Читать книгу Im Reich der Träume - Gabriel Lopez Monica - Страница 7

Kapitel 4 Okeanos

Оглавление

Zwei Jahre früher. Dezember 2039. Von außen betrachtet ist der Monolith ein gigantischer Würfel, einhundert mal einhundert mal einhundert Meter, umgeben von einem kilometerweiten Geröllfeld; in sehr heißen Sommern und trockenen Wintern, wie in diesem Jahr. In der Regel ist da nur Schnee, und man muss aufpassen, wenn die Sonne scheint, nicht schneeblind zu werden.

Im Inneren gibt es ein unterirdisches Gewölbe, darüber Parterre und erster Stock. Alles ein einziger Raum, minus die vier Meter dicken Mauern und die vier Meter dicken Decken; die Wände sind acht Meter hoch.

Im Grunde ist es ein Bunker. Über dem ersten Stock gibt es nichts mehr, bis auf die himmelhohen Außenmauern; sechsundsiebzig Meter hat man gemessen – das ist mathematisch korrekt, doch die Mauern sind nicht verwittert, kein Stück, und das ist verwirrend!

Okeanos ist ein unbegreifliches, sinnloses, archaisch wirkendes Monument einer völlig fremdartigen Kultur. Warum sollte jemand, in dieser Höhe, ein solches Gebäude und solche Räume, wie ein Bildhauer, aus dem Stein eines Monoliths schlagen?

Unheimlich ist der See, der entsteht, wenn oben der Schnee schmilzt, man kann es nur vom Hubschrauber aus sehen: Zum Dach gibt es keinen Zugang. Froschmänner sind dort getaucht, Ergebnis: Die Außenmauern, der Boden, beziehungsweise das Dach des ersten Stocks, Wasser – ganz normales Süßwasser.

Bücher sind über Okeanos geschrieben worden, doch niemand weiß wer diese Mauern errichtet hat, wann das geschehen ist und warum. Hier oben gibt es nichts.

Der Stein, vulkanisch, lässt sich bearbeiten, nur, von Menschen unberührt verändert es sich nicht. Die Bergsteiger, die es vor Jahrhunderten entdeckten fanden auch keinerlei Hinweise: Keine Schriftzeichen, keine Skelette, keine irgendwie geartete Spuren. Nichts.

Anfang des 21. Jahrhunderts wurde dieses Rätsel, voller Widersprüche, den Naturgesetzen trotzend, mit hohen finanziellen Aufwand untersucht (Projekt Uranos); für jede Antwort tauchten zwei Fragen auf, das Mysterium blieb, aber es brachte auf Ideen.

Dann, vor zwölf Jahren, wurde es mit Technik ausgestattet, Okeanos getauft und als Wohnimmobilie ins Gespräch gebracht. Das Echo war enorm, bis hin zu Angeboten in Milliardenhöhe. Den Zuschlag erhielt schließlich eine Schriftstellerin: Claire Weißhaar. An sie wurde es für neunundneunzig Millionen Schweizerfranken für neunundneunzig Jahre vermietet. Es gab Widerstand aus der Politik, denn diese Summe betrug nur zehn Prozent der Forschungskosten, und so hoffte man aus dieser Tatsache politisches Kapital schlagen zu können. Die Wissenschaftsindustrie protestierte ebenfalls, quer durch alle Medien, doch der Staat wankte nicht und war auch nicht bereit weitere Forschungsprojekte zu finanzieren, oder für die nächsten neunundneunzig Jahre zu erlauben. Da oben gibt es nichts. Punkt.

Die Teams, die am Projekt Uranos beteiligt waren, arbeiten weiter, mit der Masse an Daten die sie gewonnen haben. Sie hoffen die Formel für ein Material zu finden dessen Eigenschaften Formbarkeit, und zugleich Unzerstörbarkeit wären. Die Daten ergeben zwar keinen Sinn, aber so sind nun einmal die Eigenschaften der Gesteinsproben, die fremdartiger sind als das Mondgestein es war. Die Wissenschaftler, weltweit vernetzt, nennen die Untersuchung des Phänomens respektlos, fasziniert: Projekt Kotzbrocken, lachen dabei und träumen vom Nobelpreis; aus den Medien ist das Thema verschwunden.

Wenn das Wetter es zulässt kommt ein großer Lastenhubschrauber, um die Lager aufzufüllen: Benzin, allerlei Vorräte, Bücher und Proviant, vor allem Frisches. Es gibt zwar einen Obst- und Gemüsegarten, unter künstlichem Licht, doch man pflückt die Pflanzen nicht; sie sind für den Notfall und zum Verweilen – ein schöner Ort mit Parkbänken und poetischen Namen: Die Gärten von Gaia.

Der Hubschrauber bringt auch Menschen, die Ablösung: Ärzte, Techniker, Geologen und Besuch: Politiker, Schriftsteller, Künstler. Bei diesen Gelegenheiten veranstaltet man Abends, in den Privaträumen der Bewohner, eine Willkommens- und Abschiedsparty; in der geräumigen Bibliothek finden alle Platz. Ein Kamin, Sitzgruppen und ein Panoramafenster machen das Ganze sehr gemütlich; die Welt ist fern, die Gespräche gut. Es sind seltene Höhepunkte, denn das Wetter ist häufig monatelang zu extrem, als dass jemand kommen könnte.

Die isolierte Lage Okeanos im lebensfeindlichen Hochgebirge, an die Tiefsee und das All erinnernd, ist gefährlich; ein Vier-Jahres-Vorrat an allem schien angebracht. Der riesige Gewölbekeller unterscheidet sich durch zwölf viereckige Säulen von den übrigen Räumen. Sie tragen keine Verzierungen. Welchem Zweck sie dienen weiß man nicht, um die Decke zu tragen wären sie nicht nötig. Dort entlang wurden solide Zwischenwände errichtet. Es sind Maschinen- und Vorratsräume entstanden, für die Leute die hier arbeiten und leben. Die Mieter sind von jener Art Menschen die die Einsamkeit liebt, die ihr Geld in die Abgeschiedenheit solcher Orte investiert. Das Erdgeschoß, zehntausend Quadratmeter, besteht aus Wohnräumen, der Bibliothek, den Garten und eine Krankenstation. Den ersten Stock hat man unberührt gelassen. Es ist ein titanisch großer Raum Leere, in dem man das Geheimnis, dass Okeanos ist, intensiv erfährt. Es ist Einsamkeit, die einen dort zu überwältigen droht, oder auch Gedankenlosigkeit, eine Freiheit die schwer zu ertragen ist, eine Stunde oder zwei, länger bleibt niemand dort, außer Claire. Darüber gibt es nur noch den See, oder Schnee und Eis. Der Stein trägt die tonnenschwere Last ohne zu klagen. Claire glaubt, bei der Rückkehr von ihren Spaziergängen, immer wieder einen Adler zu sehen, ganz oben auf der Mauer. Der Vogel steht einfach da, sagt sie, hoch aufgerichtet, mit den Schnabel gen Himmel zielend. Sie lässt sich nicht davon abbringen und behauptet hier wäre einmal eine Stadt gewesen, das Geröllfeld wäre ein Hinweis dafür.

Im Reich der Träume

Подняться наверх