Читать книгу "… und er soll ein Romantiger sein!" - Georg Pachernegg - Страница 8

1.1. Ein kurzer Blick ins Geschichtsbuch

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Von der Jagd zurück

Die Partnersuche muss es ja in irgendeiner Form schon immer gegeben haben. Ansonsten wäre die Menschheit bestimmt längst ausgestorben und zwar sicherlich schon in der Steinzeit. Damals lief so etwas natürlich ganz anders ab als heutzutage, war im Normalfall genau dann von Erfolg gekrönt, wenn die auserkorene nette Steinzeitfrau vom heirats- oder besser gesagt paarungswilligen Steinzeitmann mit der dicken Stein(zeit)keule eins übergebraten bekommen hatte, von ihm alsbald an den Haaren in seine mühselig nach Feierabend und an den Wochenenden eigenhändig renovierte und ausgebaute Höhle geschleift, daselbst dann umgehend ‚in Besitz genommen‘ und mithilfe geeigneter sogenannter meinungsbildender Maßnahmen zur tätigen Mithilfe im Haushalt und zur Aufzucht der Brut motiviert werden konnte. Sie fand den Vorgang womöglich auch noch ganz okay so, weil ihr sowieso keine abweichende Haltung zustand und darüber hinaus seine Keule bekanntermaßen ja auch die dickste in der Gegend war: Das Thema Partnersuche war damit vorerst erledigt.

Die Beziehung der beiden Steinzeitler funktionierte aber nur so lange reibungslos, bis jemand mit einem noch kräftigeren Knüppel daher kam, den störenden Ehemann vielleicht sofort in die Ewigen Steinbrüche beförderte oder der dummerweise etwas entschlussschwachen Noch - Ehefrau mittels einer wie beiläufig aus seiner Lendenschurztasche gezauberten Halskette, kunstvoll gefertigt aus entschärften und polierten Säbelzähnen eines selbst erlegten gleichnamigen Tigers, ein nicht gut zu widerlegendes Argument für einen spontanen Höhlenwechsel lieferte. Insgesamt war so etwas damals ein überschaubares Prozedere, dessen Spielregeln auch keinerlei juristische Fallstricke bargen wie etwa heutzutage die Unterhaltsproblematik und die Regelung des Sorgerechts für den Nachwuchs im Scheidungsfall, das Erbrecht oder die Gütertrennung. Sie waren recht einfach nachzuvollziehen sowie jedermann bekannt, zumindest nach dem ersten Erlebens- oder Erleidensfall.

Die Alten Römer hingegen kannten bereits, ähnlich wie die noch etwas älteren Griechen, eine Partnerschaftsanbahnung, die die ‚patres familias‘ (lat.: Väter der Familien) betrieben. Diese alten Männer besaßen die ‚vitae necisque potestas‘, sie herrschten also über Leben und Tod ihrer Frau, ihrer Kinder und anderer im Hause lebenden Familienmitglieder, der Diener, der Leibeigenen und auch der Tiere. Sie konnten dementsprechend uneingeschränkt darüber bestimmen und mit anderen patres aushandeln, wen ihre Tochter oder ihr Sohn ehelichte. Die Liebe spielte in solchen Fällen eine untergeordnete Rolle, es ging in erster Linie darum, eine wirtschaftlich oder machtpolitisch interessante und sinnvolle Verbindung zweier Familien zu arrangieren. Das war vielleicht nicht so einfach für die ausgewählten Eheleute, aber bestimmt sehr interessant und lukrativ für die Väter.

Eine unbedeutende Zeitspanne von ein paar Jahrhunderten später, ungefähr kurz vor dem Mittelalter (in manchen Gegenden Süddeutschlands auch danach), jedenfalls in jener Zeit, als die Märchen entstanden, begann die Epoche, wo den Menschen allein schon das inbrünstige Wünschen stets irgendwie weiterhalf. Das Leben war deshalb bestimmt immer noch ziemlich übersichtlich und einfach damals, zumindest wenn man den richtigen Zauberspruch wusste oder sich mit den geheimen Kräften seltener oder seltsamer Pflanzen auskannte. Da fanden anscheinend Männlein und Weiblein zwar immer wie vom Schicksal vorbestimmt zueinander, in Wirklichkeit, wir wissen es inzwischen, war es aber Zauberei. Denn Magie hatte Hochkonjunktur damals, zu keiner Zeit vorher oder nachher gab es so dermaßen zahlreiche Hexen, Zauberer, Wahrsagerinnen und verwunschene Brunnen, Zwerge, Bäume, Tiere, Goldschätze und Schlösser. Auch das ist schon so lange her, dass mangels belastbarer Aufzeichnungen niemand mehr so ganz genau weiß, wie es wirklich war zur Zeit der Froschkönige, die sich vermittels eines Kusses auf die richtige Körperstelle in Prinzen verwandeln ließen. Dieses Phänomen funktionierte, wie man heute weiß, einerseits so zwar nur für wirkliche Prinzessinnen, andererseits aber förderte es extrem die Legenden- und die Mythenbildung für die Menschen als Gesamtheit. Sogar die hinlänglich bekannte Redensart, dass eine Frau, die sehr viel Zeit gebraucht hat, um einen guten Partner zu finden, „lange durch das tiefe Tal der Frösche gewandert ist“ hat, was den wenigsten Fachleuten klar ist, natürlich hier im Mittelalter ihren Ursprung.

Solche Geschichten sind zwar alle schön anzuhören, nützen uns in der heutigen Zeit allerdings nicht mehr viel, denn, wie wir alle wissen, werden speziell Frösche ja immer seltener. Folgerichtig stehen die meisten unserer heimischen Froscharten inzwischen unter strengem Naturschutz. Und alle 1€ - Kräfte aus den entsprechenden städtischen Ämtern sind daher strikt angewiesen, rigoros gegen jegliche Versuche von alleinstehenden Frauen vorzugehen, die armen Tiere nur auf eine vage Hoffnung hin und um des schnöden Abküssens oder brutal an die Wand Werfens willen aus ihrem vertrauten Habitat zu entfernen. Und ob das dieser Tage zwar sehr verbreitete, doch äußerst unappetitliche ‚Kröten mit dem Auto Plattfahren‘ in diesem Kontext überhaupt irgendeine Relevanz hat, ist ebenfalls nirgendwo belegt.

Das Problem der fehlenden oder unvollständigen Aufzeichnungen bleibt uns noch eine geraume Anzahl von Generationen lang erhalten. Die Geschichtsschreiber berichten immer fast ausschließlich nur von den Gewohnheiten der ‚Oberen Zehntausend‘, so als ob es nicht wirklich von Interesse sei, was das ‚Fußvolk‘ machte. Wir wissen jedoch wenigstens, dass es für die einfacheren Leute zumindest einmal im Jahr eine Art von Singlebörse gab: die sogenannte Andreas - Nacht. Nach altem Volksglauben ist die Nacht auf den 30. November dem Hl. Andreas geweiht, dem Schutzpatron der Liebenden und des Ehestandes, und demzufolge besonders geeignet für die Partnersuche. So entstanden zahlreiche regional begrenzte Brauchtümer und abergläubische Rituale, die das ungewollte Singledasein beenden helfen sollten, dass also speziell die Mädchen keine ‚Alten Jungfern‘ wurden.

Einige dieser Rituale haben sich, möglicherweise mangels geeigneter Alternativen, in manchen Gegenden bis in die heutige Zeit erhalten. Beispielsweise sollten in verschiedenen abgelegenen Gebieten die unverheirateten Mädchen in dieser Nacht, vorzugsweise unbekleidet (um dem Orakel mehr Kraft zu geben … natürlich nur deshalb), ein Brötchen mit drei Bissen aufessen. Derjenige Jüngling, der ihnen dann als nächster über den Weg lief, musste ‚daran glauben‘. (Wenn sie dann immer noch nackt waren, glaubte er bestimmt gern, auch wenn es vielleicht sogar ein Brötchen mit Zwiebelmett war.) Wie viele arme Mädchen sich allerdings bei einer solchen Aktion eine mittelschwere Lungenentzündung holten, daran elend zugrunde gingen und also anschließend dem regionalen Heiratsmarkt nicht mehr zur Verfügung standen, ist nicht überliefert.

Oder sie warfen ihre Pantoffeln über die Schulter in Richtung eines Apfelbaumes oder witterungsbedingt (wenn der Winter schon angefangen hatte) der Wohnzimmertür und diejenigen Mädchen, deren Schuhspitzen dann in Richtung Eingang zeigten oder deren Pantoffeln im Baum hängen blieben, würden noch in jenem Jahr heiraten. Konnte die betreffende Jungfrau dabei noch einen Hund aus einer bestimmten Richtung bellen hören, wusste sie auch sofort, von woher ihr Angebeteter wohl kommen würde, was die Angelegenheit deutlich vereinfachte. Es ist dummerweise aber ebenfalls nicht überliefert, wie oft man werfen durfte oder die Hunde bellen konnten. Wahrscheinlich jedoch mindestens drei-, sieben- oder zwölfmal hintereinander … Die Mädchen konnten sich auch um die Mitternachtsstunde herum schweigend (oha, allein schon das ist für weibliche Wesen ja fast unmöglich) aus einem Holzstapel einen Holzscheit herausziehen. War dieser gerade, gleichmäßig und gut gewachsen, so bekamen sie einen jungen und starken Ehemann. Erwischten sie jedoch ein ungerades Stück Holz, so war der zukünftige Ehemann krumm und alt.

Nach alten Überlieferungen holte man sich auch eine weiße Gans in die Stube und band ihr die Augen zu. Dasjenige Mädchen, vor dem die Gans stehen blieb, würde dann im kommenden Jahr heiraten. Vielleicht haben sich so oder so ähnlich auch Leda und der Schwan kennengelernt. Eigentlich sollte er bei ihr vielleicht nur Orakel spielen und ist dann direkt selbst in die Bresche gesprungen … na ja, Sie kennen die Geschichte ja hinlänglich.

Im Mittelalter war es, ähnlich wie im Altertum, in höheren Kreisen hauptsächlich Aufgabe der Familie, einen vermögenden und einflussreichen Heiratspartner für den Nachwuchs zu finden. Gerade in Adelsfamilien und bei mächtigen Clans übergab man allerdings gern einer Vertrauensperson diese Aufgabe, im Namen des Sohnes oder der Tochter diskret um ihn zu werben. Dieser Dienst wurde damals allerdings nicht kommerziell betrieben, so weit war man noch nicht, sondern ehrenamtlich. Die Partnerschaft konnte aber auch direkt durch den König selbst oder einen Landesherrn gestiftet werden, wenn er beispielsweise durch die Verheiratung eines linientreuen Ritters mit einer reichen Witwe eines anderen Ritters seinen braven Dienstmann belohnen oder gar politische Bündnisse schließen wollte. Wie die betroffene Witwe oder auch der Ritter selbst sich dabei fühlte, oder ob sie nach nur kurzer Ehezeit rein zufällig und aus Versehen von den Zinnen des höchsten Schlossturms stürzte und er alles erbte, oder ob er bald auf tragische Weise an einer Pilzvergiftung verschied, darüber deckte der jeweilige amtliche Geschichtsschreiber jedoch meistens sein staubgraues Mäntelchen des Schweigens.

Man kennt dank zahlreicher historischer Lehrfilme (wie etwa ‚Drei Nüsse für Aschenbrödel‘ oder dem ‚Tanz der Vampire‘) aber auch noch eine andere, öffentliche Form der Partnersuche. Sie wurde vor allem im ausgehenden Mittelalter und der ganz frühen Neuzeit immer beliebter, als in den Burgen regelmäßig Feste und Bälle veranstaltet wurden. Die crème de la crème der Gesellschaft traf sich, um zu tanzen, Neuigkeiten auszutauschen und einen potentiellen Ehepartner zu finden oder ihn finden zu lassen. Denn man kann sich unschwer denken, dass hinter den Kulissen der Festlichkeiten aus Spaß Ernst wurde und man kräftig um Verbindungen feilschte. Nicht immer unbedingt im Interesse derjenigen jungen Menschen, um die es ging, aber bestimmt zum Wohle derjenigen, die die Verbindungen aushandelten.

Für das Volk erfüllten die Dorffeste und Märkte, die anderen Hochzeiten, Beerdigungen und sonstigen Tanzveranstaltungen denselben Zweck. Anlässe gab es stets in Hülle und Fülle und wenn nicht, so wurden sie eben geschaffen. Frühlings-, Mai- und Erntedankfeste, Kirchen- und Schützenfeste, Kaisers Geburtstag und andere gaben der Dorfjugend die Chance, zu sehen und gesehen zu werden und ihr Können auf dem ‚Tanzboden‘ vor aller Augen unter Beweis zu stellen.

Denn die jungen Burschen, die das Mägdelein ihrer Wahl beim Ländler oder bei der Polka am ausdauerndsten ‚drehten‘, die es also am besten schwindelig machen konnten, sodass es ihnen nachher halb besinnungs- und ganz willenlos in die Arme fiel, waren die gefragtesten Tänzer. Das Ganze praktizierte man gern auch mal im Nachbardorf, um eine gewisse genetische Vielfalt zu gewährleisten und somit die Zahl der sogenannten Dorftrottel übersichtlich zu halten. Und natürlich auch, um die Suche nach dem möglichen Verursacher eines ‚Unfalls‘ zu erschweren.

Die Idee der in der Vergangenheit hier bei uns üblichen, in zahlreichen anderen Kulturen noch heute gebräuchlichen, entweder durch die Eltern oder den Vormund, durch den Lehnsherren oder den Arbeitgeber arrangierten Verbindungen zweier Menschen will ich jetzt und hier nicht großartig ausschmücken, da mich allein die Vorstellung schon schaudern lässt. Man muss jedoch sagen, dass dieses System anscheinend, trotz aller Vorurteile, die man natürlich als aufgeklärter Mensch so mit sich herumträgt, nicht unbedingt viel schlechter funktionierte oder noch immer funktioniert als alle anderen in unserem Kulturkreis bekannten, teilweise recht seltsamen, Methoden der Partnerschaftsanbahnung, eine entsprechend üppige Mitgift der Braut (wegen ihrer Wertigkeit), ein entsprechend hohes Alter des Bräutigams (wegen der Dringlichkeit), sowie natürlich auf beiden Seiten geschickte Verhandlungsführer (wegen der Gerechtigkeit) vorausgesetzt. Und beim Scheitern einer Beziehung konnte jeder der Beteiligten immer den Göttern oder dem Schicksal die Schuld geben und musste nicht sich als Person oder seine menschlichen oder auch partnerschaftlichen Qualitäten hinterfragen (lassen).

Wenn Sie also sowieso schon immer eine gewisse Affinität zu alten Bräuchen oder fremden Kulturen gehegt haben, warum nicht einfach mal ein kleines Risiko eingehen? Und wenn Sie neuerdings seltsamerweise immer öfter einmal heimlich fluchen: „Zum Teufel mit der bescheuerten Frauenbewegung, die führt eh zu nichts, seit vierzig Jahren nicht, da lasse ich mir jetzt lieber mal schön den Stuhl zurechtrücken, in den Mantel helfen und die Tür aufhalten!“, dann denken Sie doch ruhig mal etwas ausgiebiger über eine solche Art und Weise der Partnerfindung und Beziehungsführung nach. Es soll, so munkelt man, in verschiedenen abgelegenen Regionen Deutschlands wirklich noch einige sogenannte ritterliche Männer geben, welche solchen weiblichen Vorstellungen gern entsprechen. Solche künstlich hergestellten Partnerschaften (auch gern ‚Vernunftehen‘ genannt) waren und sind übrigens nicht zuletzt deshalb meistens so erfolgreich und langlebig, weil man zu keiner Zeit den ‚Fehler‘ machte, den Faktor Liebe überhaupt dabei mitzuberücksichtigen. Man warnte die infrage kommenden Menschen sogar davor, dies zu tun, mit grauslichen Geschichten darüber, wo die Liebe hinführt, wenn man nicht aufpasst und dass man's doch besser gleich ganz lassen sollte, siehe Romeo und Julia und zahlreiche andere, ähnlich traurige Geschichten über unglücklich liebende junge Leute.

Die Eheschließung zur Mehrung des Besitzes und zum Fortbestand der Familie waren das Eine, Wichtige, was die Männer zügig regeln mussten. Um sein Vergnügen kümmerte man sich in aller Ruhe und zwar nebenher und gar nicht heimlich, mit eigens dafür ausgebildeten, sehr oft hoch angesehenen Damen, den Mätressen, oder (als Sparvariante für die weniger begüterten Familien) mit den bedauernswerten Haus- und Dienstmädchen. Denn die wagten nicht, sich zu wehren und wurden, sobald sie schwanger waren, schnell in die Fremde (50 km waren in der nicht motorisierten Zeit meistens schon fremd genug) abgeschoben, wo sie dann heimlich und fürs Leben gedemütigt und gebrandmarkt niederkommen konnten. Die Liebe war erst an der Reihe, wenn die Ehe rund lief, also wenn die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der beteiligten Personen sowie besonders die Produktion von ‚standesgemäßem‘, natürlich zuerst männlichem, Nachwuchs in den berühmten trockenen Tüchern war.

Das Jahr 1695 allerdings brachte den ersten Schritt hin zu einer echten Partnervermittlung für jedermann mit sich. In einer englischen Zeitschrift suchte damals nämlich ein Herr von etwa 30 Jahren mit ansehnlichem Besitz“ „für die Ehe eine junge Dame mit einem Vermögen von ca. 3000 Pfund Sterling.“ Mit der Veröffentlichung dieses eigentlich doch recht banal klingenden kurzen Anzeigentextes direkt rechts neben der Rubrik ‚An- und Verkauf von Kutschen, Heuwagen und Pferdeschlitten‘ läutete das biedere englische Anzeigenblättchen „A Collection For Improvement Of Husbandry And Trade“ ohne es zu ahnen die Neuzeit der Partnersuche ein, auch wenn wir nicht wirklich wissen, ob die Annonce tatsächlich von Erfolg gekrönt war.

Und als dann vor nicht ganz 200 Jahren, in der Zeit der Romantik, die Verbindung von Partnerschaft und Liebe in der sich halbherzig selbst demokratisierenden bürgerlichen Gesellschaft wiederentdeckt und dazu gar den Frauen erlaubt wurde, Widerworte zu geben und auch noch wählen zu gehen, ja sogar als frauenrechtlerische Souffragetten verkleidet mit Stockschirmen und Handtaschen auf unbescholtene männliche Bürger einzuprügeln, nahm alles Übel seinen Lauf und die Grundlage für den heutigen Status Quo war somit geschaffen.

Schon unsere Urgroßeltern hatten mit diesem neuen Trend zur Liebesheirat zu kämpfen. Die hohe Zeit der Handwerksburschen auf der Walz, die auf ihrem Weg reihenweise die Herzen der Bauernmägde, herrschaftlichen Dienstmädchen, Biergarten - Kellnerinnen und anderer Dorfschönheiten brachen, ehe sie ein passendes Handwerksmeisters - Töchterlein zum Heiraten und Schwiegervater Beerben fanden, war vorbei und lebte nur noch in den alten sehnsuchts- und wehmutsvollen Wander- und Saufliedern der verschiedenen Zünfte weiter. Sich wie früher verkuppeln zu lassen war inzwischen verpönt, man wollte selbst (aus-) suchen und vor allem finden. Aber die Anzahl der heiratsfähigen Männer war dank zweier Kriege dermaßen dezimiert, dass die Frauen, speziell nach dem Zweiten Weltkrieg, zwar keine Frösche küssen, dafür aber jede Menge Kröten schlucken mussten, ehe sie ihrer sie aufmerksam beobachtenden Umgebung ein halbwegs vorzeigbares Exemplar ‚Mann‘ präsentieren konnten.

Es waren ja fast nur die ‚kriegsuntauglichen‘ Männer übrig geblieben (alle anderen waren tot), welche zu alledem vielleicht auch für den Kriegsschauplatz Ehe nicht sonderlich geeignet waren, oder nachher dann die seelisch oder körperlich halbzerschossenen Heimkehrer. Probleme wie Gewaltexzesse, Alkoholismus, Depressionen oder Traumatisierungen jeglicher Art wurden jedoch von den Ehefrauen und den betroffenen Familien, aber auch von Nachbarn und Bekannten einfach totgeschwiegen oder ignoriert, genau wie man fehlende Arme und Beine und große Altersunterschiede nur hinter vorgehaltener Hand leise betuschelte.

Die Hauptsache war, dass man jemanden mit einem regelmäßigem Einkommen hatte für den Neuanfang. Oft sickerten nach ein paar Jahren ganz üble und traurige Geschichten von geborstenen Partnerschaftsfassaden aus der Verwandt- oder Nachbarschaft ans Tageslicht, Begebenheiten, die man als Kind oder Halbwüchsiger allerdings womöglich hochinteressant und spannend fand oder vielleicht sogar lustig, weil man die eigentlichen Zusammenhänge natürlich nicht begriff.

Gern denke ich übrigens auch an meine eigenen frühen Erfahrungen bei und mit der Partnersuche zurück. Die Rahmenbedingungen waren, dank der miefigen Moralvorstellungen in jener Zeit, nicht wirklich unkompliziert, doch man stand nicht so unter Erfolgsdruck wie in späteren Jahren als älterer Mensch. Zwar gab es im Normalfall separate Unterrichtsstätten für Mädchen und Jungen, aber man wusste, wo die Schulen der Gegenseite waren und wo der der/die Angehimmelte immer herging. Zwar traute man sich nicht, einfach mal jemanden auf der Straße anzusprechen, aber man rekrutierte mit etwas Glück den passenden Menschen aus dem Freundeskreis seiner Geschwister, wenn man welche hatte, seiner Jugendgruppe oder später am Arbeitsplatz oder aus dem Sportverein. Drohten dennoch alle Stricke zu reißen, gab es da immer noch das seinerzeit beliebte Gegenstück zur heutigen Singlebörse: die Partnersuche per Zeitungsanzeige.

Damals … wissen Sie noch? In der Zeit, als wir alle noch schaudernd dachten, Internet hätte irgendwas mit Internat zu tun? Und niemand wollte anfangs damit in Kontakt kommen? Da schrieb man lieber einen mehr oder weniger gelungenen Vierzeiler, etwa mit der sinngemäßen Aussage: „Junger Alkoholgegner möchte sich mit Dir auf ein Glas Wein und ein tiefgehendes Gespräch treffen!“ und fertig war die Kleinanzeige in der dicken Wochenendausgabe des lokalen Käseblättchens.

Einige Zeit später dann bekam man, mit etwas Glück, vom Zeitungsverlag einen dicken oder, wie ich meistens, einen eher dünnen braunen Briefumschlag zugeschickt, mit einem Päckchen von Zuschriften an einem Treffen interessierter Wein - Liebhaberinnen, militanter Temperenzlerinnen (oder waren es Tempeltänzerinnen? ich hab's vergessen) oder notorischer Quasselstrippen.

Allein das Lesen dieser Briefe, ganz zu schweigen von den oft beigefügten, auch damals schon zuweilen recht seltsam anmutenden ‚Bewerbungsfotos‘ der jungen Damen und den schönen Briefmarken auf den Umschlägen (die ich immer meinem Vater für seine Sammlung gab), darüber hinaus noch irgendwelchen nächtlichen Träumereien von den aus einigen der Zuschriften möglicherweise resultierenden Begebenheiten für das persönliche (Er-)Leben in der näheren Zukunft, hatte ja einen hohen Unterhaltungswert. Der Zwanziger für die Annonce war immer gut investiertes Geld und garantierte, auch wenn die seinerzeit ausgewählte Lambrusco - Sorte vielleicht eher preiswert und von zweifelhafter Qualität war, einen interessanten und kurzweiligen Abend, zumindest ab der zweiten Gallone und im Beisein eines oder mehrerer Leidensgefährten.

An dieser Stelle auf dem Zeitstrahl ist, statistisch betrachtet, zum ersten Mal, je nach Verbreitungsgebiet der betreffenden Zeitung, eine deutliche räumliche Ausdehnung des Suchbereichs festzustellen. Stammte früher die Partnerin oder der Partner maximal aus dem Nachbardorf (außer bei den wandernden Handwerksburschen), konnte inzwischen die zu überbrückende Distanz schon mal 30 bis 40 km betragen. Aber kein Problem, es gab ja Straßenbahnen oder man hatte ein Moped, oder später sogar einen VW Käfer. Meine weiteste Fernbeziehung passierte 500 km von meinem Heimatort entfernt, da war jedes Mal allein schon die An- und Abreise ein kleines, spannendes Abenteuer. (Inzwischen kann man sich Suchergebnisse aus aller Welt auf den Bildschirm holen, speziell bei bestimmten Männern sind ja Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion oder aus Fernost beliebt, besonders dann, wenn sie kein Deutsch können und zusätzlich eine minderjährige Tochter in die Beziehung mitbringen.)

Jedoch, ich muss es Ihnen in aller gebotenen Härte sagen, alle diese Überlegungen nützen nichts. Sie wissen es selbst, romantisierende Rückbesinnungen auf das ach so einfache Leben in früheren Zeiten sind nicht gefragt, weil nicht zielführend. Sie leben im Here And Now, Sie müssen hier und jetzt aktiv werden, nicht herumreden oder hadern, wenn Sie Resultate sehen wollen. Nehmen Sie lieber (anstatt irgendwelcher Frösche) einfach mal Ihre Angelegenheiten selbst in die Hand und verlassen Sie sich nicht auf Ihr Schicksal, das kann höchstens im Hintergrund ein paar Fäden für Sie ziehen, mehr nicht.

Nehmen Sie sich ein Beispiel an der „Mondkriegerin“ aus Dortmund. Sie macht es richtig, sie geht direkt aufs Ganze, sogar eine Geschlechterspezifizierung hat sie in ihrem Profiltext und wohl auch in ihrem Leben bereitwillig über Bord geworfen: „Bin 56 und suche Menschen zum Schreiben, vieleicht auch zum kennenlernen. Mache fast jeden spaß mit. Offen für alles, habe schon viel in meinem Leben erlebt.“ Aber vielleicht will sie ja auch nur Erfahrungen sammeln, um ein Buch darüber zu schreiben, genauso wie ich es getan habe.

Folgen Sie einfach sorgfältig und Schritt für Schritt den Anweisungen dieses Ratgebers und Sie werden sehen, alles wird sich schon bald wie von selbst zusammenfügen. Aber lassen Sie sich ruhig Zeit beim Lesen, damit Ihnen auch keine wichtigen Punkte ‚durch die Lappen gehen‘. Auf ein paar Tage kommt es jetzt ja auch nicht mehr an. Ich könnte Sie auch, wenn Sie wollen, demnächst mal abfragen, zwecks einer kleinen Bestandskontrolle dessen, was Sie hier gelernt haben. Geben Sie mir dann einfach Bescheid, wann es Ihnen passt, ich habe Zeit. Aber wirklich nur wenn Sie wollen.

Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Börse oder auch mehrere kann und will ich Ihnen natürlich nicht abnehmen. Das muss ganz allein Ihre eigene Angelegenheit bleiben. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, müssen bedacht und gewichtet werden. Und jede(r) hat einen eigenen Geschmack. Aber es gibt trotz alledem ein paar grundlegende Anregungen zur Vorgehensweise, die Ihnen bei der Entscheidungsfindung behilflich sein können und die ich hier zu Ihrer Erbauung, Unterstützung und Ermutigung gern kolportieren will.



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