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Revolution und Krieg

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Das Jahr 1848 hatte seine drohenden Wolken heraufgeschickt. Ohne darauf vorbereitet zu sein, hörte Siemens plötzlich in sein Laboratorium den Donner der Revolution hineinrollen. Er fühlte bald, daß jetzt keine Zeit wäre, technische Neuerungen für den Staat zu schaffen, aber er stellte sich nicht entmutigt beiseite, um besseres Wetter abzuwarten, er verließ nicht mit einer sentimentalen Träne im Auge den wieder einmal morsch gewordenen Bau seiner Zukunft, sondern er gab sofort darauf acht, was er der Gegenwart Brauchbares leisten könnte.

In Berlin spielten sich die großen Ereignisse der Märztage ab. Siemens, der innerlich an der Bewegung teilnahm, mußte doch persönlich allen Kundgebungen fernbleiben, weil er des Königs Rock trug. Andererseits schloß ihn die Trennung von seinem Truppenteil, die eine Folge seiner Abkommandierung war, von jeder militärischen Aktion aus.

Bald darauf brach die Empörung der Schleswig-Holsteiner gegen die dänische Herrschaft aus. Die Stadt Kiel befreite sich zuerst, und bald waren die Dänen aus Schleswig vertrieben. Sie rüsteten sich zur Wiedereroberung und drohten, besonders Kiel durch ein Bombardement zu strafen.

Siemens' Schwager Himly war als Professor der Chemie schon seit längerer Zeit in Kiel ansässig, und die Schwester Mathilde schrieb nach Berlin angstvolle Briefe, denn sie sah schon ihr am Hafen gelegenes Haus von dänischen Kanonen zerstört. Die Einfahrt in die Föhrde war für die feindlichen Schiffe leicht, da die kleine Festung Friedrichsort, die den Hafeneingang sperrte, sich noch in dänischen Händen befand.

Der Hilferuf der Schwester löste in Werner Siemens einen Gedanken von größter Tragweite aus. Er wollte den Verwandten zu Hilfe eilen und überlegte sich, wie man wohl imstande sein könne, die Dänen von der Einfahrt in den Hafen zurückzuhalten. Als das einzig mögliche Mittel erschien ihm die Versenkung von großen Pulvermengen in das Wasser des Hafens so, daß sie beim Darüberfahren eines feindlichen Schiffs auf elektrischem Weg zur Explosion gebracht werden konnten. Die Idee der Unterseemine mit elektrischer Zündung tauchte hier zum erstenmal auf, und der Gedanke konnte auch nur aus dem Grund gefaßt werden, weil Werner Siemens die einzig brauchbare Isolierung von Leitungsdrähten gegen Seewasser geschaffen hatte.

Er bemühte sich sofort, einen Urlaub zur Fahrt nach Kiel zu erhalten. Die provisorische Regierung in den Herzogtümern, die von dem Plan Kenntnis erlangt hatte, sandte sogar einen besonderen Boten nach Berlin, der die Erlaubnis für Siemens erwirken sollte. Diese konnte jedoch nicht erteilt werden, da ja Preußen und Dänemark sich noch im Friedenszustand befanden. Jeder fühlte aber, daß der Ausbruch des Kriegs nur eine Frage von Tagen war. Die Wartezeit benutzte Siemens, um große Säcke aus starker, mit Kautschuk gedichteter Leinwand anzufertigen, von denen jeder fünf Zentner Pulver faßte; ferner bereitete er die isolierten Leitungen sowie die galvanischen Zündbatterien vor.

Endlich teilte ihm der Departementschef im Kriegsministerium, General von Reyher, in dessen Vorzimmer er täglich auf die Entscheidung wartete, mit, daß der Krieg gegen Dänemark beschlossen wäre, und daß er als erste feindliche Handlung Siemens den gewünschten Urlaub gewähre. Dieser brach sofort nach Kiel auf. Dort brachte sein Erscheinen in preußischer Uniform den Einwohnern die erwünschte Kunde von der ersehnten Kriegserklärung, und der Leutnant Siemens wurde darum mit begeistertem Jubel empfangen.

Sein Schwager Himly hatte indessen in Kiel schon alle Anstalten getroffen, damit die Minen schnell ausgelegt werden könnten, denn man erwartete täglich das Eintreffen der dänischen Flotte.

»Es war,« wie Siemens erzählt, »eine Schiffsladung von Rendsburg bereits eingetroffen, und eine Anzahl großer Stückfässer stand gut gedichtet und verpicht bereit, um einstweilen statt der noch nicht vollendeten Kautschuksäcke benutzt zu werden. Diese Fässer wurden schleunigst mit Pulver gefüllt, mit Zündern versehen und in der für große Schiffe ziemlich engen Fahrstraße vor der Badeanstalt derart verankert, daß sie etwa 20 Fuß unter dem Wasserspiegel schwebten. Die Zündleitungen wurden nach zwei gedeckten Punkten am Ufer geführt, und der Stromlauf so geschaltet, daß eine Mine explodieren mußte, wenn an beiden Punkten gleichzeitig die Kontakte für ihre Leitung geschlossen waren.

»Für jede Mine wurden an den beiden Beobachtungsstellen Richtstäbe aufgestellt und die Instruktion erteilt, daß der Kontakt geschlossen werden müsse, wenn ein feindliches Schiff sich in der Richtlinie der betreffenden Stäbe befinde, und so lange geschlossen bleiben müsse, bis sich das Schiff wieder vollständig aus der Richtlinie entfernt habe. Waren die Kontakte beider Richtlinien in irgendeinem Moment gleichzeitig geschlossen, so mußte das Schiff sich gerade über der Mine befinden. Durch Versuche mit kleinen Minen und Booten wurde konstatiert, daß diese Zündeinrichtung vollkommen sicher funktionierte.«

Sie ist für spätere derartige Einrichtungen vorbildlich geworden.

Doch mit seinen Minen glaubte Siemens den Hafen immer noch nicht genug geschützt. Er berechnete, daß die Dänen, ohne in den Hafen einzufahren, von Friedrichsort her Kiel bombardieren könnten. Daher hielt er es für notwendig, die Eingangsfestung den Feinden aus der Hand zu nehmen.

Er hielt eine flammende Rede an die Kieler Bürgerwehr, und es gelang ihm auch wirklich, sie als Eroberungsheer zu konstituieren. An der Spitze eines Expeditionskorps von 200 Mann zog er aus, und nach kurzer Zeit hatten sie wirklich die Festung Friedrichsort erobert. Sie war nur von wenigen Invaliden besetzt gewesen. »Ein Widerstand irgendwelcher Art machte sich leider nicht bemerklich,« so schreibt Siemens darüber.

Auch als Festungskommandant entfaltete er eine seltene Tatkraft. Friedrichsort wurde gleichfalls durch Minen gesichert, von denen eine infolge einer Unvorsichtigkeit explodierte und die ganze Gewalt solcher Anlagen offenbarte. Die Dänen, die von diesen Veranstaltungen hörten, bekamen einen derartigen Respekt davor, daß sie wirklich während des ganzen Kriegs nicht ein einziges Mal versucht haben, in den Kieler Hafen einzufahren. Daher konnten die berühmten Elektrominen im inneren Hafen zwar niemals zur Anwendung kommen, es ist aber kein Zweifel, daß sie im Bedarfsfall ihre ganze Schuldigkeit getan hätten; denn als man die Pulversäcke nach Verlauf von zwei Jahren wieder aus dem Wasser herausnahm, erwies sich der Inhalt noch immer als vollkommen staubtrocken.

Durch ein Schreiben aus dem preußischen Hauptquartier ward Siemens wegen der unter seinem Kommando erfolgten Besitznahme der Seebatterie Friedrichsort feierlich belobt, und als er später mit dem berühmten Führer des Feldheers, dem General Wrangel, in einer glänzenden Versammlung von Prinzen und höheren Offizieren zusammentraf, da mußte sich, dem Beispiel des Höchstkommandierenden folgend, die ganze Tafel zu Ehren des kühnen Festungseroberers erheben.

Er hat dann später auch noch die Verteidigung von Eckernförde geleitet. Die von ihm dort angelegten Batterien taten sich später noch rühmlichst dadurch hervor, daß sie das dänische Linienschiff »Christian VIII.« in Brand schossen und die Fregatte »Gefion« kampfunfähig machten. Er selbst aber hatte zu wirklichen Kriegstaten keine Gelegenheit mehr und war daher sehr froh, als die bald beginnenden Friedensverhandlungen ihm gestatteten, nach Berlin zurückzukehren.

Damit schließen Werner Siemens' Werdejahre ab. Es beginnt nunmehr die Zeit der Reife, der großen Schöpfungen, die die Kulturentwicklung der Menschheit bleibend beeinflußt haben. Lange Zeit war es ausschließlich die elektrische Gedankenübermittlung, die Telegraphie, die ihn beschäftigte.

Um die Tragweite der Siemensschen Taten auf dem Gebiet der Telegraphie voll würdigen zu können, ist es notwendig, zu wissen, was bis zu seinem Auftreten auf diesem Gebiet geleistet worden war. Es sei darum hier eine kurze Geschichte der Telegraphie eingeschaltet, wobei wir in der glücklichen Lage sind, einer Darstellung des Meisters selbst folgen zu können, die er einst in einem gemeinverständlichen Vortrag gegeben hat. Dieser ist uns in einer von Virchow und Holtzendorff herausgegebenen Sammlung erhalten geblieben.

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