Читать книгу Ein fremder Vogel im Revier: Redlight Street #171 - G. S. Friebel - Страница 7

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Aus dem einen Schnäpschen wurden dann eine ganze Menge, aber Dietmar war trinkfest und behielt einen klaren Kopf. Vor sich hatte er einen großen weißen Bogen hingelegt, daneben einen Bleistift

»Jetzt schreibe ich mir erst einmal auf, was ich alles brauche, um mich in ein Mädchen zu verwandeln. Zum Glück habe ich schöne Beine.« Und er begann zu grinsen.

Das wichtigste war eine Perücke. Zuerst wollte er eine blonde nehmen, doch dann entschied er sich für eine dunkelblonde. Dann brauchte er eine Menge Dinge, um sich anzumalen. Jan hatte ihm einmal ein Mädchen vom Theater besorgt. Von ihr war er in die Schminkkunst eingeweiht worden. Dietmar war sehr gelehrig, und außerdem vergaß er nie etwas.

»Falsche Wimpern«, sagte er halblaut. »Die brauch ich auch.«

Er schrieb es auf.

»Und wie steht es mit der Unterwäsche? Hmhm, so ein Dingsda, so einen Büstenhalter brauch ich auf alle Fälle. Aber einen gefüllten, eine plattbrüstige Nutte schaut keiner an.«

Die Liste wurde furchtbar lang, und Dietmar war mit sich sehr zufrieden. Als er sie zusammengestellt hatte, lehnte er sich aufatmend zurück und dachte weiter über seinen Ausflug nach.

»Ich will mich ja bloß unter die Dirnen mischen und so tun, als sei ich auch eine, dabei kann ich sie dann beobachten und belauschen. Natürlich gehe ich nicht mit einem Freier, das wär ja noch schöner.« Er musste lachen. »Die würden hübsche Augen machen, wenn sie mich entblättern würden.«

Diese Vorstellung und der Alkohol machten ihn ungemein lustig. Für den Augenblick hatte er sehr viel geschafft und war müde. Er legte sich auf das Sofa und träumte vor sich hin. Er sah schon im Geiste, wie sein Verleger ihm die Hände küsste und sich immer wieder bedankte. Natürlich würde er eine angemessene Honorarforderung stellen. Jetzt, wo er so hervorragend sein Genie unter Beweis gestellt hatte, musste das möglich sein.

»Ich werde mir ein neues Auto kaufen«, murmelte er vor sich hin. »Jan wird vor Wut platzen, weil alles so prachtvoll ausgefallen wird.«

Soweit war er mit seinen Gedanken gekommen, als er sich ganz plötzlich kerzengerade aufsetze. Die Augen ein wenig aufgerissen, starrte er die lange Liste an.

»Und wer besorgt mir die Sachen?«

Hui, nun wurde es ihm doch ein wenig heiß unter seiner Weste. Er selbst konnte das alles unmöglich besorgen, man würde denken, er sei ein Transvestit geworden. Da er ziemlich bekannt war, würde sich das gleich herumsprechen, und er hätte sich dann unmöglich gemacht, bevor er überhaupt das Unternehmen startete.

Ob er sich vielleicht seiner Schwägerin bedienen konnte? Wenn eine Frau all die Dinge einkaufen ging, war das nichts Ungewöhnliches. Aber die Frau seines Bruders war ziemlich neugierig und würde so lange hartnäckig bohren und fragen, bis er ihr die Wahrheit sagte, und dann würde sie sofort alles brühwarm seinem Bruder erzählen. Der würde angestürzt kommen und ihn auf Knien anflehen, es sein zu lassen, an den guten Ruf der Familie zu denken und so weiter.

»Die kann ich also auch streichen. Aber zum Teufel, wer könnte mir das Zeug dann besorgen?«

Das bereitete ihm sehr viel Kopfschmerzen. Vielleicht hätte Jan eine Lösung gewusst? Ach nein, der war ja ganz und gar gegen dieses Unternehmen.

»Ich muss mit Helga Kontakt aufnehmen.« Sie war das Mädchen vom Theater. Jan war immer der Meinung gewesen, er habe sämtliche Mädchen vernascht, die er ihm gönnerhaft überlassen hatte. Aber das stimmte nicht. Er war nicht so skrupellos. Außerdem hatte er eine Heidenangst davor, womöglich durch einen dummen Trick von solch einem Mädchen zum Standesamt geschleppt zu werden.

Sie hatten ein paar Nächte zusammen gefeiert und getrunken, mehr war auch nicht vorgefallen, obgleich die Mädchen brennend auf eine Fortsetzung gewartet hatten. So waren sie dann sehr enttäuscht abgezogen.

Helga war ein nettes Mädchen gewesen, sie war sicher bereit, ihm zu helfen. Er würde sie anrufen und sie einladen.

Damit ihn nicht der Mut verließ, stand er sofort auf und ging zum Telefon. Im Theater musste man sie erst sehr lange suchen, ehe er ihre Stimme hörte.

Sie stieß einen Freudenschrei aus, als sie hörte, wer am Apparat war. »Hallo Süßer, Dietmar, du erinnerst dich noch an mich? Wie hübsch. Obwohl wir nichts miteinander hatten, willst du, dass ich komme? Du kleiner Schlingel, du willst doch nicht jetzt etwa alles nachholen?«

Dietmar steckte einen Finger hinter seinen Hemdkragen. Die verfluchte Sexwelle! Alle Welt glaubte, wenn man nicht so tat, als würde man alle Augenblicke mit irgend jemandem im Bett liegen, könnten die anderen meinen, man sei irgendwie verkorkst und bedürfe dringend einer Behandlung durch so einen Herrn im weißen Kittel.

»Kommst du wirklich?«

»Klar doch, in einer Stunde kann ich hier abkommen, Dietmar. Dann fliege ich zu dir, einverstanden?«

»Ich warte auf dich.«

Er legte den Hörer auf, zündete sich wieder eine Zigarette an, betastete mit den Fingerspitzen seine Schläfen, in denen es zu pochen begann. Der Alkohol machte sich bemerkbar.

»Ich werde mir einen Kaffee kochen, sonst kann ich nicht mehr klar denken.«

Dietmar war ein perfekter Koch. Überhaupt besaß er ziemlich viele Qualitäten, und darum war es eigentlich schade, dass er noch immer unbeweibt war. Er hätte auch einen prachtvollen Vater abgegeben, man musste es ihm nur erst einmal energisch klarmachen, dass er sich allmählich in diese Rolle hineinzufinden hatte.

Während der Schriftsteller vor seinem Kaffee hockte und darüber nachsann, wie weit er Helga ins Vertrauen ziehen könne, musste er feststellen, dass dieses Unternehmen Rosa Unterrock, wie er es bei sich getauft hatte, immer weitere Kreise zog.

»Und was das kosten wird!«, murmelte er vor sich hin.

Mitten in seine Überlegungen hinein klingelte es. Es war Helga. Seufzend fiel sie ihm um den Hals und wollte ihn küssen, aber Dietmar schob sie hastig zur Seite.

»Doch nicht im Treppenhaus«, murmelte er.

»Du bist wirklich süß und sehr schüchtern, ich mag schüchterne Männer«, lächelte das Mädchen.

Dietmar verzog sein Gesicht, als habe ihn plötzlich Zahnweh gepackt.

»Möchtest du einen Kaffee? Kuchen hab ich auch!«

»Wirklich? Ich bin total. ausgehungert. Wir haben heute mal wieder geschuftet wie noch nie.«

Als Helga merkte, dass er keinen Sex von ihr wollte, wurde sie sehr natürlich und frisch und lustig. Sie mochte es auch nicht, wollte aber eben auch nicht für verkorkst gehalten werden. Dietmar staunte, wie sehr sie sich verwandeln konnte, und das in so kurzer Zeit.

»Warum hast du mich eigentlich angerufen?«, wollte sie wissen, als kein Stück Kuchen mehr in sie hineinging.

»Weil ich hoffe, dass du mir aus einer Patsche helfen kannst!«

Helga machte kugelrunde Augen: »Ich? Du meine Güte, was hast du denn angestellt?«

Dietmar war ein klein wenig gekränkt.

Wieso glaubte sie, er habe etwas angestellt?

»Nichts«, sagte er würdevoll.

»Ja, dann schieß mal endlich los. Was hast du denn auf dem Herzen? Für den vielen Kuchen, den ich vertilgt habe, muss ich wohl was leisten, wie?« Sie lachte über sein erschrockenes Gesicht »Ich beiße nicht«, fügte sie rasch hinzu.

Dietmar stand auf und reichte ihr die Liste.

»Kannst du mir das besorgen, Helga?«

Sie las, was auf dem Zettel stand, dann blickte sie Dietmar wieder an und murmelte vor sich hin: »Falscher Busen, nicht zu üppig.«

»Sag mal, hat deine Ische ein Loch im Kopf, dass sie sich die Sachen nicht selbst besorgen kann?«

»Ische?«, echote Dietmar. »Was ist das denn nun schon wieder?«

»Herrje, Kleiner, lebst du auf dem Mond? So nennt man doch seine Freundin.«

»Ach so. Nein, ich brauche das nicht für eine Frau.«

Helga dachte: Entweder bin ich bekloppt oder er.

»Ich versteh nur immer Bahnhof.«

»Sag mal, kannst du mir die Sachen nicht besorgen, ohne viel zu fragen?«

»Schwerlich«, meinte das Mädchen, »ich muss schließlich die genauen Maße wissen, sonst kann ich gar nichts besorgen.«

»Ach so, ja«, murmelte Dietmar, »daran habe ich gar nicht gedacht. Wie errechnet man die denn?«

»Hör zu, Dietmar, ich bin wirklich nicht neugierig, und es ist mir auch egal, für welche Nudel du die Sachen haben willst, aber da steckt doch was dahinter. Also, ich klatsche auch nicht, ganz bestimmt nicht.«

»Großes Ehrenwort?«

»Meinetwegen ganz großes Ehrenwort«, lachte das Mädchen. Langsam begann sie sich über ihn zu amüsieren.

Dietmar fühlte, dass er das Mädchen einweihen musste, sonst würde er gleich Schiffbruch erleiden. Er holte also einmal ganz tief Luft, dann sagte er mit unsicherer Stimme: »Also gut, die Sachen sind für mich. Jetzt weißt du es!«

Helga wollte nicht lachen, wusste sie doch, dass er so empfindsam wie eine Mimose war. Aber nun sprudelte das Lachen aus ihr heraus. Sie konnte einfach nicht anders.

»O Gott, nein, sag mir jetzt bloß nicht, dass du Theater spielen willst«

»Hör auf zu lachen, oder ich sage gar nichts mehr.«

Helga nahm hastig einen Schluck Kaffee. »Ich bin ja schon ganz still.«

»Du wirst keiner Menschenseele etwas sagen?«

»Nein, ich hab dir doch schon mein ganz großes Ehrenwort gegeben«, sagte sie. Aber in ihren Augen glitzerte es verdächtig.

Dietmar erzählte ihr nun, wofür er die Sachen haben wollte. Danach war es für einen Augenblick ganz still im Raum. Helga sah ihn nur sprachlos an.

»Also«, japste sie, »soviel Mut habe ich dir gar nicht zugetraut, wirklich nicht« Er war in ihrem Ansehen gewaltig gestiegen.

»Du meinst also auch, dass ich es so machen muss, wenn ich wirklich echt schreiben will?«

Helga musste sich schnell abwenden, sonst hätte sie wieder angefangen zu lachen.

»Jedenfalls ist es eine grandiose Idee«, murmelte sie. »Also wirklich, darauf wäre ich nicht gekommen.«

»Du wirst keinem etwas sagen?«

»Nein«, sagte sie, und sie tat es auch wirklich nicht.

»Du wirst mir also alles besorgen?«

»Natürlich, dafür hast du mich ja kommen lassen. Also holen wir deinen Schlitten aus der Garage und brausen los. In ein, zwei Stunden haben wir alles zusammen, und dann verwandeln wir dich in eine feine Lady.« Nun musste sie doch wieder lachen.

Bevor sie aber abfahren konnten, mussten sie noch Maß nehmen. Helga wusste noch nicht, was sie kaufen würde. Im Geschäft würde sie sich spätestens entscheiden müssen.

Dietmar begleitete sie zu den Geschäften, blieb aber draußen stehen. Jedes mal kam sie heraus, übergab ihm ein Paket und hastete weiter. So verbrachten sie an die zwei Stunden, und Dietmar sah bald wie ein Packesel aus. Langsam wurde ihm die ganze Angelegenheit unheimlich, aber nun hatte er so viel Geld investiert, nun sollte es sich auch rentieren.

Ein fremder Vogel im Revier: Redlight Street #171

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