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HANS ODER ATTILA? Paula Wessely muss sich entscheiden

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Wenige Tage nach der Zeitungsnotiz die erste Begegnung. Attila Hörbiger wird sich daran erinnern: »Paula Wessely kam, sah und siegte. Sie konnte wirklich was. Und sympathisch war sie auch. Und kollegial noch dazu. Nie spielte sie einen Partner an die Wand, wie man bei uns in der Branche sagt, im Gegenteil: Sie riss uns derart mit, dass wir als ihre Partner besser waren als jemals zuvor. Ihr Debüt, die erste Rolle im neuen Engagement, gab sie in einer französischen Salonkomödie. Die neuen Herren hieß das Stück und stammte vom Autorenpaar Flers-Croisset. Die Paula Wessely spielte darin eine Soubrette namens Suzanne. Umworben wurde sie von einem jungen Minister, einem Emporkömmling, der neben der nötigen Rücksichtslosigkeit über eine Portion wienerischen Charme verfügte.« Der Charmeur stand unter dem Namen »Attila Hörbiger« auf dem Theaterzettel, er hatte sich mittlerweile also entschlossen, seinen Namen voll und ganz zu akzeptieren.

»Die Neue«, erzählte er weiter, »trug ein schickes Kaschmirkleid mit einem grauen Cape. Von einem Freudenausbruch überwältigt, lief sie in unserer Liebesszene auf mich zu, sagte irgendwas Liebevoll-Unbedeutendes und rannte mich fast um. Paula hat also vom ersten Moment an einen wahrhaft umwerfenden Eindruck auf mich gemacht.«

Er nicht ganz so sehr auf sie. Sicher, er war ein fescher Kerl, aber sie hatte jeden Tag Proben, jeden Abend Vorstellung und in der Nacht wurde Text gelernt. Dann gab’s noch den Sigi Breuer, der hin und wieder aus Wien anreiste, und außerdem war der feine Herr Hörbiger verheiratet! Also, einen weiten Bogen um ihn gemacht, was nicht schwer fiel, weil’s jetzt ohnehin viel wichtiger war, am Theater erfolgreich zu sein.

Und erfolgreich, das war sie. »Das Stück«, stand nach der Premiere der Neuen Herren in der Zeitung, »wird verschwinden, die neue Schauspielsoubrette unseres Ensembles wird, so hoffen wir, bleiben.«

Paula Wessely freundete sich in Prag mit ihrer Kollegin Pepi Kramer-Glöckner an, der Frau des Theaterdirektors, die die Aufgabe übernahm, sie vor hartnäckigen Verehrern zu beschützen, auch vor solchen wie diesem Attila Hörbiger. Die Wessely fühlte sich in der »goldenen Stadt«, deren Bewohner zu zehn Prozent deutschsprachig waren, sehr wohl. »Ein phantastisches Publikum«, schwärmte sie. »Hier öffnete sich für mich eine neue Welt. Ich wohnte in der Smečka Nr. 33, einer kleinen Straße, die vom Wenzelsplatz links abzweigte, in Untermiete beim Ehepaar Dittrich. Er, Professor für Gerichtsmedizin, und seine Frau waren unglaubliche Theaterliebhaber. Durch sie begegnete ich damals, wenige Jahre nach dem Zusammenbruch der Monarchie, einem bunten Kreis interessanter Menschen, Aristokraten, Künstlern, Wissenschaftern. Die Gesellschaft in Prag war doch eine ganz andere als die in Wien, wo ich ja immer noch bei meinen Eltern gewohnt hatte. Und so habe ich in Prag ungeheuer viel gelernt, was mir menschlich und in meinem Beruf zugute kam, auch deshalb war Prag so wichtig für mich.«

Vor allem erhoffte sie sich bessere und größere Rollen als bei ihren ersten Gehversuchen am Wiener Volkstheater. »Wenn ich was zu spielen hab, dann bin ich lieber in Prag, als dass ich in Wien spazieren geh«, wird sie im Wiener Tagblatt vom 2. September 1926, im wahrscheinlich ersten Interview ihres Lebens, zitiert. Zwar sind’s auch hier wieder vorwiegend harmlose Lustspiele, in denen sie ihr Können zeigt, aber Paula Wessely erkennt treffsicher: »Die Karrieren werden ja doch nur draußen gemacht« – womit sie, ohne es auszusprechen, »die Provinz« meinte, die damals tatsächlich die Voraussetzungen für ein Engagement auf einer der großen Bühnen in Wien und Berlin schuf. Kaum ein bedeutender Schauspieler, der nicht die beschwerlichen, aber lehrreichen Theaterstationen von Mährisch-Ostrau, Teplitz-Schönau, Gablonz, Reichenberg und Prag auf sich genommen hätte. So hatten sie alle begonnen, der Kainz, der Moissi, der Werner Krauß, die Elisabeth Bergner.

Wie schnell Paula Wessely in der tschechischen Metropole ihr Publikum eroberte, ist einem Kurzporträt der Illustrierten Zeit im Bild vom 15. Oktober 1926 zu entnehmen: »Es ist kaum ein Monat verflossen, seit sie an die Prager Bühne kam, und schon ist jeder, der Gelegenheit hatte, die junge Wienerin zu sehen, ihr unbedingter Verehrer geworden.«

CHRISTIANE HÖRBIGER: »Ich fuhr mit meiner Mutter im Herbst 1990, kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, nach Prag. Es war ein wunderbares Erlebnis für sie, mit 83 Jahren noch einmal durch die Straßen zu gehen, die sie nur aus dem Blickwinkel einer 19-Jährigen gekannt hatte. Wir spazierten zum Haus der Familie Dittrich, in dem sie seinerzeit gewohnt hatte, und sie war glücklich, es nach so langer Zeit auf Anhieb gefunden zu haben. Dann gingen wir zum Deutschen Theater, vor dessen Bühneneingang immer noch die kleine Bank stand, auf der sich Schauspieler und Bühnenarbeiter zum Tratsch getroffen hatten. Ich bewunderte ihr Gedächtnis, sie erinnerte sich an zahllose Details, auch an ein Gastspiel Leo Slezaks, der aus Prag mit so vielen Koffern und Paketen abgereist war, dass er nicht ins Eisenbahncoupé hinein kam. Sie wusste sogar noch, dass der Theaterportier Podlesak hieß. Besonders berührte es sie, dass sie mit dem Theater jener Stätte wieder begegnet war, an der sie meinen Vater kennen gelernt hatte, der drei Jahre vor unserer Reise nach Prag verstorben war.«

Ihre zweite Premiere in Prag feiert die junge Paula Wessely mit dem Stück Kopf oder Schrift von Louis Verneuil, dem Schwiegersohn der großen Sarah Bernhardt. Sie spielt eine französische Studentin, die einen verarmten Grafen liebt, der – wie sich’s für ein Lustspiel geziemt – gar nicht so arm ist, wie er sagt. Max Brod schwärmt nach der Premiere im Prager Tagblatt von Paula Wessely, »die mit dem hohen und tiefen Register ihrer Stimme brillant operiert«, ehe er zu dem Schluss gelangt: »Nächstes Mal werde ich wohl schon ›die Wessely‹ schreiben.«

Sehr viele Gelegenheiten wird Max Brod nicht haben, in Prag über »die Wessely« zu schreiben. Denn diese muss bald wieder zurück nach Wien – nicht ohne vorher noch im Mittelpunkt eines richtigen kleinen Theaterskandals zu stehen: Rudolf Beer, der Direktor des Wiener Volkstheaters, hatte der »jugendlichen Salondame« ein Jahr Urlaub gewährt, in dem sie Prag einen Erfolg nach dem anderen bescherte. Doch statt der heimgekehrten Wessely nimmt Beer am 1. September 1927 einen Brief von seinem Kollegen Leopold Kramer in Empfang, in dem dieser mitteilt, er würde dem Volkstheater »60 000 Tschechenkronen Konventionalstrafe bezahlen, wenn Fräulein Wessely in Prag bleiben dürfte«.

Beer lehnt empört ab, denn er freut sich schon die längste Zeit darauf, die Wessely wieder im Ensemble zu haben. Noch dazu, da ihr »Marktwert« mittlerweile kolossal gestiegen ist, zumal sich ihre Prager Erfolge auch in Wien schon herumgesprochen haben. Als Elevin aus ihrer Heimatstadt weggegangen, kehrt sie als anerkannte Schauspielerin zurück. Und die neue Saison scheint sich gut anzulassen, sie spielt jetzt an der Seite des großen Albert Bassermann in Ibsens Die Frau vom Meer. Allerdings vertraut man ihr, abgesehen von dieser anspruchsvollen Aufgabe und der Rolle der Wendla Bergmann in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen, wieder nur leichte Kost an, darunter Dover-Calais von Julius Berstl, ein Stück, in dem sie laut Kritik »im Badekostüm ebenso appetitlich aussieht wie in einer wunderschönen Toilette. Sie zeigt, wie man Charleston tanzt, und macht alle in sich verliebt«.

Das nächste Boulevardstück bringt eine Begegnung, die ihr fürs ganze Leben enorm wichtig sein wird. Man spielt auch am Wiener Volkstheater die Komödie Kopf oder Schrift, in der sie in Prag so gefiel, dass Max Brod fast schon »die Wessely« geschrieben hätte. Den gar nicht so armen Grafen, in den sie sich als Studentin zu verlieben hat, gibt jetzt ein attraktiver junger Mann namens Hans Jaray.

Der ist aber nicht nur attraktiv, sondern auch blitzgescheit, charismatisch und überaus sensibel. Er wurde übrigens am selben Tag desselben Jahres geboren wie Paulas erster Flirt, Siegfried Breuer – am 24. Juni 1906. Bald geht die gespielte Liebe zwischen Studentin und dem armen-reichen Grafen nahtlos ins Privatleben über. Paula Wessely und Hans Jaray sind ein Paar, ein auffallendes Paar noch dazu, über das man in Wien noch sprechen wird.

Die große Liebe ist die eine Sache, die ewig leichte Boulevardkost eine andere. Als dann auch noch die von der Direktion des Deutschen Volkstheaters bereits zugesagte Rolle der Jenny in Brechts Dreigroschenoper an ihr vorübergeht, kündigt Paula Wessely ihren Vertrag und geht zur Konkurrenz, zum Theater in der Josefstadt.

An jene traditionsreiche Wiener Bühne also, die seit fünf Jahren zum Imperium des Max Reinhardt gehört. Dieser hatte das alte – und wohl auch veraltete – Theater mithilfe seines Finanziers Camillo Castiglioni nach dem Vorbild des Teatro La Fenice in Venedig völlig neu adaptieren lassen. Die Bühne war wesentlich vergrößert, der alte Holzschnürboden entfernt und der eiserne Vorhang erneuert worden. Für besonderes Aufsehen bei den Wienern sorgte aber der riesige Luster aus Muranoglas, der am Beginn jeder Vorstellung unter dem langsamen Verlöschen der Lichter von der Höhe des ersten Rangs sechs Meter hinauf zur Decke entschwebte. Die Stunde nannte Reinhardts neue »Josefstadt« ein »Meisterwerk aus Geist und Seele, einen vornehmen, warmen, man möchte fast sagen wohnlichen Patriziersalon, in dem Theater gespielt wird«.

Und hier ist jetzt die Wessely. Reinhardts Bruder Edmund, der als kaufmännischer Leiter seiner Bühnen tätig war, und der Dramaturg Franz Horch, der 1937 die erste Wessely-Biografie schreiben sollte, hatten die Wessely im Volkstheater gesehen und ihr ein viel versprechendes Angebot unterbreitet, das sie jetzt annimmt.

Bald kommt es zur ersten Begegnung mit Max Reinhardt. Paula Wessely ist fasziniert von der Persönlichkeit, dem künstlerischen Genie, dem selbstsicheren Auftreten und der Aura, die »den lieben Gott des Theaters« umgibt. »Ich stand ihm zum ersten Mal im legendären Elferzimmer des Theaters in der Josefstadt gegenüber«, erzählte sie mir einmal. »Man hatte mich vorher darauf aufmerksam gemacht: Er bringt junge Schauspieler sehr gerne in Verlegenheit, indem er nichts sagt. Glücklicherweise hatte ich die Kraft, auch nichts zu sagen. So sind wir also eine Zeit lang stumm dagesessen. Dann hat er als erster geredet, mir ein paar Fragen gestellt – und von da an gehörte ich dem Theater in der Josefstadt an.«

Die Zeitungen überschlugen sich vor Begeisterung über »die jüngste Wiener Reinhardt-Schauspielerin«, die laut Reichspost schon in ihrer Antrittsrolle als Kiki in der gleichnamigen Komödie von André Picard »die Sensation des Abends« war. Alles scheint gut zu laufen, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Die Beziehung mit Hans Jaray wird intensiver. Daran ändert auch nichts, dass er immer noch am Volkstheater ist, sie aber schon an der »Josefstadt«.

MARESA HÖRBIGER: »Es war eine große Liebe, meine Mutter hat oft von ihm gesprochen und immer nur in den höchsten Tönen. Während jedoch mein Vater die Gabe besaß, sie aufzurichten, ihr psychischen Halt zu geben, war es bei Hans Jaray umgekehrt, da war sie es, die ihn, der zu Depressionen neigte, aufbauen musste. Einmal fuhr sie mit Jaray für ein paar Tage nach Venedig. Sie haben noch nicht viel verdient und daher abseits der eleganten Welt in einer kleinen Pension gewohnt. Meine Mutter hatte sich für diesen Ausflug, wie sie mir erzählte, eigens einen seidenen Pyjama anfertigen lassen, das war ein großer Luxus damals. Sie spazierten jeden Tag hinüber zum Lido, um im Grandhotel Des Bains einen Drink zu nehmen und die High Society zu sehen, zu der Thomas Mann, Franz Molnár und Lili Darvas zählten. Hans und meine Mutter hatten ein paar schöne Tage, doch selbst hier, in dieser paradiesischen Atmosphäre, sah Jaray immer nur die dunklen Wolken, die – wie er meinte – auf ihn zukamen.«

Im Sommer 1929 treten Paula Wessely und Hans Jaray am Kurtheater Bad Ischl in den Stücken Alt-Heidelberg und Gelegenheit macht Liebe auf. Das Traumpaar spielt ein solches – und die Presse ist begeistert. Sie verbringen wieder einige gemeinsame Tage, diesmal in der alten Kaiserstadt, die zwar ihren Kaiser verloren, aber die imperiale Atmosphäre behalten hat. In der nächsten Saison wechselt auch Jaray an die »Josefstadt«, Reinhardt hat ein weiteres großes Talent entdeckt.

Irgendwann passiert Hans Jaray, der seine Paula wirklich liebt, ein epochaler Blödsinn. Dass die Frauen auf diesen Feschak fliegen, war der Wessely von Anfang an klar, und am Theater ist die Verlockung groß – man kennt sie, die bezaubernden Kolleginnen, die einem Abenteuer mit einem so attraktiven Bühnenpartner nicht abgeneigt sind. Eines Tages will die Wessely ihren Hans in seiner Wohnung besuchen. Sie läutet an der Tür. Diese wird von einer Frau geöffnet. Es ist Marlene Dietrich.

Paula Wessely ist tief verletzt. Noch ein halbes Jahrhundert später wird sie André Heller davon erzählen, mit dem sie in dieser Zeit eine innige Freundschaft verband: »Das mit dem Jaray ist ihr schrecklich nahe gegangen«, erinnert sich Heller. »Nach so vielen Jahrzehnten regte sie sich noch darüber auf, dass die Dietrich damals jeden Abend in der ›Josefstadt‹ saß und dem Jaray beim Theaterspielen zusah. ›Da kam die schöne Dietrich und ich war nur noch die altkatholische Fleischhauerstochter‹, hat sie gesagt. Sie war schrecklich enttäuscht.«

Der Krise im Privatleben folgt ein beruflicher Rückschlag. Wenige Wochen nach Paula Wesselys erfolgreichem Debüt an der »Josefstadt« taucht auch dort das erste Problem auf: Reinhardts Stellvertreter Emil Geyer hat ihr das nächste Stück, in dem sie auftreten soll, zugeschickt. Die Rolle, die man ihr zudachte, war die eines Stubenmädchens – ein Fach, das sie längst überwunden glaubte. »Das war ein Schritt zurück in die Anfänge, das kam unter keinen Umständen in Frage«, erinnerte sie sich später. »Ich schickte die Rolle zurück, sehr zum Entsetzen des Büros.«

»Das Büro« des Theaters in der Josefstadt reagierte mit einem scharfen Brief: »Sehr geehrtes Fräulein Wessely! Ich bedaure sehr, dass es gleich am Beginn zu einem Konflikt kommen soll. Ich würde ihn vermeiden, wenn ich fühlte, dass Sie auch nur einen Schein von Recht haben. Ich habe Ihnen bei Vertragsabschluss nicht verhehlt, ich habe Sie ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass der Rang des Josefstädter Theaters auf sehr kultivierter Ensemblekunst beruht und dass ich gewohnt bin, auch zweite und selbst ganz kleine Rollen mit unseren ersten Schauspielern zu besetzen. Beispiele könnte ich Ihnen in Menge anführen. Die Rolle der Georgette, die Ihnen zugeteilt wurde, ist eine sehr wirksame Rolle, die Sie umso weniger zu übernehmen sich weigern können, weil Sie in der großen tragenden Rolle der Kiki in der ›Josefstadt‹ debütiert haben. Ich teile Ihnen die Rolle noch einmal zu und ersuche Sie, morgen zur Probe zu erscheinen. Ergebenst Dr. Geyer.«

Sie erscheint nicht. Dafür ein Schreiben ihres Anwalts Dr. Robert Müller: »Fräulein Paula Wessely befindet sich derzeit in einem elenden seelischen und körperlichen Zustande und ist unliebsam genötigt, sich einer Sanatoriumsbehandlung zu unterziehen. Ich möchte es daher in diesem Augenblicke unterlassen, auf die rechtliche Seite der Angelegenheit näher einzugehen und mich, wenn es irgend geht, bemühen, bei einer gütlichen Lösung mitzuwirken.«

Paula Wessely hat sich durchgesetzt, eine Kollegin springt für sie ein, der Eklat dringt an die Öffentlichkeit und wird von einer Zeitung, wenn auch etwas holprig, glossiert:

»Die Paula sprach: ›Als Stubenmädchen,

Bin ich doch nicht am rechten Plätzchen.

Sogar das Ohnmachtsimulieren,

Ist lieber mir als das Servieren.‹ «

Ihrer Tochter Maresa wird Paula Wessely viel später die Hintergründe der Ablehnung erklären: »Ich hatte nie etwas dagegen, kleine Rollen zu spielen, aber ich hatte etwas dagegen, schlechte Rollen zu spielen. Die der Georgette war klein und schlecht.«

Gerade noch infolge ihres »seelischen und körperlichen Zustandes« nicht in der Lage, ein Stubenmädchen zu sein, kann sie bald wieder auftreten – jetzt aber in einer wirklich guten Rolle. Als Marie Ebeseder, einem »Mädel vom Grund« in Felix Saltens Schauspiel Der Gemeine. Der Jubel des Publikums gehörte ihr gemeinsam mit den Kollegen Hans Moser, Adrienne Gessner und – Attila Hörbiger. Da ist er also wieder.

Hörbiger war noch vor der Wessely an die »Josefstadt« gekommen. Und wie bei ihr war es auch in seinem Fall der Dramaturg Franz Horch, der wesentlich zu diesem Engagement beitrug. Horch hatte ihn vor Jahren schon bei einem Auftritt in Brünn gesehen und Emil Geyer geraten, »den jungen Mann im Auge zu behalten«. Geyer verfolgte daraufhin Hörbigers Entwicklung und holte ihn 1928 von Prag an die ›Josefstadt‹. Wo dieser sich sofort als würdiges Mitglied des traditionsreichen Hauses erweisen sollte, wie Max Burckhardt im Neuen Wiener Tagblatt aus Anlass seiner ersten Premiere, als Franzl in Peripherie, festhielt: Hörbiger ist »allem Anschein nach ein starkes Talent von herbem Klang und – was heutzutage leider ein seltener Fund ist – ein vortrefflicher Sprecher«. Er hatte sich also, vielleicht mithilfe des Schwiegervaters Alfred Martinz, seiner Sprachprobleme, unter denen er einst gelitten hatte, entledigt.

Die Wiederbegegnung mit Paula Wessely. Man hatte sich längere Zeit nicht gesehen, doch in Wien konnte man sich nicht mehr aus den Augen verlieren. Nach Saltens Der Gemeine kam ein Stück nach dem anderen auf die beiden zu, in denen sie gemeinsam auftraten. Sie spielten in Shaws Der Kaiser von Amerika, in Fodors Die Füllfeder, in Molnárs Die Fee, in Schönthans Raub der Sabinerinnen, Tag für Tag standen Paula Wessely und Attila Hörbiger auf der Bühne.

Nicht, dass er ihr nicht gefallen hätte, dieser große, sportlich durchtrainierte Typ. Nur war das schon wieder so einer, auf den die Frauen flogen. Ein Draufgänger, der sich noch dazu einmal ziemlich daneben benehmen sollte.

CHRISTIANE HÖRBIGER: »Irgendwann, meine Mutter war auf dem Weg zu ihrem Auftritt, gab ihr mein Vater hinter der Bühne mit einem frechen Lächeln einen Klaps auf den Hintern, wie er das bei Kolleginnen wohl des Öfteren getan haben mochte. Sie hat sich umgedreht und zu ihm gesagt: ›Lass das, ich mag das nicht!‹ Und ist abgegangen, ohne ihn eines weiteren Blicks zu würdigen. Das hat ihm irgendwie imponiert. Mit einer solchen Reaktion hatte der erfolgsverwöhnte Herzensbrecher nicht gerechnet. Und da hat er sich, so erzählte er es später immer wieder, in sie verliebt.«

Die 23-jährige Paula Wessely, die sich zur Wehr setzte, nur weil man ihr einen Klaps gab, beeindruckte ihn also. Sie war so ganz anders als die zierlichen Soubretten und die heiteren Naiven, ein ganz besonderer Zauber ging von dieser jungen Schauspielerin aus.

Doch für die Wessely kam er nach wie vor nicht in Betracht, der Mann war immer noch verheiratet, daran hatte sich in den vier Jahren nichts geändert, seit sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, damals in Prag. Über einen Mangel an Verehrern musste sie sich nicht beklagen – und gegen einen Flirt hatte sie nichts, aber diese schnellen Abenteuer waren ihre Sache nicht.

Und doch, irgendwann muss es passiert sein, muss es gefunkt haben. Man geht nach der Vorstellung auf ein Glas Wein, zuerst mit dem Ensemble, das nächste Mal mit einigen wenigen Freunden. Und irgendwann zu zweit. Sie erzählt von ihren Eltern, er von seiner Ehe, die gar keine mehr sein soll, aber nicht geschieden werden kann.

Man schaut sich in die Augen, wie sie’s in diesem und jenem Stück getan haben. Jetzt aber braucht die Szene keinen Regisseur mehr.

MARESA HÖRBIGER: »Meine Mutter musste sich entscheiden. Den Hans Jaray gab’s immer noch, und sie liebte ihn nach wie vor. In dieser Situation der Ratlosigkeit fuhr sie allein auf den Semmering, um in der Pfarrkirche von Mariaschutz zu beten, sie war ja ein sehr gläubiger Mensch. Sie hat in dem Gebet immer wieder die Frage gestellt, welcher der Richtige für sie sei. Da sie natürlich keine Antwort bekam, traf sie die Entscheidung selbst. Und ihre Wahl fiel auf meinen Vater. Sie hat sich für seine Kraft, seine Stärke, seine psychische Ausstrahlung, seine Lebenslust entschieden. Hans Jaray besaß diese Fähigkeiten nicht. So hat sie das immer beschrieben.«

Paula Wesselys Verbindung zu Hans Jaray wird nie abreißen, solange er am Leben ist. Auch dann nicht, als sie eine umstrittene Rolle in dem Regime spielen wird, das ihn unter Bedrohung seines Lebens vertreiben sollte.

Die Hörbigers

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