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Kapitel 2
ОглавлениеFelicitas parkierte ihren gelben VW Beatle an der alten Tösstalstrasse und schnappte beim Aussteigen ihre Arzttasche vom Beifahrersitz. Einen Moment stand sie vor dem grossen gusseisernen Tor. Ihr Blick schweifte über den ausladenden Rasen und blieb auf der eindrücklichen weissen Villa hängen: „Denen scheint es wirklich gut zu gehen.“ sinnierte sie. Kurz nach dem Drücken der Gegensprechanlage erklang eine blecherne Stimme: „Sie wünschen?“ Felicitas brachte ihren Kopf etwas näher an die Anlage: „Ich bin Dr. Moser. Frau Schwarz erwartet mich.“ Ein Summen ertönte und das Tor sprang auf. Leise schloss es sich wieder hinter Felicitas. Sie überquerte einen kurzen Kiesweg, stieg die Portaltreppe empor und erreichte dann die imposante Haustüre, die sich bereits geöffnet hatte. „Guten Morgen Dr. Moser. Frau Schwarz erwartet Sie schon ungeduldig. Bitte folgen Sie mir.“ Der ältere Butler führte Felicitas gemächlichen Schrittes durch die grosse Halle. „Dieser blasierte Butler erinnert mich einfach immer wieder an einen Kranich.“, dachte Felicitas schmunzelnd und folgte dem würdigen Herrn. Dieser öffnete eine Tür rechter Hand und meinte: „Frau Schwarz, Dr. Moser ist angekommen.“ Er trat beiseite und liess Felicitas eintreten. Diese betrat ein grosses sonniges Zimmer, da die hintere Wand vollständig durch ein Fenster ausgefüllt war. Links reichten schön geschnitzte und mit Büchern gefüllte Holzregale bis zur hohen Decke. Mitten im Zimmer standen zwei schöne lederne Lehnsessel, wobei ein kleines Tischchen das ganze Bild abrundete. Neben einem der Sessel stand eine wunderschöne Kinderwiege mit gemalten Blumen darauf. Die Holzarbeit war exquisit, gekonnt gedrechselt. Der Baldachin bestand aus gelb geblümtem zarten Vorhangstoff. Frau Schwarz hatte sich unterdessen von dem der Wiege am nächsten stehenden Sessel erhoben und kam mit kurzen trippelnden Schritten Felicitas entgegen: „Endlich! Ich warte schon eine Ewigkeit auf Sie! Meine Princess leidet fürchterlich!“ Mit theatralischer Geste zeigte sie in Richtung Wiege. Nun hörte man das Keuchen deutlich. Felicitas zog ihre Jacke aus, der Butler nahm sie entgegen und wandte sich an seine Herrin: „Brauchen Sie mich noch, Frau Schwarz?“ Diese fuchtelte kurz mit der mit Ringen bestückten Hand herum. Ihre Stimme klang kalt, als sie antwortete: „Nein, Hugo, Sie können gehen. Wir sprechen später weiter, das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen.“ Felicitas sah, dass in den Augen des Butlers einen Moment kalte Wut erschien. Wenn Felicitas nicht so eine gute Beobachtungsgabe gehabt hätte, wäre es ihr sicher nicht aufgefallen, denn die sonstige Mimik hatte sich nicht verändert. „Sehr wohl, Madame.“ Mit einer leichten Verbeugung zog sich Hugo zurück und schloss die Türe leise hinter sich. Nun wandte sich Frau Schwarz an Felicitas: „Kommen Sie schnell! Sie müssen Princess untersuchen.“ Schnellen Schrittes ging sie zur Wiege. Felicitas folgte ihr und äffte in Gedanken „Guten Tag, Frau Giraffe, nett, dass Sie mich nicht gegrüsst haben. Du bist eine sehr hochmütige Frau. „Gedanken sind ja bekanntlich frei, so konnte Felicitas denken was sie wollte. Sie legte ihre Arzttasche bei der Wiege auf den Boden und beugte sich über die Patientin. Princess war eine wunderschöne Siamkatze, aus einer wertvollen Zucht stammend, was diesem Tier aber im Moment völlig egal war, denn die Wehen hatten eingesetzt und sie war deshalb ziemlich unfreundlich. Sie fauchte sogar ihr Frauchen an, als diese sie streicheln wollte. „Vorsicht, Frau Schwarz“, sagte Felicitas vorsorglich, „Princess hat im Moment keinerlei Interesse an Streicheleinheiten, die Wehen haben begonnen. Oh, und da kommt ja schon das erste. „Tatsächlich erschien ein kleiner Katzenkopf. „Es scheint alles normal abzulaufen. Setzen wir uns doch hier hin. Lassen wir der Natur ihren Lauf. Prinzess möchte ihre Ruhe haben.“ So setzte sich Frau Schwarz widerwillig hin. „Müssen Sie Princess denn nicht im Auge behalten? Sie könnte ja Schwierigkeiten bekommen. Denken Sie daran, ich zahle Ihnen gutes Geld, also erwarte ich auch eine professionelle Behandlung.“ Nervös knetete sie ihre langen Finger. „Das haben Sie mir jetzt bereits das zweite Mal gesagt, Frau Schwarz. Andere bezahlen auch gutes Geld und deshalb behandle ich alle gleich. Princess ist eine gesunde Katze, sie ist jung und kräftig und ich bin hier wenn sich Komplikationen einstellen sollten. Wenn wir dauernd in die Wurfwiege starren, verursachen wir nur Stress für Princess, glauben Sie mir. “Felicitas ruhige Erwiderung zeigte Wirkung, Frau Schwarz entspannte sich ein bisschen, sie schien Felicitas nicht mal ihre Antwort übel zu nehmen. So sassen sie eine Weile ruhig da und ab und zu warf Felicitas einen kurzen Blick in die Wiege. Es lief alles bestens. Nun waren es bereits zwei Katzenbabies. Ihre Gedanken schweiften zu Frau Schwarz. Diese Frau war wirklich unangenehm, hochmütig und unfreundlich. Die Bezeichnung „Giraffe“ war treffend. Sie war sicher über 1,80m gross, ihr Gesicht war herb, die hellen Augen stechend und klein. Durch ihren extrem kurzen Haarschnitt wirkte sie noch strenger. Einzig ihre Kleidung war sehr feminin, sie trug in der Öffentlichkeit immer fliessende luftige Kleider, dezent in den Farben und immer bis zu den Waden reichend. Das Schuhwerk war genauso exquisit. Sie tat Felicitas irgendwie leid, diese Frau war aus irgendeinem Grund sehr verbittert. Plötzlich erklang ein lautes Krachen aus dem Zimmer nebenan und riss Felicitas ziemlich unsanft aus ihren Gedanken. Sie zuckte erschrocken zusammen. Nun hörte man auch eine Stimme schimpfen: „Verdammt, heute geht aber auch alles zu Bruch! Die Schwarz wird wieder ausrufen wie ein Wald voller Affen.“ Schnell unterdrückte Felicitas ein Lachen, als sie das Gesicht von Frau Schwarz sah. Das ganze schien ihr sehr unangenehm zu sein. Würdevoll stand sie auf: „Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment, Dr. Moser.“ Sie verschwand durch die Verbindungstüre und schloss diese sehr nachdrücklich hinter sich. Felicitas konnte ihr unterdrücktes Lachen nicht mehr zurückhalten. Sie prustete los. Und da erklang die leise, kalte Stimme ihrer Gastgeberin. Das Schloss der Verbindungstüre war anscheinend nicht eingeschnappt. „Frau Tobler, ich rufe niemals aus wie ein Wald voller Affen, merken Sie sich das. Was haben Sie denn schon wieder kaputt gemacht?“ „Dieses monströse Ding hier. Es scheint eine Vase zu sein.“ Die Stimme von Frau Kleinert klang trotzig. Bei Frau Schwarz schien die Eiszeit Einzug gehalten zu haben, denn unterdessen klirrte ihre Stimme vor Kälte: „Dieses D i n g, wie Sie es nennen, war wirklich eine Vase, mit der Betonung auf WAR – und sehr sehr teuer, ein antikes Stück. Da Sie ja diese Kostbarkeit sicher nicht bezahlen können, werden Sie wohl noch ein weiteres Jahr gratis für mich arbeiten müssen.“„WAS?“ Schrie diese Frau Tobler, „ich arbeite ja schon zwei Jahre gratis für Sie, das wären dann ja schon drei.“ Frau Schwarz erwiderte spöttisch: „Oh, Sie können ja sogar rechnen, aber eine Diebin muss dies ja auch können, nicht wahr?“ Als keine Antwort von Frau Tobler kam, lachte Frau Schwarz nur kurz auf und kam zurück in die Bibliothek. „Wie geht es meinem Schatz?“ Sie trat neben Felicitas und schaute in die Wiege. Entzückt klatschte sie in die Hände: “Vier Stück! Wie sind sie putzig!“ - „Putzig?“ Felicitas zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Diesen Ausdruck hätte sie nie aus dem Munde dieser Frau erwartet. Frau Schwarz hatte wohl gemerkt, dass sie sich nicht sehr vornehm ausgedrückt hatte und nahm sofort wieder ihre hochmütige Pose ein. „Nun, Dr. Moser. Sind das alle?“ „Ja, es sind alle. Ich werde sie nun noch untersuchen und dann lassen wir die Mutter in Ruhe, sich von den Strapazen erholen.“ Geschickt holte Felicitas eines nach dem anderen von den Katzenbabies aus der Wiege. Verständlicherweise war die neu gewordene Mutter darüber nicht sehr entzückt. „Sie sind alle gesund. Kommen Sie bald in meine Praxis, damit ich sie und Princess noch einmal ansehen kann, auch die Impfungen müssen wir noch vornehmen. Ich gratuliere Ihnen, die Kätzchen sind sehr süss.“ Felicitas nahm ihre Tasche. „Danke, Dr. Moser, ich werde mich melden.“ Frau Schwarz drückte auf einen Schalter an der Wand und wie aus Zauberhand, öffnete sich die Türe und der Butler erschien unter dem Türrahmen. „Sie haben geläutet, Madame?“ – „Ja, Hugo, Dr. Moser möchte gehen. Führen sie sie doch hinaus.“ Hugo verbeugte sich leicht: „Sehr wohl, Madame. Wenn ich bitten darf, Dr. Moser.“ Er trat einen Schritt zur Seite, um Felicitas vorbei zu lassen. Diese streckte Frau Schwarz noch die Hand zum Abschied entgegen: “Auf Wiedersehen, Frau Schwarz.“ Frau Schwarz ergriff die ausgestreckte Hand nur mit den Fingerspitzen: „Auf Wiedersehen Dr. Moser.“ Sie wendete sich ab und liess Felicitas einfach stehen. Achselzuckend trat diese aus dem Zimmer und der Butler schloss die Türe hinter ihr. Er ging wieder gemächlich zurück zur Garderobe, griff dort nach Felicitas Jacke und öffnete dann die Portaltüre. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Dr. Moser. Auf Wiedersehen.“ Er hatte es so eilig, die Türe hinter ihr zu schliessen, dass er beinahe ihre Jacke eingeklemmt hätte. “He, hoppla, Sie müssen mir schon Zeit geben, das Haus zu verlassen“, dachte sich Felicitas und verliess Kopfschüttelnd das Grundstück der Familie Schwarz. Gerade als sie in ihr Auto einsteigen wollte, fuhr ein schwarzer Mercedes vor, am Steuer sass ein kleiner rundlicher Mann mit Glatze. Er nickte ihr freundlich lächelnd zu, drückte die Fernbedienung in seinem Wagen und das Gatter zum Grundstück öffnete sich wieder. Er fuhr hindurch, parkte direkt vor der Villa, stieg die Treppe hinauf und verschwand im Haus. „Dies muss wohl Herr Schwarz sein. Scheint ein freundlicher Herr zu sein. Wie konnte er nur mit so einer hochmütigen und kalten Frau leben? Giraffe und Pandabär, nicht gerade ein passendes Paar.“ Felicitas stieg ein und machte sich auf den Weg zu Maria, ihren Romeo ab zu holen.
Einen Tag später: „Guten Morgen, Hanna. Hattest Du einen schönen freien Tag gestern?“ Felicitas betrat fröhlich das Behandlungszimmer ihrer Praxis. Sie war nur klein. Der Hausflur ihres Häuschens trennte de privaten Bereich von der Praxis. Diese bestand aus einem kleinen Flur, in dem ein Tresen für den Empfang stand, einem Wartezimmer, sowie dem angrenzenden Behandlungsraum. Hanna Peter, die tiermedizinische Praxisangestellte, bereitete gerade alles für den ersten Patienten vor. Sie war eine grosse, hagere Frau. Meistens trug sie ihre braunen langen Haare als Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie war in den mittleren Jahren und eine sehr ruhige Person. Beim Eintreten Felicitas wandte sie den Kopf in ihre Richtung: „Na schön würde ich ihn wohl nicht nennen. Konstruktiv, ja. Ich habe endlich mal die ganze Wohnung auf Vordermann gebracht. Das einzig besondere daran war das Schaumbad, das ich mir gegönnt habe. Hi Romeo, mein Süsser.“ Hanna bückte sich zu der Bulldogge runter und kraulte sie hinter den Ohren. „Mmh, ich liebe das Streicheln an dieser Stelle. Ich hoffe, der heutige Tag bringt ein bisschen mehr Ruhe. Ich liebe Moon wirklich, sie ist eine heisse Deutsche Pinscherhündin. Leider hat sie viel zu viel Temperament. Ich muss mich immer sooo anstrengen um mit ihr Schritt zu halten – und gestern waren wir vier Stunden zusammen! Danach war ich dann wirklich total erschöpft. Ich liebe die Stunden hier in der Praxis. Immer ist was los und ich kann von meinem Schlafplatz alles genau sehen. Es ist ein bisschen wie Kino. Also leg ich mich mal hin, wer weiss, was meinem Frauchen heute noch in den Sinn kommt. Bei ihr weiss man nie so richtig.“ Er tapste zu seinem Liegefell, liess sich darauf nieder und legte seinen Kopf zwischen die Vorderpfoten. Verdutzt hatte Hanna ihm nachgesehen: „Na sag mal, Feli, was ist denn mit Romeo los? Sonst verzieht er sich doch nicht gleich auf seine Decke.“ Felicitas schaute verlegen auf den Boden: „Ach weißt Du, Hanna, ich glaube gestern war ein bisschen viel für ihn.“ Hanna verschränkte nur die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue nach oben, was sie übrigens meisterhaft beherrschte. „Na ja, ich hatte verschlafen. Die kurze Strecke zum Bahnhof mussten wir rennen, danach war ich den ganzen Morgen bei Frau Schwarz und er musste ihn mit Moon verbringen. Abends hatten wir dann noch unseren Agility-Abend, da traf er natürlich noch seine Freunde, Lingo, Ciala und Lucky. Dieser liess ihm keine Ruhe und er musste noch mit ihm spielen. Ich glaube das war alles ein wenig zu viel. Er wird nun froh sein, wenn er heute morgen mal ein bisschen seine Ruhe hat.“ Hanna lachte lauthals los. „Natürlich, Feli hat verschlafen, warum wundert mich das nicht.“ „Na weißt Du, Hanna…“ Felicitas wurde durch die Türklingel unterbrochen. Hanna Peter ging zur Türe: „Aha, unser erster Patient ist hier. Auf zur Arbeit!“ Der Morgen verlief ziemlich stressig. Da war ein Kaninchen mit Durchfall, ein Meerschweinchen, welches nichts mehr essen wollte und ein Wellensittich, für den Felicitas leider nichts mehr tun konnte. Vögel waren sehr schwierig zu behandeln. Und drei Hunde brauchten auch noch ihre Impfung. Den Abschluss machten eine verletzte Katze und eine Wasserschildkröte. Nun waren beide Frauen müde und sassen mit ausgestreckten Beinen in den bequemen Sesseln des Wartezimmers. Die Praxis würde erst wieder um 15.00 Uhr aufmachen, da Felicitas zuvor noch einen Hausbesuch hatte. „Willst Du mit mir rüber kommen und zu Mittag essen, Hanna?“ Felicitas streckte sich ausgiebig. Bedauernd schüttelte Hanna den Kopf: “Sorry, geht nicht, Rolf kommt jetzt dann nach Hause. Ich habe ihm versprochen, etwas Leckeres zu kochen. Also muss ich mich beeilen.“ Sie erhob sich aus dem Sessel, zog ihre Schürze aus und ging in den Flur. „Schade, esse ich eben alleine.“ Felicitas erhob sich ebenfalls und tat es Hanna gleich. Dort guckte sie noch schnell in das Behandlungszimmer und rief nach Romeo: „He, Du Faulpelz, fertig geschlafen. Fuss, Romeo.“ „Ja, ja,ich komme schon. Dieser Desinfektionsgeschmack macht einem ganz dusselig. Gähn, zuerst noch strecken, dann linkes Bein und rechtes Bein dehnen, schütteln, so und nun bin ich fit. Bin ja schon da… ging doch schnell, nicht?“ „Mensch, heute noch Romeo, ich habe Hunger. Geh nur Hanna, ich schliesse schon ab.“Felicitas holte ihren Praxisschlüssel aus der Hosentasche. „Danke, Du bist ein Schatz, bis später.“ Ein kurzes Winken und Hanna war verschwunden. Felicitas schloss die Türe ab und öffnete die gegenüberliegende. Mit Romeo auf den Fersen ging sie in die Küche. Im Vorbeigehen hatte sie noch den Telefonbeantworter im Flur gedrückt. Marias Stimme ertönte: “Hallo Felicitas, hier ist Maria. Hör mal, wenn Du möchtest, komm doch zum Mittagessen rauf. Eigentlich… nun… ich wäre sehr froh, ich muss unbedingt mit jemandem reden. Danke. Bis bald.“Felicitas hatte den Napf von Romeo gefüllt und ihm vor die Schnauze gestellt. Gedankenverloren meinte sie: „Das klang gar nicht gut. Romeo ich glaube Du wirst Moon schon wieder sehen, da freust Du Dich bestimmt, nicht wahr?“ Sie ging in die Knie und knuddelte den Hund liebevoll. „Ja klar, typisch. Warum glauben die Menschen eigentlich immer zu wissen, was uns Hunde freut? Moon bedeutet für mich wieder Stress, seufz. Weibchen, man kann nicht mit ihnen aber auch nicht ohne sie sein. Wenigstens kann ich jetzt, da Melissa nicht dar ist, vorne neben Frauchen sitzen, geil!“ Felicitas hatte sich unterdessen wieder erhoben, Jacke, Leine und Autoschlüssel gegriffen und war schon auf dem Weg zu ihrem Arbeitswagen. Schnell folgte ich ihr. Sie öffnete die Autotüre, packte Romeo und setzte ihn auf den Beifahrersitz. Dort legte sie ihm den speziellen Hundegurt an. Dann schlug sie die Türe zu, umrundete den Jeep, stieg auf der Fahrerseite ein, liess den Wagen an und setzte rückwärts aus dem Parkplatz. Sie bog nach links in die Langenhardstrasse ab und fuhr die kurze, kurvenreiche Strecke hoch bis nach Unterlangenhard. Dort wohnte Maria Hug mit ihrem Mann Thomas und Tochter Daniela im Haus von Thomas Eltern im Unterdorf. Nach fünf Minuten klingelte Felicitas schon an der Haustüre des grosszügigen Hauses. Sofort erklang Moons lautes Bellen. Nach einer kurzen Weile öffnete Maria. Felicitas erschrak als sie die verweinten Augen ihrer Freundin sah. Schnell traten sie und Romeo ein. Felicitas schloss die Haustüre und nahm Maria in die Arme: „Mein Gott, Maria, was ist denn los? Du weinst doch so selten.“ Maria erwiderte die Umarmung. Sie war etwas beruhigt, denn nun war ja Felicitas hier und sie konnte ihre Wut und Frust los werden: „Ich weine aus Wut, ich sag Dir, Felicitas, es wundert mich wirklich, dass noch niemand diese schreckliche Frau umgebracht hat.“ Sie schritt schnell vor Felicitas ins Wohnzimmer. Dort setzte sich Felicitas auf die schöne Eckbank. Es war bereits für zwei Personen gedeckt. Maria ging in die Küche weiter und rief von dort: „Ich habe Dir doch davon erzählt, dass ich dieser Frau Schwarz aus Versehen falsch herausgegeben habe. Stell Dir vor, nun hat mich diese Hexe doch tatsächlich angezeigt!“ Felicitas war einen Moment fassungslos, dann: „Das darf doch nicht wahr sein! Geht es dieser Giraffe eigentlich noch? Aber eigentlich sollte es mich nicht wundern. Sie hat rund um sie herum alle gegen sich aufgebracht. Du bist nicht die einzige die mit ihr Probleme hat. „Maria brachte das Essen rein, stellte es auf dem Tisch ab und setzte sich zu Felicitas. „Weißt Du, Felicitas, wenn ich nicht so dringend das Geld des Kiosk-Jobs brauchen würde, könnte ich dieser Bösartigkeit noch eher mit Gelassenheit begegnen.“ Felicitas schöpfte Maria und sich von den Spaghetti: „Soll das heissen, Du bist gekündigt?“ – „Nein, so schlimm ist es nun doch nicht, doch mein Chef hat mich suspendiert bis diese Sache geklärt ist und das kann noch ein Weilchen dauern.“ – „Scheisse!“, treffender konnte der Kommentar von Felicitas wohl nicht sein. Schweigend assen die beiden ihre Spaghetti und hingen ihren Gedanken nach. Romeo und Moon lagen unterdessen in Moons grosszügigem Hundebett und besprachen dieses Problem auf hündische Art. „Moon, Dein Frauchen riecht sehr unangenehm. Was ist denn los mit Ihr?“ – „Ach Romeo! Stell Dir vor, sie hat sogar geweint, wo sie doch sonst immer so fröhlich ist. Daran muss eine schreckliche Frau schuld sein, sie war mal am Kiosk und hat ganz fürchterlich mit Frauchen gestritten!“ aufgeregt leckte Moon an Romeos Vorderpfote herum, dann fuhr sie fort zu erzählen: „Weißt Du, was auch noch seltsam war, Frauchen ging gestern Abend noch in den Ausgang und dies ohne Herrchen! Der wusste nichts davon. Sie war zurück bevor er nach Hause kam.“ Romeo drehte sich auf den Rücken: „Das muss ja nichts mit dieser Frau zu tun haben. Dieser Geruch allerdings gefällt mir nicht. Es riecht irgendwie nach Angst – und ich frage Dich, Moon, weshalb sollte Dein Frauchen solch grosse Angst vor dieser Frau haben? Hatte diese Frau vielleicht doch recht und Maria hat etwas auf dem Kerbholz? Am besten wir hören den beiden gut zu.“- „Mein Frauchen ist nicht kriminell! Aber ja, du hast recht, am besten hören wir weiter zu.“ Die beiden Frauen hatten unterdessen ihr Mittagessen beendet. Immer noch sprach keine ein Wort. Doch die Anwesenheit von Felicitas schien Maria gut zu tun, denn ihre Hände hatten aufgehört zu zittern und sie strahlte wieder ihre gewohnte Ruhe aus. Die Standuhr schlug einmal. Erschrocken warf Felicitas einen Blick auf ihre Armbanduhr: „Ach du meine Güte! Schon halb zwei! Ich muss um viertel nach zwei bei den Kellers sein. Ihr Pferd frisst nicht richtig. Hör mal Maria, ich spaziere jetzt noch mit Romeo bis zur Ruine. Soll ich Moon auch mitnehmen? Wärst Du froh darüber?“ „Oh ja, dann kann ich in dieser Zeit schnell einkaufen gehen. Ich lege den Schlüssel unter die Matte. Danke vielmals... für alles, Felicitas.“ Maria umarmte ihre Freundin schnell. „Ach Maria, das ist doch schon ok. Für was sind sonst Freundinnen da?“ Sie verliess das Wohnzimmer. Im Flur griff sie nach der Jacke und den Leinen. „Romeo, Moon, fuss! Wir gehen spazieren!“ Sie winkte ihrer Freundin noch einmal zu, öffnete die Haustüre und verliess zusammen mit den beiden Hunden das Haus. Sie schritt zügig aus. Langsam zogen Wolken am Himmel auf und als Felicitas schliesslich die Ruine der Burg Liebenberg erreichte, hatte auch der Wind ziemlich aufgefrischt. „Toll! Da scheint sich ein Gewitter zusammen zu brauen, ihr beiden. Wir werden klatsch nass sein, bis wir wieder zurück sind.“ Sie schauderte, es war hier bei Gewitter ziemlich unheimlich. Doch hatte sie auch keine Lust bei einem Gewitter fröhlich als Zielscheibe auf freiem Gelände herum zu spazieren. Da war es wohl sicherer, wenn sie sich unter einem Mauervorsprung zusammen kauern würde. Auch nicht gerade die beste Lösung, doch viel Auswahl hatte sie nicht. Also lief sie die inneren Mauern der Ruine entlang bis sie einen geeigneten Platz fand. Sie rief nach den Hunden. Doch diese kamen nicht. Wo steckten sie denn nur? Sie rief noch einmal, keine Reaktion. „Verdammt, wo stecken die beiden denn nur?“ Unterdessen schüttete es wie aus Kübeln. Die Bäume beugten sich ächzend im Wind. Ein Blitz zuckte am Himmel und gleich darauf erklang ein lautes Donnergrollen. Sie rief noch einmal, wieder keine Reaktion. Langsam machte sie sich sorgen. Es war nicht typisch, dass die beiden nicht gehorchten. Etwas stimmte hier nicht. „Scheisse! Ich werde mir den Tod holen!“ Sie zog sich die Kapuze der Jacke über den Kopf, kroch unter dem Vorsprung hervor und machte sich auf die Suche der beiden. Irgendwo mussten die zwei ja sein. Sie stemmte sich gegen den Wind und lief los, immer wieder die Namen der Hunde rufend. Die beiden Vierbeiner hatten durchwegs ihre Gründe, weshalb sie nicht auf das Rufen von Felicitas reagiert hatten. „Romeo, dieser Gestank ist bestialisch! Ist diese Frau tot?“- „ Ich denke schon, auf jeden Fall riecht sie so! Wer das wohl sein mag?“ Moon tänzelte unruhig um die Leiche herum: „Du, ich glaube, ich kenne sie. Das ist die Frau, die mein Frauchen so traurig gemacht hat.“- „Auweia und nun ist sie mausetot.“ Romeo schnüffelte noch einmal an der Leiche: “Igitt, Das muss sie wohl schon ein Weilchen sein. Sie wurde erschlagen. Siehst Du diesen grossen Stein dort neben dem Baum?“ Moon wedelte aufgeregt mit der Rute: “Ja, nun tut sie mir fast ein bisschen leid. - Moment mal, Romeo, hörst Du es nicht auch? Das ist die Stimme deines Frauchens. Sie sucht uns. Wir sind ja auch einfach weggelaufen. Schnell hol sie her. Sie ist ein Mensch und weiss, was sie bei so einem Fall tun muss.“ Romeo erhob sich schnaufend: „Verflixt! Felicitas habe ich ja ganz vergessen. Ich hole sie her.“ Knurrend kletterte er den Steilhang hinauf. Die tote Frau lag mit dem Kopf nach unten auf einem mit Wurzeln überwucherten steilen Weg. Durch den Regen war alles sehr rutschig. Dieser Weg stiess oben an die ummauerte Felsnase, der letzte noch sichtbare Mauerrest der Burg. Moon kauerte sich gleich neben der Leiche unter einen Busch und wartete. Felicitas war unterdessen stinksauer. Beim umrunden der Mauer war sie auf dem glitschigen Boden Schon ein paar Mal ausgerutscht und hingefallen. Sie sah unterdessen aus wie eine Schlammcatcherin. Den Termin bei den Kellers hatte sie auch verpasst und Hanna würde sich schon fragen, ob ihr etwas passiert ist. Also holte sie ihr Handy hervor, suchte die Nummer der Klinik und rief an. Nach zwei mal klingeln nahm Hanna ab: „Meine Güte, wo bist Du? Ich habe das Wartezimmer voller Patienten.“ „Danke ja es geht mir gut und nein, ich hatte keinen Unfall. Was meinst Du eigentlich was ich hier mache? Ferien? Ich stehe hier klatschnass bei der alten Burg Liebenberg und suche die verflixten Hunde. Über mir das schönste Gewitter.“ Hanna holte keuchend Luft: „Na toll. Weshalb bist Du bei Dieser Ruine und weshalb suchst Du nach Romeo und wer ist der andere Hund? Etwa Moon?“ Da Felicitas sowieso schon nass bis auf die Unterhosen war, liess sie sich an der Mauer nieder: „Ja, hör mal, es ist hier ziemlich ungemütlich, obwohl, ich glaube, das Gewitter zieht langsam ab. Wenigstens das. Aber hör mir jetzt gut zu, Hanna. Den Termin bei den Kellers konnte ich nicht mehr wahrnehmen. Bitte rufe sie doch an und erfinde irgendetwas, z.B, dass mein Wagen gestreikt hat und dann schicke die Patienten aus demselben Grund nach Hause. Sage ihnen, ich würde Morgen Nachmittag ausnahmsweise in der Praxis sein. Vereinbare mit allen bei denen es wichtig ist, doch einen Termin. Ach ja, die Kellers. Frage sie, ob ich auch heute Abend noch kommen kann. Dieses Pferd muss behandelt werden. OK?“ – „Ja okay, werde ich machen, bis später. Ich bleibe hier bis du kommst.“ Bevor Felicitas noch was sagen konnte, hatte Hanna aufgelegt. Eine tolle Frau! Auf sie war immer Verlass. Felicitas verstaute ihr Handy wieder in der Hosentasche, erhob sich und merkte erst jetzt, dass es aufgehört hatte zu regnen. So schnell und heftig dieses Gewitter auch aufgetaucht war, so schnell war es weiter gezogen. Es drang sogar schon ein Sonnenstrahl durch die Wolken. Nun musste sie nur doch die verflixten Hunde finden. Hoffentlich waren sie nicht in Panik ausgebrochen und fort gelaufen. Plötzlich hörte Felicitas ein Keuchen und der Kopf ihres Romeo erschien über einer grossen Wurzel. Als er sie sah, winselte er und trabte so schnell es sein Temperament erlaubte auf sie zu. Felicitas viel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen: „Mensch, Romeo, das bist Du ja! Wo warst du denn, du dummer Kerl. Komm zu Frauchen!“ Sie kniete in den Matsch nieder und schloss Romeo in den Arm: „Aber wo ist denn Moon? Ihr ist doch hoffentlich nichts passiert? Moon? Moon? Wo bist Du?“ Romeo hatte sich unterdessen wieder aus der Umklammerung gelöst. „Wie bringe ich nur Frauchen zu der Leiche? Am besten, ich laufe mal los. Sie wird mir dann schon folgen.“ Schon war er auf dem Weg zurück zu Moon. „Romeo, he, bleib hier! Fuss, du dummer Hund!“ Doch Romeo lief ungehindert weiter. So blieb Felicitas wohl nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Fluchend und immer wieder ausrutschend stolperte sie hinter ihm her: „Romeo, du sollst stehen bleiben!“ „Na komm schon, Frauchen! Gleich sind wir bei der Leiche! Nur noch den Hang runteeeeer…. Scheisse!“ Er war beim Retourschauen über einer der vielen Wurzeln gestolpert. Auf allen vieren rutschte er den Hang runter. Abrupt wurde er durch ein Bein der toten Frau gestoppt. Der Aufprall war ziemlich heftig. Sein Hinterteil ragte für einen Moment senkrecht in die Höhe. „Uff! Heute ist schon wieder nicht mein Tag.“ Resigniert liess er seinen Hintern zu Boden fallen. Moon war unterdessen unter ihrem schützenden Unterschlupf hervor gekrochen. „Romeo, du armer! Hast Du Dir weh getan? Wo ist dein Frauchen?“ Romeo rappelte sich ächzend auf. Noch ein bisschen wackelig auf seinen kurzen Beinen meinte er: „Sie war dicht hinter mir, eigentlich… ah da ist sie ja schon. Na was macht sie denn?! Achtung, Moon, weg hier, sie kommt auch auf allen vieren runter!“ Schnell sprangen die beiden Hunde zur Seite und schon landete die unglückliche Felicitas bäuchlings auf der toten Frau Schwarz. Einen Moment lag sie völlig erstarrt, dann begann sie zu schreien, sie schrie und schrie und schrie. „Meine Güte! Dein Frauchen bellt ja noch viel lauter als ich!“ Romeo, der sich immer für weiser und schlauer hielt, meinte belehrend: „Menschen bellen nicht, Moon, sie schreien... und dieses Exemplar ist besonders talentiert. Aber es reicht jetzt! Beenden wir diese schreckliche Musik!“ Er trabte würdevoll zu Felicitas hin und leckte ihr quer über das Gesicht. Schlagartig verstummte das Geschrei. Schnell rappelte sich Felicitas auf, stolperte zwei Schritte zurück. Nun mit einer gewissen Distanz, konnte sie wieder klarer denken. Entsetzt starrte sie auf die Leiche. War sie überhaupt tot? Am ganzen Körper zitternd – und dies nicht nur vor Kälte – trat sie zu der Leiche und realisierte erst jetzt, dass es sich dabei um Frau Schwarz handelte. Sie liess sich auf die Knie fallen: „Mein Gott! Das ist ja die Giraffe!“ Sie sah die grosse klaffende Wunde an der Stirn, das viele getrocknete Blut. Ihr Blick streifte wirr umher und blieb auf dem grossen Steinbrocken liegen. Auch darauf war getrocknetes Blut zu sehen. Langsam dämmerte es ihr, dass Frau Schwarz ermordet worden war. Erschüttert liess sie sich hinten über fallen. Die beiden Hunde drängten sich zitternd an sie. So sassen die drei sicher zehn Minuten einfach da. Sie liess noch einmal ihre letzte Begegnung mit der lebenden Frau Schwarz revue passieren und musste sich schliesslich eingestehen, dass wohl einige froh darüber waren, dass diese Frau sie nicht mehr ärgern konnte. Auch Maria würde… Maria!! Die stand bestimmt unterdessen Todesängste aus, schliesslich stand immer noch Felicitas Wagen vor Marias Haustüre und Moon war auch noch nicht zurück! Felicitas musste unbedingt mit jemandem reden, Maria war da genau die richtige. Schnell zog sie mit zitternden Finger ihr Handy aus der Hosentasche und wählte Marias Nummer: „Maria? Es ist schrecklich, die Giraffe ist tot!“ Felicitas fing an zu weinen. Maria war schon in Sorge um sie gewesen: „Felicitas, wo bist Du nur, um Himmels Willen? Und was meinst Du mit toter Giraffe? Bist Du im Zoo? Ist Moon noch bei Dir? Weinst Du?“ Felicitas unterdrückte krampfhaft ihr Schluchzen: „Zoo? Ich bin nicht im Zoo! Ich sitze hier klatschnass bei der Ruine Liebenberg auf dem Boden. Neben mir die beiden Hunde und vor mir… die tote Frau Schwarz. Maria, sie ist ermordet worden!! Was soll ich nur tun!“ Einen Moment herrschte Stille auf Marias Seite, dann mit zitternder Stimme: „Was hast Du gesagt, Felicitas? Die olle Schwarz ist tot, ermordet?“ - „ Ja doch, ich mache doch mit so was keinen Scherz. Sie liegt neben mir im Matsch, mausetot!“Man hörte Maria tief Luft holen: „Du musst die Polizei informieren, Felicitas. Mach das jetzt, sofort. Ich komme zur Burg rauf.“ Die Verbindung war unterbrochen. Felicitas klatschte sich mit der flachen Hand an die Stirn: „Natürlich, die Polizei! Ich dumme Kuh!“ Schnell wählte sie die Notfallnummer: „Hallo, hallo, ist dort die Polizei? Ich habe eine Leiche gefunden! Wo? Ach ja, natürlich, bei der alten Ruine Liebenberg, Gemeinde Zell, im Tösstal. Mein Name? Dr. vet. Moser, ich bin in Rikon Tierärztin. Ja, ich bleibe hier, aber bitte, beeilen Sie sich!“