Читать книгу Ein schwieriger Fall: Arztroman - G. S. Friebel - Страница 7
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Оглавление»Du musst doch zugeben, dass dies ein besseres Leben ist, nicht wahr, liebe Bettina?«
Die junge Frau schaute ihre Mutter stumm an.
»Ich weiß ja, dass du ehrgeizig bist, aber du musst doch einsehen, dass es wirklich Geldverschwendung wäre, wenn ich in diesem Zustand einen Arzt holen und nicht auf dich zurückgreifen würde. Wirklich, du kannst dich über nichts beklagen.«
Bettina Losse umkrampfte das Messer und dachte verzweifelt: Nur nicht zeigen, wie es wirklich in mir aussieht. Ich darf es mir nicht anmerken lassen.
»Du siehst, deine Behandlung zeigt doch schon Fortschritte, und ich bin dir ja auch so dankbar. Jetzt bin ich sogar froh, dass ich dir nachgegeben habe und du studieren konntest. Ja wirklich, Bettina, du bist eine sehr gute Ärztin geworden.«
Ein ungutes Schweigen breitete sich aus.
»Nun sag doch mal etwas!«, forderte Elsa Losse.
»Danke, Mutter.« Die Antwort klang mechanisch.
»Ach, du bist wirklich ein sauertöpfisches Geschöpf. Ich weiß gar nicht, was du hast.«
»Darf ich jetzt aufstehen?«
Die Mutter blickte sie scharf an.
»Ich möchte deine Gedanken wissen, Kind!«
Bettina Losse war verwirrt.
»Wie bitte?«
»Meinst du, ich spürte nicht, was du denkst? Aber es hat keinen Zweck.«
Die Lippen der jungen Ärztin zitterten.
»Und - was denke ich?«
»Du willst fort, nicht wahr? Gib es ruhig zu, ich spüre es ganz deutlich.« Dann begannen die Augen der alten Frau zu glitzern. »Tja, so einfach ist das aber leider nicht, mein Kind.«
Bettina erhob sich langsam.
»Du bist ja sehr gut unterrichtet, Mutter.«
»Aber natürlich bin ich das. Man braucht nur Zeitungen zu lesen, dann weiß man alles. Du wirst keine Anstellung erhalten. So wie die Zeiten sind, ist das sehr schwer.«
»Und du hast sicherlich noch ein wenig nachgeholfen, nicht wahr?«
»Kind, Kind - so weitreichend ist mein Einfluss nun wirklich nicht. Das habe ich auch gar nicht nötig. Der Arbeitsmarkt lässt es nicht zu. So einfach ist das.«
»Aber in dieser Stadt könntest du es schaffen, nicht wahr? Irgendjemand ist dir doch immer verpflichtet, Mutter.«
»Sollte das sarkastisch klingen? Ich habe es einfach nicht gehört.«
Bettina kniff die Lippen zusammen. Nein, es lohnte einfach nicht, sich mit der alten Frau zu streiten. Sie war die Stärkere. Und wieder sah sie die herrschsüchtige Mutter von der Seite an. Eines Tages werde ich dich so sehr hassen, dass ich nie mehr zurückkomme, ahnte sie. Nicht einmal zu Besuch. Oh, Mutter, warum bist du nur so? Warum musst du alles beherrschen? Warum lässt du mich nicht leben? Ich Närrin, dachte sie verzweifelt. Oh, ich ausgemachte Närrin! Ich bin auch noch auf sie hereingefallen. Ich bin freiwillig gekommen. Nach allem, was ich dort erlebt habe, kam ich freiwillig hierher.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Doch die Mutter sollte es nicht sehen, und so verließ sie eilig den Salon und stieß mit der Haushälterin zusammen, die nachsehen wollte, ob man mit dem Frühstück fertig war.
Bettina Losse ging in den weitläufigen Garten hinaus und dachte nur: Ich darf meine Nerven nicht verlieren. Das will sie vielleicht sogar erreichen. Dann hätte sie noch einen Grund mehr, mich festzuhalten mit der Begründung, ich wäre zu zart, zu empfindlich für die kranken Menschen.
Sie setzte sich unter eine alte Rotbuche und seufzte tief auf. Nein, Hilfe konnte sie von niemandem erwarten. Seit der Vater nicht mehr lebte, konnte sie mit keiner Unterstützung mehr rechnen. Aber auch früher hatte sie es nicht ganz leicht gehabt. Die Werke gehörten ja der Mutter, und das hatte sie auch stets betont. Ja, sie war Ärztin geworden, gegen den Willen der Mutter. Damals hatte sie angenommen, die Mutter verstünde endlich, dass sie sich abnabeln musste.
Aber ich habe es nicht begriffen, dachte sie bitter. Alles war geplant. Als ich mit dem Studium fertig war, zog sie die lange Leine wieder an und - ich kam tatsächlich! Sie sei sehr erkrankt - das Herz. So hatte der Hausarzt am Telefon gesagt. Sie hatte es als ihre Pflicht angesehen, zu kommen; sie wusste ja, wie schwierig die Mutter war. Vielleicht hatte sie auch gedacht: Dies ist der letzte Liebesdienst, den ich ihr erweisen kann.
Sie war eine sehr gute Ärztin und brauchte einige Zeit, bis sie begriff, dass die Mutter nur schauspielerte. Sie wollte die Tochter zurückhaben, mehr nicht. Und sie war fortgegangen von Dr. Bernstein, dem hervorragenden Arzt, der alle Mühen auf sich nahm, weil er seine Patienten liebte. Fort von seiner liebenswerten Familie, den Angestellten, fort von Frau Winter und Frau Lydia. Sie machten etwas aus ihrem Leben. Anfangs hatte sie, Bettina, sich ja schwergetan. Nein, sie ahnten nicht, wie reich sie eigentlich war. Sie hatte sich linkisch und unbeholfen gefühlt, zumal sie sehr schnell begriffen hatte, dass einfache Menschen auch ein Wissen besitzen können, ein sehr gutes Wissen sogar.
Wie sehr hatte sie ihre Arbeit geliebt. Und wie sehr hatte sie an den Sehnsüchten des jungen Arztes mitgelitten, als dieser davon sprach, wie alles viel einfacher und besser wäre, wenn man ein kleines Haus für die Patienten anmieten könnte. Damals hatte sie gedacht: Wenn Mutter stirbt, dann habe ich Geld genug und kann das alles für ihn tun.
Bettina wischte sich die Tränen vom Gesicht.
Sie konnte wohl nicht mehr zurück, hatte zu lange gewartet. Obwohl man ihr gesagt hatte, sie könnte jederzeit zurückkommen. Der junge Arzt verdiente ja nicht sehr viel. Sie würde ihm eine Last sein.
O ja, sie kannte die Pläne und Gedanken der Mutter sehr genau! Bei ihr drehte sich alles ums Geld. Als wenn sie davon nicht genug hätte. Doch sie wollte mehr und immer mehr. Sogar mit den beiden Kindern wollte sie Geld machen. Der Sohn wurde vorteilhaft verheiratet und würde erst dann alles übernehmen dürfen, wenn sie einmal nicht mehr lebte. Er liebte seine Frau nicht, musste aber aushalten, denn die Mutter beherrschte ihn völlig. Sie teilte ihm das Geld zu und zahlte zwar alles, was er sich wünschte, aber er musste immer darum betteln. Ja, das war es, was sie wollte: Man musste betteln!
Es wäre so leicht für die Mutter gewesen, ihr hier in der Stadt eine eigene Praxis einzurichten. Eines Tages würde sie, Bettina, ihr Erbteil ohnehin bekommen. Aber wäre es dann nicht zu spät? Wer würde denn einer jungen Ärztin vertrauen, die kaum Erfahrung besaß?
Als die Mutter merkte, dass sie keine Schönheit wurde, hatte sie für Bettina andere Pläne gemacht. Anfangs hatte sie unter den Söhnen der angesehenen Familien gesucht, um für ihre Tochter einen »Ehemann zu kaufen«, wie sie es bei sich nannte. Ja, sie hatte es Bettina sogar direkt gesagt.
»Überlass das nur deiner Mutter! Du kriegst auch noch einen ab, mein Kind.«
Bettina hatte sie fassungslos angesehen.
»Aber ich will nicht heiraten, ich habe meinen Beruf! Ich liebe meinen Beruf!«
»Eine Losse gibt sich nicht mit armem Pack ab. Vielleicht zur Übung, aber doch nicht immer.«
»Mutter!«, hatte sie gerufen. »Wie kannst du nur so hart sein?«
»Du brauchst einen Mann, dann wirst du auch vernünftig werden. Ich weiß das.«
Sie hatte ihr tatsächlich einige Anwärter präsentiert. Da Bettina jedoch wusste, dass die jungen Männer nur auf ihr Erbteil schielten, fiel es ihr leicht, sie abzuweisen. Die Mutter hatte ein wenig getobt, aber allmählich doch begriffen, dass sie wohl zu plump vorgegangen war.
Ihre Taktik hieß jetzt: Die Tochter mürbe machen. Sie sitzt im goldenen Käfig, kann aber nicht allein hinaus. Wenn sie mein Haus verlässt, erhält sie keinen Pfennig zum Leben. Eine Anstellung bekommt sie auch nicht, also wird sie es bald satt haben und den ersten besten Mann heiraten, den ich ihr präsentiere - nur, um mich zu verlassen. Und dann habe ich alles, was ich erreichen wollte: eine Ärztin ganz für mich allein, wenn ich sie brauche, und einen Schwiegersohn mit angesehenem Namen. Bettina wird mir noch dankbar dafür sein. Ein junges Mädchen braucht einfach einen Mann, basta!
Bettina Losse wusste, dass sie nervlich kurz vor dem Zusammenbruch stand. Lange würde sie diesem Druck nicht mehr standhalten. Sie musste fort, und zwar bald.
Sie erhob sich und ging davon.
Obwohl sie jetzt durch die Stadt lief, fühlte sie sich nicht wohler. Wohin sollte sie denn?
Plötzlich kam ihr die Idee. Ich rufe einfach mal an. Es wird mir guttun, die lieben Stimmen zu hören. Nur einmal andere Menschen hören, jene, die ich mag, die mich vielleicht noch nicht vergessen haben. Ach, wenn sie wüssten, wie erbärmlich ich mich im Augenblick fühle!
Entschlossen betrat sie eine Telefonkabine.