Читать книгу Ein schwieriger Fall: Arztroman - G. S. Friebel - Страница 8
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ОглавлениеDr. Bernstein hatte gerade seine Sprechstunde hinter sich gebracht. Gleich würde seine Mutter zum Essen rufen. Es war ein schöner Tag. Er war überaus zufrieden. Er spürte, dass ihm alles gelang, was er tat. Er war dem Schicksal unendlich dankbar für diese Chance.
Da läutete das Telefon.
»Ich nehme schon ab!«, rief er ins Nebenzimmer. »Britta, Sie können schon meiner Mutter sagen, dass ich gleich komme!« Dann meldete er sich. Zuerst verstand er die leise Stimme nicht, doch dann erkannte er sie.
»Frau Losse!«, rief Dr. Bernstein erfreut. »Nein, wie sehr mich das freut, dass Sie sich endlich wieder melden! Wie geht es Ihnen denn?«
Als Bettina die liebe Stimme hörte, hätte sie wieder in Tränen ausbrechen können.
»Mir geht es gut«, stammelte sie.
Dr. Bernstein stutzte. Er bemerkte die unterdrückten Tränen in ihrer Stimme.
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, sagt sie gepresst.
»Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass Sie nicht mehr kommen können, Frau Losse? Liebe Kollegin, das dürfen Sie mir einfach nicht antun!«
Bettina wäre in der kleinenTelefonzelle beinah vor Schreck umgefallen.
»Ich soll zurückkommen?«, stammelte sie.
»Aber ja, ich warte schon auf Sie, liebe Kollegin.«
»Aber ich war doch nur eine Vertretung. Ich meine, ich denke ...«
Bernstein spürte, dass sie ganz aus dem Häuschen war. Sie schien tief beglückt zu sein. Etwas musste also geschehen sein.
»Hier hat sich eine ganze Menge getan. Sie werden staunen. Mehr verrate ich aber nicht. Das müssen Sie sich schon ansehen.«
»Oh!«
Bernstein sagte leise: »Oder können Sie noch nicht? Ist Ihre Frau Mutter immer noch krank?«
Bettina umkrampfte den Telefonhörer.
»Dr. Bernstein«, stammelte sie tränenerstickt. »Meinen Sie es wirklich ernst?«
»Ich meine alles so, wie ich es sage. Darin müssten Sie mich doch langsam kennen.«
Jetzt ließen sich die Tränen doch nicht länger zurückhalten.
»Darf ich sofort kommen?«
Dr. Bernstein spürte, dass die Kollegin in einer schweren Krise steckte. Etwas schien mit ihr nicht zu stimmen. Sie war ja völlig aus dem Gleichgewicht. War es da eigentlich gut, sie anzustellen? Er konnte jetzt doch die Kollegen aussuchen, mit denen er arbeiten wollte.
Eine Sekunde lang überlegte er messerscharf, dann sagte er sich: Ich habe es ihr bereits zugesagt, sozusagen versprochen. Ich muss sie erst wiedersehen. Und wenn sie nicht ganz in Ordnung ist, werde ich auch den Grund dafür feststellen, und dann können wir noch immer sehen, was wir mit ihr tun.
»Je eher, umso besser!« Am anderen Ende wurde es still. »Sind Sie noch da?«, fragte er.
»Ja, Herr Kollege.« Wieder Stille. Und dann ganz leise: »Dr. Bernstein, ich glaube, Sie haben mir gerade das Leben gerettet.«
Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Oh, dachte er, so schlimm ist es also.
»Ich kann also damit rechnen, dass Sie jetzt kommen?«
»Ja«, sagte Bettina ganz ruhig und gelassen. »Ja, Sie können damit rechnen. Und ich verspreche Ihnen, ich werde mich für Sie totschuften.«
»Aber das verlange ich ja gar nicht. Wenn ich das wollte, wäre mein Ärzteverschleiß bald sehr hoch, und wir müssten den Friedhof vergrößern, was der Bürgermeister mir bestimmt verübeln würde.«
Bettina lachte auf. Ihr Lachen klang frei und herzlich.
»Ja, ich komme!«, rief sie. Dann legte sie auf.
Dr. Bernstein legte ebenfalls den Hörer zurück - äußerst nachdenklich. Er starrte eine Weile vor sich hin, dann stand er auf und ging ins Esszimmer. Hier traf er seine Eltern, seine Sprechstundenhilfen - Britta und Frau Schöller - und auch Maria Ansbach, die als Haushälterin fungierte. Die Mutter kannte ihren Sohn gut genug, um sogleich zu merken, dass etwas nicht stimmte.
»Frau Dr. Losse hat gerade angerufen«, sagte er.
Britta, die den jungen Arzt innig liebte, aber glaubte, dass er es nie bemerken würde, sah ihn demütig an.
»Kommt sie zurück?«, fragte sie.
Agnes Schöller, die um das blutende Herz des jungen Mädchens wusste, neigte den Kopf.
»Ja, sie will wieder bei uns arbeiten«, berichtete der junge Mediziner.
»Aber warum machst du dir denn da Sorgen, mein Sohn?«
Er lachte jungenhaft.
»Vor dir kann man nichts verbergen, nicht wahr?«
»Nein, das kann man nicht«, bestätigte die Mutter mit gewissem Stolz.
»Nun, im Augenblick möchte ich nicht darüber sprechen. Ich weiß es selbst noch nicht genau, weshalb ich beunruhigt bin.« Dann wandte er sich an Maria. »Drüben alles in Ordnung?«
»Nun, wir haben ja erst zwei Patienten, da brauche ich noch nicht viel zu kochen.«
»Die zwei Drachen lassen das wohl nicht zu, wie?«
Maria Ansbach lachte.
»Sie meinen doch nicht etwa Lydia und Johanna?«
»Genau!«
Alle lachten herzlich auf.
»Nach dem Essen werde ich hinübergehen.«
»Soll ich mitkommen?«
Agnes Schöller war schließlich pensionierte Krankenschwester.
»Nein, Frau Schöller, Sie ruhen sich mal hübsch aus und gönnen Ihren Füßen ein wenig Erholung.«
»Aber, Herr Doktor!«
»Ich bin egoistisch und hoffe, Sie in Anspruch nehmen zu dürfen.«
Gab es jemanden, der ihn nicht liebte? Agnes fühlte sich überglücklich, denn er gab ihr ja das Gefühl, gebraucht zu werden. Und das allein war ihr schon Lohn genug.
Brittas Gedanken waren bei der jungen Ärztin.