Читать книгу Benzinmieze Paula: Redlight Street #172 - G. S. Friebel - Страница 6

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Carola Wucht schlenderte den Weg entlang. Manchmal glitzerten ihre Augen, doch meist war ihr Gesichtsausdruck ziemlich mürrisch. Ihre schäbige Schultasche zog sie an einem Riemen hinter sich her; sie wurde dadurch auch nicht schöner. Es polterte mächtig darin, aber zum Glück war der Seitenstreifen mit Gras bewachsen.

Carola war ein schlankes, hochgewachsenes Mädchen. Sie hatte mit ihren fünfzehn Jahren noch etwas Unfertiges an sich. Die Arme und Beine waren zu lang, und oft wusste sie vor Verlegenheit nicht, wohin damit. Aber man sah schon jetzt, dass sie einmal ein sehr pikantes Persönchen werden würde.

In diesem Augenblick musste sie wieder daran denken, wie Frank hinter dem Fahrradunterstand auf dem Schulhof an ihrem Busen gefummelt hatte.

Dabei hatte er ganz seltsame Augen gehabt und noch gekichert wie ein Mädchen. Carola war das richtig komisch vorgekommen, und sie hatte ihn zur Seite gestoßen.

»Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, wie?«

»Äh«, machte Frank und stemmte die Hände in die Hüften. »Du bist ein verdammt scharfes Mädchen. Kann ich was dafür, dass wir da verrückt spielen.«

»Waaas bin ich?«, hatte sie entgeistert gefragt.

»Scharf wie 'ne Rasierklinge, jawohl, tu bloß nicht so scheinheilig. Ich weiß das, und die anderen Jungen in der Klasse wissen das auch. Außerdem hast du rote Haare. Vor denen soll man sich in acht nehmen, hat mein großer Bruder gesagt. Und einen tollen Busen hast du auch schon.«

Nun war die Sache aber so: Carola war zwar tatsächlich körperlich schon voll entwickelt, doch ihre geistige Entwicklung war nicht im selben Tempo vorangeschritten. Später würde es keine Rolle mehr spielen. Aber wie gesagt, im Augenblick war Carola noch etwas unwissend und unsicher in dieser Beziehung. Was die anderen Mädchen zum Kichern brachte, davor schämte sie sich. Und dann dieser Busen. Jeden Morgen stellte sie sich vor den kleinen Spiegel und blickte verzweifelt hinein, um zu prüfen, ob man auch ja nicht viel davon sah. Im Winter war es ja noch gegangen, da hatte sie sich immer drei Pullover übergezogen und hatte nachher so platt wie ein Reibebrett ausgesehen. Darum ja auch die große Verwunderung der Buben in der Klasse. Ihnen kam das so vor, als sei buchstäblich über Nacht bei Carola der Busen gesprossen, und somit war das jetzt das Gesprächsthema Nummer eins. Man konnte sich kaum darauf konzentrieren, was der Lehrer vorne sagte. Der Busen von Carola war wirklich umwerfend. Frank hatte mit den anderen sein Taschengeld verwettet und jetzt gewonnen. Alle waren sie der Ansicht gewesen, Carola hätte dem Wunder ein wenig nachgeholfen.

»Ich prüf nach, ob das stimmt«, hatte Frank vor seinen Klassenkameraden geprahlt.

Die Jungen hatten ihn umringt und angegrinst. »Die Carola wird dir eine kleben.«

»Und? Davon stirbt man doch nicht. Ich will es jetzt wissen. Wartet, nachher sehen wir dann, wer gewonnen hat.« Nur Frank war felsenfest davon überzeugt, dass der Busen echt sein musste. Und jetzt war sein Triumph unermesslich, und seine Freunde wurden grün vor Neid. So konnte man sich auch das Taschengeld aufbessern.

Zum Glück ahnte Carola nicht, dass ihr Busen zum ersten Mal jemandem Geld eingebracht hatte. Sie war wütend über das dumme Gerede und war wild entschlossen, trotz des schönen Wetters wieder einen ihrer dicken Pullover anzuziehen. Zwar würde sie dann mächtig schwitzen, aber besser das, als das blöde Geschwätz der Jungen. Alles in allem, sie schämte sich noch sehr ihrer weiblichen Reize, aber ganz tief drinnen saß doch ein kleines.Teufelchen und ließ nicht locker. Das Mädchen hatte ein ganz eigenartiges Gefühl in der Magengrube. Eigentlich war Frank ganz nett gewesen, und er hatte richtig bewundernd mit ihr gesprochen. Ja, tatsächlich, wenn sie es sich jetzt so überlegte, war er gar nicht übel, und er hatte sie auch noch gelobt. Ja, aber für den dummen Busen konnte sie doch gar nichts, der war doch ganz von selbst gewachsen. Im Gegenteil, wie hatte sie sich immer krumm gesetzt, damit er nicht so auffiel, und nachts hatte sie nur noch auf dem Bauch geschlafen, um das Sprießen zu verhindern. Das hatte aber alles nichts genützt.

Vielleicht war das gar nicht so schlimm? Sie runzelte die Stirn. Herrje, dachte sie, wer kann mir denn bloß sagen, was ich tun soll? Vielleicht doch nicht den dicken Pullover anziehen?

Natürlich waren sie schon in der Schule aufgeklärt worden, aber wenn junge Mädchen in die Pubertät kommen, dann sind sie oft nicht ansprechbar, und mit vernünftigen Worten ist da nichts auszurichten. Man muss sie einfach gewähren lassen, bis sie ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden haben. Manchmal geht das schnell, manchmal kann das aber eine ganze Weile dauern, und für die Umgebung ist das dann wirklich nicht einfach.

Eine andere Mutter hätte vielleicht schon längst bemerkt, dass mit ihrer Tochter im Augenblick nicht alles in Ordnung war, und sie hätte mit viel Verständnis versucht, ihr zu helfen. Die Hilfe wäre aber wahrscheinlich abgelehnt worden.

Emma Wucht hatte ganz andere Sorgen. Ihr derzeitiger Freund saß wieder einmal im Gefängnis, und sie überlegte sich, ob sie ihn zum Teufel schicken sollte, oder nicht, wenn er herauskam. Und dann musste sie auch noch zusehen, wo sie das Geld herbekam, um sich den Schnaps zu kaufen, den sie nun mal zum Leben brauchte. Wie ein Auto niemals ohne Benzin fuhr, so musste sie jeden Tag ihren halben Liter Alkohol haben, sonst sprang ihr Motor nicht an. Aber man stand kurz vor dem Monatsende, und es dauerte noch drei Tage, bis die Rente ausbezahlt wurde. Sie war schon auf der Post gewesen, aber die sturen Beamten rückten nicht eine müde Mark heraus, obwohl sie ihnen gedroht hatte, ihren Schirm auf ihre Holzköpfe zu schlagen. Doch damit hatte sie wenig Eindruck hinterlassen.

Emma war noch nie sehr arbeitsam gewesen. Und so hatte sie sich eigentlich immer irgendwie durch das Leben geschummelt Fred, ihr Mann, hatte das einzig Vernünftige getan, er hatte gut gearbeitet, war früh gestorben und hatte seiner Witwe und seinen beiden Töchtern eine anständige Rente hinterlassen.

Sie lebten auf dem Land, in einer Art Baracke. Damals waren sie nur für den Übergang dort eingezogen. Fred hatte nämlich ein kleines Häuschen bauen wollen. Er war ja Maurer von Beruf gewesen. Aber dann war er gestorben, ehe er sein Vorhaben verwirklichen konnte, und Emma hatte den Bausparvertrag verkauft. Aber alles, was recht ist, sie hatte ihrem Mann eine schöne Beerdigung ausgerichtet. Drei Tage hatten sie Leichenschmaus gehalten, sie und die Nachbarn.

Also lebten sie noch immer in der schäbigen Zweizimmer-Baracke. Sie brauchten kaum Miete an die Gemeinde zu entrichten. Eigentlich hätten sie ganz gut mit der Rente auskommen können, Emma und ihre Jüngste. Doch die Mutter brauchte nun mal den Schnaps, ohne den sie nicht leben konnte.

Die Leute im Dorf konnten sich nicht genug wundern, dass Emma immer wieder einen Galan fand. Sie war nämlich dick und hässlich, hatte ein Pfannkuchengesicht und Hände so breit wie Schaufeln, einen falschen Zopf und falsche Zähne. Früher, da war sie einmal eine Schönheit gewesen. Viele junge Männer hatten sich in Emma verliebt. Fred hatte sie schließlich geheiratet, und obwohl Emma nicht sehr auf Ordnung hielt und er neben seiner Arbeit auch noch die Hausarbeit verrichten musste, hatte es nie ein böses Wort gegeben. Ja, man konnte wirklich sagen, sie waren ein glückliches Paar gewesen. Er hatte seine Emma über alles geliebt. Mochte sie auch faul und schlampig sein, aber sie hatte ein gutes Herz und war zu allen freundlich und nett. Sie hatte selbst nie viel Geld, doch wenn einer kam, der nichts hatte und dringend etwas brauchte, gab sie es ihm. Sie war hilfsbereit und selbstlos, und wenn es sein musste, ging sie sogar zu anderen arbeiten, nicht für Geld, sondern weil die Nachbarin krank war und niemand die Kinder und den Haushalt versorgte. Pünktlich auf die Minute erschien Emma und schuftete wirklich wie besessen. Wollte man ihr Geld geben, so wies sie es zurück.

'Nein, für Gottes Lohn', sagte sie heiter.

Ja, sie war wirklich eine seltsame Frau. Alle im Dorf liebten sie auf ihre Art und Weise, obwohl sie wussten, mit Emma war es nicht weit her. Und von Moral hielt sie überhaupt nichts. Sie lebte in den Tag hinein. Und es pochte immer wieder ein fremder Mann an ihrer Tür. Oft wollten sie nur eine Nacht bleiben, angeblich hatten sie sich verfahren, oder verlaufen, oder was sie sonst noch für Ausreden erfanden. Aber sie blieben dann ziemlich lange, und sie lebten lustig und fidel in den Tag hinein. Ja, sie dachten gar nicht daran fortzugehen.

Emma war ein Original. Sie war herzlich zu den Töchtern, ließ ihnen aber völlige Freiheit. Paula und Carola hatten sich selbst erziehen müssen. Sie hatten auch zusehen müssen, dass sie allein in der Schule zurechtkamen.

Hier also lebte Carola und war eigentlich ganz glücklich. Obwohl sie oft davon träumte, eine schicke Wohnung zu besitzen. Manchmal, wenn die Mutter gerade einen Onkel bei sich wohnen hatte, der noch ein Auto besaß, dann war sie auch in die nahe Großstadt mitgenommen worden. Dort hatte sie die Schaufenster angesehen, manchmal gingen sie auch ins Kino. In der Großstadt sah sie wundervolle Häuser und Einrichtungen. Ein Bad, traumhaft schön, und eine Küche, in der alles funktionierte. Wenn sie dann wieder nach Hause kam und die Toilette draußen im Garten benutzen musste, dann verfiel sie wohl mal für einen kurzen Augenblick in Trübsinn. Aber der hielt nie lange an.

Carola hatte den windschiefen Zaun erreicht und lehnte sich dagegen. Sie blickte zum Häuschen hinüber. Ein Fenster stand offen. Herrliche Gerüche drangen daraus hervor. Emma kochte ausgezeichnet. Wurde im Dorf irgendwo eine Feierlichkeit veranstaltet, wie Hochzeit, Kindstaufe oder Beerdigung, dann holte man Emma als Köchin.

»Hallo, warum kommst du nicht ’rein? Ich warte schon die ganze Zeit auf dich«, hörte sie die Mutter freundlich rufen.

Carola seufzte, öffnete das kleine Gartentor und wusste schon nicht mehr, warum sie vorhin so schlechter Laune gewesen war.

Benzinmieze Paula: Redlight Street #172

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