Читать книгу Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу, Гарриет Бичер-Стоу, K. McDowell Rice - Страница 146

Dreiunddreißigstes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Tom Sawyer verwundet. – Die Erzählung des Doktors. – Jim profitiert etwas. – Tom beichtet. – Tante Polly kommt. – »Briefe heraus!«

Noch vor dem Frühstück war Onkel Silas wieder in der Stadt gewesen, hatte aber natürlich keine Spur von Tom entdecken können und nun saßen die beiden am Tisch, ganz stumm und betrübt, und schienen tief in Gedanken und sagten keines kein Wort und der Kaffee wurde kalt und essen konnten sie auch nichts. Sagt da plötzlich der Alte:

»Hab' ich dir denn den Brief gegeben, Sally?«

»Welchen Brief?«

»Den, den ich gestern auf der Post bekommen habe.«

»Nein, einen Brief hast du mir nicht gegeben!«

»Na, dann muß ich's vergessen haben!«

Er kramte in allen Taschen, stand auf und holte den Brief irgendwo her, wo er ihn hingelegt hatte, und gab ihn ihr. Sagt sie:

»Ach, der ist ja von Petersburg – der ist von der Schwester!«

Ich denk' drauf, nun wird dir wieder einmal ein kleiner Spaziergang besser sein, konnte mich aber nicht vom Fleck rühren, so war mir der Schreck in alle Glieder gefahren. Ehe sie den Brief aber ganz geöffnet hatte, ließ sie ihn fallen und rannte der Thüre zu – sie hatte durchs Fenster etwas gesehen. Ich aber auch. Dort wurde Tom Sawyer auf einer Matratze angeschleppt und dahinter kamen der Doktor und Jim in ihrem Kattunkleid, mit den Händen auf den Rücken gebunden, und noch sonst eine Masse Leute. Ich stürzte erst auf den Brief los und werf' ihn hinter ein Möbelstück. Tante Sally rannte indessen bereits auf die Matratze los, stürzte sich über Tom her und schrie und jammerte:

»Ach Gott, er ist tot, er ist tot; gewiß ist er tot!«

Tom drehte jetzt den Kopf und murmelte etwas Unzusammenhängendes, man sah, er hatte Fieber, und da schlug sie die Hände über'm Kopf zusammen und jubelte:

»Er lebt, Gott sei Dank, er lebt! Weiter brauch' ich nichts zu wissen!« Und sie küßte Tom ganz flüchtig und rannte dann ins Haus zurück, um sein Bett zurechtzumachen und bei jedem Schritt, den sie vorwärts stürzte, flogen ihr die Befehle nur so nach rechts und links von den Lippen und Nigger und Dienstleute und alles rannte hinter ihr drein, wie die wilde Jagd.

Ich schlich hinter den Männern her, um zu sehen, was sie mit Jim anfangen würden, und der Doktor und Onkel Silas folgten Tom ins Haus. Die Männer schienen sehr aufgebracht und einige sprachen sogar davon, Jim zu töten, ihn baumeln zu lassen, all den andern Niggern zum warnenden Exempel, damit die sich's nie einfallen ließen, durchzubrennen, wie's Jim gethan, und dabei alles so untereinander zu bringen und eine ganz ehrbare Familie wochenlang in Angst und Aufregung zu versetzen. Andre rieten ab davon, sagten, »thut's ja nicht, es ist ja nicht unser Nigger, und wenn sein Herr einmal auftaucht, der läßt ihn sich teuer bezahlen.« Das kühlte die Hitzköpfe ein wenig ab, denn die, die am schnellsten dabei sind, einen Nigger zu henken, wollen am wenigsten davon wissen, dafür bezahlen zu müssen, wenn einmal die Hitze verflogen ist.


Aber fluchen thaten sie auf Jim und immer ab und zu bekam er einen ordentlichen Puff an den Schädel oder einen Tritt oder sonst irgend eine liebenswürdige Aufmerksamkeit. Der aber sagte kein Wort, that auch gar nicht, als ob er mich kennte, und sie schleppten ihn nach seiner alten Hütte, zogen ihm seine eignen Kleider wieder an, brachten die Ketten und fesselten ihn, diesmal nicht an den Bettpfosten, sondern an einen schweren Block, der in den Boden der Hütte eingetrieben wurde, und banden seine Hände und beide Beine und sagten, er solle von jetzt an nichts bekommen als Brot und Wasser, bis sein Herr käme oder er versteigert werden würde, wenn der sich nicht zu rechter Zeit einstelle, und füllten unser Loch auf und meinten, ein paar Männer müßten nun immer nachts bei der Hütte Wache stehen und bei Tage müsse eine Bulldogge an der Thüre angebunden werden. Als sie endlich fertig geworden waren, nahmen sie mit ihren Fußspitzen der Reihe nach Abschied von Jim; auf einmal erscheint der alte Doktor und sagt:

»Hört, Jungens, behandelt den Kerl nicht schlechter, als nötig ist, denn es ist kein schlimmer und kein böser Nigger. Als ich dort aufs Floß kam und den Jungen fand und sah, daß ich ohne Hilfe die Kugel nicht herausbringen würde und doch keine Hilfe nah und fern zu entdecken war, und ich den Burschen auch nicht allein lassen konnte, um zu sehen, ob ich jemanden auftreiben könnte, denn er wurde schlimmer und schlimmer und fing schließlich an zu toben und wollte mich nicht heran lassen, und sagte, wenn ich mit Kreide ein Zeichen ans Floß machte, dann würde er mich töten und dergleichen Unsinn mehr; als ich mir da gar nicht mehr zu helfen wußte, und schließlich laut vor mich hinspreche: ›nun muß ich Hilfe haben, koste es, was es wolle‹, da Jungens – da, sag' ich euch – stand plötzlich der Nigger dort vor mir, wie aus dem Boden gezaubert, und er hat mir geholfen, ohne viel zu reden, und zwar wacker geholfen! Natürlich wußte ich gleich, daß er irgendwo durchgebrannt sein müsse. Da saß ich nun! Was blieb mir übrig, als ruhig auszuharren den ganzen Tag über und die Nacht dazu. Das war eine Klemme, sag' ich euch! In der Stadt warteten meine Patienten auf mich, was sollten die denken, und doch mußte ich bleiben, denn ich wagte nicht, wegzugehen, aus Furcht, der Nigger risse aus und ich bekäme hinterher Vorwürfe. Ein Schiff, das ich hätte anrufen können, wollte auch nicht in die Nähe kommen, und so hieß es denn bleiben und immer bleiben, bis zum Tagesanbruch, diesen Morgen. Nie aber habe ich einen Nigger gesehen, der treuer und besser gepflegt hätte, wie der dort, und doch setzte er dabei seine Freiheit aufs Spiel und schien so müde, so totmüde; er muß furchtbar abgearbeitet worden sein in den letzten Wochen. Der Nigger gefiel mir darum; ich sag' euch, Männer, so ein Nigger ist mehr als tausend Dollars wert – und eine gute Behandlung obendrein. Ich hatte dort alles, was ich brauchte, und der Junge auch, besser vielleicht als zu Hause, denn es war so ruhig und still, wie gemacht für einen Kranken. Aber der Boden brannte mir doch unter den Füßen bei meiner Verantwortung für die beiden und wochenlang konnte ich nicht bleiben; na, da kamen denn endlich ein paar Männer in einem Boot nahe genug, um sie anzurufen. Zum Glück saß der Nigger gerade am Steuer, mit dem Kopf auf den Knieen, und war fest, fest eingeschlafen. So winkte ich ihnen denn, leise zu thun, und sie fielen leise über ihn her und banden ihn, ehe er noch recht die Augen offen hatte, und so hatten wir gar keine Last mit ihm. Und da der Junge gleichfalls schlief, machten wir das Floß leise los, ruderten es dem Ufer zu und legten's dort fest, ohne daß einer von den beiden sich nur rührte, der Nigger hatte sich nicht gemuckst, keinen Laut von sich gegeben von Anfang an. Das ist kein schlimmer Kerl, meine Herren, glauben Sie mir's, ich hab's erprobt!«

»Das lautet all' sehr gut und schön, Doktor, das muß ich sagen!« meinte einer.

Die andern schienen auch ein wenig besänftigt und ich war dem alten Mann herzlich dankbar für die Wohlthat, die er Jim mit der Erzählung erwiesen, und war so froh, daß ich den armen Kerl von Anfang an richtig beurteilt; ich wußte, er hatte ein gutes, ein weißes Herz in seiner schwarzen Brust. Und Jim profitierte auch davon, denn alle stimmten überein, er habe sich gut benommen und brav und verdiente, daß man ihn drum lobe und belohne. Und jeder versprach aufrichtig und von Herzen, dem armen Kerl keine Püffe mehr zu geben.

Das war aber vorerst auch alles. Ich hatte gehofft, sie würden ihm eine oder zwei von seinen verdammt schweren Ketten abnehmen oder ihm Fleisch und Gemüse zu seinem Brot und Wasser erlauben, daran aber schienen sie nicht zu denken und ich wollte mich lieber nicht dreinmischen, nahm mir aber fest vor, Tante Sally bei nächster Gelegenheit von des Doktors Erzählung zu sagen. Bei nächster Gelegenheit, das heißt, wenn ich erst die bösen Klippen umschifft hätte, die in meinem Wege lagen. Mit den Klippen meine ich nämlich die Aufklärungen, die ich Tante Sally zu geben haben würde über Toms Wunde – »woher, wieso und warum?«

Zeit zum Besinnen hierüber hatte ich genug, Tante wich nicht vom Krankenbett, nicht Tag und nicht Nacht, und ich hielt mich in sichrer Entfernung und so oft ich Onkel Silas irgendwo auftauchen sah, wich ich ihm schleunigst aus.

Am andern Morgen hörte ich, Tom sei viel besser und Tante habe sich ein wenig hingelegt. Ich schlüpf' also in das Krankenzimmer und hoffte, ihn wach zu treffen und mit ihm etwas zu ersinnen, das alle kommenden Kreuz- und Querfragen aushielt. Er aber schlief und zwar ganz friedlich; sein Gesicht war blaß und nicht mehr so glutrot wie den Tag zuvor, als er ankam. So setzte ich mich also hin und wollte warten, bis er wach würde. Nach vielleicht einer Viertelstunde glitt Tante Sally plötzlich leise wie ein Geist herein und da saß ich wieder fest! Sie winkte mir, still zu sein und setzte sich zu mir und begann zu flüstern und sagte, wie dankbar wir alle sein könnten, »Sid« sei so viel besser und er schlafe nun schon lange so ruhig und so friedlich und sehe dabei immer besser und immer wohler aus und es sei zehn gegen eins zu wetten, daß er bei Besinnung wäre, wenn er nun erwache.

Da saßen wir denn und warteten und auf einmal schlug er die Augen auf und sah ganz klar und frei um sich und sagte:

»Herrje, wie ist denn das, ich bin ja zu Hause! Wo ist denn das Floß?«

»Das ist alles in Ordnung,« sag' ich.

»Und Jim?« fragt er.

»Der auch,« sag' ich; aber ganz so keck, wie ich beabsichtigte, kam's doch nicht heraus. Er merkte das aber gar nicht, sondern rief ganz vergnügt:

»Na, dann ist alles gut, herrlich! Da ist uns ja allen geholfen! Hast du's der Tante schon erzählt?«

Eben wollte ich auch dazu ›ja‹ sagen, als diese selbst sich ins Mittel legte:

»Erzählt, Sid, – was?«

»Na, alles, Tantchen, wie wir die ganze Geschichte fertig gekriegt haben.«

»Welche Geschichte?«

»Na, die Geschichte – wie wir den Nigger befreit haben – ich und – und Tom!«

»Herr des Himmels! Den Nigger befr– was schwatzt der Junge da? Großer Gott er phantasiert wieder!«

»O nein, ich phantasiere gar nicht, ich weiß recht gut, was ich sage, Tante. Wir haben ihn befreit – ich und Tom. Das wollten wir thun von Anfang an und wir haben's gethan! Und haben's gut gemacht, elegant gemacht, das muß jeder zugeben!« Und damit war er ins richtige Fahrwasser geraten und sie probierte nicht mehr, ihn zu unterbrechen, und ließ ihn schwatzen und schwatzen und saß nur und starrte ihn an und Mund und Augen wurden immer größer und ich ließ dem Unglück seinen Lauf, denn hier war nichts mehr zu machen. »Ja, Tantchen, das war eine Arbeit, da gab's zu thun Nacht für Nacht, Stunde um Stunde, alle die Wochen, während ihr lagt und schlieft. Und wir mußten die Kerzen stehlen, siehst du, und die Leuchter und das Leintuch und das Hemd und dein Kleid und Löffel und Zinnteller und Messer und die Pfanne, den Mühlstein und Mehl und sonst noch eine ganze Menge und du kannst dir gar nicht denken, was wir für Plage hatten mit den Sägen und den Federn und den Inschriften und all dem – und noch viel weniger, was wir für einen Spaß dabei hatten. Und dann waren die onnanimen Briefe zu schreiben und die Särge und Totenköpfe zu malen und das Loch in der Hütte zu graben und die Strickleiter zu machen und in die Pastete zu backen, und dann die Löffel, die wir in deine Schürzentasche steckten, und noch vieles andere mehr. –«

»Allmächtiger!«

»– und die Ratten für die Hütte und die Schlangen und all das Zeug für Jim zur Gesellschaft! Und dann hast du den Tom mit der Butter erwischt und ihn so lang' aufgehalten, daß beinahe die ganze Geschichte verunglückt wäre, denn die Männer kamen noch ehe wir weg waren und wir mußten rennen und sie hörten uns und schossen und ich kriegte mein Teil ab und wir ließen sie dann an uns vorbei und die Hunde wollten auch nichts weiter von uns wissen, sondern liefen dem Geschrei nach und wir schlichen nach dem Boot und ruderten zu dem Floß, das wir zwischendurch machten, und waren dann in Sicherheit und Jim frei und das haben wir alles allein fertig gebracht und es war ein kapitaler Spaß, Tantchen!«

»Na, jetzt halt' mich aber doch mal einer! So was hab' ich in meinem Leben noch nicht gehört! Also ihr wart's, ihr Bengel, die die ganze Wirtschaft gemacht haben, uns alle beinahe um den Verstand gebracht und fast zu Tod erschreckt! Na, da sollt aber doch! Ich hätte gute Lust, es euch einmal gleich tüchtig zu zeigen, was ich davon denke! Ich, die ich Abend für Abend – na, werd' du nur erst einmal wieder gesund, du Racker, dann will ich euch das Leder so gerben und euch den Teufel austreiben, daß euch Hören und Sehen vergeht und ihr den Himmel für eine Baßgeige anseht, ihr – ihr –«

Aber Tom war so stolz auf seine Heldenthaten und so glücklich, der konnte nicht schweigen und jubilierte und prahlte weiter, während sie dabei Feuer und Flammen spie, und während eins das andre immer zu überbieten versuchte, saß ich da und hörte das Ding mit an. Plötzlich sagt sie:

»Na, freu' dich jetzt noch drüber, so lang' du kannst, Schlingel, aber das sag' ich dir, erwisch' ich euch nachher wieder drüben bei dem Kerl –«

»Bei welchem Kerl?« fragt Tom und sein Lächeln verschwindet.

»Bei welchem Kerl? Fragt der Bursche noch! Bei dem Nigger natürlich! Bei wem sonst denn?«

Tom sieht mich sehr ernst an und fragt:

»Tom, hast du mir nicht eben gesagt, es sei alles in Ordnung? Ist er denn nicht frei?«

»Der?« sagt Tante Sally, »der Nigger? Den haben sie glücklich wieder hinter Schloß und Riegel in seiner Hütte bei Brot und Wasser und angekettet, bis er reklamiert oder verkauft wird!«

Tom fährt im Bett in die Höhe, kerzengerade, seine Augen sprühten und seine Nasenflügel bebten nur so hin und her, und er schreit mich an:

»Dazu haben sie kein Recht! Dazu hat niemand das Recht, hörst du – niemand! – Eil' dich – renn' – verlier' keine Sekunde! Laß ihn frei! Er ist kein Sklave, er ist so frei, wie irgend einer von uns – geschwind – vorwärts!«

»Was in aller Welt meint der Junge?«

»Ich meine jedes Wort grad' so, wie ich's sage, Tante, und wenn nicht gleich eins von euch geht, geh' ich selber. Ich hab' den armen Kerl mein ganzes Leben lang gekannt und ebenso Tom – gelt, Tom? Miß Watson, seine Herrin, ist vor zwei Monaten gestorben und es that ihr so leid, daß sie ihn je hat verkaufen wollen und wollte es wieder gut machen und setzte ihn frei – in ihrem Testament!«

»Na, aber dann – das begreif' einer – warum hast du ihn denn befreien wollen, wenn er doch schon frei war?«

»Das ist wieder einmal eine Frage, das muß ich sagen; so recht wie ein Frauenzimmer. Warum? Ei, ich wollte ein Abenteuer haben, so ein echtes, gerechtes Abenteuer! Was? – ich wäre fußtief im Blut gewatet, wenn – Herr des Himmels – Tante Polly!!«

Und da stand sie leibhaftig, mitten unter der Thüre, und sah so strahlend und selbstzufrieden aus, wie ein Engel, der eben etwas Süßes gegessen hat.

Tante Sally war mit einem Satz an ihrem Halse und riß ihr beinahe den Kopf ab vor lauter Liebe und Umarmen und lachte und weinte und wußte nicht, was sie thun sollte, während ich mir ein sicheres Plätzchen unter dem Bett erspähte, denn die Dinge schienen mir für uns allmählich kritisch zu werden. Ich schielte unter dem Bett vor und nach einer kleinen Weile schüttelte Toms Tante ihre Schwester ab, stellte sich vor Tom hin und schaute ihn über ihre Brille an – als wolle sie ihn mit ihren Blicken durchbohren. Endlich beginnt sie:

»Ja, du hast recht, wenn du den Kopf nach der Wand drehst, Tom, ich thät's auch an deiner Stelle!«

»Ach, du lieber Himmel,« fällt Tante Sally kläglich ein, »ist der Junge denn so verändert? Das ist ja Tom gar nicht, das ist Sid – Tom ist – Tom ist – ja, wo ist denn Tom? Der war ja eben noch da.«

»Du meinst wohl, wo ist Huck Finn? das meinst du! Ich hab' nicht umsonst Jahre lang so 'nen Bengel, wie meinen Tom, großgezogen, daß ich ihn jetzt nicht kennen sollte, wenn ich ihn sehe. Das wär' mir noch schöner! Nur heraus unter dem Bett da, Huck Finn!«

Ich kroch vor, aber wohl war mir nicht dabei!


Tante Sally sah so verwirrt und so verständnislos drein, wie ich nie wieder jemand gesehen habe, ausgenommen Onkel Silas, als sie dem später die Geschichte auseinandersetzten. Es machte ihn fast wie betrunken, denn er wußte den ganzen Tag über kein Ding vom andern zu unterscheiden und lief umher wie im Traum und am Abend ließ er eine Predigt los, die ihm einen großen Ruf machte in der Gegend, denn der Älteste und Klügste wäre nicht im Stand gewesen, sie zu verstehen. Toms Tante Polly aber erzählte nun alles, wer und was ich sei und ich mußte dann beichten, wie ich in die Klemme geraten, daß ich mir nicht anders zu helfen wußte, als ›ja‹ zu sagen, wie mich Frau Phelps als Tom Sawyer bewillkommnete. Hier unterbrach sie mich und meinte: »sag' du nur immer Tante Sally, ich bin's nun schon gewohnt und es macht mir weiter nichts aus.« – Daß mich also (erzählte ich weiter) Tante Sally als Tom Sawyer begrüßte und ich mich nicht dagegen wehren konnte, denn ich wußte sonst keinen Ausweg und wußte auch, Tom selbst würde nichts dawider haben, im Gegenteil, denn ein solches Geheimnis wäre ihm gerade recht, er würde sich nur drüber freuen und ein Abenteuer draus machen, wie's ja auch dann geschehen, denn er ging gleich drauf ein und spielte sich als Sid auf und machte mir alles so leicht und bequem, als er nur konnte.

Und seine Tante Polly sagte, mit Miß Watson und ihrem Testament habe Tom ganz recht, die habe den Jim freigelassen und so war's denn wahrhaftig wahr – Tom Sawyer hatte sich und uns allen die Mühe und Not gemacht, nur um einen alten Nigger freizumachen – der schon frei war! Und nun verstand ich auch erst, wie sich einer von Toms Erziehung dazu hergeben konnte, einem durchgebrannten Nigger weiterzuhelfen. Bis dahin war mir dies immer unfaßlich geblieben.

Tante Polly erzählte dann weiter, als sie Tante Sallys Brief bekommen habe, worin es hieß, daß Tom und Sid angekommen seien, habe sie sofort Unrat gewittert und zu sich selbst gesagt:

»Na, da sieh mal einer,« habe sie gesagt, »ich hätt's mir denken können, als ich den Burschen allein fortgelassen, ohne irgend jemand, der ihm aufpaßt. Was bleibt mir nun übrig, als selbst hinter dem Bürschchen herzureisen, den ganzen weiten Weg, um herauszukriegen, was diesmal wieder los ist, denn aus dir, Sally, war ja gar nicht klug zu werden!«

»Was, ei, du hast mich ja nie drüber gefragt!«

»Na, so was! Zweimal hab' ich dir geschrieben und gefragt, was du mit dem Sid, der auch zum Besuch gekommen sein soll, eigentlich meinst.«

»Geschrieben? Zweimal? Ich hab' nie auch nur eine Zeile gekriegt!«

Ohne ein Wort zu sagen, wendet sich Tante Polly langsam gegen Tom und schaut diesen fest an.

»Na, Tom!«

»W–was?« fragt der, so ein bißchen unwillig und verdrießlich.

»Komm' du mir nicht mit, 'was? du Racker, wart'! Heraus die Briefe!«


»Welche Briefe?«

»Die Briefe! Wart' ich will dir –!«

»Sie sind im Koffer! Dort! Da – und ganz unversehrt, grad' wie sie waren, als ich sie von der Post holte. Ich hab' nicht einmal hinein gesehen. Dachte mir, sie hätten am Ende keine Eile und könnten hier nur Unheil stiften, und da hab' ich sie –«

»Na, wenn dir nicht eine tüchtige Tracht vonnöten ist, so weiß ich nicht, wem sonst. Dann hab' ich noch einmal geschrieben, um zu sagen, daß ich kommen wolle, und der Brief wird auch –«

»Mit dem ist alles in Ordnung,« sagt Tante Sally, »der ist gestern gekommen, den hab' ich!«

Gern hätt' ich nun zwei Dollars gewettet, daß dem nicht so sei, denn ich wußte das besser, aber ich dachte, es ist doch klüger, du hältst den Mund – und that's denn auch!

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