Читать книгу Comanchen Mond Band 2 - G. D. Brademann - Страница 10

5. Kapitel

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Die Sonne neigte sich dem Horizont zu, Schatten legten sich über die Männer. Sie warteten jetzt ungeduldig auf den nächsten Befehl. Einige von ihnen machten sogar schon Witze oder erzählten sich Schauergeschichten von vergangenen Überfällen, die sie angeblich selbst miterlebt hatten. Die Mehrzahl jedoch überprüfte noch einmal gewissenhaft die Funktionstüchtigkeit ihrer Waffen.

Smith blickte auf seine Uhr. Die Haubitzen mussten jede Minute losdonnern. Eine gut gezielte Ladung dorthin, wo er die drei Tipis gesichtet und – irrtümlich? – für das ganze Lager gehalten hatte, lautete sein Befehl. Es musste das Lager sein. Er konnte sich doch nicht dermaßen getäuscht haben? Der Pawnee hatte doch auch gesagt – ach was, er schob die zweifelnden Gedanken endgültig beiseite. Hier stand er mit seiner Truppe, bereit, loszustürmen. Seiner Überzeugung nach mussten bereits nach dem ersten Einschuss fliehende Comanchen auftauchen, direkt in das Fadenkreuz der Kavallerie, die gegenüber dem Flussverlauf, wie er ihn sich vorstellte, in Reih und Glied aufgereiht war.

Die Minuten verstrichen. Der Mann musste bereits bei der Artillerie angekommen sein und seinen Befehl übermitteln. Jetzt, ja, jetzt. Mit einer galanten Handbewegung bedeutete er dem etwas abseits stehenden jungen Trompeter, auf sein Zeichen zu warten. Sobald die ersten Einschüsse zu hören waren, sollte die Kavallerie noch näher zum Fluss hin vorrücken, um so die flüchtenden Comanchen zu erwarten. Der Captain der Artillerie gab das Zeichen zum Beschuss.

Hoch aufgerichtet saßen die Männer der Kavallerie in ihren Sätteln und warteten. Wummm! Der erste Einschlag zerriss die Stille. Ein Schwarm Vögel schwirrte entsetzt auf, flatterte über die Bäume und verschwand den Fluss hinauf in der Ferne. Der Trompeter bekam sein Zeichen und schmetterte los. Die Kavallerie setzte sich in Bewegung. Oberstleutnant Smith hob sein Fernrohr und schaute hindurch. Am liebsten wäre er jetzt dort bei den Geschützen gewesen. Der nächste Einschuss ließ auf sich warten. Schon wollte er ungeduldig werden. Wummm, das zweite Geschütz feuerte. Er stellte es sich vor, wie die Männer nachluden, emsig hin- und herliefen; jeder Handgriff musste sitzen. Inzwischen hatte die Haubitze bestimmt schon eine Bresche zwischen den Bäumen gerissen und den Blick auf die zerfetzten Tipis freigegeben. Aus dieser Richtung sah er jetzt jedenfalls Rauch aufsteigen. Zufrieden wandte er sich der Kavallerie zu, die wartend in den Sätteln saß. Pferde schnauften unruhig, stampften aufgeregt den Boden. Die Luft war dick vor Nervosität. Alles wartete nur noch auf den Befehl ihres Oberstleutnants.

Der Captain der Artillerie fluchte. In dem unübersichtlichen, vor ihnen völlig zugewachsenen Dickicht hatte er das eine Geschütz nach den Angaben Smiths geradeaus auf das vor ihm liegende Flussufer ausgerichtet und ließ seine Leute feuern.

Irgendetwas stimmte nicht. ‚Ich hätte jemanden nach vorn schicken sollen, um den genauen Verlauf des Flusses samt den verdammten Tipis auszukundschaften‘, wurde ihm jetzt klar. Warum, zum Teufel auch, habe ich mich auf diesen neunmalklugen Smith verlassen! Er fluchte noch einmal, diesmal lauter. Nein, sie konnten die Tipis nicht getroffen haben, dafür war es nach diesem ersten Schuss viel zu leise geblieben. Keine Schreie, keine flüchtenden Comanchen – nichts.

„Zu kurz, verdammt, viel zu kurz“, mutmaßte er deshalb laut brüllend von seinem Aussichtsposten aus – einem überhängenden Baum, bis zu dem er sich vorgewagt hatte. Nun hing er dort über dem Wasser. Zeichen zu seinen Leuten hin machend, deutete er nach vorn. So schnell sie konnten richteten sie die Haubitzen neu aus. Wieder hob er die Hand, als wollte er seinen Männern damit Einhalt gebieten, lehnte sich weiter nach vorn und starrte über den Fluss auf die Ebene davor. Es war ihm, als hätte er von dort einen Reiter kommen gesehen. Nein, wahrscheinlich täuschte er sich, denn jetzt war da nichts mehr. Abermals ging eine der Kanonen los. Bäume fielen krachend in sich zusammen. Der Captain war noch immer nicht zufrieden. „Neu ausrichten, los, weiter vor“, schrie er und klammerte sich an den über das Wasser hinausreichenden Ast. Am liebsten hätte er selbst Hand angelegt – es dauerte ihm alles viel zu lange. Seine Männer gehorchten und schoben eine der Haubitzen weiter nach vorn.

„Macht schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit“, schrie er mit aufgeregter, lauter Stimme überflüssigerweise seine Leute an. Wenn er davonlaufende Rothäute zu sehen erwartet hatte, sah er sich getäuscht. Es war ihm durchaus bewusst, dass sie nicht nur so in die Luft hineinballern konnten. Was dieser Smith da befohlen hatte, war einfach nur unüberlegt und dumm. Um Comanchen zu erwischen, dazu gehörte schon mehr. Der verdammte Smith mit seinen unausgereiften Ideen! Warum, um alles in der Welt, hatte er sich nur darauf eingelassen? Inzwischen schoben und wuchteten seine Männer die beiden Haubitzen Stück für Stück weiter das Ufer entlang. Die Männer schwitzten, von Insekten umschwärmt, die sich hier in der Niederung anscheinend alle verabredet hatten. Der Captain schaute auf seine Uhr. Acht Minuten waren seit dem ersten Einschuss vergangen.

Das Geschütz jaulte laut auf – mit einem ohrenbetäubenden Krachen zischte die nächste Ladung durch die Luft. Wummm! Eine Wasserfontäne spritzte auf.

„Was, zum Teufel, soll das denn?“, schrie der Captain von seinem Posten aus. „Ihr sollt nicht das Wasser beschießen, verdammt noch Mal, sondern das Ufer.“

Dann, plötzlich die Ursache erahnend, hangelte er sich noch weiter vor. Ohne zu zögern glitt er in den Fluss hinein, brachte sich mit ein paar kräftigen Schwimmstößen bis in die Mitte und ärgerte sich, das nicht schon früher getan zu haben. Denn jetzt erkannte er, dass der Fluss hier nicht schnurgerade verlief, wie Smith, dieser Schwachkopf, behauptet hatte, sondern eine Biegung nach Osten machte. Unter zerschossenen Weiden hindurch sah er jetzt drei Tipis. Sie standen vor der Biegung. Die ganze Zeit über waren sie von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Verdammt! Statt die Tipis zu beschießen, hatten sie die Ebene auf der anderen Seite des Flusses getroffen – und jetzt sogar das Wasser. Ihr erster Schuss ging nicht an das diesseitige, sondern an das jenseitige Ufer. Der Fluss hatte sich sozusagen weggeduckt. Der Gedanke ließ ihn beinahe hell auflachen, wenn es nicht so ernst gewesen wäre. Oh ja, der Fluss hatte sich weggeduckt, war ihnen ausgewichen, so eine Scheiße!

Dann schwamm der Captain ans Ufer zurück. Einer seiner Männer reichte ihm die Hand, um ihm am Ufer hochzuhelfen.

„Verflucht aber auch“, schnappte er. „Der Fluss macht genau dort vorn eine Biegung nach Osten!“

Er lachte hysterisch auf. Seinen Männern in die schmutzigen Gesichter blickend, bekam er sich wieder in den Griff. Der nächste Satz war mehr an sich selber gerichtet als an den Mann, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Ich habe mich zum Narren machen lassen, und Smith ist der Obernarr. Wenn wir jetzt dem Flussverlauf folgen, wie ja der Befehl lautet, kommen wir der aufgereiht wartenden Kavallerie so nah, dass wir unsere eigenen Leute beschießen!“

Oberstleutnant Smith blickte wieder durch sein Fernrohr und suchte in Richtung Fluss. Er schwenkte es hin und her, fand wieder die Tipis. Wieder fiel ihm auf, dass sie viel zu weit entfernt vom Flussverlauf, wie er ihn sich dachte, standen. Hatte der Pawnee nicht gesagt, sie stünden am Fluss? Wummm! Pfeifend flog die nächste Ladung über die Bäume hinweg, da sah er durch sein Fernrohr hindurch, wie eine Wasserfontäne aufspritzte. „Scheiße!“, ungläubig starrte er dorthin. „Scheiße, dort ist ja Wasser – wieso ist dort Wasser?“ In diesem Moment wurde ihm alles klar. Der Pawnee hatte recht gehabt. Die Tipis standen tatsächlich am Fluss, doch der verlief nicht geradeaus, sondern er machte hier eine Biegung nach Osten, direkt auf ihre jetzige Position zu. Aufgeregt suchte er noch einmal die Gegend ab. Jetzt waren die Tipis auf einmal verschwunden. Darauf konnte er sich erst recht keinen Reim machen. Verwundert rieb er sich die Augen. Nein, keine einzige Zeltspitze war mehr zu sehen.

Vielleicht waren sie ja doch getroffen wurden? Aber dann hätten sie ja im Wasser stehen müssen; dieser blöde Gedanke machte ihn total verrückt. Wo sind diese verdammten Tipis jetzt hin? Leise fluchend beschlich ihn eine Ahnung. Nein, unmöglich – sie konnten nicht weg sein, nicht so schnell. Die Reiterei stand immer noch angriffsbereit und wartete. Sollte er sie jetzt noch etwas näher in Richtung Fluss losschicken, um die Comanchen abzufangen? Seine Hände, die sich um den Zügel krampften, zitterten, denn jetzt wusste er, dass sie dem Fluss schon viel zu nahe waren. Wenn das stimmte, und er machte dort einen Bogen, dann gerieten sie höchstwahrscheinlich in die Schusslinie seiner eigenen Artillerie, wenn die dem Flussverlauf wie befohlen folgte. Sicher ließ der Captain seine Leute mit den Geschützen weiter vorrücken. Nur, dass sie jetzt dabei der Kavallerie in die Quere kamen. Eigentlich müsste der Captain das doch selber erkennen. Aber konnte er sich darauf verlassen? Würde er nicht seinerseits denken, dass er, Smith, die Kavallerie auf Abstand hielt? Aber was wurde dann aus ihrem Angriff auf das Lager? In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Einen Augenblick lang war er versucht, dem Trompeter einfach das Zeichen zum Angriff zu geben. Vorwärtsstürmen, zum Fluss hin, Comanchen töten!

Nein, das war unmöglich. Sie waren hier an Ort und Stelle gebunden, erkannte er schaudernd. Eigentlich bereits viel zu nahe am Fluss. Schon in der Schusslinie der Artillerie? Er hoffte, nicht.

Der First Lieutenant, der unbemerkt an ihn herangeritten war, musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

Seine Gedanken erratend, meinte er: „Die Rothäute haben diese drei Tipis, die wir vorhin gesehen haben, abgebaut und sind verschwunden, Herr Oberstleutnant. Die Artillerie hat sie nicht zu uns gescheucht. Wir stehen hier fehl am Platz. Die Angaben dieses Pawnee waren entweder falsch, oder Ihr habt sie nicht richtig verstanden.“

Der Oberstleutnant überhörte den Tadel; ja, ihm war durchaus bewusst, dass es stimmte. Mitten in seinen Überlegungen unterbrochen, schreckte er hoch. Sein Gesicht, das eine dunkelrote Farbe angenommen hatte, war völlig erstarrt. Ja, genau das Gleiche hatte er eben auch gedacht. Das bringt meine ganze Taktik durcheinander, wurde ihm endgültig klar. Es musste ihm etwas anderes einfallen – sofort. „Das wissen wir nicht genau, First Lieutenant Stones“, sagte er deshalb, um Zeit zu gewinnen. „Ich an Ihrer Stelle würde mich mit solchen Mutmaßungen zurückhalten – das kann Sie Ihre Stelle kosten.“ In hoch aufgerichteter, stolzer Haltung – der teure Sattel machte es möglich – wies er seinen Untergebenen zurecht. Glaubte er selber noch, was er da sagte?

Der First Lieutenant jedenfalls zog wütend seine Stirn in Falten. Smith konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er an seinen Fähigkeiten zweifelte. Einen Blick auf den Trompeter neben ihnen werfend und einen auf seinen Vorgesetzten, presste Stones, sich kaum noch beherrschen könnend, zwischen nur leicht geöffneten Lippen hervor: „Ist mir scheißegal, was es mich kostet, Oberstleutnant. Wir sollten etwas unternehmen, bevor die verdammten Krieger auf ihren Mustangs sitzen und uns überrennen! Es ist schon viel zu viel Zeit vergangen. Beordert Ihr uns jetzt zum Fluss, der ganz anders verläuft, als wir bisher glaubten, werden wir von unserer eigenen Artillerie beschossen.“

Während er das sagte, krampften sich seine Hände um den Zügel. Es juckte ihn in den Fingern, diesem arroganten Fatzke von Oberstleutnant seine Faust ins Gesicht zu schlagen. Er hatte leichtsinnig das Leben seiner Kameraden in Gefahr gebracht, und mit seinem Zögern tat er das noch immer. Auch er – genau wie die halbe Kavallerie – hatte ja die Wasserfontäne gesehen und seine Schlüsse gezogen. Plötzlich hatten sich die Verhältnisse umgekehrt. Begriff Smith das denn nicht? Sie mussten sich der neuen Situation anpassen. Der Captain der Artillerie jedenfalls würde das tun; dessen war er sich sicher.

„Die Geschütze – sie müssen weiter den Fluss hinauf, egal, wie viele Biegungen er auch noch macht“, rief Smith, ihn ignorierend, und schaute sich suchend nach einem Mann um, der diesen Befehl hinüber zur Artillerie bringen konnte.

„Er windet sich wie eine Schlange“, fiel sein First Lieutenant ihm ins Wort. Dann, richtig wütend: „Ihr wollt doch jetzt nicht etwa jemanden mit diesem Befehl da rüberschicken? Und uns solange hier tatenlos schmoren lassen? Der Captain wird seine Geschütze flussaufwärts schicken. Besser wäre es, Ihr ließet die Artillerie schweigen und uns zum Fluss hinüberreiten, um das Ufer nach den verdammten Rothäuten abzusuchen. Vor allem nach den Tipis, die die Pawnee Euch ja gemeldet haben.“

Diese Maßregelung seines Vorgesetzten war gewagt, aber das war dem Mann jetzt egal. Seine Finger öffneten und schlossen sich unaufhörlich, während er auf die Reaktion des Oberstleutnants wartete.

Bewundernswert ruhig reagierte Smith. Um einen sachlichen Ton bemüht, sagte er lediglich: „Warten wir noch einen Moment, Stones. Wir stehen hier gut. Die Artillerie schießt schließlich nicht in den Wald, sondern auf das Flussufer. Die vermaledeiten Rothäute müssen aus ihren verlausten Tipis hervorgekrochen kommen. Diese Aufgabe wird die Artillerie meistern – glaubt es mir.“

„Wenn die Haubitzen nur einen Strich weit abweichen, könnten sie uns …“, verkniff sich der First Lieutenant die nächsten Worte, da der Adjutant plötzlich auftauchte.

„Die Comanchen könnten auch über den Fluss auf die andere Seite wechseln – was dann?“, sagte er, an seinen Vorgesetzten gewandt. Er hatte die Beiden wohl gehört.

Mitten in den erneuten Beschuss hinein rief ihm Smith zu: „Das haben wir doch alles bereits besprochen – oder etwa nicht? Und wir waren uns darüber einig, dass sie das wegen des Beschusses nicht können. Also, Mann, haltet Eure Klappe!“

Der Adjutant biss sich auf die Unterlippe. Er wusste es besser. Allein die Tatsache, dass der Fluss hier eine große Biegung machte, änderte alles. Es war durchaus vorstellbar, dass die Comanchen unbemerkt auf die andere Seite entkamen. Für die Krieger wäre das ein Leichtes. Allein die Tatsache, dass sie ihre Familien bei sich hatten, sprach dagegen.

Smith blickte zuerst seinen Adjutanten und dann den First Lieutenant an. Die Artillerie wird die Comanchen aufscheuchen und uns in die Arme treiben, sagte er sich wieder. Er würde sich nicht anders entscheiden. Sein Adjutant sah stur an ihm vorbei und schwieg. Er wendete sein Pferd und entfernte sich. Der First Lieutenant blickte ihm enttäuscht nach. Der Befehl – und damit die Verantwortung – lag einzig und allein bei Smith. Die Disziplin musste gewahrt werden. Er war nicht bereit, seinen Irrtum, was den Flussverlauf und damit die Konsequenzen betraf, einzugestehen. Es waren die Pawnees, die ihn falsch unterrichtet hatten. Doch statt sich der neuen Situation zu stellen, hielt er hartnäckig das Fernrohr an sein Auge gepresst. ‚Erwartete er etwa, flüchtende Comanchen zu sehen?‘, fragte sich sein First Lieutenant.

Ja, Oberstleutnant Smith erwartete genau das. Egal, ob die Artillerie nun in den Fluss oder daneben geschossen hatte – auf jeden Fall sollten sie die Indianer aufgeschreckt haben. Wieder zog er seine Uhr zu Rate. Zehn Minuten. Seit zehn Minuten tat sich nichts. Abermals strich er mit seinem Fernrohr über die Bäume, die den Fluss vor seinen Blicken abschirmten – dann noch einmal hinüber zu dem seltsamen Pfad. Als hätte es die vorangegangene Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen nicht gegeben, reichte er seinem First Lieutenant das Glas. „Seht Ihr dieses kleine Stück ausgetretenen Weg?“, fragte er, mit dem Zeigefinger deutend. „Dort irgendwo sind sie – ich kann sie förmlich riechen!“

First Lieutenant Stones, ein hartnäckiger Mann, wagte erneut einen Vorstoß. „Mit den Geschützen kommen wir nicht weiter, Sir. Zum Fluss reiten können wir wegen des Beschusses nicht. Noch einmal mein Vorschlag: Schickt jemanden hinüber, und lasst die Geschütze schweigen. Dann sollten wir mit der Kavallerie von hier aus zum Fluss vorrücken, um dort nach den Comanchen zu suchen. Wenn die Artillerie sie aufgeschreckt hat, dann haben wir gute Chancen, sie zu erwischen, bevor sie über alle Berge sind.“

‚Egal‘, sagte er sich, wenn ich mir ihn damit auch nicht zum Freund mache, meine Kameraden sind mir wichtiger! Die Zeit saß ihm im Nacken. Er hatte schon gegen Comanchen gekämpft und wusste, was sie erwartete, wenn sie zu lange zögerten. Es war so, als stocherte man mit bloßen Händen in einem Hornissennest herum.

„Ihr müsst mir nicht sagen, was ich zu tun habe“, maßregelte ihn Smith barsch.

Stones ließ sich nicht einschüchtern. „Wenn die Artillerie noch länger wahllos herumballert, ohne ein direktes Ziel zu haben, müssen wir mit einem Angriff rechnen. Inzwischen werden sich die Krieger formieren, ohne dass Ihr das durch das Fernrohr sehen könnt. Und das, Oberstleutnant, wird gar nicht lustig werden.“ Während er das ziemlich gefasst hervorbrachte, hätte er seinen Vorgesetzten erwürgen können. Oberstleutnant Smith dagegen musterte ihn nur hoheitsvoll. Wagte der Mann es doch tatsächlich, ihn mitten im Kampfeinsatz zu kritisieren?

Den Blick zurück auf seine wartenden Kameraden gerichtet, hatte dieser trotzdem kein schlechtes Gewissen. Wenn Smith nicht mit Kritik umgehen konnte, dann war das sein Problem. Vielleicht würde ihn das einen Verweis kosten, vielleicht aber auch nicht. Männer wie er waren rar im Westen. Das Wohl seiner Leute ging bei ihm über die Befindlichkeit eines Vorgesetzten. Ohne sich weiter um Smiths wütendes Gesicht zu kümmern, harrte er der Dinge auf seinem Pferd. Und doch – seine wartenden Männer betrachtend, beschlich ihn das Gefühl, versagt zu haben, denn erreicht hatte er nichts. Hilflos hob er die Schultern und ließ das Kinn schwer atmend auf die Brust sinken. Seine langjährige Erfahrung als Indianerkämpfer ließ ihn frösteln.

Smiths Gesicht war nach seiner letzten Bemerkung wieder puterrot angelaufen. Vor Wut, weil er nicht gleich eine Antwort wusste, pumpte er Luft.

Der Adjutant, der sich seit seinem Abgang nicht weit entfernt hatte, lenkte sein Pferd neben das des First Lieutenant. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Bevor er jedoch nur ein einziges Wort sagen konnte, bellte Smith ihn an: „Wollt Ihr Euch etwa auch noch erdreisten, mich zu belehren?“ Die Hand auf dem Säbelknauf, betrachtete er ihn herablassend.

Der so Angeherrschte verbiss sich die Frage, die er stellen wollte. Kurz streifte sein Blick den First Lieutenant, dann schaute er wieder zu Smith. Die Männer hinter ihnen wurden langsam unruhig, zumal die Artillerie weiter schoss und sie hier untätig herumstanden. Dass die Stimmung zwischen ihren Vorgesetzten nicht gerade die beste war, konnte man sehen und sogar hören. Die ganze Situation verlangte nach einer Entscheidung. Smiths Position als Befehlshaber hatte empfindliche Risse bekommen.

„Noch einmal zum Mitschreiben“, sagte er, sowohl an den First Lieutenant als auch an den Adjutanten gewandt. „Die Späher haben mir berichtet, dass das verdammte Comanchenlager dort ist, wo die Artillerie jetzt hinschießt. Sie belegen das Ufer, und es kann nicht mehr lange dauern, bis wir diese Kreaturen zu sehen bekommen – und zwar flüchtend!“

Entschlossen, stur seinen Plan weiterzuverfolgen, duldete er keinen Widerspruch. Mit diesem First Lieutenant würde er nachher ein Wörtchen reden müssen – und zwar vor versammelter Mannschaft. Ein solches Verhalten konnte er nicht einfach so hinnehmen – nicht bei einem so wichtigen Einsatz. Wohl hatte er die Blicke der ihm zunächststehenden Männer bemerkt. Es würde sich herumsprechen, wenn er Schwäche zeigte. Das ganze Schlamassel, in dem er jetzt steckte, hatte er den verdammten Pawnee zu verdanken. Sie hätten das Gelände vor ihnen gründlicher auskundschaften sollen, anstatt sich vorzeitig zu entfernen. Wo in aller Welt, steckten sie? Dann ging ihm auf, dass er sie ja höchstpersönlich fortgeschickt hatte. Nach einem tiefen Seufzer wandte er sich an seinen Adjutanten: „Kein Comanche wird uns entkommen, dafür werde ich sorgen. Nicht nur, dass wir in der Überzahl sind – auch unseren Waffen können sie nicht viel entgegensetzen.“

Immer noch schweigend nickte sein Adjutant, mit einer Hand den Knauf seines Säbels tätschelnd.

First Lieutenant Stones bewegte kaum merklich den Kopf hin und her. Wie hatte sich Smith das denn gedacht? Da warteten sie hier wie die Katze vor dem Mauseloch, und die Mäuse entkamen durch die Speisekammer. Entschlossen schob der Oberstleutnant das Fernrohr zusammen. Er hatte endlich einen Einfall.

„Nun gut, wir können nicht näher an den Fluss heran, ohne von unserer eigenen Artillerie getroffen zu werden. Da die Comanchen ja sowieso schon wissen, dass wir hier sind: Trompeter, gebt das Zeichen zum Angriff. Unsere Leute werden aus diesem Wald hier herausreiten, weg vom Fluss. Es sieht ganz danach aus, als befände sich hinter diesem vermaledeiten Wald eine große, freie Fläche, dort vor den Hügeln. Während die Artillerie weiter den Fluss hinauf marschiert, wird sie uns den Gegner zutreiben.“ Inständig hoffte er, dass das so einfach wäre.

Ein erleichtertes Raunen ging durch die Reihen der Männer. Endlich hatte das Warten ein Ende. Der First Lieutenant biss sich auf die Unterlippe. Dieser Befehl war schon lange überfällig. Er jedoch hätte die Artillerie schweigen lassen und wäre mit der Kavallerie zum Fluss gestürmt. Seinem Pferd in die Seiten tretend, machte er sich zu seinen Leuten auf.

Oberstleutnant Smith hob die Hand, und einer der beiden Trompeter schmetterte los. Das Signal war noch nicht halb verklungen, als sich die Kavallerie bereits in Bewegung setzte. Ohne den Tross, der zurückblieb, verließen sie zügig den sich lichtenden Wald. Vierzehn Minuten waren seit den ersten Salven vergangen. Smith zögerte, dann winkte er den jüngeren der beiden Trompeter zu sich. „Wir bleiben hier“, befahl er mit einem Blick auf die abziehenden Männer. „Wenigstens bis ich weiß, was der Captain vorhat. Ich habe die Gatling noch nicht gehört, eigentlich hätte sie längst zum Einsatz kommen müssen. Da drüben am Fluss sind Comanchen – ich weiß es. Der Captain soll sie gefälligst vom Fluss wegscheuchen und unseren Männern den Rest der Arbeit überlassen.“ Smith kniff die Augen zusammen, erneut sein Fernrohr ansetzend. Dichter Rauch zog den Fluss entlang und hing schwer über den Bäumen.

Comanchen Mond Band 2

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