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Zweites Buch
»Frau Welt«
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Ich zweifle, ob ihr wißt, daß es noch Götter auf der Welt gibt. Aber ihr könnt es glauben, es ist so.
Mein Vetter Walter, der Student in Leipzig, hat dort eine Schenkmamsell entdeckt, die ihm vertraulich gestanden, daß sie in Wahrheit die alte Venus sei. Und als er ihr allerlei Bedenklichkeiten ausdrückte, da hat sie ihm einfach ihren Knaben gezeigt, einen kleinen, dreijährigen Strolch, der richtig mit einem Flitzbogen den Passanten des Salzgäßchens die Hüte vom Kopfe schoß.
Daraufhin hat der Vetter Walter alles eingesehen und sich über die Bekanntschaft sehr gefreut.
Dieses steht fest, das hat er mir eigenhändig geschrieben. Einen anderen, sehr interessanten Gott hab' ich selbst gekannt. Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Aber als ich noch nicht seßhaft war, da habe ich ihn zwischen Greifswald und Moorluke getroffen, darauf will ich einen Eid leisten.
Ein Jahr war gerade im Abtröpfeln, ein Jahr, das ich wieder damit hingebracht, gesunde Glieder und eine warme Brust an den Dornen und Hecken wund zu reißen, hinter denen im Schlosse Phantasia das deutsche Dornröschen schlummert. Aber als des Jahres letzte Henkerstündlein schlugen, da hatte ich genug, da machte ich den Berliner Herren und Damen meine Verbeugung, packte mich in einen Eilzug und stand ein paar Stunden später auf einem dick verschneiten, abenddämmerigen Felde, über das ein Weg nach Moorluke führen sollte. Doch der Pfad mußte eine Frühlingssage bilden. Jetzt war er längst versunken. Inzwischen brach die Nacht ein – es war Silvester 1896 – ringsherum wirbelte dicker Schnee, über die toten Felder heulte der Wind, und das Eis unter meinen Tritten stöhnte und ächzte, als ob die Erde in ihrem Winterschlaf schwer träume, – da – täuschte ich mich? Nein, es knarrte aus der Schwärze ein langer ungefüger Wagen heran, ein Pferd wieherte, ein merkwürdiges rotes Licht zuckte auf, und gleich darauf wollten zwei mächtige Schimmel ihr Fuhrwerk an mir vorüberziehen. Da rief ich sie an: »Heda!«
Vorn auf dem hohen Bock regte sich etwas. Eine vermummte Gestalt im weißen Schafpelz, die eine Tüte mit einem Licht darin in der Hand hielt, leuchtete mir ins Gesicht.
»Fährst du schon lange, Alter?« fragte ich hinauf.
»Lange,« antwortete eine trockene, hüstelnde Stimme.