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Kapitel 4

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„Bitte setzen Sie sich alle!“ Die laute Stimme des Einsatzleiters übertönte das Getuschel der anwesenden Fahnder. Heute standen drei Morde an in der Abteilung „Leib und Leben“ der Kantonspolizei Zürich. Die sich setzenden Fahnder bekamen durch den Einsatzleiter ihre Arbeiten zugeteilt. Die beiden Fahnder Marius Rötlin und Roland Pfeiffer warteten gespannt darauf ihren Fall zu bekommen. Schon Aufgaben für zwei der drei Morde waren vergeben worden und noch immer sassen sie auf ihren Stühlen. Ächzend verlagerte Marius seinen Schwerpunkt. Für einen 1.95m grossen Mann waren diese kleinen Stühle einfach nicht gebaut. Zum x-ten Mal strich er sich eine schwarze, sich selbständig machende Haarsträhne aus der Stirn. Sein Freund und Partner Roland Pfeiffer hatte es da schon besser. Er war um einiges kleiner. Seine sanften braunen Augen sprühten vor Lebensfreude. Er flüsterte Marius leise zu: „Wir bekommen sicher diesen Provinzmord zugeteilt. Na wenigstens müssen wir uns da nicht überarbeiten. Dort sind wir schnell im Dorf durch.“ Er handelte sich einen mahnenden Blick des Einsatzleiters ein. Ein zu nettes Lächeln erschien auf dessen Gesicht: „Herr Pfeiffer und Herr Rötlin, genau sie beide brauche ich für die Zeugenbefragung im letzten zu bearbeitenden Mordfall. Gestern Nachmittag wurde eine weibliche Leiche bei der Ruine Liebenberg aufgefunden. Es handelt sich dabei um eine Frau Magdalena Schwarz, fünfzig jährig. Sie wurde erschlagen“, der Einsatzleiter warf einen Blick in die vor ihm liegenden Akten, „die Tatwaffe war ein grosser Stein. Todeszeitpunkt war vorgestern Nacht, der genaue Zeitpunkt ist noch nicht klar. Die Leiche befindet sich im Moment in der Rechtsmedizin, Frau Dr. Furrer ist dafür zuständig. Gefunden wurde sie von einer Frau Dr. Felicitas Moser, ihres Zeichens Tierärztin.“ Er räusperte sich, bevor er – leicht lächelnd – weiterfuhr: „Die kriminaltechnische Untersuchung könnte sich etwas verzögern, denn diese Dr. Moser hatte eine kurze Zeit auf der Leiche gelegen.“ Nun setzte sich Marius gerade hin. Der Fall begann ihn zu fesseln. Eine Zeugin die auf der Leiche lag?“ Sein Fragender Blick traf auf des Einsatzleiters lächelnden. Dieser fuhr fort: „Hat also doch etwas Ihre Aufmerksamkeit geweckt, Herr Rötlin? Beim Fundort muss es ziemlich steil sein, diese Tierärztin rutschte aus und wumms, lag sie auf der toten Frau Schwarz, scheint gestern ganz und gar nicht der Tag von Dr. Moser gewesen zu sein. Also, geht zuerst bei ihr vorbei. Sie hatte die Tote auf jeden Fall gekannt, vielleicht war sie eine Kundin.“ Er rief die beiden Fahnder zu sich, gab ihnen die Akte und wünschte ihnen viel Glück. Zusammen verliessen die beiden ungleichen Männer das Zimmer. Kurz darauf waren sie bereits auf dem Weg Richtung Rikon im Tösstal, dem Tatort des Geschehens. Hinter dem Steuer sass Marius, er war der ältere und fuhr meistens. Roland studierte währenddessen schonmal die Akte. Eine gute halbe Stunde später hielten sie vor der Praxis von Dr. Moser. Sie stiegen aus, Marius etwas langsamer als Roland. Er war allgemein der ruhigere von beiden. Zusammen betraten sie die Praxis. Hanna hatte gerade ihr Gespräch mit Felicitas beendet. Diese hatte noch einen auswärtigen Termin. Die ersten Patienten wurden erst in etwa einer Stunde erwartet. Deshalb traf die beiden Fahnder ein etwas überraschter Blick: „Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte Hanna freundlich. Marius und Roland traten an den Tresen: „Guten Tag. Ist Dr. Moser hier?“ Roland lächelte Hanna zu. – „Nein, tut mir leid, Dr. Moser hat einen auswärtigen Termin.“ Suchend schaute sie sich nach einem kranken oder verletzten Tier um, doch da war keines. Leicht irritiert fragte sie deshalb: „Ist es dringend? Um was für ein Tier handelt es sich denn?“ „Um gar kein Tier, entschuldigen Sie bitte, wir sind Fahnder von der Kantonspolizei Zürich. Wir sind von der Abteilung Leib und Leben. Ich bin Marius Rötlin und dies hier ist mein Partner Roland Pfeiffer.“ Marius hatte während dem Sprechen seinen Ausweis hervor geholt und zeigte ihn nun Hanna. „Können Sie uns sagen, wo wir Dr. Moser finden?“ – „Möchten Sie nicht lieber hier im Wartezimmer auf sie warten? Der Bauernhof liegt ziemlich abseits und ist schwer zu finden wenn man den Weg nicht kennt, Dr. Moser wird sicher bald hier sein.“ Bedauernd schüttelte Roland den Kopf: „Wir werden ihn schon aufspüren. Vielleicht können Sie uns ja eine Skizze anfertigen. Na hallo, wen haben wir denn hier?“ Roland ging in die Knie. „Das ist Romeo, der Hund von Dr. Moser.“ Hanna hatte nach einem Blatt Papier gegriffen und versuchte nun den Weg so gut wie möglich auf zu zeichnen. Roland streichelte Romeo hinter den Ohren, „Romeo heisst Du also, ein toller Name.“ „Natürlich ist mein Name toll. Du bist also einer von den guten Menschen und dieser andere da? Er sieht aus, als ob er Angst vor mir hätte, schnüffel, schnüffel, er riecht auch so, dabei ist er so ein baumlanger Kerl. Mmh, genau meine Lieblingsstelle. Also Du bist mir sehr sympathisch, der andere, na ich weiss noch nicht so recht. Schliesslich muss ich auf mein Frauchen acht geben nach dem gestrigen Unglück. Sie braucht mich nun unbedingt. Doch nun gehe ich wieder auf meinen Schlafplatz, gähn, noch ein bisschen mich ausruhen, bevor der Stress wieder los geht, wenn Frauchen zurück ist.“ Roland erhob sich wieder. Mit hoch gezogenen Augenbrauen betrachtete er Marius, der, nachdem Romeo wieder verschwunden war, seinen dezenten Rückzug rückgängig machte und zurück an den Tresen trat. Es stimmte, Marius hatte Angst vor Hunden und deshalb mochte er sie auch nicht. Er war als Kind mal ziemlich heftig gebissen worden, von einem Streuner in Italien, damals war er gerade mal fünf Jahre alt. Seither ging er Hunden aus dem Weg. Unterdessen hatte Hanna ihr Kunstwerk beendet: „So, ich hoffe, Sie können mit meinem Gekritzel etwas anfangen.“ Sie schob das Blatt zu Marius hin. Die beiden Fahnder beugten ihre Köpfe darüber und studierten es genau, dann meinte Marius: „Das ist klar genug. Wir werden den Hof sicher finden. Herzlichen Dank.“ – „Gerne geschehen, aber ich muss Sie noch warnen, es ist nicht sehr sauber dort.“ „Ach das macht nichts, wir sind einiges gewohnt.“ Beide Fahnder gaben Hanna die Hand zum Abschied, dann verliessen sie die Praxis. Grinsend schaute Hanna den beiden so modisch gekleideten Männern nach: „Oh ja, ich glaube Euch, dass ihr einiges gewohnt seit, doch ganz sicher nicht das, was Euch dort erwartet.“

„Verflixt, Roland, schon wieder diese Holzbiege. Wir fahren dauernd im Kreis. Gib mir mal die Skizze.“ Marius stellte den Motor ab. Ein kurzer Blick auf die Zeichnung und er meinte ironisch: „Unser Top Kartenleser war wieder mal am Werk! Ich hätte es wissen müssen! Du würdest Dich selbst dann noch verlaufen, wenn man Dich lotsen würde. Hier, siehst Du? Kein Wunder landen wir immer wieder hier. Der Hof liegt hinter diesem Wäldchen. Wir müssen dem vor uns liegenden Waldweg folgen.“ Marius drückte Roland den Zettel in die Hand, startete den Wagen, wendete und fuhr langsam einen mit Schlaglöchern übersäten Weg entlang. Sie wurden gehörig durchgeschüttelt, so klang Rolands Stimme etwas holprig als er sich zu rechtfertigen suchte: „Wie schön, dass Du keine Fehler hast. Sag mal, wer hat hier Angst gehabt vor diesem kleinen Hund?“ Dies trug ihm einen finsteren Blick Marius’ ein. „Ich habe keine Angst gehabt! Ich mag Hunde einfach nicht und ganz besonders nicht so ein hässliches, sabberndes, monsterähnliches Etwas.“ Da musste Roland doch lachen: “Die Beschreibung passt. Doch macht gerade diese Hässlichkeit diese Englischen Bulldoggen interessant.“ Marius schüttelte sich: “Na ja, über Geschmack lässt sich nicht streiten. He, sieh mal, da ist ja dieser Hof. Endlich… ach… Du meine Güte! Nicht sehr sauber, also wirklich!“ Sie hatten den Vorplatz erreicht und den Wagen abgestellt. Angeekelt blieben sie sitzen. Ihre Blicke wanderten über den dreckigsten Bauernhof, den sie je gesehen hatten. Vor ihnen lag das Wohnhaus, die Farbe blätterte ab, die Fensterläden konnten wieder mal einen Anstrich gebrauchen und der angrenzende Schuppen machte den Eindruck als würde er nächstens in sich zusammen fallen. Direkt gegenüber stand ein lang gezogener flacher Bau, der dem Geruch nach zu folgen Schweine beherbergte. Die Ausläufe davor waren im Moment leer, doch zeugten die riesigen eingepferchten Schlammlöcher davon, dass die Bewohner nicht sehr weit sein konnten. Roland schnüffelte und seufzte laut auf: „Warum müssen wir immer d i e s e Fälle bekommen?“ Da Marius darauf keine Antwort wusste, öffnete er die Türe und setzte seinen Fuss genau in eine stinkende Pfütze. Schnell zog er ihn wieder ins Auto: „Verdammt! Verdammt! Ich hasse alle Viecher! Eine Tierärztin, wirklich! Die wird auch ein hässlicher Besen sein, wer würde sich sonst an einem solchen Ort aufhalten!“ Roland hatte unterdessen den Wagen verlassen ohne Schaden zu nehmen: “Unke nicht und komm endlich. Wir hinken schon genug in unserem Zeitplan hinterher.“ Marius streckte sein langes Bein so weit raus, dass er die Pfütze umgehen konnte, so zog er Sich aus dem Auto: „Und wessen Schuld ist das bitte?“ Roland gab keine Antwort. Er war bereits auf der Suche nach Dr. Moser. Wo war sie nur? Sie folgten der langen Reihe von Pferchen, immer darauf achtend, die grössten Dreckpfützen zu umgehen. Beinahe am Ende des Schweinestalles wurden sie dann fündig. Verdutzt sahen sich die beiden an, bevor ihre Augen sich auf einen wohlgerundeten, nicht ganz kleinen Po richteten, der sich ihnen aus einem Gestrüpp reichend, entgegen streckte. Dieser Po gehörte eindeutig einer Frau. Sie trug eine enge Jeans, Gummistiefel und eine rote Vliesjacke. Die ganze Gestalt war mit Schlamm bespritzt. Soeben sagte sie mit sanfter Stimme: „Komm her zu mir, Teufelchen, sei ein lieber Kater, ich möchte Dir doch nur helfen. Ja, so ist es gut… autsch! Du dummer, dummer Kerl!“ Die beiden Fahnder sahen sich grinsend an, dann meinte Marius laut: „Entschuldigung, sind Sie Dr. Moser?“ Erschrocken kroch Felicitas rückwärts aus dem Gebüsch hervor und kam stolpernd auf die Füsse. In beinahe demselben Augenblick schoss etwas Schwarzes aus dem Gebüsch und verschwand durch eine Klappe in der windschiefen Scheune. Empört strich sich Felicitas die wirren roten Locken aus dem Gesicht. Die Haare hatten sich bereits wieder aus dem Pferdeschwanz gelöst. Ihre grünen Augen funkelten wütend, als sie sagte: „Zum Kreuzdonnerwetter noch mal! Eine viertel Stunde habe ich nun versucht, diesen Kater aus dem Gebüsch hervor zu locken und gerade jetzt, wo es endlich zu klappen schien, kommen Sie beide daher und verscheuchen ihn wieder! Wer sind Sie eigentlich und was wollen Sie von mir?“ Roland warf Marius einen Blick zu der zu sagen schien: „Soviel also zu Deiner hässlichen Tierärztin.“ Felicitas betrachtete die beiden Männer – immer noch verärgert. Was sie sah, gefiel Ihr aber ausnehmend gut, besonders die stahlblauen Augen von Marius nahmen sie in den Bann. Ein Panther, dieser Mann ist wie ein Panther. Ihr Blick glitt zu Roland. Seine Gestalt und die sanften braunen Augen sowie seine schnellen geschmeidigen Bewegungen erinnerten an einen Gepard. Zwei Wildkatzen, na toll. Der Panther verlagerte nun sein Gewicht behäbig auf das linke Bein, strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht und meinte: „Dr. Moser?“ Felicitas bejahte. „Dr. Moser, wir sind Fahnder der Kantonspolizei Zürich. Wir bearbeiten den Mord der sich gestern in Rikon ereignet hat und wir möchten Ihnen dazu einige Fragen stellen, da Sie ja die Hauptzeugin sind.“ Roland hatte unterdessen seinen Ausweis aus der Hosentasche gezogen. Er hielt ihn Felicitas hin. Diese las ihn sorgfältig durch. „Panther und Gepard sind also Polizisten. Das passt irgendwie“ dachte sie. Laut sagte sie dann: „Wie haben Sie mich gefunden? Waren Sie in der Praxis?“ Marius nickte bestätigend: „Ja, Ihre Assistentin hat uns den Weg hier heraus beschrieben. Möchten Sie, dass wir gleich hier Ihre Aussage aufnehmen oder…“, sein amüsierter Blick streifte ihre schmutzige und derangierte Aufmachung, “…würden Sie sich lieber noch etwas waschen?“ Felicitas blickte ihn wütend an. Wie gemein! „Nein danke, Herr Saubermann – oder heissen Sie anders?“ Zuckersüss klang ihre Stimme. Der amüsierte Ausdruck verschwand schlagartig aus Marius Gesicht. Roland schien plötzlich von einem argen Husten befallen zu sein. Erst ein böser Blick seines Partners heilte ihn schlagartig. Roland meinte: „Entschuldigen Sie, Dr. Moser, wir haben uns noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Pfeiffer und dies hier ist nicht Herr Saubermann, er heisst Rötlin.“ Felicitas nahm die Vorstellung wortlos zur Kenntnis. Ihre Tasche aufhebend meinte Sie: „Da mir ja jetzt Teufelchen entwischt ist, wird die Bäuerin ihm selbst die Medikamente einflössen müssen. Ich muss ihr das noch sagen und ihr weitere Anweisungen geben. Warten Sie also bitte bei Ihrem Wagen auf mich. Ich beeile mich.“ Ohne auf eine Antwort der beiden Fahnder zu warten schritt sie schnell Richtung Haus. Die beiden Männer schauten ihr nach. „Wow, das war deutlich, ich hätte beinahe, jawohl Madame, gesagt. Dir hat sie es aber auch gegeben, Alter.“ Roland boxte Marius grinsend in die Seite. „Ha, ha, sehr witzig. Diese Frau ist absolut unmöglich, absolut ungepflegt und vorlaut ausserdem.“ – „ Ach komm schon, Marius, Du warst auch nicht gerade Mr. Charmant in Person.“ Marius grummelte nur etwas vor sich hin und setzte sich in Bewegung. Roland folgte ihm achselzuckend. Dort warteten sie schweigend auf Felicitas. Es dauerte nicht lange und sie erschien. Sie hatte sich etwas gesäubert, ihre Stimmung war ebenfalls besser. Freundlich lächelnd meinte sie: „So, meine Herren, nun stehe ich ganz zu Ihrer Verfügung.“ Da Marius immer noch zu schmollen schien, was bei ihm sehr ungewöhnlich war, übernahm Roland das Sprechen: „Das ist nett von Ihnen, Dr. Moser. Ich habe hier ein kleines Aufnahmegerät. Wir werden Ihre Aussage aufnehmen, einen Bericht schreiben und diesen dann Ihnen vorlegen. Erst wenn Sie den Bericht unterschrieben haben, ist Ihre Aussage rechtsgültig. Also, beginnen wir.“ Er schaltete das Gerät ein: „Dr. Moser, Sie haben gestern die Tote, eine Frau Magdalena Schwarz, tot bei der Ruine Liebenberg gefunden. Erzählen Sie uns doch den ganzen Hergang genau.“ Felicitas setzte sich auf einen grossen Stein. Sie zog die Beine hoch stützte ihre Arme darauf ab und legte das Kinn darauf: „Ehrlich gesagt würde ich das ganze am liebsten vergessen, doch das ist unmöglich. Die Bilder dieser toten Frau lassen mich nicht los. Ich kann Frau Schwarz, sie war eine Kundin von mir – und ich mochte sie nicht.“ „Weshalb denn nicht?“ – „ Ja, weshalb nicht, das ist eine gute Frage. Als ich letztens bei ihr war, hatte ich das Gefühl, dass diese Frau alle rund um sich herum manipuliert. Sie behandelte sie wie Schachfiguren auf einem Schachbrett. Da war zum Beispiel die Putzfrau. Frau Schwarz hatte irgendetwas gegen sie in der Hand, denn ich konnte ein Gespräch mit anhören.“ Roland wandte ein: „ Die Putzfrau? Kennen Sie ihren Namen?“ Felicitas schüttelte bedauernd den Kopf: „Tut mir leid, den hab ich mir nicht gemerkt, doch der Butler wird es wissen oder auch der Mann von Frau Schwarz. Der Butler konnte seine Chefin – glaube ich zumindest – auch nicht leiden. Ich sah es in seinen Augen, als Frau Schwarz mit ihm sprach.“ Nun mischte sich Marius das erste Mal ein. Ungläubig hob er eine Augenbraue: „Sie sahen es in seinen Augen?“ Felicitas hob den Kopf und funkelte ihn an: „Ja, in seinen Augen! Stellen Sie sich vor, es gibt Menschen, die können das, das nennt man Intuition. Leider fehlt diese Eigenschaft den Männern gänzlich. Ausserdem hatte die Gira… ich meine Frau Schwarz, ihn zuvor gemassregelt und ihm gedroht.“ Roland warf ein: „Gedroht? Was genau hat sie denn gesagt? Wissen Sie das noch?“ Felicitas überlegte einen Moment: „Ja sie sagte wir sprechen später weiter, das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen oder so ähnlich.“ Roland wippte auf den Fussballen hin und her, „hmm, diese Frau Schwarz scheint sich nicht gerade Freunde gemacht zu haben.“ „Ja, da haben Sie recht.“ Felicitas war aufgestanden, „Sie war eine ziemlich unangenehme Person. Ich glaube, ausser ihrer Siamkatze lag ihr nichts am Herzen, ausser vielleicht ihr Mann. Diesen Herrn kenne ich aber nicht.“ - „Das wundert mich aber, Sie scheinen ja sonst alles zu wissen und jeden zu kennen.“ Marius konnte die Stichelei einfach nicht lassen. Dass er sich so unprofessionell verhielt, verwunderte ihn selbst. Sonst reagierte er nicht so extrem, doch diese Frau reizte ihn ungemein. Es machte ihm richtig Freude, sie zu ärgern. Felicitas betrachtete ihn mit schrägem Kopf. Sie mochte diesen Typ nicht, er war arrogant und wusste nur zu gut, wie hervorragend er aussah: „Ach wissen Sie, Herr Rötlin, das bringt mein Beruf so mit sich. Ich habe sehr viele Kunden in Rikon und was das Wissen anbelangt, ich begegne den Leuten –in den meisten Fällen- eben mit Respekt und Anstand, so kommt man oft ins Gespräch und man erfährt so einiges.“ „Mit Deinen eigenen Waffen geschlagen, Marius.“ Roland amüsierte sich köstlich. Dieser warf Ihm einen finsteren Blick zu, erwiderte jedoch nichts. Roland wandte sich wieder an Felicitas: „Also Dr. Moser, erzählen Sie uns doch, was genau gestern Nachmittag geschehen ist.“ Er aktivierte das Aufnahmegerät wieder. Felicitas musste sich arg zusammen nehmen um sich den gestrigen Tag noch einmal in Erinnerung zu rufen: „Nachdem ich bei meiner Freundin Maria Hug zu Mittag gegessen hatte- “Plötzlich kam ihr wieder in den Sinn, dass Maria ebenfalls Ärger mit dieser Frau Schwarz gehabt hatte und sie stockte einen Moment in ihren Ausführungen. Roland bemerkte dies und ihren seltsamen Gesichtsausdruck. So fragte er: „Ist irgend etwas, Dr. Moser?“ Felicitas schaute erschrocken auf. Sie würde diesen beiden Männern nichts davon erzählen, zuerst wollte sie mit Maria selber sprechen. So sagte sie rasch: „Nein, nein, ich habe nur ein bisschen Mühe mich an die Geschehnisse gestern zu erinnern. Nach dem Essen hatte ich vor meinem ersten Patientenbesuch noch Zeit für einen Spaziergang. So machte ich mich mit meinem und Marias Hund in Richtung Ruine Liebenberg auf. Leider übersah ich dabei, dass sich ein Gewitter näherte. Kaum hatte ich diese erreicht, brach das Gewitter los. Es war extrem heftig. Innerhalb von Sekunden war ich bis auf die Haut durchnässt. Ich muss zu meiner Schande zugeben, dass ich einen Moment nicht auf die beiden Hunde geachtet habe. Als ich endlich einen Unterschlupf gefunden hatte, rief ich nach den beiden, doch keiner kam, auch nach mehrmaligem Rufen nicht. So kroch ich wieder unter dem Felsvorsprung hervor und ging los, die beiden zu suchen. Jedoch, bevor ich die Hunde fand, fand Romeo, meine Englische Bulldogge, mich. Er führte mich geradewegs zu der Leiche von Frau Schwarz, allerdings hatte ich dabei ein kleines Missgeschick… ich rutschte auf dem nassen glitschigen Waldboden aus und landete, nun… ich landete genau auf Frau Schwarz. Tut mir leid. In meinem Schockzustand rief ich zuerst meine Freundin, Maria Hug an, ich weiss, das war falsch, danach informierte ich dann die Polizei, welche Gott sei Dank auch kurz darauf erschien.“ Roland Pfeiffer hatte aufmerksam zugehört und meinte nun: „Ist Ihnen irgend etwas aufgefallen? War vielleicht noch jemand in der Nähe? Haben Sie keine Geräusche gehört?“ Verneinend schüttelte Felicitas den Kopf: „Nein, leider nicht. Wenn noch jemand in der Nähe gewesen wäre, hätten die Hunde sicher angegeben.“ Sie schaute auf ihre Uhr: „Wenn das alles ist, wäre ich froh wenn ich gehen könnte, denn mein Terminplan ist ziemlich voll, weil ich ja gestern nicht mehr in der Praxis war.“ Felicitas ging zu ihrem Auto, zog die Gummistiefel aus, Turnschuhe an und verstaute ihre Utensilien im Kofferraum. Roland Pfeiffer hatte unterdessen das Aufnahmegerät aus geschalten und im Auto verstaut. Marius stand immer noch an gleicher Stelle. Sein Blick folgte jeder Bewegung von Felicitas. Als sie nun wieder zu den beiden Fahnder trat, meinte er: „Wir sind im Moment fertig, danke Dr. Moser. Noch eine Frage, sind alle Ihre Patienten so… so schmutzig?“ Felicitas hatte sich unterdessen von Roland Pfeiffer verabschiedet und ihm ein Visitenkärtchen gegeben, damit er sie jederzeit erreichen konnte, falls es nötig sein sollte. Nun drehte sie sich zu Marius um, pflanzte sich so vor ihn hin, dass sich ihre Körper berührten. Marius zuckte zurück. Er hatte eine Abneigung gegen Schmutz. Ein spöttisches Lächeln erschien auf Felicitas Gesicht, sehr freundlich meinte sie: „Ja , wissen Sie, Herr Saubermann, Tiere sind nun mal so. Die einen lieben den Schmutz ganz besonders und dann gibt es noch die anderen Tiere, welche beinahe so einen Sauberkeitsfimmel haben wie Sie. Aber ja, auch wenn manche Tiere noch so schmutzig sind, bessere Manieren als gewisse Leute haben sie allemal.“ Mit diesen letzten Worten drehte sie sich zu Roland Pfeiffer um, schüttelte ihm die Hand und wünschte ihm, nur ihm, einen schönen restlichen Tag, ging zu ihrem Auto, stieg ein und fuhr vom Hof. Verärgert wandte sich Roland an Marius: „Sag mal, spinnst Du? Weshalb greifst Du diese Frau dauernd an? So viel Temperament kenne ich bei Dir gar nicht. Sie ist unsere Hauptzeugin, Marius! Verdammt noch mal, verhalte Dich doch professionell!“ Er stieg in den Wagen und knallte die Türe hinter sich zu, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er wütend war. Marius fuhr sich frustriert durch die Haare. Roland hatte ja recht. Sein Verhalten war absolut unprofessionell. Er verstand sein Verhalten auch nicht, doch diese Frau brachte ihn einfach dazu sich von seiner schlechtesten Seite zu zeigen. Vor allem, weil sie ihnen anfangs so unfreundlich begegnet war. Laut aufseufzend öffnete er die Fahrertüre und setzte sich hinter das Lenkrad. Mit einem entschuldigenden Blick meinte er: „Du hast ja recht, Roland. Mein Verhalten vorhin war absolut inakzeptabel. Ich verstehe mich selber nicht. Niemand kennt mich besser als Du, deshalb weißt du, dass das absolut atypisch für mich ist. Aber manche Leute sehe ich einfach gerne wütend.“ Marius zuckte verloren mit den Schultern. Er stellte den linken Fuss auf das Fussbrett des offenen Wagens. Unterdessen war Rolands Ärger wieder verraucht. Er war nicht der Mann, der lange böse sein konnte: „Und wieso hast du diesen Drang, jemanden wütend zu machen?“ Marius dachte ernsthaft nach: „Keine Ahnung. Ob es vielleicht daran liegt, dass ich Tiere im Allgemeinen und Hunde im Besonderen, nicht mag?“ Verdutzt betrachtete Roland seinen Partner: “Du magst keine Tiere? Dass du Angst vor Hunden hast, das weiss ich, aber a l l e Tiere nicht mögen? Das gibt es doch gar nicht.“ „Doch das gibt es. Weißt Du was, ich werde mich von jetzt an einfach zusammen reissen bei Dr. Moser – und soviel werden wir ja mit ihr nicht mehr zu tun haben. Ihre Aussage haben wir. Punkt.“ Marius nahm den Fuss zurück in den Wagen, schloss die Türe und startete das Auto. Roland hatte so eine Ahnung, weshalb sich Marius bei Dr. Moser seltsam benahm. Sein Grinsen versteckend gab er zur Antwort: „Ja, das glaube ich Dir, Du schaffst das schon. Ausserdem werden wir wohl wirklich nicht mehr viel mit Dr. Moser zu tun haben. Gut für Dich.“ Die Verdüsterung von Marius Blick bestätigte Rolands Verdacht und sein Grinsen wurde noch etwas breiter. Marius setzte das Auto zurück, wendete, legte den Vorwärtsgang ein und verliess das Grundstück. Ihr nächster Bestimmungsort war das Haus der Getöteten.

Der Burgenmörder

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