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1.7 Differentialdiagnosen

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Bei der idiopathischen Parkinson-Erkrankung handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung, der ein fortschreitender Verlust von Nervenzellen zugrunde liegt.

atypische Parkinson-Syndrome

Unterscheiden lässt sich die idiopathische Parkinson-Erkrankung von anderen, ebenfalls neurodegenerativ bedingten Erkrankungen, die als atypische Parkinson-Syndrome bezeichnet werden.

Zu den atypischen Parkinson-Syndromen gehören u. a. die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) und die Demenz mit Lewy-Körperchen (DLK). All diese haben gemeinsam, dass sie deutlich seltener sind als die idiopathische Parkinson-Krankheit, dass die Dopamin-Ersatzmedikamente keine oder nur eine sehr geringe Wirkung auf die Symptome zeigen und dass der Verlauf häufig schneller und aggressiver ist.

Multisystematrophie (MSA)

Neben Bradykinese und Rigor (die aber im Gegensatz zur idiopathischen Parkinson-Erkrankung nur selten eine eindeutige Seitenbetonung aufweisen und eher symmetrisch ausgeprägt sind) kommt es bei der Multisystematrophie bereits früh im Krankheitsverlauf zu ausgeprägten vegetativen Störungen, welche insbesondere die Blasen- (Harnverhalt, Inkontinenz) und Kreislauf-Funktion (orthostatische Hypotonie) betreffen. Ein Tremor tritt deutlich seltener auf bzw. nur selten in der Form des klassischen Ruhetremors. Gleichgewichtsstörungen sind bei einem Teil der Betroffenen schon frühzeitig zu beobachten. Gerade zu Beginn der Erkrankung sind die Unterschiede zu einer idiopathischen Parkinson-Erkrankung so diskret, dass die Abgrenzung auch erfahrenen Neurologen schwerfallen kann. Die Symptome schreiten häufig schnell voran, sodass ein Großteil der Betroffenen nach kurzer Zeit (meist 3–5 Jahre) zumindest zeitweise auf einen Rollstuhl bzw. pflegerische Unterstützung angewiesen ist. Demenz-Symptome sind selten.

Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)

Sehr frühzeitig im Krankheitsverlauf kommt es bei der progressiven supranukleären Blickparese aufgrund einer ausgeprägten Stand- und Gangunsicherheit zu Stürzen. Typisch (und namensgebend!) ist eine zunehmende Einschränkung der Augenbewegungen. Insbesondere die Blickwendung nach oben und unten ist zunächst langsamer und schwerfälliger bis schließlich eine vollständige Lähmung der Augenbewegungen in diese Richtungen besteht (die sog. Blickparese). Ein drittes, häufig zu beobachtendes Symptom ist eine zunehmende dementielle Entwicklung, welche durch die begleitende Störung von Aufmerksamkeit, Einsichtsvermögen und Verhaltenskontrolle das Risiko für Stürze zusätzlich erhöht. In den letzten Jahren wurde festgestellt, dass es verschiedene Varianten der PSP mit unterschiedlichen Symptom-Schwerpunkten gibt. Hierzu zählen z. B. das PSP-Richardson-Syndrom, bei dem die oben genannten Symptome häufig besonders ausgeprägt sind oder PSP-Parkinsonismus, der besonders zu Beginn ganz ähnlich wie eine idiopathische Parkinson-Erkrankung verläuft.

Demenz mit Lewy- Körperchen (DLK)

Charakteristisch für die Demenz mit Lewy-Körperchen ist das frühzeitige Auftreten einer Demenz mit oder sogar vor dem Auftreten von motorischen Parkinson-Kardinalsymptomen. Außerdem bestehen häufig ausgeprägte Halluzinationen, Schwankungen der Vigilanz (Wachheit) im Tagesverlauf sowie ein gestörter Tag-/Nacht-Rhythmus mit nächtlicher Unruhe. Problematisch für die Behandlung ist, dass die Gabe von L-Dopa zwar zu einer Besserung der Bewegungsstörung führt, aber gleichzeitig auch das Auftreten von Halluzinationen begünstigt bzw. diese verstärken kann. Betroffene reagieren zudem häufig mit Nebenwirkungen insbesondere auf die Gabe von Neuroleptika (Medikamente gegen Halluzinationen), was die Behandlung deutlich erschwert und eine große Belastung für Pflegekräfte und Angehörige darstellt.

Symptomatische Parkinson-Syndrome

Im Gegensatz zu den idiopathischen bzw. atypischen Parkinson-Syndromenkommt es bei den symptomatischen Parkinson-Syndromen nicht zu einem neurodegenerativen Prozess. Zu den symptomatischen Parkinson-Syndrome zählen u. a. das medikamenten-induzierte Parkinson-Syndrom, das vaskuläre Parkinson-Syndrom und der Normaldruckhydrozephalus, auf welche aufgrund ihrer hohen Relevanz im klinischen Alltag unten kurz genauer eingegangen wird. Außerdem können auch Schwermetalle (Mangan), Infektionen (HIV), Stoffwechselerkrankungen (Morbus Wilson) oder wiederholte Schädel-Hirn-Traumata (z. B. bei Boxern) ein symptomatisches Parkinson-Syndrom auslösen.

Vaskuläres Parkinson-Syndrom

Durch Arteriosklerose des Gehirns (Veränderungen v. a. der kleinen Blutgefäße im Gehirn, die im Gegensatz zu einem »großen« Schlaganfall nicht eine bestimmte Region des Gehirns, sondern weit verstreute Areale der Hirnsubstanz betreffen) kommt es bei einem vaskulären Parkinson-Syndrom zu einer charakteristischen Gangstörung. Diese ist u. a. durch ein am Boden haftendes, schlurfendes, häufig breitbeiniges Gangbild (»magnetischer Gang« oder »Bügeleisengang«) oft in Kombinationen mit ausgeprägten Startblockaden (Schwierigkeiten beim Beginnen einer Bewegung) gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den deutlich ausgeprägten und symmetrischen Symptomen im Bereich der Beine sind die Arme oft gar nicht oder deutlich geringer betroffen, ein Tremor ist untypisch. Demenzsymptome oder Störungen der Blasenentleerung (insbesondere Inkontinenz) treten im Verlauf der Erkrankung häufig auf. Die Ursache liegt meist in einer über Jahre schlecht eingestellten arteriellen Hypertonie, häufig verstärkt durch den negativen Einfluss anderer vaskulärer Risikofaktoren. Die Behandlung mit Parkinson-Medikamenten zeigt in der großen Mehrzahl der Fälle keinen Effekt, der Fokus liegt daher v. a. auf aktivierenden Therapien (insbesondere Gang- und Gleichgewichtstraining) sowie einer Behandlung der vaskulären Risikofaktoren.

Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Das klinische Bild eines Normaldruckhydrozephalus (NPH) kann dem des vaskulären Parkinson-Syndroms sehr ähnlich sein, eine Unterscheidung nur anhand der neurologischen Untersuchung ist häufig nicht sicher möglich.

Auch bei einem NPH stehen eine Gangstörung mit einem breitbasig-haftenden Gangbild sowie Demenz und Inkontinenz im Vordergrund der Symptome, während die Beweglichkeit der Arme vergleichsweise unbeeinträchtigt ist.

Zur Abgrenzung vom vaskulären Parkinson-Syndrom erfolgt eine Bildgebung des Gehirns, üblicherweise mittels MRT, welche beim NPH das typische Bild erweiterter Hirnventrikel (Hirnkammern) zeigt. Ein Ablass von Liquor (Nervenwasser) führt manchmal zu einer Besserung der Symptome, in solchen Fällen kann eine dauerhafte Besserung durch neurochirurgische Anlage einer Liquor-Drainage mittels eines Ventils erreicht werden.

Medikamenten- induziertes Parkinson-Syndrom

Hierbei kann es durch Einnahme bestimmter Medikamente, insbesondere aus der Gruppe der Neuroleptika (Psychopharmaka zur Behandlung von Psychosen/Wahnvorstellungen), aber auch bei dem gegen Übelkeit eingesetzten Wirkstoff Metoclopramid (MCP), zur Entwicklung eines medikamenten-induzierten Parkinson-Syndroms kommen, welches insbesondere durch symmetrische Bradykinese und Rigor gekennzeichnet ist. Aufgrund der einfachen und effektiven Behandlungsmöglichkeit (die Symptome verschwinden immer nach Absetzen der Medikamente – manchmal aber erst nach mehreren Monaten) ist ein Wissen um diesen Zusammenhang im klinischen Alltag besonders wichtig.

Essentieller Tremor

Eine häufig Ursache für eine Tremor-Symptomatik ohne Zeichen einer neurodegenerativen oder symptomatischen Parkinson-Erkrankung ist der sog. essentielle Tremor. Die Störung kann in der Jugendzeit oder auch erst später im Alter beginnen (das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 40 Jahren). Bei etwa einem Drittel der Betroffenen ergeben sich Hinweise für eine Vererbung, wobei die zugrunde liegenden genetischen Ursachen noch nicht identifiziert werden konnten. Ein essentieller Tremor zeigt sich meist mit einem Zittern der Hände beim Halten von Gegenständen oder bei zielgerichteten Bewegungen, wodurch bei stärker ausgeprägter Symptomatik eine schwere Behinderung insbesondere bei Alltagstätigkeiten (z. B. Essen/Trinken) entstehen kann. Interessanterweise stellen mehr als die Hälfte der Betroffenen ein Nachlassen der Tremorstärke nach Alkoholgenuss fest.

Auch wenn beim essentiellen Tremor definitionsgemäß keine Bradykinese und damit kein Parkinson-Syndrom vorliegt, kann die Abgrenzung der Symptome von einer beginnenden idiopathischen Parkinson-Erkrankung gelegentlich schwer sein, zumal etwa 15 % der Betroffenen neben dem Halte- und Aktionstremor auch einen Ruhetremor aufweisen. In diesen Fällen muss auf Zusatzuntersuchungen zur genaueren Einordnung der Diagnose zurückgegriffen werden.

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