfindungen ging Wilhelm Anfang des Jahres 1844 zum zweitenmal nach England, das von da ab seine zweite Heimat wurde. Auch Werner folgte ihm für kurze Zeit dorthin, aber beide mußten bald einsehen, daß ihre hochgespannten Hoffnungen auf Verwertung der Erfindungen aussichtslos waren. Wilhelm hatte für die Abtretung der Rechte auf den Differenzregulator nicht weniger als 720000 Mark gefordert, für das anastatische Druckverfahren gar eine Million Mark. Nach mehr als einjährigem Aufenthalt in England sah er jedoch all seine Hoffnungen so weit vernichtet, daß er nach Hause schreiben mußte: »Ich bitte nur noch um die notwendigsten Mittel, um meine dringendsten Schulden abzahlen zu können, da ich seit einiger Zeit nicht einmal mehr imstande gewesen bin, meine Hauswirte zu befriedigen.«

Werner lernte bei seiner Rückkehr aus England während eines Aufenthalts in Paris sogar den Hunger kennen. Aus Berlin schreibt er dann an Wilhelm: »Die jetzige Zeit ist der einlaufenden Buchhändler-, Schneider- und sonstigen Rechnungen wegen besonders verdrießlich. Dazu kommt Miete, Schulgeld und weiß der Henker was sonst noch für Lumpereien.« Als es ganz schlimm stand, wurde schließlich durch eine Geldsendung Wilhelms der »dem Verwelken nahe Subsistenzbaum bedeutend erfrischt«.

Werner von Siemens

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