Читать книгу Kinder der Dunkelheit - Gabriele Ketterl - Страница 45

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Luca verschmolz mit den Schatten der gegenüberliegenden Häuser und sah verträumt hinauf zu dem kleinen Licht hinter dem Fenster, das gerade eingeschaltet worden war. Dort wohnte sie also, das war gut zu wissen. Er fühlte ihr nach, ihrer Wärme, der Herzlichkeit, die sie umgab, der Unbeschwertheit, die tief in ihr verborgen ruhte. Sie versuchte, stark zu wirken, doch er hatte gespürt, dass sie sich stattdessen nach einem Halt sehnte. Ein Blick in ihre Augen hatte ihm vieles gezeigt. Sie war klug, hatte Humor, war gefühlvoll und romantisch. Aber auch sehr tief verletzt.

Tief sog er die Nachtluft in seine Lungen, in der noch der letzte Hauch ihres Parfums lag. Als er sich endgültig zurückziehen wollte, nahm er aus dem Augenwinkel eine schemenhafte Bewegung wahr. Jemand war im Nebenhaus verschwunden. Sicher nur ein weiterer Liebhaber der Nacht. Beschwingt machte sich Luca auf den Weg nach Hause.

Als er den Palazzo betrat, hörte er fröhliches Pfeifen aus dem Salon. Verdis Triumphmarsch! Schien ein guter Abend für seinen väterlichen Freund gewesen zu sein. Raffaele stand mit dem Rücken zu ihm an der Bar und mixte anscheinend einen seiner raffinierten Cocktails.

Seine langen silbergrauen Locken hatte er im Nacken mit einem schwarzen Samtband gebändigt. So konnte man die großen silbernen Creolen sehen, die er gern trug. Der Gehrock aus Samt harmonierte perfekt mit den kniehohen blauen Lederstiefeln. Raffaele sah immer aus, als sei er soeben einem Mantel- und Degenfilm entsprungen. Er dachte nicht im Traum daran, sich unauffälliger zu kleiden. Sah man ihn nachts durch Venedig laufen, glaubten alle, er sei auf dem Weg zu einem der ganzjährig stattfindenden Maskenbälle, oder sie hielten ihn für einen Schauspieler am Theater. Außerdem sah er darin verdammt gut aus.

»Luca, schon zurück? Wo sind sie denn, die Schönen der Nacht? War dir wieder keine der Damen gut genug?« Raffaele grinste anzüglich und in seinen blauen Augen blitzte es unternehmungslustig, als er sich zu seinem Freund umwandte.

»Nein, ich habe etwas Besseres gefunden!« Luca seufzte.

Raffaele wirkte kurz irritiert, dann schien es ihm zu dämmern. »Was höre ich da? Das klingt verdächtig nach echtem Gefühl.« Raffaele schnupperte in Lucas Richtung. »Das riecht ja direkt nach Liebe. Wie ist das möglich, nach all den Jahrhunderten? Ich bin fassungslos! Erzähl, mein Junge, wer ist dieser Engel?«

Luca grinste zurück. Ob Raffaele sich irgendwann diese Anrede abgewöhnen konnte? Aber mit dem Engel hatte er absolut recht. Er warf seinen Mantel auf eines der sündhaft teuren Barockstühlchen im Raum und deutete auf das Cocktailglas in Raffaeles Hand.

»Für wen ist das denn? Wohl kaum für dich. Kümmere du dich erst einmal um dein eigenes Liebesleben für diese Nacht.«

Raffaele starrte kurz auf das Glas in seiner Hand und schlug sich dann mit der flachen Hand an die Stirn. »Maledetto! Die Dame hätte ich jetzt um ein Haar vergessen!« Er lächelte Luca verschmitzt zu. »Du entschuldigst mich?« Mit einem gekonnten Augenaufschlag verschwand er in seine Gemächer und ließ einen kopfschüttelnden Luca zurück.

»Raffaele, Raffaele, du wirst nicht mehr erwachsen, da helfen auch deine zweitausend Jahre nichts!« Luca ging nachdenklich hinauf in sein Zimmer, wo er sich voll bekleidet auf sein Bett fallen und den Abend Revue passieren ließ. Durch seinen Kopf rasten Gedanken, wie sie ihm seit fast fünfhundert Jahren nicht mehr in den Sinn gekommen waren.

Ein verdammt gutes Gefühl!

Kinder der Dunkelheit

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