Читать книгу Das Labyrinth der Medea - Gabriela Hofer - Страница 6
IN DER ZUKUNFT
ОглавлениеHope! Kommst du endlich runter? Betsy wartet sicher schon draußen auf dich!“ Mrs. Hopper stand im Flur am Anfang der Treppe zum ersten Stock. „Bin schon auf dem Weg, Mom!“ Unten angekommen fiel sie ihrer Mutter um den Hals, schnappte sich Jacke und Schultasche und wollte zur Tür hinaus. Ihre Mutter hielt sie zurück: „Halt, junge Dame! Wo hast du den Zettel mit den mitzunehmenden Sachen für eure zweitägige Geschichts-Exkursion?“ Hope drehte sich nochmals um: „Der liegt oben im Zimmer auf dem Bett. Ich habe schon begonnen die Dinge bereitzulegen. Deshalb habe ich auch die Zeit vergessen. Tschüss, Mom ...“, und draußen war sie.
Zurück blieb ihre Mutter, eine 43-jährige Archäologin, die im örtlichen Museum in Stirling arbeitete. Sie war eine hübsche, leicht rundliche Frau mit kurzen braunen Haaren und braunen Augen.
Auf der Straße des kleinen Quartiers in einem Vorort Stirlings stand tatsächlich schon ein Mädchen, das ungeduldig auf die Uhr geschaut hatte und nun meinte: „Hallo, Hope! Sag mal, wo bleibst du denn so lange? Ich habe keine Lust in die Schule zu rennen.“
„Bin ja schon hier, sorry, habe noch den Zettel für die Exkursion studiert.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Schule. Die beiden Girls waren seit der Krabbelzeit Freundinnen. Bisher hatte nichts sie auseinanderreißen können, obwohl sie gegensätzlicher nicht hätten sein können. Betsy, bereits 15-jährig, war eine große, langbeinige Schönheit mit weißblonden langen, glatten Haaren, welche wie ein Fächer hin und her schwangen, wenn sie ihren Kopf schüttelte. Eine Bewegung, die bei ihr sehr häufig vorkam, da sie entgegen der allgemeinen Meinung, dass Menschen mit solcher Haarfarbe keinerlei Temperament besäßen, über ein großes Maß davon verfugte. Außerdem war ihre Neugierde sprichwörtlich. Sie musste alles wissen. Nun richtete sie ihre großen blauen Augen auf Hope: „Stell dir vor, heute kommt endlich der neue Junge in die Schule. Wie der wohl aussieht?“ Hope grinste vor sich hin; dies war typisch für Betsy. Sie verging beinahe vor Neugierde: „Gedulde dich noch eine halbe Stunde, dann weißt du es.“
„Na klar, der ruhigen, besonnenen Hope Hopper ist dies natürlich völlig egal.“ Betsy schlug Hope nicht gerade sanft auf den Rücken. Diese fiel beinahe vornüber. „Sag mal, Betsy, spinnst du? Ich wäre fast hingefallen! Ich habe nun einmal noch kein solches Interesse an Jungs wie du — und übrigens hast du den einzig süßen in der Schule ja schon für dich gepachtet. Na ja, vielleicht ist dieser Gideon ja wenigstens mal kein Kindskopf.“
Betsy blieb erstaunt stehen: „Du meinst wohl George? Ich soll in George verknallt sein? Ja, er ist nett, irgendwie knuddelig mit seinen immer verwuschelten braunen Haaren und seiner ungeschickten, schlaksigen Gestalt. Ich verstehe seine Unsicherheit nicht, schließlich ist er sehr intelligent, besonders in Computersachen. Schade, dass ihn die anderen Jungs immer piesacken, aber vielleicht sind sie ja nur eifersüchtig, weil George alle Mädchen mögen. Man kann nur hoffen, dass der neue Schüler endlich mal einer ist, der sich nicht so blöde benimmt wie die anderen in der Klasse. Besonders George gegenüber, da sie ja gleich nebeneinander wohnen werden.“
„Ja; in welches Haus zieht Gideon denn nun ein, in das gelbe oder das rote?“ Hope war im Stillen für das gelbe Haus. Es strahlte so viel Wärme aus. Die verschiedenen Farben der total identischen Häuschen in diesem kleinen Quartier gaben dem Ganzen einen lustigen Aspekt. Es war so, dass der Briefträger nicht nach Nummern suchte, sondern nach Farben.
Die „Street of Hope“ war ziemlich lang und schnurgerade, bevor man wieder an eine Kreuzung stieß, dort ging man nach rechts und die nächste wieder nach links und schon waren die Kids in der Schule. Wer ganz in der entgegengesetzten Richtung der Schule wohnte, hatte Pech, dieser hatte einen beachtlichen Fußweg vor sich. Hope und Betsy gehörten zu den Glücklichen, ihre Häuser lagen ziemlich am Ende der Straße. George, dessen Haus tatsächlich rosa war, hatte es noch besser, seines lag beinahe bei der Kreuzung.
Betsy und Hope gingen wieder weiter „Ich habe keine Ahnung, frag doch einfach George! Sieh, er wartet schon. Sag mal, nun fällt mir auf: WIE nennst du den Neuen? Gideon?“ Betsy musste lachen: „Wie kommst du denn darauf? Du hast ihn doch noch nie gesehen.“ Hope erschrak. Tatsächlich — es war ihr schon wieder passiert. Was war nur mit ihr los? Ihre Stimme klang angespannt, als sie nun zu Betsy sagte: „Du bist doch meine beste Freundin, nicht wahr? Du behältst das, was ich dir nun sage, für dich?“ Betsy nickte heftig. „Also gut. Mir passieren in letzter Zeit merkwürdige Dinge.“ Hope fuchtelte mit den Händen herum. Nun absolut neugierig geworden fragte Betsy: „Was für Dinge? Komm, erzähl, bevor wir bei George angekommen sind.“
„Nun“, fuhr Hope unsicher fort, „ich wusste zum Beispiel schon Namen im Voraus oder was gleich passieren würde. Das Schlimmste war, dass sogar das eingetreten ist, das ich mir gewünscht hatte.“ Hope wurde rot wie eine Tomate.
„Was meinst du damit?“ Betsy glaubte ihr kein Wort.
„Vorgestern war ich so sauer auf Nancy Miller und habe mir in meiner Wut gewünscht, dass sie auf die Nase fliegt — und in diesem Moment ist sie tatsächlich gestolpert und hingefallen, obwohl gar nichts da war, worüber sie hätte stolpern können. Dann waren da noch diese Vorhersehungen. Ich wusste, dass sich Mrs. Willow den Arm gebrochen hatte, bevor Papa dies Mama erzählte, ich wusste auch, dass sich das Fernsehprogramm wegen eines Vorfalls in der Politik ändern würde — und ich bin mir sicher, dass der Name des neuen Jungen wirklich Gideon sein wird.“
Betsy strich ihr beruhigend über den Arm: „Das waren doch alles Zufälle, glaub mir. Mach dir keine Sorgen. Wenn es nämlich keine wären, müsstest du doch eigentlich eine Hexe sein!“ Da mussten beide Mädchen lachen. „Obwohl, Hope, wenn man dein Aussehen mit einbezieht, könnte man schon daran glauben.“ Hope gab ihr einen scheinbar empörten Nasenstüber. Aber es stimmte schon, Hope hatte alle einer Hexe zugeschriebenen Attribute: Sie war rothaarig und hatte grüne, katzenartig schräg stehende Augen. Sie war wirklich sehr hübsch. Ihre Haare fielen in großen Locken bis auf den Po. Sie war weder klein noch groß und bis auf ein paar Pfunde zu viel um die Hüften schlank.
Nun hatten sie George Parker erreicht, und somit konnte Hope keine Antwort mehr auf diese Hexengeschichte geben. Sie begrüßten ihren Mitschüler und gingen weiter.
Sie hatten George in die Mitte genommen. „Du, George“, fragte nun Betsy, „hast du den Neuen schon gesehen? In welches Haus zieht er nun ein?“
George wandte sein Gesicht Betsy zu: „ln das gelbe und nein, ich habe ihn noch nicht gesehen. Nur ein großer Umzugswagen war gestern hier. Dort aber ist kein Junge in unserem Alter mit dabei gewesen.“ Betsy war ein bisschen enttäuscht, aber wenigstens wusste sie nun, welches Haus neue Mieter bekam.
Sie hatten die Kreuzung erreicht und trafen dort auf weitere Mitschülerinnen. Gemeinsam setzten sie ihren noch kurzen Weg zur Schule fort.